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Incento_02_2015_Koeln

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Zwischen<br />

den<br />

Zeilen<br />

Aus 30 Tonnen Stahl ist das Kunstwerk<br />

„Reading between the Lines“ , das man aus<br />

der Distanz fast als optische Täuschung<br />

wahrnehmen kann, gebaut worden. Als<br />

Kunstprojekt im flämischen Borgloon –<br />

bei Hasselt – greift diese stählerne Kirche<br />

den Gegensatz von Massivität und Transparenz<br />

auf.<br />

Innen und Außen. Hinausschauen und Draufblicken. Kopie und Original.<br />

Mit diesen Gegensätzen arbeitet der im belgischen Leeuven<br />

ansässige Architekt Gijs von Vaerenbergh in seinem Kunstprojekt<br />

„Reading between the Lines“. Im Jahr 2011 waren mehr als zehn<br />

Künstler am Projekt PIT im flämischen Teil der Provinz Limburg<br />

beteiligt. Alle Objekte stellten das Thema ›Kunst im öffentlichen<br />

Raum‹ in den Mittelpunkt. Der transparente Andachtsraum in den<br />

grünen Wiesen rund um die kleine belgische Ortschaft Borgloon ist<br />

Teil dieser Kunstaktion. Rund 30 Tonnen Stahl wurden verbaut, um<br />

die einzelnen Lagen dieses Andachtsraums herzustellen. Etwa 2000<br />

stählerne Böcke, die den Abstand zwischen den Lagen definieren<br />

wurden verschweißt. So entsteht die faszinierende optische Leichtigkeit<br />

dieses Bauwerks, das bis heute die Besucher begeistert. Je<br />

nach Blickwinkel kann die kleine Kirche fast wie massiv gebaut wirken.<br />

Von einem anderen Betrachtungspunkt aus scheint die Kirche<br />

sich fast aufzulösen in der Landschaft. Auf einer Bodenplatte aus<br />

Beton ist die stählerne Kirche so ausgerichtet, dass sie die Dorfkirche<br />

von Borgloon spiegelt. Wie der moderne Zwilling der mittelalterlichen<br />

Kirche wirkt das Kunstwerk. Auch hier kann man natürlich<br />

zwischen den Zeilen lesen: In einer Zeit der Kirchenaustritte und<br />

verwaisten Kirchenräume müssen sich die Verantwortlichen mit<br />

der Frage auseinandersetzen, wie die kirchlichen Räume zukünftig<br />

genutzt werden sollen. Ein Vestecken hinter dicken Mauern, so der<br />

Appell dieses Kunstwerks, kann wohl kaum ein Teil der Lösung sein.<br />

Ein ähnlich außergewöhnliches visuelles Erlebnis eröffnet sich für<br />

die Besucher, die in den kleinen Andachtsraum hinein treten. Die<br />

Bauweise bietet die Basis für das ambivalente Gefühl von gleichzeitigem<br />

Draußen und Drinnen sein. Man fühlt sich in einem Raum<br />

und gleichzeitig als Teil der Landschaft. Der enger werdende Radius<br />

der Stahlbleche zum Kirchendach hin vermittelt das Gefühl ein Dach<br />

über dem Kopf zu haben, während der Blick aus der weiteren Distanz<br />

auch dies als optische Täuschung erscheinen lässt. Denn das<br />

Dach ist ebenso luftig und transparent gebaut wie die Seitenwände.<br />

Der Blick hinaus in die Landschaft und auf das benachbarte Dorf<br />

schärft die Sicht erneut. Die Ebenen der Stahlkonstruktion geben<br />

der Umgebung eine neue Textur. Die hügelige Landschaft erhält einen<br />

Bezugsrahmen, es erschließt sich ein neuer Ausblick. So kann<br />

man in aller Ruhe zwischen den Zeilen lesen – in diesem Gotteshaus,<br />

in dem keine Gottesdienste gefeiert werden.<br />

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