Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net
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ihre Augen vorwitzig heraus. "Ach, schadet nichts, ich werde die ganze Nacht bleiben und die<br />
Arbeit nachholen."<br />
Am Vorstandstisch saß Fräulein Oja, die Leiterin der Frauenabteilung. Im Zimmer,<br />
unaufhörlich schwätzend, waren etwa dreißig Frauen versammelt, sie schrieben, fragten,<br />
sprachen miteinander, wie es ihnen paßte.<br />
" Kollegin Vorsitzende, man soll die Privatunterhaltungen verbieten," schrie Matsu-tjan, die<br />
rechts neben Takae saß. Takae dachte: das ist ein unangenehmer Mensch da neben mir, sie ist<br />
bei der Vorsitzenden lieb Kind. Ihre Stimme klang wie geborstenes Metall, unter rötlichem<br />
Haar<br />
funkelten kleine Walfischaugen:<br />
" Vorsitzende, laß abstimmen, mach schnell," schrie Fusa-tjan, um Matse-tjan zum<br />
Stillschweigen zu bringen, nachdem sie die Vorschlagsliste an Takae weitergegeben hatte.<br />
"Wie kann diese Rothaarige von Privatunterhaltungen reden, sie selber schwätzt soviel."<br />
Fusa-tjan war nicht nur mit Matsu-tjan böse, die gegen sie voreingenommen war, sondern<br />
auch mit der Vorsitzenden, die vom Schlage jener nicht übermäßig gescheiten Intellektuellen<br />
war. "<strong>Die</strong> Tagesordnung fortsetzen!" kamen Zurrufe von den Mitgliedern<br />
aus der Buchbinderabteilung.<br />
" Was sagst du, du Wasserkopf," schimpfte Matsu-tjan leise Fusa-tjan, doch es war kaum zu<br />
hören. Sie hatte eigentlich mehr Angst vor Takae als vor Fusa-tjan. Takae hob den Kopf,<br />
nachdem sie das Protokoll unterschrieben hatte. Vor Takae hatte selbst die Vorsitzende,<br />
Fräulein Robuko Oja, ein bißchen Angst, deshalb dämpfte Matsu-tjan bei solchen<br />
Bemerkungen ihre Stimme.<br />
Aber Takae dachte immer noch an Okayo und Hagimura. Sie grübelte darüber, ob Miatji wohl<br />
die heutige Brandstiftung auf dem Gewissen habe, wußte, daß es sich bestimmt aufklären<br />
würde, wenn sie mit Hagimura sprechen konnte, aber der war von der Verhaftung am<br />
Gokokutempol noch nicht zurück.<br />
" Dann wollen wir über alle Vorschläge zusammen abstimmen," sagte die Vorsitzende und<br />
plusterte sich auf, nachdem sie sich mit der Schriftführerin beraten hatte.<br />
<strong>Die</strong>se Frau mit dem Spitznamen "ewige Jungfrau" hatte noch niemals ihre Brille abgelegt,<br />
von ihrer runden Nase perlte fettiger Schweiß. "Sie hat eine Nase wie ein Hund, deshalb kann<br />
sie auch so gut riechen," sagten die Mädel, die zu der Vorsitzenden in Opposition standen. Sie<br />
hatte das typische Doppelkinn und die fettige Haut einer alten Jungfer. "Erster Punkt. <strong>Die</strong><br />
Arbeit im <strong>Straße</strong>nverkauf wird unter Führung der Abteilungsleitung fortgesetzt wie gestern.<br />
Zweitens. <strong>Die</strong> Vorschläge der Genossin Matsu Takahaji, betreffend Gegenmaßnahmen gegen<br />
Sen Ogawa und andere Verräter, werden vom Gruppenleiterkomitee erledigt. Zu<br />
Ausschußmitgliedern sind ernannt: Koto Motsujama, Mutsu Tokura. Drittens. Methoden der<br />
Agitation der streikenden Arbeiterfrauen für unsere Sache, und zwar Organisierung der<br />
Frauenreferenten und agitatorische Theatervorführungen durch den proletarischen<br />
Künstlerverband. Dazu werden außer der Vorsitzenden zwei Ausschußmitglieder bestimmt.<br />
Das ist alles. Wer dafür ist, den bitte ich die Hand zu erheben."<br />
<strong>Die</strong> Frauen hoben wie Schülerinnen die Hände. <strong>Die</strong> Vorsitzende zwinkerte der Schriftführerin<br />
zu.<br />
Draußen hinter der Papiertür knarrte die Holztür im Wind. "Ach, ich bin so schläfrig,"<br />
flüsterte Fusa-tjan in Takaes Ohr; die unterdrückte ein Gähnen und fragte:<br />
" Wer kommte heute von der Streikleitung, um Bericht zu geben?" Fusa-tjan hielt den Kopf<br />
schief.<br />
" Ich weiß nicht. . . Verhandlungen, die weder Kopf noch Schwanz. . ." "Man muß zeigen, daß<br />
wir zu allem entschlossen sind. " Fusa-tjan verriet ihre Ungeduld und jede dachte wie sie.<br />
"Kommt der Bericht der Streikleitung wieder erst nach elf Uhr?" fragte ein Mädchen mit einer<br />
Momoware-Frisur (Anm.: Momoware und Itjogaeschi sind Haartrachten, wie sie bei den<br />
Töchtern bürgerlicher Familien üblich sind; etwa: sehr ordentlich frisiert.), die an der<br />
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