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Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net

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" Absolut nicht, wer hat denn eigentlich den Auftrag zu euch gebracht?" <strong>Die</strong> Tatsachen lagen<br />

klar. <strong>Die</strong> vier Männer, die den Auftrag zur fünften Gruppe gebracht hatten, standen seit<br />

gestern auf der Appelliste als fehlend, und in dem Bericht der Wohnungsbesuchsgruppen, die<br />

diese Leute aufgesucht hatten, stand für alle vier: "Gestern nacht nicht nach Hause<br />

gekommen, Erklärung der Angehörigen."<br />

<strong>Die</strong> Gruppenzelle berichtete telefonisch der S-Abteilung und dem Gruppenkomitee der<br />

fünften Streikgruppe, und dann fuhr der Bote mit dem Rade zur Streikzentrale.<br />

Am selben Nachmittag wurde Okayo vor dem Lokal von einem seltsamen Manne angerufen.<br />

Er war ein dicker Mann von etwa dreißig Jahren, der unter einem Havelock einen japanischen<br />

Kimono trug, der seine fette Brust sehen ließ. Sie hielt ihn erst für einen der Streikenden, und<br />

trotzdem sie ihn außerordentlich unsympathisch fand, ging sie ganz unbekümmert zu ihm hin.<br />

Es war gar nicht selten, daß ein Mann von einer anderen Gruppe mit einem Anliegen oder<br />

einem Wunsche zu ihnen kam. "Bist du Kayo-tjan?"<br />

Sie trat ängstlich einen Schritt von diesem merkwürdigen, unsympathischen Menschen<br />

zurück. "Miatji hat mir eine Bestellung übergeben.. ." "Das ist ein Spitzel."<br />

Sie ließ sich nicht täuschen, drehte sich auf dem Absatz herum und wollte fort. "Warf mal."<br />

Der Mann hatte eine durchdringende Stimme, er sah sie, die überrascht stehengeblieben war,<br />

scharf an und kam näher. Er änderte sofort seinen Ton und lächelte: "Ich habe eine Frage. "<br />

Aber der Ort war seinem Vorhaben nicht günstig, sie standen dicht vor dem Eingang des<br />

Lokals. Wie er sich umsah, kamen Oja, Takae, Ma-tjan und Fusa-tjan von der Haltestelle der<br />

elektrischen Bahn, sie gehörten zur Wanderreferentengruppe und wollten jetzt in das Lokal.<br />

"Was ist los?"<br />

Takae hatte schon von weitem die beiden bemerkt und sprang heran. "Geh' gleich in den Saal,<br />

du brauchst nicht hier herumzustehen." Sie nahm ihre Schwester unter den Arm und zog sie<br />

von dem aufdringlichen Kerl fort.<br />

" Du, das ist ein Spitzel, was hat er zu dir gesagt?" Okayo lächelte.<br />

" Ja, er sagte so etwas wegen Miatji, aber ich habe ihm nichts gesagt." Sie hatte immer noch<br />

ein Gefühl der Angst. Takae war empört und sah sich noch einmal nach dem Kerl um, der den<br />

beiden Schwestern nachstarrte.<br />

" Du brauchst keine Furcht mehr zu haben. Wenn man vor solchen Kerlen Angst haben<br />

wollte, dann könnte man auf der <strong>Straße</strong> nicht gerade gehen - aber wie häßlich er grinst ..."<br />

Takae wollte ihm eigentlich eine Fratze schneiden, aber sie ließ es bleiben und ging mit ihrer<br />

Schwester in den Sall, der in der ersten Etage lag.<br />

" Du mußt immer sehr vorsichtig sein, Kayo-tjan. " Im Saal redete sich Oja mit<br />

hochgeschobenem Kinn in Eifer. Robuko Oja und Takae waren in der Frauenabteilung die<br />

besten Rednerinnen.<br />

Von dem kleinen Nebenraum aus, wo Okayo mit ihrer Schwester stand, konnte man alle<br />

Gesichter im Saal wie unter einer Lupe sehen. <strong>Die</strong> Gesichter der Genossen, die zwei Monate<br />

langen schweren Kampfes durchgemacht hatten, sahen von hier noch vertrauter aus als sonst,<br />

das Feuer der Rednerin verband sich mit den Augen zu einer Flamme, die in allen<br />

Anwesenden brannte. Dann zitterte Schreien und Händeklatschen in Wellen durch den ganzen<br />

Saal. Takae sah die Gesichter, während sie das Manuskript ihrer Rede überflog, als die<br />

scharfe Stimme des Polizeikommissars rief:<br />

" Halt!------"<br />

In diesem Augenblick ging ein Beben durch den ganzen Saal, man schrie, die Säbel der<br />

Polizisten schepperten blechern, aber sofort beschwichtigte die ruhige Stimme der<br />

Gruppenleiterin die ganze Aufregung.<br />

" Als nächste spricht die Genossin Takae Haruki von der Frauenabteilung. "<br />

Wieder klatschten alle; noch während des Beifalls trat Takae auf die ? Tribüne.<br />

" Seit Anfang des Streiks bis heute sind 63 Tage vergangen, zwei volle Monate sind vorbei.<br />

Sieg oder Niederlage, davon will ich jetzt nicht reden, aber wir können stolz darauf sein, -<br />

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