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Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net

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Das Essen widerte sie an; die Reissuppe, die die Schwester ihr fast gewaltsam aufdrängte,<br />

hatte sie gleich wieder erbrochen. Der Senkawa-Kanal war ganz mit Eis bedeckt.<br />

Takae konnte nicht mehr ins Streiklokal gehen, sie mußte ihre beiden Kranken pflegen. Durch<br />

Genossinnen der Frauenabteilung, die sie zuweilen besuchten, hörte sie, daß die Stimmung<br />

der Gruppe ganz gesunken und gebrochen war.<br />

Niedergedrückt saß sie an Okayos Kissen. Dunkel und schwer lastete die Nachricht auf ihren<br />

Gedanken, daß die Fabrik die Aussperrung aufgehoben und mit großen Kosten und vieler<br />

Mühe etwa dreihundert Streikbrecher gesammelt und mit ihnen die Produktion wieder in<br />

Gang gebracht habe.<br />

" Wir suchen Schriftsetzer, Buchdrucker und Anleger", hatte eine einfache, aber sehr große<br />

Anzeige in den Zeitungen sich der Sturmflut der Erwerbslosen entgegengeworfen. Es war ein<br />

harter Schlag gegen die Streikenden, die so plötzlich die Kälte des Jahresendes doppelt<br />

spürten. <strong>Die</strong> Gesellschaft hatte nach der Generalaktionärsversammlung alle Posten von<br />

Direktoren und Angestellten neu besetzt und begann ihre Magazine wieder aufzubauen. Groß<br />

aufgemachte Begrüßungsartikel in allen Zeitungen setzten die Kunden von der<br />

Wiederaufnahme der Arbeit in Kenntnis. Gleichzeitig ließ die Entlassung von 2700<br />

Streikenden den unbeugsamen Willen Okawas erkennen. <strong>Die</strong> Einigungsvorschläge der Bürger<br />

des Kotshikawabezirks wie der Vermittlungsversuch des Chefs des Kotshikawa-Polizeiamts<br />

wurden rundweg abgelehnt. Auch ein buddhistischer Oberpriester hatte aus demselben<br />

Grunde Okawa aufgesucht. Der äußerst würdige Priester hielt diesem harten reichen Mann<br />

eine Predigt, warnte ihn, auf seine Erfolge und seinen Reichtum stolz zu sein und wollte die<br />

Massen retten. Der Priester glaubte, diesen Auftrag vom Himmel selbst erhalten zu haben. Es<br />

gab alte Vorbilder, die ihn in seiner Handlungsweise bestärkten. Aber der Weltmann hatte ihn<br />

gar keiner Antwort gewürdigt. Nachdem er etwa zehn Minuten lang geredet und sich dann<br />

von seinem Sessel erhoben hatte, sagte Okawa nur:<br />

" Ich danke vielmals für Ihre Bemühung. "<br />

<strong>Die</strong> niedergedrückte Stimmung entstand nicht nur aus all diesen Gründe». <strong>Die</strong> vielen Opfer<br />

hatten große Lücken in die Gruppen der Kämpfer gerissen, und in die leeren Stellen schlichen<br />

sich jetzt die Spitzel der Gesellschaft. Im kalten Wind des Jahresendes flatterten traurig die<br />

Jahrmarktsfahnen.<br />

Hagimura stand früh auf, steckte seine Füße in die Strohsandalen und verließ zum ersten Male<br />

sein Haus. Nur weil bei dem Schlag, den er bekam, der Knochen nicht verletzt war, konnte<br />

die stark schmerzende Wunde verhältnismäßig schnell verheilen.<br />

Er wollte sich nach der Lage des Streikbüros erkundigen und dann Takae danken und Okayo<br />

besuchen.<br />

Jedesmal wenn er an einen kleinen Stein stieß, fühlte er schmerzhaft seine Kopfwunde.<br />

" Donnerwetter, du läufst ja schon, schadet die das nicht?" schrie Takae laut und erstaunt, als<br />

er in der Tür erschien. "Ach, es geht schon wieder, ist gar nicht so schlimm." Er begrüßte den<br />

alten Vater, dankte Takae und sah der Okayo, die auf den Matten lag, in das bleiche Gesicht.<br />

"Ich habe gehört, du hast Miatji getroffen. "<br />

" Ja", nickte Okayo, dann sagte sie weiter: "Furchtbar - - sein Gesicht." Den Schluß<br />

verschluckte sie in der Kehle. Seit sie wieder zu Hause war, lag sie apathisch auf ihren<br />

Kissen.<br />

" Ach was, in einem Jahr ist er wieder gesund zurück, es war doch nur der Versuch zu einem<br />

Attentat. " Takae wollte die Schwester aufheitern. Aber Hagimura schwieg. "Hat die<br />

Gesellschaft die Fabrik wieder aufgemacht?" Takae nickte und fragte dann: "Hat man dir auch<br />

deine Entlassung mitgeteilt?" Sie nahm vom leeren Bücherschrank zwei Postkarten und zeigte<br />

sie ihm. Der kranke Vater seufzte tief auf. "Haha. .. entlassen auf Grund der Fabrikordnung ...<br />

na ... nein, ich habe nichts bekommen. "<br />

Er besah die andere Seite der Karte und sagte:<br />

" <strong>Die</strong> Hunde, sie denken, daß sie mich nicht erst besonders benachrichtigen brauchen. " Er<br />

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