Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net
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II. Kampf in der Fabrik<br />
<strong>Die</strong> schwarzen Schatten sprangen von der Höhe der Mauer in die Tiefe, das riesige,<br />
schwerbewaff<strong>net</strong>e Kriegsschiff ging in diesen schwarzen Schatten unter. Auch im Innern der<br />
Fabrik lag alles in Finsternis. Geruch von verrosteten Eisen und Chemikalien stand im<br />
Dunkeln wie von verwesenden Leichen.<br />
Sie stießen in Trupps zu drei und fünf Mann vor.<br />
<strong>Die</strong> Fahnen waren ihre Kompaßnadeln, zeigten ihnen den Weg - sie schwankten hocherhoben<br />
bis zum Hofplatz der Fabrik, wie Bojen auf stürmischen Wellen. "Vorsicht!"<br />
" Macht keinen Streit untereinander!"<br />
<strong>Die</strong> schwarzen Schatten krochen auf dem Boden oder rannten dicht an der Betonmauer hin; in<br />
der Mitte die Frauen und Kinder; sie waren darauf gefaßt, daß der Feind jeden Augenblick<br />
hervorspringen würde. . . Finster lag der Platz da. Der Feind ließ sich nicht sehen; er<br />
versteckte sich im Dunkeln und verriet sich durch keinen Laut. Auf dem Hofplatz sprang<br />
Geschrei auf, Fahnen wurden wild geschwenkt und zerschnitten die Finsternis.<br />
<strong>Die</strong> schwarzen Schatten schlossen sich zu einem wirbelnden Strom, in dem es kochte und<br />
Blasen aufstiegen.<br />
Dann aber stürmten sie, sich teilend, brüllend in die Bürogebäude der Fabrik. In einem<br />
Fenster der dritten Etage schwankte verlegen ein einsames Talglicht und irgendwo klingelte<br />
ein Telephon, als ob es zerrissen würde.<br />
" Heraus mit dem Direktor!" schrie ein Arbeiter, der allen voran war, vor der Glastür.<br />
Etwa fünfzehn Gesichter von Angestellten duckten sich leichenblaß auf einem Haufen hinter<br />
einem Schreibtisch und wackelten verlegen auf ihren Hälsen. "Wer hat uns entlassen?"<br />
Von der Treppe her drohten die Schritte der Massen: "Macht die Tür auf!"<br />
<strong>Die</strong> Glastür zersprang und über ihre Trümmer drängten die empörten Gesichter mitten ins<br />
Zimmer.<br />
" Macht doch keine Dummheiten, der Herr Direktor ist doch nicht hier. " Einer kam bis an<br />
den Geldschrank vor und antwortete, vor Erregung zitternd. Aber gleich brüllten ihn die<br />
Arbeiter an. "Wer hat uns entlassen?"<br />
Der Vollbart, der eben das Wort geführt hatte, entgeg<strong>net</strong>e: "Der Chef der Personalabteilung,<br />
aber der ist nicht hier - nein - der ist nicht hier!"<br />
Einige Wachskerzen stürzten vom Tisch und das Wachs floß auf den Teppich. Einer von den<br />
Angestellten schob ängstlich seine Hand an den Türgriff rechts hinter ihm. Der Mann mit dem<br />
Vollbart suchte die Angreifer zu beschwichtigen und durch Ausflüchte zu überlisten. "Lüge<br />
nicht. Du bist ja der Personalchef selber!" Aus der Menge zeigte ein Mann <strong>ohne</strong> Hut mit dem<br />
Finger auf ihn. Das Gesicht des Vollbärtigen verzerrte sich angstvoll. Der Mann, der auf ihn<br />
zeigte, war ein von ihm entlassener Arbeiter.<br />
Der Tisch wurde umgeworfen, alle Lichter stürzten um, der Wandschirm krachte zusammen.<br />
Alles brüllte und stampfte durcheinander. Da ging die hintere Tür auf, blanke Säbel<br />
schimmerten durch das Dunkel, fünf riesige Männer, Werkfaschisten, drängten sich herein. In<br />
die zornigen Gesichter kam Bewegung, sie drängten nach rückwärts. Schritt für Schritt<br />
wichen sie vor den blanken Säbeln zurück und zwängten sich durch die zerbrochene Tür auf<br />
den Korridor. <strong>Die</strong> Finsternis schluckte die Stimmen, die Nerven spannten sich vor Erstarrung.<br />
Ein herabgefallenes Licht sengte den Teppich an, eine kleine schwelende Flamme beleuchtete<br />
das triumphierend grinsende Profil des vordersten Werkfaschisten.<br />
" Hunde!" Aus der Masse auf dem Korridor stieß eine blanke Fahnenspitze vor - der<br />
Getroffene schrie röchelnd auf, schwankte und klappte schlaff zusammen. Wieder leuchteten<br />
die Spitzen der zusammengerollten Fahnen, sie drangen durch die Tür bis zur Mitte des<br />
Zimmers. <strong>Die</strong> schimmernden Säbel und die leuchtenden Fahnenspitzen stießen, wie<br />
mag<strong>net</strong>isch angezogen, gegeneinander. Endlich wurden die Schwerter an die Wand gedrückt.<br />
Jetzt schleuderte ein Mann, die Gelegenheit wahrnehmend, eine Handvoll Pulver den<br />
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