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Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net

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nicht nur vor dem japanischen Proletariat, sondern vor den werktätigen Massen der ganzen<br />

Welt, daß wir fest zusammengeschlossen und mit ungebrochenem Kampfgeist gegen die<br />

Übermacht der Offensive des Kapitals gekämpft haben, und daß dieser Kampf in die<br />

Geschichte der Arbeiterbewegung für immer ein glänzendes Beispiel und ein unverlöschbares<br />

Dokument sein wird."<br />

Während jeder Satz von Beifall unterbrochen wurde, schüttelte sie ihre festgebundenen<br />

Haare; eine Hand auf den Tisch gestützt, bewegte sie ihren Oberkörper hin und her, was eine<br />

Eigentümlichkeit von ihr war. Wenn sie an einen Höhepunkt der Begeisterung kam, schien ihr<br />

kleiner Körper unter die Massen springen zu wollen. Sie war eine wunderbare Agitatorin. Sie<br />

verstand leichter die Herzen der Arbeiter zu packen als das Herz eines Liebhabers.<br />

Sie erwähnte verschiedene traurige Vorfälle und sagte, man dürfe sich durch solche<br />

erschütternden Kleinigkeiten nicht mutlos machen lassen, aber man müsse sich auch der<br />

Verantwortung für die Opfer bewußt sein. In diesem Moment klirrten die Säbel, und der Ruf<br />

des Kommissars erscholl: "Vorsicht!"<br />

Sie hielt einen Augenblick inne, blies ihre Backen auf, ihre Augen brannten lebhaft:<br />

" Aber wir dürfen nicht zulassen, daß diese Opfer Opfer bleiben, wir dürfen nicht nur leiden,<br />

wir müssen mit unseren Fäusten, mit unseren Leibern kämpfen, damit diese Todesopfer nicht<br />

umsonst gefallen sind."<br />

" Halt!"<br />

Gleichzeitig hörte sie den zweiten Befehl: "Verhaften!"<br />

Ein Polizist sprang vor, packte sie an der Schulter und schleppte sie fort. Ein Teil der<br />

Genossen wollte zwischen sie treten, aber es war schon zu spät - alle Anwesenden sprangen<br />

auf die Tribüne, die Frauenleiterin Oja und Okayo kamen auch hinzu, es entstand ein großes<br />

Durcheinander. .. Arme und Beine, Hände und Füße - alles drehte sich in rasender Bewegung.<br />

Aber schon nach kaum fünf Minuten hatte die ausgezeich<strong>net</strong> bewaff<strong>net</strong>e und geschulte Polizei<br />

diese Aufregung niedergeschlagen. Takae, Oja und Okayo und einige andere verschwanden<br />

auf der Treppe nach unten, von zahlreichen Polizeispitzeln begleitet. Als sie auf die <strong>Straße</strong><br />

kamen, bemerkte Takae erst, daß auch Okayo mit verhaftet war.<br />

Sie wurde fast wahnsinnig; der auffallende Mann von vorhin hielt Okayo am Arm.<br />

" Was hat denn dieses Mädchen gemacht, warum ist sie verhaftet?" Takae bemühte sich ihre<br />

gefesselten Hände freizumachen, und wollte zu ihrer Schwester. "Laß doch, laß doch los!"<br />

Sie schüttelte ihre verwirrten Haare und stampfte mit den nackten Füßen auf den Boden.<br />

II. Essenausgabe<br />

Durch das westliche Tor der Fabrik, das durch uniformierte Polizei und Fabrikbeamte<br />

bewacht war, fuhr furchtlos der Lastkraftwagen mit den Aufschriften der<br />

Kantongenossenschaft. Wie ein betrunkener Postwagen schwankte dieses Vehikel. Das Lager<br />

der Genossenschaft der Streikenden, Kotshikawa-Kyodosha, befand sich in einem Gebäude<br />

innerhalb des Fabrikterrains, fünfzig Meter vom Büro der Gesellschaft neben dem<br />

Fabriklager. Hier wehten die Fahnen mit den drei roten Streifen und dem P. und die roten<br />

Fahnen mit dem Stern C.O., hier kämpften die Gewerkschaften schon über 60 Tage. "Zum<br />

Teufel, sie bringen wieder so viel Reis. " Der lange Mann im schwarzen europäischen<br />

Zivilanzug murmelte es zwischen den Zähnen, dem Lastwagen nachsehend. Er trat gerade aus<br />

dem Verschlag der Werkpolizei. Es war ein früherer Polizeileutnant, der jetzt zum<br />

Personalchef der Gesellschaft aufgerückt war, weil er die Leute der Druckereigewerkschaft so<br />

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