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Elemente und Strukturen

Island - Insel der Urgewalten Bildwelten im System der klassischen Elemente

Island - Insel der Urgewalten
Bildwelten im System der klassischen Elemente

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elemente <strong>und</strong> strukturen


Bildwelten im System der klassischen <strong>Elemente</strong>


elemente <strong>und</strong> strukturen<br />

friedrich don


Erde Wasser Luft <strong>und</strong> Feuer<br />

Von der Antike bis ins 18. Jahrh<strong>und</strong>ert galten Erde, Wasser, Luft <strong>und</strong> Feuer als die vier<br />

<strong>Elemente</strong>, die allen Dingen zu Gr<strong>und</strong>e lagen. Spätestens mit Einführung der modernen<br />

Physik <strong>und</strong> Chemie wurde diese Vorstellung des Menschen jäh <strong>und</strong> kalt widerlegt.<br />

Mythologien <strong>und</strong> Philosophien, die jahrh<strong>und</strong>ertelang mit diesen Gr<strong>und</strong>sätzen<br />

verwoben waren, platzten wie Seifenblasen im Raum der Geschichte. Zwischenzeitlich<br />

hat die Wissenschaft statt der vier mehr als h<strong>und</strong>ert <strong>Elemente</strong> nachgewiesen.<br />

Mehr noch, im feinstofflichen Bereich wurden <strong>und</strong> werden noch immer kleinste<br />

Teilchen ständig neu entdeckt. Dieser Mikrokosmos kleinster Bausteine scheint<br />

unendlich zu sein, analog zum Makrokosmos des Universums. Was zunächst als<br />

Entzauberung <strong>und</strong> Rationalisierung der antiken <strong>und</strong> spätmittelalterlichen Vorstellungswelt<br />

begann, steht heute vor einer neuen Mystifizierung angesichts der<br />

permanenten Neuentdeckungen ultratechnologischer „Weltmaschinen“ wie dem<br />

Teilchenbeschleuniger im schweizerischen Cern.<br />

Doch es besteht ein wesentlich-gradueller Unterschied, analysiert man die antike<br />

Sicht der <strong>Elemente</strong>. Platons Zeitgenossen überfrachteten zwar die Dingwelt ihres<br />

<strong>Elemente</strong>-Systems mit transzendentem Beiwerk, konnten trotzdem aber mit ihren<br />

eigenen Sinnen diese Welt der „wahren <strong>Elemente</strong>“ wahrnehmen <strong>und</strong> verifizieren.<br />

Sie war stets real <strong>und</strong> sichtbar. Immer existent <strong>und</strong> erlebbar für jedermann, trotz<br />

integrierter Gottheiten <strong>und</strong> philosophischer Interpretationen, auch noch für viele<br />

nachfolgende Kultursysteme.<br />

Anfang des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts ist uns diese primär sinnliche Wahrnehmung nicht<br />

mehr möglich. An Stelle des Sichtbaren tritt nun die Abstraktion der Mathematik.<br />

Errechnete Zahlenwelten ersetzen individuelle Sinnerfahrung. Diese neue Realität<br />

ist nur noch virtuell dar- <strong>und</strong> vorstellbar. Im günstigsten Falle macht ein Rastermikroskop<br />

noch Bilder von dieser verborgenen Welt der Moleküle <strong>und</strong> Atome. Versteh-<br />

<strong>und</strong> deutbar nur noch für einen kleinen Spezialisten-Zirkel. Dieses Abhanden-<br />

gekommensein des direkten Sehens bedeutet eine Abkopplung des Menschen<br />

von der Wahrheit seiner selbst entdeckten Dingwelt. Wir sehen die wahre Welt<br />

nur noch durch Apparaturen, verstehen sie nur noch mithilfe von Formeln. Das<br />

moderne System der <strong>Elemente</strong> entwickelt daher Räume für neue Hypothesen <strong>und</strong><br />

Phantasien, wie die Welt beschaffen sein könnte. Eine neue Mystifizierung der<br />

Welt beginnt, trotz aller rationalen Erkenntnisse <strong>und</strong> Technologien. Der Mensch<br />

fühlt sich aufs Neue bedroht, weil er sich diese Systeme aus eigener Erfahrung<br />

nicht mehr erklären kann.<br />

Das klassische <strong>Elemente</strong>-System beruhte auf der Sensorik <strong>und</strong> Beobachtung des<br />

Menschen, war aber nicht nur auf seine pure Stofflichkeit begrenzt, sondern wurde<br />

auch in andere Kategorien der sinnlichen Wahrnehmung ausgedehnt. Ein Modell<br />

aus der Zeit von Aristoteles vermittelt diese Erweiterung. Die Übergänge zwischen<br />

den <strong>Elemente</strong>n sind fließend. Feuer ist warm, aber auch trocken, eine Eigenschaft,<br />

die der Erde ebenfalls zugeschrieben wird. Daneben ist sie auch noch kalt, das verbindet<br />

sie mit dem Wasser. Dessen zweites Charakteristikum ist feucht. Feucht<br />

ist auch die Luft – <strong>und</strong> warm wie das Feuer. Kalt <strong>und</strong> warm, feucht <strong>und</strong> trocken<br />

sind physikalische Erscheinungsformen, die unmittelbar sinnlich erfahrbar sind<br />

<strong>und</strong> eine erstaunliche Logik <strong>und</strong> Ordnung in diesem Leitsystem fanden. Darüber<br />

hinaus wurden für die vier <strong>Elemente</strong> auch psychologische Skalen entwickelt, die<br />

als Ansatz zu einem ganzheitlichen Denk- <strong>und</strong> Wertesystem gelten dürfen. Dem<br />

Feuer wurde Zielstrebigkeit, Ehrgeiz <strong>und</strong> Engagement zugeordnet. Wasser stand<br />

für Sanftmut, Weichheit <strong>und</strong> Nachgiebigkeit. Luft für Flexibilität, Quirligkeit <strong>und</strong><br />

Veränderung. Und die Erde wurde mit Attributen wie Starrheit, Festgefügtsein<br />

<strong>und</strong> Beständigkeit assoziiert. Das Konzept zu diesem System war universell angelegt<br />

– rational wie irrational. Die Alchimie als der Anfang der modernen Naturwissenschaften<br />

war die Fortführung dieser Logik. Ebenso ihr irrationaler Gegenpol,<br />

die Esoterik.<br />

Einleitung<br />

5


Island - Insel der Urgewalten<br />

Nach der nordischen Mythologie lebt in den Meeren die weltumschlingende Midgard-Schlange. Es heißt, der Rücken des Ungeheuers<br />

rage nur an einer Stelle der Erde aus dem Wasser. Dort wurde die Insel Island aus Feuer geboren.<br />

Auf einer kleinen Landfläche von nur wenig mehr als einh<strong>und</strong>erttausend Quadratkilometern<br />

präsentieren Feuer, Wasser, Luft <strong>und</strong> Erde facettenreich ihre imposanten<br />

Erscheinungsformen <strong>und</strong> <strong>Strukturen</strong>. In kaum einer anderen Region unseres Planeten<br />

sind diese <strong>Elemente</strong> so komprimiert <strong>und</strong> in sinnlichster Form erfahrbar. Wasser<br />

zeigt sich in all seinen Aggregatzuständen. Manchmal auf wenigen Quadratkilometern<br />

in seinen extremsten Formen. Dampfförmig, kochend, gefroren. Feuer in<br />

allen dramatischen Urformen des Vulkanischen – feurig-flüssiges Magma, erstarrt<br />

in skurril-bizarren Formen. Luft in polarer Reinheit, vermischt mit ungefiltertem<br />

Licht, bereit, sich den <strong>Elemente</strong>n anzupassen <strong>und</strong> sich mit ungewöhnlichen<br />

Wolkendramaturgien in Szene zu setzen. Erde in stetem Wandel, den enormen Kräften<br />

aus ihrem Inneren unterworfen. Radikalen Erosionen ausgesetzt, verwandeln<br />

Landschaften sich in einzigartige Sehstücke. Zeitfenster der jüngsten Erdgeschichte,<br />

ausgebreitet vor unseren Augen.<br />

Aus den tiefen Magmakammern des Erdinneren geboren, stieg Island vor zwanzig<br />

Millionen Jahren vom Boden des Nordatlantik empor. Erdgeschichtlich jung, daher<br />

auch sein Gestein aus dem jüngeren Tertiär <strong>und</strong> Quartär. Tief unter der Insel brodelt<br />

noch immer das Magma, das, sobald es das Erdinnere verlässt, in den Fluten des<br />

Ozeans zu Basalt erstarrt. Urgewalt. In der Lage, die nordamerikanische <strong>und</strong> die<br />

eurasische Kontinentalplatte Jahr für Jahr zentimeterweise auseinanderzudrücken.<br />

Einen Graben zwischen zwei parallelen Gebirgsketten entstehen zu lassen, der auf<br />

Island dem Schutz des Atlantiks entsteigt <strong>und</strong> sich für jeden sichtbar quer über die<br />

Insel zieht.<br />

Island, geboren aus Feuer. Bezeugt durch über einh<strong>und</strong>ert Vulkane. Durch Risse,<br />

Spalten <strong>und</strong> Schlote bahnt sich das glühende Erdinnere seinen Weg nach oben.<br />

Unter Midgards Rücken ist die Haut der Erde porös, ihr Inneres kocht apokalyptisch<br />

heiß. Eine Zeitbombe mit erdgeschichtlicher Dimension. Fühlbar. Erlebbar.<br />

Bedrohlich.<br />

Island - eine Insel der Stille, in der die Formen der Natur neue Erfahrungshorizonte<br />

schaffen. Ein Land verwoben mit den Urgewalten, die unsere Fantasie <strong>und</strong> Sinne<br />

beflügeln. Ein Stück Erde - das Bilder projiziert, in denen das Ideal der reinen Natur<br />

echt <strong>und</strong> unverfälscht gezeigt wird. Island erweckt das Gefühl, man sei an jenem<br />

Ort angelangt, an dem die Wertigkeit <strong>und</strong> Würde unseres Planeten Erde aufs Trefflichste<br />

repräsentiert ist <strong>und</strong> sich das Spektrum ihrer Urgewalten am lebendigsten<br />

offenbart. Ein Ort der Demut mit einer breiten Skala von Polaritäten. Archaisch,<br />

elementar, manchmal bedrohlich apokalyptisch, dann wieder anmutig <strong>und</strong> vertraut<br />

– doch immer faszinierend <strong>und</strong> tief beindruckend. Ein wahrer Schatz für das<br />

Bewusstsein <strong>und</strong> die Seele.<br />

6 Einleitung


Feuer <strong>und</strong> Eis<br />

Island ist die größte Vulkaninsel auf unserem Planeten. Aus der Vogelperspektive<br />

betrachtet, dominieren jedoch nicht ihre Feuerschlote. Es ist das Weiß der riesigen<br />

Gletschermassen, das die Blicke auf sich zieht. Die geografische Lage am nördlichen<br />

Polarkreis schafft die nötigen eiszeitlichen Voraussetzungen für die riesigen Eiskappen,<br />

die die Insel überziehen. Große Teile der monumentalen Gletschermassen<br />

haben eine gigantische Eisdicke von bis zu neunh<strong>und</strong>ert Metern. Der größte<br />

Gletscher Vatnajökull ist nach Arktis, Antarktis <strong>und</strong> Grönland die größte zusammenhängende<br />

Eismasse. Doch unter diesen gewaltigen Eispanzern brodeln<br />

still <strong>und</strong> unheimlich Vulkane. Sie haben Namen wie lebende Wesen. Unter dem<br />

Myrdalsjökull der Katla <strong>und</strong> unter dem Vatnajökull der Grimsvötn.<br />

Ihre Ausbrüche sind die faszinierendsten Schauspiele, die die Natur überhaupt zu<br />

bieten hat. Doch gleichzeitig gestatten sie uns auch einen Blick auf die gefährlichsten<br />

Endzeitszenarien, in denen ungeheure <strong>und</strong> unkontrollierbare Energien freigesetzt<br />

werden können – Naturgewalt pur. Der Ausbruch des Laki 1784 war einer<br />

dieser Supergaus der Natur in der Neuzeit. Monströse Aschewolken <strong>und</strong> Schmelzwassermassen<br />

veränderten ganze Landstriche. Brachten Tod <strong>und</strong> Verderben für die<br />

meisten Inselbewohner. Menschen, Tiere <strong>und</strong> Pflanzen waren diesen Urkräften vollkommen<br />

ausgeliefert. Aschewolken transportierten in den oberen Luftschichten<br />

riesige Mengen an Staubteilchen in weit entfernte Regionen. Mitteleuropa wurde<br />

von einer mysteriösen überdimensionalen Nebelbank heimgesucht. Schwefelhaltig.<br />

Todbringend. Im fernen England starben neusten Forschungsergebnissen zufolge<br />

r<strong>und</strong> fünf<strong>und</strong>zwanzigtausend Menschen an den Folgen dieser Jahrh<strong>und</strong>ertkatastrophe.<br />

Eine Tragödie, der etwa jeder dreih<strong>und</strong>ertste Einwohner zum Opfer fiel.<br />

Und von 1821 bis 1823 schleuderte allein der Eyjafjallajökull, der „Inselberggletscher“,<br />

aus seinem gleichnamigen Vulkan vier Millionen Kubikmeter Asche<br />

an die Erdoberfläche. Sein jüngster Ausbruch im Jahr 2010 legte mehr als zwei<br />

Wochen den gesamten mitteleuropäischen Luftverkehr lahm. Ein mediales Großereignis.<br />

Feinstaubteilchen kontra Hochtechnologie. Sie wurde unbrauchbar, zum<br />

Spielball der Natur. Außer Betrieb gesetzt schon durch eine vergleichsweise<br />

schwache Vulkanaktivität. Markante Spuren solch kleinerer Ausbrüche findet man<br />

allerorts auf den Gletscheroberflächen <strong>und</strong> Eisbruchkanten. Ihre schwarzweißadrigen<br />

Streifenmuster geben den Eislandschaften ein besonders reizvolles<br />

grafisches Gesicht. Sie zeugen von einer fulminant wirkenden flächendeckenden<br />

Urkraft.<br />

Einleitung<br />

9


Wasserströme <strong>und</strong> Mondlandschaften<br />

Das Eis als größtes Wasserreservoir auf der Insel spaltet die landschaftlichen Verhältnisse.<br />

Entweder gibt es zu viel Wasser oder zu wenig. Entweder bewegt man<br />

sich in mondlandschaftlichen, wüstenartigen Arealen oder in unübersichtlichen,<br />

deltaartigen Flusslandschaften mit ständig wechselnden Wasserszenarien. Wilde,<br />

breite Ströme, sofern sie sich ein Bett gegraben haben, kulminieren, auf der ganzen<br />

Insel verteilt, in gewaltigen Wasserfällen. Gigantische Wassermassen stürzen mit<br />

Höllenlärm in gischt-neblige Tiefen. Gefühl pur. Ganz nah am Nabel der Urelemente.<br />

Riesige weiße Wasserschleier spiegeln unverfälscht die Urkraft <strong>und</strong> vollendete<br />

Schönheit dieser extremen Naturgewalt wider. In diametralem Gegensatz dazu<br />

die absolute Stille der unwirtlichen Steinwüsten <strong>und</strong> Mondlandschaften fernab<br />

jeglicher Zivilisation. Orte höchster Wahrnehmungsintensität. In diesen surrealen<br />

Topografien fühlt man sich auf einen anderen Planeten versetzt. Nicht ohne Gr<strong>und</strong><br />

haben Astronauten der NASA Mitte der sechziger Jahre des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

in dieser kahlen Erdlandschaft die erste Mondlandung trainiert. Beeindruckender<br />

Gelände-Minimalismus, reduziert auf baumlose, weich geschwungene<br />

Berg- <strong>und</strong> Hügellandschaften. Weiches Licht gleitet über eine Palette von Erdfarben<br />

<strong>und</strong> verfremdet dieses grenzenlose Flächengebilde bis zum Horizont.<br />

Verlässt man die kargen Areale in westlicher Richtung, stößt man zwischen Krafla<br />

<strong>und</strong> Myvatnsee auf ein faszinierendes Schauspiel, das das Auge bannt. Verhaltene<br />

Braun- <strong>und</strong> Ockertöne weichen plötzlich schrillen Farben. Die Solfatarenfelder<br />

von Námaskard verändern die Erdoberfläche in ein nie gesehenes abstrus anmutendes<br />

Farbspektakel. Der Vulkanismus direkt unter den Füßen lässt sich durch<br />

rauchende, ätzend riechende Schwefelschlote <strong>und</strong> blubbernde, heiße Schlammtrichter<br />

mit allen Sinnen erfassen. Chemische Prozesse im Erdboden lassen extreme<br />

Farben entstehen. Die Palette reicht vom schrillen Gelb bis zum giftigen Blau.<br />

Natur mutiert zum Actionpainting auf einer riesigen, begehbaren Leinwand. Ein<br />

monumentaler Farbteppich. Verlässt man ihn, gelangt man nach wenigen Kilometern<br />

in eine völlig andere, aber nicht weniger exotische Welt. Die dampfenden<br />

Lavafelder des Vulkans Leirhnjúkur. Mysteriös, lebensfeindlich in Nebelschwaden<br />

gehüllt. Man kann sich mühelos vorstellen, dass sich hier der Eingang zur Unterwelt<br />

des Hades befindet. Ein Ort, unwirtlich, fremd <strong>und</strong> alptraumhaft. In unmittelbarer<br />

Nachbarschaft der glatte, offene Spiegel des Viti Kratersees. Der nach Westen<br />

aufgebrochene Kraterrand präsentiert die massiv türkisfarbene Wasseroberfläche<br />

in einer unglaublich reinen <strong>und</strong> klaren R<strong>und</strong>form. Eine atemberaubende Schönheit.<br />

Begleitet von zwei kleineren, nicht minder schönen Kraterseen, eingebettet<br />

in eine Kulisse dampfender Erdspalten <strong>und</strong> kolorierter Vulkanhügel.<br />

10 Einleitung


Flechten <strong>und</strong> Moose<br />

Erde, Element verb<strong>und</strong>en mit Feuer <strong>und</strong> Wasser. Lebensraum organischer Materie.<br />

Flechten <strong>und</strong> Moose inmitten einer lebensfeindlichen Umgebung von Gletschern,<br />

Flüssen <strong>und</strong> Vulkanen. Urzeitliche pflanzliche Wesen. Flechten gehören zu den<br />

widerstandsfähigsten <strong>und</strong> langlebigsten Lebewesen, die wir kennen. Selbst im<br />

Weltall, dem lebensfeindlichsten Umfeld, haben sie ihre Überlebensfähigkeit<br />

unter Beweis gestellt. Flechten sind Überlebenskünstler. Doppellebewesen aus Pilz<br />

<strong>und</strong> Algen. Dominiert von dem Pilz. Er gibt der Flechte Form <strong>und</strong> Struktur, sorgt<br />

für ihre Vermehrung, gewährt den Partneralgen Schutz. Dafür ernähren sie ihn.<br />

Photosynthese. Symbiose. Gr<strong>und</strong>lage für ein langes Leben. Über Tausend Jahre zum<br />

Beispiel hier bei der Landkartenflechte Rhizocarpon geographicum. Im Laufe ihres<br />

Lebens wächst sie zu einem landkartenähnlichen, farbenprächtigen Gebilde heran.<br />

Ein zarter Organismus mit fantastischen Flächen- <strong>und</strong> Farbstrukturen, wie geschaffen<br />

als Mustervorlage für abstrakte, informelle Malerei.<br />

Island ist Heimat von 600 Moosarten. Auf den weiten Lavafeldern an<br />

der isländischen Südküste haben sich riesige Moospopulationen angesiedelt.<br />

Hohe Luftfeuchtigkeit bei niedrigen Temperaturen ist die<br />

Wohlfühlumgebung für diese Pflanzen, die entwicklungsgeschichtlich<br />

um ein Vielfaches älter sind als der Untergr<strong>und</strong>, auf dem sie derzeit<br />

wachsen. Dreißig Zentimeter hohe weiche Polster überwuchern<br />

spitzes, kantenhartes junges Lavagestein <strong>und</strong> verwandeln es zu lebendig<br />

anmutenden Körperformen. Ihre grün-monochrome Tonigkeit hat für den<br />

Betrachter eine kontemplative Wirkung. Gleichzeitig sind sie ein einzigartiges<br />

Seherlebnis, das durch den Eindruck einer chaotisch anmutenden,<br />

unüberschaubar großen Flächenskulptur hervorgerufen wird.<br />

Einleitung<br />

13


Zwischen Himmel <strong>und</strong> Erde<br />

Luft ist im antiken Vier-<strong>Elemente</strong>-System gleichbedeutend mit Atmosphäre – abgeleitet<br />

aus dem Griechischen atmós für Dampf, Dunst, Hauch. Das ist bemerkenswert,<br />

weil die Griechen nur den sichtbaren Teil der Luft beschrieben <strong>und</strong> als Begriff<br />

gebildet haben. Luft als solche ist ein Gasgemisch aus Stickstoff, Sauerstoff, Kohlenstoffdioxyd,<br />

Argon <strong>und</strong> Wasserstoff. In seinem natürlichen Zustand ist es neutral,<br />

farb- <strong>und</strong> geruchlos. Unsichtbar. Für die menschliche Wahrnehmung nicht vorhanden,<br />

gleichzeitig aber absolute Gr<strong>und</strong>voraussetzung für unsere Existenz. Sicher das<br />

größte Rätsel in der Antike <strong>und</strong> ein Dilemma bei seiner Beschreibung. Dieses nicht<br />

mit den Sinnen Erfassbare war dem antiken Menschen fremd <strong>und</strong> nicht zugänglich,<br />

deshalb nahm er nur die sichtbare Seite dieses Urstoffs wahr. Dampf, Dunst oder<br />

Wolken. Mikrofeine Wassertröpfchen bilden die sichtbare Stofflichkeit von Luft,<br />

Ergebnis eines physikalisch-chemischen Prozesses. Dies passiert beim Abkühlen<br />

des Gases, ausgelöst beispielsweise durch Thermik, oder durch den Austausch<br />

zweier unterschiedlicher Luftschichten. Es kommt zur Kondensation <strong>und</strong> Wassertröpfchen<br />

werden zu Nebel. Das Element Luft wird sichtbar als Wolken.<br />

Ihr Zuhause ist die Troposphäre, die unterste Schicht der Erdatmosphäre. An den<br />

Polen acht Kilometer dick, am Äquator achtzehn. Die Lufthülle der Erde enthält<br />

fast den gesamten Wasserdampf unserer Atmosphäre. Diese nimmt ihre Wärme<br />

fast ausschließlich vom Erdboden auf, die Sonnenstrahlung spielt nur eine kleine<br />

Nebenrolle. Wir wissen, warme Gase steigen <strong>und</strong> kalte sinken – verschiedene Wetterlagen<br />

entstehen so. Die Wolkenstruktur ist der sichtbare Code für diese Dynamik.<br />

Ihre Form, ihr Aussehen, ihre Höhe <strong>und</strong> ihre Geschwindigkeit geben Auskunft über<br />

lokale Wetterentwicklungen.<br />

Wolkenstrukturen. Sie sind mehr als nur meteorologische Beobachtungsobjekte.<br />

Für den Menschen haben sie ästhetische Bedeutung, sie reizen seine Sinne.<br />

Ihre Schönheit beflügelt die menschliche Phantasie. Mit dem Flug der Wolken<br />

assoziieren wir grenzenlose Freiheit, Hoffnung. Ihr Anblick gibt uns ein positives,<br />

unbeschwertes Gefühl. Ihre Leichtigkeit entspannt <strong>und</strong> veranlasst zum Träumen.<br />

Doch die leichten Riesen am Himmel können auch massiv bedrohlich auf uns<br />

wirken. Wenn sich bei Gewittern <strong>und</strong> Unwettern Luft <strong>und</strong> Feuer verbünden,<br />

fühlen wir uns den urgewaltigen <strong>Elemente</strong>n hilflos ausgeliefert.<br />

In exotisches Licht getaucht, umschmeichelt von sattem Orange oder zartem Rosa<br />

können Morgen- <strong>und</strong> Abendstimmungen tiefe Emotionen in uns wecken. Wolkenbilder<br />

sind Gemälde am Himmel <strong>und</strong> werden als Monumente der Vergänglichkeit<br />

bestaunt. Für den wolkenvernarrten Schriftsteller Hermann Hesse waren sie<br />

„Wesen, deren menschlich irdische Leiber der Schwere trotzen“. Wenige Sujets sind<br />

in der abendländischen Kunst so oft dargestellt worden wie ein Wolkenhimmel.<br />

Sie wurden religiös überhöht, dramatisiert, romantisiert oder hyperrealisiert.<br />

Ein Meister dieses Sujets ist ohne Zweifel der englische Maler William Turner<br />

(1775-1851), der mit ihrer vollendeten Darstellung bereits die abstakte Kunst schon<br />

in der Zeit der Romantik vowegnahm. Ihre ephemere Anwesenheit zusammen<br />

mit ihren unglaubliche farblich wechselnden Erscheinungsformen faszinieren<br />

ausnahmslos schon zu jeder Zeit alle Weltkulturen. Wolken gehören zu den archetypischen<br />

Objekten unserer Welt, wie Sonne, Mond <strong>und</strong> Sterne. In stiller Aufmerksamkeit<br />

werden sie deshalb von allen Menschen stets gerne betrachtet <strong>und</strong><br />

bew<strong>und</strong>ert.<br />

14 Einleitung


Im Fokus das Detail<br />

Die Drucke der dreizehn Fotosequenzen repräsentieren Bilder einer einzigartigen<br />

Naturlandschaft, vereint unter dem Thema der klassischen <strong>Elemente</strong>. Island, die<br />

Vulkaninsel nahe dem Polarkreis, bietet eine Fülle visueller Ereignisse <strong>und</strong> Erfahrungen.<br />

Natur in ihrer elementarsten Form zu beobachten, sie durch Fotografie<br />

zu einem visuellen Erlebnis zu machen, war für mich die große Herausforderung.<br />

Als gemeinsames bildnerisches Prinzip wählte ich das Bruchstückhafte <strong>und</strong> Fragmentarische<br />

der Dinge. Im Fokus stand das Detail. So konnte ich stärker auf die<br />

grafischen Qualitäten der einzelnen Motive eingehen <strong>und</strong> ihre Einzigartigkeit in<br />

den Mittelpunkt rücken. Die Wirklichkeit optisch filtern, um das Wesentliche aus<br />

den verschiedenen Sujets herauszulösen. Details schaffen optische Nähe <strong>und</strong><br />

fördern Verborgenes zutage, zugleich aber bilden sie auch den gemeinsamen Stil<br />

<strong>und</strong> Rahmen. Sie verfremden das Konkrete <strong>und</strong> verleiten damit das Betrachterauge<br />

zu neuem Sehen <strong>und</strong> Denken. Vermeintlich Unsichtbares wird subjektiv sichtbarer.<br />

Die Bildwirklichkeit wird von der tatsächlichen Wirklichkeit abgenabelt <strong>und</strong> erhält<br />

somit ihre eigene Expressivität <strong>und</strong> Authentizität. Bildinhalte verändern sich zu<br />

einer reinen unverfälschten grafischen Information – ein neues Bild von Wirklichkeit<br />

entsteht.<br />

Es geht mir primär nicht um das handwerklich exakte Ablichten von Naturdokumenten,<br />

sondern um die Schaffung neuer Bildideen, die in allen naturalen Erscheinungsformen<br />

latent vorhanden sind. Meine Wertschätzung gilt ihrer Schönheit<br />

<strong>und</strong> Stimmigkeit – sie zu unterstreichen <strong>und</strong> ihre unermessliche Fülle darzustellen<br />

war mein Bestreben. Die Fotografie ist der Schlüssel, um in ihre unmittelbare Nähe<br />

zu gelangen ohne ihr Schaden zuzufügen. Demut <strong>und</strong> Behutsamkeit ist die wichtigste<br />

Voraussetzung bei dem Versuch, unter ihre Oberfläche zu dringen <strong>und</strong> sie<br />

dabei mit ihrem eigenen w<strong>und</strong>ervollen Abbild zu würdigen.<br />

Friedrich Don · November 2015 (Neuauflage)<br />

Alle Fotografien thematisieren spezifische Aspekte aus dem jeweiligen komplexen<br />

Umfeld der vier <strong>Elemente</strong>. Alle <strong>Elemente</strong> unterliegen dabei einer prioritären Sichtweise<br />

<strong>und</strong> werden trotzdem in ihrer natürlichen Vernetzung wiedergegeben. Der<br />

Mensch spielt in allen Sequenzen eine untergeordnete Rolle. Mein Interesse gilt<br />

der reinen Stofflichkeit von Natur als materiellem Dingwesen. Licht, Raum <strong>und</strong><br />

Fläche sind dabei wichtige Kriterien. Die Natur wird zum optischen Destillat. Naturerscheinungen<br />

werden lupenartig betrachtet <strong>und</strong> mit dem Kameraauge isoliert, um<br />

das Beobachtete besser zu erkennen. Losgelöst von ihrer totalen Ansicht sind sie<br />

Botschafter einer klaren ästhetischen Information, schnörkellos direkt <strong>und</strong> einfach.<br />

Ich widme dieses Buch meiner lieben Frau Hille, in Erinnerung an diese<br />

w<strong>und</strong>erschöne Reise im Sommer 2008 <strong>und</strong> ihre große Geduld mit mir als<br />

motivsuchendem Reisepartner.<br />

Einleitung<br />

17


TERRA<br />

TopoGraphien<br />

18 Terra


20 Moonscape 1


Moonscape 2<br />

21


22 Moonscape 4


Moonscape 5<br />

23


24 Moonscape 3


Moonscape 6<br />

25


26 Moonscape 7


Krafla<br />

27


TERRA AQUA<br />

FlussDelta<br />

28 Skardfjord 1


30 Wasserläufe 1


Wasserläufe 2<br />

31


32 Delta 1


Delta 2<br />

33


34 Delta 3


Delta 4<br />

35


36 Delta 5


Delta 6<br />

37


38 Skardfjord 2


Skardford 3<br />

39


TERRA AQUA<br />

SeeStücke<br />

40 Great Wide Open


Moonscape<br />

41


42 Parallele Welten 3


Parallele Welten 2<br />

43


44 Wasserspiegel 1


Wasserspiegel 2<br />

45


46 Kleiner Viti kratersee 1


Kleiner Viti kratersee 2<br />

47


48 Deep Blue 2


Geothermischer See<br />

49


AQUA<br />

WildWasser<br />

50 Wassersturz 1


52 Wassersturz 2


Wassersturz 3<br />

53


54 Wasser Metamorphose 1


Wasser Metamorphose 2<br />

55


56 Wasserwand


Svartifoss Basis<br />

57


58 Spektrum


Under the Rainbow<br />

59


AER<br />

WolkenBilder<br />

60 Wolkenauge


62 Wolkenbank


Wolkenmeer<br />

63


64 Wolkenhorizont 1


Wolkenhorizont 2<br />

65


66 Wolkenspiel 1


Wolkenspiel 2<br />

67


68 WolkenLicht 1


Wolkenlicht 2<br />

69


IGNIS<br />

UnterWelten<br />

70 Leirhnjúkur


Moonscape<br />

71


72 Weisser Engel


Höllenschl<strong>und</strong>e<br />

73


74 Krater Rinnsale


Namaskard Krater<br />

75


76 Solfataren Form 1


Solfataren Form 2<br />

77


78 Solfatarentrichter mit Schwefelgelb


Solfatarentrichter mit Erdbraun<br />

79


80 Relikt 1


Relikt 2<br />

81


TERRA IGNIS<br />

LavaFelder<br />

82 Lavaweg


84 Lava Skulpturen 1


Lava Skulpturen 2<br />

85


86 Kap Dyrhólaey 1


Kap Dyrhólaey 2<br />

87


88 Hexagonal Basaltwand 1


Hexagonal Basaltwand 2<br />

89


90 Devil‘s Bridge 2


Lavawand<br />

91


TERRA<br />

FlechtenArt<br />

92 Flechten Universum 1


94 Flechten Universum 2


Flechten Universum 3<br />

95


96 Rhizocarpon Geographicum 1


Rhizocarpon Geographicum 2<br />

97


98 Rhizocarpon Geographicum 6


Rhizocarpon Geographicum 7<br />

99


100 Rhizocarpon Geographicum 9


Rhizocarpon Geographicum 10<br />

101


TERRA<br />

MoosSkulpturen<br />

102 Lavastein in Moospopulation


104 Population 3


Zusammenhalt<br />

105


106 Beschützer


Schlafende<br />

107


108 Verschwörung


Tète-à-Tète<br />

109


110 Moos Flächenskulptur 1


Moos Flächenskulptur 2<br />

111


TERRA<br />

BergSilhouetten<br />

112 Bergfuss


114 Doppelspitze


Südliches Bergmassiv<br />

115


116 Küstenberge 1


Küstenberge 2<br />

117


118 Solitär


Snæfellsjökull<br />

119


120 Wolkenfang 1


Wolkenfang 2<br />

121


TERRA<br />

ErosionsFlächen<br />

122 Viti Krater


Moonscape<br />

123


124 Erosion


Snæfellsnes Bergmassiv<br />

125


126 Viti Krater Fläche


Kratergr<strong>und</strong><br />

127


128 See bei Krafla


Erosion 1<br />

129


130 Erosion 2


Erosion 3<br />

131


AQUA TERRA<br />

EisZonen<br />

132 Gletscher Lagune Jökulsárlón


134 Eisriesen


Eisberg 3<br />

135


136 EisGarten


Blue System<br />

137


138 Eisberg 1


Eisberg 2<br />

139


140 Lava Eis 3


Lava Eis 4<br />

141


TERRA AQUA<br />

ZwischenLand<br />

142 Black Beach 1


Moonscape<br />

143


144 Vik Beach 1


Vik Beach 2<br />

145


146 Zwischenwelt 1


Zwischenwelt 2<br />

147


148 Refugium 3


Refugium 5<br />

149


150 Black Beach 2


Black Beach 3<br />

151


iceland one<br />

Herausgeber<br />

Don Artworks | D-71334 Waiblingen<br />

contact@don-artworks.de<br />

www.don-artworks.com<br />

Fotografie | Text | Gestaltung<br />

Friedrich Don<br />

© 2016 by Don Artworks

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