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Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net

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Der Thronfolger der Familie Shibusaka war ein jugendlicher Parlamentsabgeord<strong>net</strong>er und als<br />

fortschrittlicher Denker bekannt. Durch seine demokratische Art und die exakten Kenntnisse,<br />

die er auf der Universität Cambridge erworben hatte, war es ihm gelungen, die merkwürdige<br />

Blume "neuzeitlicher"Adam Smithscher Theorien auf den spröden alten Boden väterlicher<br />

Tradition zu verpflanzen. Wenn es die drei Musterfabriken Tojo-Textilfabrik, Matsuja-<br />

Lokomotivwerk und Tokio-Meßinstrumentefabrik nicht gegeben hätte, würde der<br />

Arbeitsbericht der Wohlfahrtsabteilung beim japanischen Innenministerium noch kläglicher<br />

und die Forderung des internationalen Arbeitsamtes nach Aufhebung der Ausnahmegesetze<br />

für Japan noch "energischer" ausgefallen sein.<br />

Aber dieses junge Reichstagsmitglied des "neuen Japan" war an diesem Morgen recht müde<br />

und schlechter Laune, weil er nach dem gestrigen Autoausflug ganz gegen seine sonstigen<br />

Gentlemen-Gepflogenheiten in einer Music-hall etwas reichlich gesündigt hatte.<br />

" Rufen Sie bitte Herrn Ynoshita!" befahl er einem Pagen und nahm die Visitenkarte<br />

Ynoshitas, die seit einer guten Stunde, während der er mit drei Herren verhandelt hatte, auf<br />

seinem Schreibtisch lag. "Nehmen Sie bitte Platz, entschuldigen Sie, daß ich Sie so lange<br />

warten lassen mußte. "<br />

Er sah Ynoshita an, der noch viel feiger war als der <strong>Die</strong>ner, der ihn hereingeführt hatte, erhob<br />

sich ein wenig und zeigte auf einen Drehstuhl, der durch zwei Schreibtische von ihm getrennt<br />

stand. (<strong>Die</strong> Leser wissen vielleicht, daß solche Gentlemen stets gern diese großen Tische<br />

benutzen, nicht wegen ihrer Schönheit oder aus geschäftlicher Notwendigkeit, sondern als<br />

Barrikade, wenn sie "gefährliche" Arbeiter empfangen müssen, um ihre Großzügigkeit zu<br />

beweisen.) Aber im Falle Ynoshita hatte er solche Rücksichten nicht nötig. Er war ein<br />

englischer Gent, keiner vom Schlage dieser Orientalen mehr, die ihren Besuchern ständig den<br />

Geruch der Schminke ihrer Mädchen vom gestrigen Abend zu riechen geben, und er trug<br />

einen Anzug von tadellosem, englischen Schnitt.<br />

" Ich habe mich beeilt, auf Ihren Anruf zu Ihnen zu kommen. " Ynoshita konnte nicht<br />

einsehen, warum er blödsinnig sein sollte. Der junge MdR. beugte sich mißlaunig aus seinem<br />

Lehnsofa vor und sagte: "Unterstützen Sie immer noch die Streikenden der Daido-<br />

Druckerei?" "Tja - Tja!" Ynoshita wand sich auf seinem Stuhl. "Unterstützten? -Unterstützen<br />

- ja, was heißt unterstützen?" Er verstand Shibusaka nicht.<br />

" Das heißt, daß Sie als Vermittler zwischen Gesellschaft und Streikenden unverhältnismäßig<br />

stark die Forderungen der Streikenden unterstützen und so die Gesellschaft schädigen -<br />

natürlich, <strong>ohne</strong> es zu wollen, aber das wird sich schon in einigen Tagen zeigen." Ynoshita war<br />

verlegen, - aber das ist doch selbstverständlich - hätte er beinahe gesagt, wenn ihm nicht<br />

rechtzeitig die telefonische Warnung des Sekretärs dieses jungen Herrn eingefallen wäre. Es<br />

lag natürlich ganz und gar nicht in seiner Absicht, den Arbeitern zu helfen; aber in dem<br />

internen Konflikt des Finanzblocks der Unternehmergesellschaft stand der alte Shibusaka<br />

gegen Okawa, und der junge Herr selbst, der die Arbeiterfrage studierte, war Anhänger der<br />

Demokratie. Er, Ynoshita, verachtete im Grunde die Gedanken des jungen Barons -aber<br />

warum verwahrte sich jetzt dieser Junge gegen seine Hilfe. . . . 'Herr Ynoshita, ich dachte gar<br />

nicht, daß Sie so altmodische Ansichten haben."<br />

Das M.d.R. faßte mit schlanken Fingern den Rahmen seiner Brille und sah den Mann, der viel<br />

älter war als er, überlegen an. "Also, Sie wissen noch nicht, daß sich mein Vater gestern mit<br />

Okawa getroffen hat?"<br />

<strong>Die</strong> Situation wurde immer unverständlicher. - Ynoshita verlor seine ganze Würde.<br />

" Wieviel Mitglieder der revolutionären Gewerkschaften, die hinter diesem Streik stehen, sind<br />

in Ihrer Fabrik? Können Sie das sagen?" Der Abgeord<strong>net</strong>e war wieder überrascht.<br />

" Ja, ich glaube zwanzig bis dreißig, aber das ist nicht so gefährlich. " Er wollte schon die<br />

Teetasse nehmen, die der Page hereingebracht hatte.<br />

'Hahahaha, deshalb haben Sie so. ..."<br />

Seine Augen sagten: Blödsinnige Ansichten, aber er verschluckte das Wort, nahm eine<br />

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