Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net
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den Kissen.<br />
<strong>Die</strong> Nachbarin ging nachts mit ihren beiden Kindern Eßwaren verkaufen.<br />
Ihr Körper war wild und gesund wie ihre Sprache.<br />
Aber die Gesellschaft wird nicht nachgeben. Sie nehmen nur neue Arbeiter." Der Alte konnte<br />
seine Zunge nicht im Zaum halten."<br />
" Was?" sah die Frau den Kranken an, der ganz verlegen wurde.<br />
" Nein. . . ich. . . weiß nicht, ob es wahr ist oder nicht, ich habe das nur so von Herrn Yoshida<br />
gehört.! - Aber das ist doch nicht schlimm." Der kranke Vater schielte ängstlich in das weiße<br />
Gesicht der Frau, die im Schneeland (Anm.: Auf Hokkaido, der Nordinsel Japans) geboren<br />
war."<br />
" Woher kennst du denn Yoshida?"<br />
<strong>Die</strong> Frau legte die Feuerschaufel, in der sie Glut für den kleinen Ofen den Kranken gebracht<br />
hatte, auf den Boden.<br />
" Er war mein Meister. " Vor Überraschung schwieg die Nachbarin, die auch in diesen<br />
Büchern<br />
gelesen hatte.<br />
" Aber Vater, es hat doch keiner gesehen, daß Arbeiter in die Fabrik gehen,"<br />
<strong>Die</strong> Frau suchte nach einem rettenden Gedanken.<br />
" Nein, man hat die Männer unter Planen wie die Säcke auf Pferdewagen<br />
in die Fabrik gefahren. "<br />
Das Unwetter hatte nachgelassen, nur zuweilen klapperten die vom Wind gejagten<br />
Hagelschauer eintönig gegen die Haustür. "Ah, so macht man das!"<br />
Jetzt begriff die Frau manches - der Mann von Oka-tjan, die auf der anderen Seite wohnte,<br />
war seit zwei Tagen nicht gesehen worden, und Harbo, ein anderer Nachbar, war gestern<br />
nacht auch nicht heimgekommen. Sie schlug ihr Kleid um das Kind, das sie auf dem Rücken<br />
trug, und legte die mitgebrachten Holzkohlen in den Porzellanofen. "Nur nicht bange sein,<br />
Vater, und nicht ungeduldig werden - ich bringe dir nachher, wenn ich es fertig habe, zu<br />
essen." Das Holzbrett über dem Graben klapperte, als die Nachbarin nach Hause ging.<br />
Auf der Hauptstraße, an der Ecke der dritten Barackenreihe, stand ein Handwagen. Mit<br />
vorsichtigen Schritten ging ein Lumpenhändler den Weg, der zu den Baracken führte,<br />
hinunter. Er hatte sein Gesicht in einem schwarzen Schal versteckt, ein Mann im Arbeitskittel<br />
ging hinter ihm. <strong>Die</strong> beiden traten in die erste Tür der Baracke, in der auch Takaes Familie<br />
wohnte. Sie kamen nach kaum zwei Minuten mit einem großen Bündel beladen, - es sah aus,<br />
als sei ein Mensch darin - heraus und luden es auf den Wagen.<br />
Dann fuhr der Lumpenhändler den Wagen in das Hintertor der Fabrik, kam allein zurück und<br />
ging in die Gasse zwischen der dritten und vierten Barackenreihe.<br />
Mitten auf der schmalen, ungefähr einen Meter breiten Gasse blieb er erstaunt stehen. Vor<br />
ihm standen zwei Burschen, ebenso erstaunt wie er selbst - und diese Jungen hatten ihn gleich<br />
an den Augen erkannt, denn der schwarze Schal ließ nur seine Augen frei. Wortlos starrten sie<br />
einander an. Der eine Junge war klein und hatte einen lächerlich großen Kopf, der andere lang<br />
und aufgeschossen, mit auffallend dicken Backen; beide standen auf Vorposten und sollten<br />
gerade diesen Lumpenhändler aufspüren. Aber der war ihnen jetzt über: dieser<br />
Lumpenhändler war ihr Meister, und wenn sie mit ihm allein waren, wurden sie ängstlich und<br />
feige.<br />
" Sanko!" rief der Lumpenhändler den großköpfigen Jungen an; er verstand nicht, was die<br />
Jungen hier machten und suchte in den Bewegungen ihrer Augen ihr Vorhaben zu erkennen.<br />
Alle drei schwiegen und hielten den Atem an, aber bald hatte der Lumpenhändler wieder<br />
seine Überlegenheit über diese Burschen gefunden, die nur seine Untergebenen und grüne<br />
Jungen waren. "Ihr seid doch noch Kinder, macht keine Dummheiten, habt ihr denn ganz alle<br />
Dankbarkeit vergessen?" "Dankbarkeit - - ?"<br />
<strong>Die</strong> beiden sahen sich groß an, Sanko legte den Kopf schief zwischen seinen schmutzigen<br />
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