08.12.2012 Aufrufe

Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net

Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net

Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Er hatte seit gestern abend nichts gegessen. Takae sah in das kleine Cafe hinein, es fiel ihr ein,<br />

daß sie auch noch nicht gegessen hatte. Bei der Entlassung gibt die Polizei am Morgen kein<br />

Essen mehr. "Dann esse ich auch. "<br />

Als sie durch die Glastür in das schmutzige Lokal eintraten, erschienen aufdringlich die<br />

kleinen Mädchen - Willkommen - und musterten unverschämt das Paar. <strong>Die</strong> Wand des<br />

Raumes war mit weißem Lack gestrichen; sie waren die einzigen Gäste. Das war ihnen<br />

angenehm. Als sie sich gegenübersaßen, befiel beide eine Schüchternheit und sie mußten sich<br />

zwingen, ein Gespräch in Gang zu bringen. Hagimura sprach von der Resolution der gestrigen<br />

Sitzung der höchsten Streikleitung.<br />

" Ja, Takae, der Streik wird immer komplizierter." Sie wußte garnicht, was inzwischen<br />

passiert war und hörte, während der leere Blick durch den Raum schweifte, die Entwicklung<br />

der Ereignisse, die Tatschen, von denen Hagimura erzählte.<br />

Oji-Papierfabrik und Klischeedruckerei sowie Nippon-Lampenfabrik hatten vorgestern<br />

gleichzeitig alle Arbeiter, die bei dem im Rat revolutionärer Gewerkschaften Japans<br />

zusammengeschlossenen Verbänden organisiert waren, entlassen. <strong>Die</strong> Leute hatten gegen<br />

diese Maßregelung protestiert und waren in den Streik getreten.<br />

" Und was soll jetzt werden?" sagte sie plötzlich nach langem Stillschweigen. In der Theorie<br />

erkannte sie recht gut, wie sich die Verhältnisse zwangsläufig zuspitzten. Sie sprach zornig,<br />

als ständen unsichtbare Feinde vor ihr.<br />

" Was werden wird? - Es gibt nur eins: noch einmal zum letzten Kampf mit allen Kräften -<br />

vollständiger Sieg oder Untergang." "Das ist alles?" Takae sah auf das zerzauste Haar<br />

Hagimuras und zeigte deutlich ihre Unzufriedenheit mit seiner Antwort. Von drinnen brachte<br />

das Mädchen zweimal Curry-Reis und stellte ihn wenig liebenswürdig vor die beiden. <strong>Die</strong><br />

Löffel waren hier und da rostig. <strong>Die</strong> weichen <strong>Sonne</strong>nstrahlen, die durch die Milchglasfenster<br />

hereindrangen, spiegelten sich in den weißen Lackwänden. "Das ist nicht alles, es kommt<br />

noch etwas", bemerkte Hagimura, nachdem er einen Bissen Reis gegessen hatte.<br />

" Gesamtangriff gegen die gesamte Front des Kapitals", lachte er schrill, seine Aufregung<br />

zwischen den Wimpern versteckend. "Der Hauptakt des Streiks wird morgen beginnen -<br />

Gesamtmobilisation aller Streitkräfte, alle Mann an Deck - aber das muß noch geheim<br />

bleiben."<br />

Takae antwortete nur mit den Augen, mit einem Lächeln um den Mund meldete sie sich zur<br />

Stelle: Alle Mann an Deck!<br />

" Das wird wunderbar!" Sie sah vergnügt auf die starken Schultern ihres Gegenübers. Obwohl<br />

sie beide bisher oft zusammen gearbeitet hatten, hatte sie Hagimura immer nur als Vorbild<br />

und als guten Berater angesehen. <strong>Die</strong>ser Mann mit dem starken Bart und den breiten<br />

Schultern war ein typischer Westjapaner. Sein Gesicht war aus großen und kräftigen Linien<br />

gebildet.<br />

Hagimura hielt plötzlich im Essen ein und hob den Kopf, sie fühlte sich ein wenig beschämt,<br />

ihn so lange angesehen zu haben. "Ach, wie dumm, ich habe zu wenig Geld, ich habe gar<br />

nicht daran gedacht." Er war verlegen.<br />

" Ist nicht so schlimm, ich habe noch einen Yen bei mir." Er klopfte mit seiner Hand auf den<br />

Gürtel. "Gerettet, dann werde ich also noch einmal essen." "Bitte schön", lachte sie.<br />

In diesem Augenblick huschten einige Schatten über die Glastür und verschwanden sofort<br />

wieder. Takae hatte zufällig hingesehen, aber nichts Auffälliges daran gefunden.<br />

" Dann gibt es Generalstreik", setzte sie die unterbrochene Unterhaltung fort, während der<br />

Mann den Tee eingoß.<br />

" Wenn es dazu kommt, muß man unbedingt dafür sorgen, daß der Kampf sich politisch<br />

auswirkt. Ich habe bei Tarui nichts davon gesagt, weil das auch geheim bleiben muß. In der<br />

nächsten ZK-Sitzung der Arbeiterund Bauernpartei soll eine Aktionsresolution über diesen<br />

Streik gefaßt werden. " Als Hagimura sich den zweiten Teller nahm, sah Takae zufällig auf<br />

die Glastür. "Was ist denn da los?"<br />

59

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!