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Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net

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öff<strong>net</strong>e, sie war nicht eingeklinkt. Gleich um die Ecke des Hauses war die Brücke, dort sah sie<br />

zwei Schatten im Mondlicht. Okayo - der andere Schatten war bestimmt Miatji... aber warum<br />

kam er hierher und warum<br />

so spät. . . ?<br />

Sie zog sich unter das Dach des Hauses zurück und schloß den Kragen<br />

des dünnen Nachtkleides.<br />

" Wie unvorsichtig, bei so strenger Polizeikontrolle hierher zu kommen - und dann noch auf<br />

diese Brücke, wo er so leicht gesehen werden kann. Aber die beiden standen wie angefroren<br />

Hand in Hand an das Geländer gelehnt: sie sah das weiße Nachtkleid und den roten Gürtel<br />

Okayos, eingehüllt in den bekannten braunen Mantel Miatjis. Sie wartete fünf oder zehn<br />

Minuten, aber sie wollten sich nicht trennen, es sah aus, als weinte Okayo an Miatjis Brust. In<br />

der Ferne hörte man die Holzklapper der Nachtwächter. Der Mond kam über den<br />

Haksuanwald und lief zum Wald des Seminars.<br />

In Takae stieg die Angst hoch. Natürlich konnte sie verstehen, daß er trotz aller Gefahren<br />

hierher kam. Aber es war doch zu gefährlich, auf der Brücke zu stehen.<br />

" Oder will er sich selbst der Polizei stellen?"<br />

Wenn die Polizei ihn jetzt entdeckte, würde Okayo mit ihm fortgeschleppt werden, - das<br />

durfte nicht sein, der schwache Körper konnte die Haft nicht ertragen.<br />

Sie haben beide den Verstand verloren - sie raffte sich auf und trat vor das Haus. Aber als sie<br />

die beiden Gestalten auf der Brücke sah, schloß sie die Augen. Das auf der Brücke war jetzt<br />

eine Welt für sich. "Ach, Quatsch," flüsterte sie vor sich hin und ärgerte sich über sich selbst,<br />

daß sie hier als komische Figur herumstand. Dann ging sie wieder ins Haus.<br />

" Bin ich etwa neidisch?"<br />

Sie schlich behutsam auf ihr Lager, um den Vater nicht zu wecken. Aber ihr Kopf beruhigte<br />

sich nicht.<br />

Miatjis fest geschlossene Lippen, die breite Stirn, sein männliches Gesicht standen ihr stets<br />

vor Augen, obwohl sie nie vergaß, daß er der Freund ihrer Schwester war.<br />

Takae sah das Gesicht Fusa-tjans, die sie auslachte: "Sowas müßte verboten sein."<br />

Der Wecker zeigte bereits halb vier, sie wälzte sich auf ihrem Lager und konnte ein Gefühl<br />

der Bangigkeit nicht los werden. In diesem Augenblick hörte sie leise Tritte, die über die<br />

Brücke und um das Haus gingen und vor der Tür hielten. <strong>Die</strong> Tür wurde geöff<strong>net</strong> und Okaya<br />

trat zuerst herein, weckte die Schwester und sagte: "Einen Augenblick, Schwester, ich habe<br />

eine Bitte. "<br />

Takae stand auf und tat, als ob sie jetzt erst wach werde. Okayo zeigte schweigend auf die<br />

Tür.<br />

Da stand Miatji.<br />

Takae zog einen Kimono über die Schultern und ging zu ihm.<br />

" Komm herein. "<br />

Dann ließ sie Okayo die Tür schließen und Feuer machen.<br />

Schon als Okavo hereinkam war der Vater aufgewacht und sah den unbekannten blassen<br />

Mann unsicher an.<br />

Vater. " Takae beugte sich zu ihm und flüsterte mit ihm. Er gab ein Zeichen des<br />

Einverständnisses, aber er legte den Kopf wieder auf die Kissen.<br />

Na, was hast du?"<br />

Takae ging zu Miatji, der, wie es sich gehörte, am offenen Feuer saß.<br />

Er entgeg<strong>net</strong>e leise:<br />

" Ach, es ist nicht geglückt. Du hast wohl in der Zeitung davon gelesen?" Er lächelte traurig,<br />

auf seinen Backen lagen die scharfen Schatten der Müdigkeit und des Gehetztseins.<br />

" Umsonst".<br />

Takae sah dem Mann ins Gesicht. Sie schwiegen lange. Aber sie verstanden sich besser, als<br />

wenn sie viele Worte gesprochen hätten. Da kam Okayo mit frischer Glut für den Ofen. Ihre<br />

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