Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net
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" Was mach' ich damit?" Takae streckte dem Jungen ein schwarzes verknautschtes Ding hin,<br />
das sie in der Hand hielt.<br />
" Was hast du da?" In der Dunkelheit erkannte er eine Kokarde. Es war eine Polizeimütze.<br />
Unter ihnen schäumte in weißen Streifen der Fluß an die Ufer.<br />
" Na, du wenigstens sollst Wasser schlucken!"<br />
Wie eine Fledermaus überschlug sich der Lumpen und klatschte ins Wasser.<br />
Laßt die Fahne nicht rauben!<br />
Zwei Gestalten hielten im vollen Lauf schützend die Fahne. Es waren Morohachi, der<br />
Gruppenleiter und Kamei, die vom Wege abgekommen waren. Mitten im Lauf merkten sie<br />
plötzlich, daß sie gerade dorthin liefen, wo die meisten Feinde waren.<br />
" Warte", flüsterte Kamei. Zu ihrer Rechten floß ein reißender, etwa vier Meter breiter Fluß.<br />
"Sicher ist das ein Nebenfluß des Ojikawa. "<br />
Morohachi wandte sich im Laufen nach dem schäumenden Wasser. Sie rannten über die<br />
Brücke; der Lichtschein über der Stadt schien den richtigen Weg zu zeigen.<br />
" He!" Morohachi hielt plötzlich und stieß nach Kamei mit der Fahnenstange, daß der fast<br />
gestürzt wäre.<br />
" Was denn?" Aufblickend sah Kamei vier oder fünf Polizisten, die in etwa zwanzig Meter<br />
Entfernung ihnen entgegen kamen, sie waren an den funkelnden Säbeln genau zu erkennen.<br />
Beide rannten bis zur Brücke zurück. Gerade wollten sie sich in einer kleinen Gasse<br />
verstecken, als Kamei plötzlich erschrocken aufschrie. Ein Kriminal sprang aus der Gasse<br />
heraus, packte Kamei und versuchte ihm den Arm auszudrehen. "Hunde!"<br />
Ohne die Polizisten auf den Fersen wären sie leicht entkommen, so war es schon zu spät.<br />
Vielleicht konnte Kamei entwischen, aber mindestens einer wurde doch gefaßt.<br />
" Hallo, hierher", schrie der Kriminal, der neuen Mut faßte, als er die Schritte auf der Brücke<br />
hörte.<br />
Kamei nahm die Fahne und verließ den Genossen. <strong>Die</strong> Müdigkeit und der Schmerz von dem<br />
eben erhaltenen Schlag lasteten wie eine Mauer auf seinem Rücken.<br />
Als er die Hand des Polizisten auf seiner Schulter spürte, sprang er, die Fahne im Arm, in das<br />
rasende Wasser--------<br />
Wie vom Wind fortgewehtes Papier flogen die Massen aus den Gassen heraus flohen durch<br />
die Hauptstraße und zerstreuten sich in alle Winkel der Vorstadt Oji. Auf dem Platz vor der<br />
Fabrik fuhren die Polizeiautos hin und her. Der Polizeileutnant hetzte mit heiserer Stimme<br />
seine Leute herum.<br />
In einem Cafe, das in der ersten Etage eines Hauses am Platz lag -es war natürlich wie alle<br />
anderen Läden geschlossen - öff<strong>net</strong>en zwei zitternde Kellnerinnen ein wenig die Tür und<br />
glotzten auf die grausigen Vorgänge dort unten. Deshalb bemerkten sie beide nicht, wie durch<br />
eine andere Tür leise ein Gast in den ersten Stock kam, sich <strong>ohne</strong> Hast an einen Tisch hinter<br />
ihnen setzte, seinen Hut aus dem Gesicht schob und den Mantelkragen herunterschlug.<br />
"Hallo, bitte ich möchte etwas essen." <strong>Die</strong> jungen Kellnerinnen kreischten erschrocken auf.<br />
"Geben Sie mir, was Sie gerade haben. "<br />
Der Gast schien ganz ruhig, er hatte seinen Hut aufbehalten, nahm eine Zigarette aus der<br />
Tasche und steckte sie mit der <strong>linke</strong>n Hand in den Mund.<br />
" Na, paß doch auf, gib mir Feuer."<br />
<strong>Die</strong> Kellnerin schreckte auf, aber durch sein gutmütiges Lächeln beruhigt, reichte sie ihm ein<br />
brennendes Streichholz.<br />
<strong>Die</strong>ser Gast schien Bescheid zu wissen, was für Geschäfte die Mädchen in diesem Hause<br />
machten; er lächelte der älteren zu und zwinkerte mit den Augen. <strong>Die</strong> Kellnerin zog ihre fettig<br />
glänzende Stirn kraus und sah den Gast unsicher an. "Das ist aber eine Unruhe heute!"<br />
Ehe sie den Satz beenden konnte, nahm er ihre Hand und rückte zur Seite.<br />
" Also bring' mir Wein. "<br />
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