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Sunao Tokunaga – Die Straße ohne Sonne (1931) - linke-buecher.net

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Das gefallene Herbstlaub auf dem Hügel hinter dem Tempel und der Tempelgarten lagen im<br />

Rauhreif. "Gen-tjan - willst du nicht mein Partner sein?"<br />

Ein Mädel mit Backen wie ein runder Reiskuchen und Beinen wie dicke Reisweinflaschen,<br />

rief einen Arbeiter an, der neben ihr stand und vor Aufregung die Füße nicht ruhig halten<br />

konnte.<br />

" Nein, das will ich nicht. Wenn ich so einen dicken Popo tragen soll, werde ich<br />

zusammenbrechen, ehe ich ans Ziel gekommen bin." Das war nicht gerade liebenswürdig.<br />

"Haha, du dummer Schlappschwanz."<br />

An einem Baum, inmitten des provisorischen Sportplatzes hing ein Zettel: "Blindes<br />

Pferderennen. Ausgewählt aus allen Gruppen." Unter der <strong>Sonne</strong>, die sie nicht oft zu sehen<br />

bekamen, leuchteten die blassen Gesichter der Arbeiter und Arbeiterinnen vor Freude. "<strong>Die</strong><br />

Männer sind mit verbundenen Augen die Pferde, die Frauen sind die stummen Reiter. Habt<br />

ihr verstanden? Wir geben für die Sieger drei Preise. Jeder Preis ein Dutzend Handtücher.<br />

Habt ihr verstanden!' <strong>Die</strong> Komiteemitglieder bestimmten jedesmal je drei Paare, die dem<br />

Spielleiter zu melden waren.<br />

Einer rief schreiend mit einem Megaphon herum. <strong>Die</strong> Leute hatten keine Ahnung von Sport.<br />

Besonders Stafettenlauf war allen unbekannt. Sie hielten das vielleicht für den Namen einer<br />

ausländischen Medizin. Aber "Blindes Pferderennen" kannten alle.<br />

Auf der <strong>linke</strong>n und rechten Seite bildete sich eine etwa 400 Meter lange Menschenmauer. Alle<br />

Augen leuchteten heute; die Massen hatten sich mit der <strong>Sonne</strong> angefreundet. Abgelegte<br />

Blusen und Haoris hingen auf den Ästen oder lagen auf den Steinen umher. In weitem Kreis<br />

umstanden uniformierte Polizisten und lauernde Zivilbeamte den Platz. Meist wurde ein<br />

Liebespaar als Partner zum blinden Pferderennen ausgewählt. Da sah man einen mageren<br />

Arbeiter, einer durstigen Frühlingsblume ähnlich, der ein dickes Mädel trug und unter der<br />

Last<br />

keuchte.<br />

" Achtung! Eins. Zwei. Drei. Los!"<br />

Eine rote Signalfahne schlug herab; sie rannten los, unsicher wie kleine Kinder, die Laufen<br />

lernen. Aufgeregt durch die Signale und Zurufe lief das 'Pferd' blind und hilflos in die<br />

Menschenmauer, die Reiterin riß vor Schreck ihre Augen weit auf und lenkte das 'Pferd',<br />

indem sie heftig an den Ohren ihres Partners zog.<br />

Wenn die Paare zusammenstießen und stürzten, kamen meist gleich zwei Pferde mit ihren<br />

Reiterinnen zu Fall. Das Pferd machte sich am Boden staubig, die Reiterin kugelte herunter,<br />

daß man ihr rotes Unterzeug sag. Jubel und Heiterkeit, Händeklatschen und Zurufe. Dadurch<br />

angespornt fing eine Tapfere ihr blindes Roß, das sie, <strong>ohne</strong> sich abzustauben, wieder bestieg.<br />

Etwas abseits von den andern stand Hagimura im Schatten des Tempelturms auf dem Hügel.<br />

Hagimura war der Verantwortliche der heutigen Veranstaltung. Zwei Genossen riefen ihn an.<br />

Es waren Yamamoto von der Gewerkschaftsleitung und Yshisuka, der zweite Vorsitzende<br />

vom Streikkomitee. Sie verlangten, man solle die heutige Versammlung zu einer<br />

Demonstration benutzen. "Das ist unmöglich", sagte Hagimura, nachdem er Yshisukas<br />

Gestotter angehört hatte. Bei der ungenügenden Schulung der Arbeiter ist das, trotz der guten<br />

Gelegenheit, taktisch unklug. Außerdem hätte er keinen Befehl von der Gewerkschaftsleitung,<br />

das sei wieder nur so ein ausgefallener Vorschlag. Sein Gesicht drückte offen Mißfallen aus<br />

und er sah scharf auf den kleinen Mann, der mit schiefem Gesicht lächelte. "Warum! Weil wir<br />

keinen Auftrag von der Gewerkschaftsleitung haben?" fragte Yshisuka. "Wenn die<br />

Gelegenheit so gut ist, muß man doch eine Demonstration machen."<br />

Yshisuka wandte sich um und suchte Zustimmung bei Yamamoto, dem er ein Zeichen<br />

machte.<br />

Yamamoto lächelte finster und sagte mit einem sonderbaren Ausdruck in den Augen: "Ich<br />

habe schon gehört, daß du ängstlicher geworden bist. "<br />

Der Junge in den zwanziger Jahren schlug bei allen Unterredungen immer einen vorlauten,<br />

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