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Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net

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Aber Hagimuras Standpunkt als Gewerkschaftler konnte leicht mit dem Standpunkt der<br />

selbständigen Genossenschaften in Konflikt kommen. Es war notwendig, sich von der alten,<br />

falschen Anschauung freizumachen, die die Genossenschaft nur als Proviantabteilung der<br />

Gewerkschaften betrachtete.<br />

" Deshalb darf die Kotshikawa Kyodosha als Genossenschaftsverband", beriet Hagimura mit<br />

Hirovka und Ito, als sie in seiner Kammer zusammenkamen, "nicht den Wiederaufbau der<br />

Genossenschaft vergessen, wir müssen stets und in jedem einzelnen Fall daran denken, ganz<br />

gleich, ob wir in diesem Streik unterliegen oder siegen. Von diesem Gesichtspunkt aus. . . "<br />

Hagimura fragte die beiden um ihre Meinung, nachdem er ihnen den Beschluß der<br />

Gruppenleitersitzung mitgeteilt hatte. Hirovka entschied: "Meiner Meinung nach könnte man<br />

noch eher die Lieferungen teilweise ganz einstellen, das steht absolut nicht in Widerspruch<br />

mit der Idee der Genossenschaft. "<br />

" Genosse Ito!" riefen die Genossen vom Hof. Sie kamen alle mit Lebensmittelkarten.<br />

" Tja, tja, das ist wahr, alle sind in einer schlechten Lage, wen soll man da aussuchen?" sagte<br />

Ito; er konnte es sich nicht vorstellen, daß er all die bekannten Gesichter wieder mit leeren<br />

Händen nach Hause schicken sollte.<br />

" Aber wir müssen aushalten, solange wir können." Hagimura sagte das hart und entschieden.<br />

" Es ist schwer, aber wir müssen es den Leuten verständlich machen. "Du hast recht, ich<br />

werde mit ihnen reden. "<br />

Hirovka ging hinaus. Ito und Hagimura folgten ihm. Vor dem Hause sammelten sich 30 bis 40<br />

Leute. Familienangehörige der Streikenden. Sie schwenkten die Essenmarken wie<br />

Hungerfahnen und drängten und stritten sich.<br />

" Hallo, laßt euer Gerede, wenn ihr sagt, daß wir keine zwei Säcke Reis mehr bekommen.<br />

Gebt uns einen Sack Reis und Miso", schrie eine alte Frau, die sich krampfhaft an das<br />

Schalterfenster klammerte. Von den Nachdrängenden eingekeilt, begann ein Säugling, der auf<br />

dem Rücken einer Frau hockte, zu weinen, als ob er am Spieß steckte. "Ito-tjan",<br />

schmeichelten die Frauen, die ihn gut kannten, "bei mir ist alles richtig aufgeschrieben,<br />

brauchst nur zu stempeln." "Das geht nicht", sagte der Sekretär schroff, er wurde noch<br />

ärgerlicher, schalt sich selber, daß er die Genossen fortjagen mußte. "Du hast deinen Teil<br />

schon vor fünf Tagen bekommen, mach, daß du fortkommst."<br />

" Denkst du", sprang die Frau von Itos Freund Kiko vor, "wir sind doch selbstverständlich<br />

nicht hierher gekommen, weil wir schon vor vier Tagen Reis bekommen haben. Wir sind<br />

keine Tauben, wir essen nicht nur einzelne Körner, du Kürbis!"<br />

Jetzt trat Hirovka heraus und stieg auf einen Stuhl, den er mitgebracht hatte.<br />

" Genossen, hört mal her, was ich jetzt sage. Ihr alle wißt, es sind nur hundert Sack Reis und<br />

je zwei Faß Miso und Shoju angekommen." <strong>Die</strong> Leute schwiegen, neugierig, was der<br />

allbekannte Vollbart sagen würde. Hagimura ließ die Genossen darauf achten, ob keine<br />

Spitzel unter ihren Leuten seien. Er hielt es nicht für richtig, daß solche<br />

Auseinandersetzungen von den Spitzeln belauscht würden, wenn es sich auch kaum<br />

vermeiden ließ.<br />

" Aber das ist nicht genug, um euch alle satt zu machen wie sonst immer, versteht ihr! Und<br />

wir können auch nicht gleich wieder zwei oder drei Lastwagen voll hierher schleppen, weil<br />

unsere Gewerkschaft so arm geworden ist."<br />

Hagimura ging, als er Hirovkas freimütige Darstellung der Lage hörte, ein kalter Schauer über<br />

den Rücken, wie gebannt starrte er in die Gesichter der Versammelten.<br />

" Deshalb haben wir beschlossen, daß wir zuerst an die, die am meisten Not leiden, austeilen.<br />

<strong>Die</strong> Gruppenleiter - ihr wißt, wer das ist -haben festgestellt, wer es am nötigsten hat. Meldet<br />

euch also bei den Gruppenleitern, und die die nichts mehr aufs Leihhaus zu tragen haben,<br />

bekommen dann zuerst. "<br />

Hagimura und allen andern ging es durch alle Glieder, wie sich jetzt eine dunkle Welle über<br />

alle diese Gesichter legte, wie Wolken vor die <strong>Sonne</strong>.<br />

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