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Incento_02_2015_Koeln

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te Juni doch schon so heiß, dass wir nur mit Socken den weißen<br />

Friedenstempel rituell von rechts umrunden können, um unsere aus<br />

gelben Wachsblumen in Bananenblättern drapierten Opfergaben<br />

darzubringen, ohne uns die Füße zu verbrennen. In der Pagode wird<br />

dem historischen Friedensschluss der Könige von Laos und Ayutthaya<br />

gehuldigt, mit der die lange Freundschaft zwischen den beiden<br />

Völkern 1560 begann. Alle roten Kleidungsstücke und andere<br />

roten Gegenstände sind im Tempelbezirk verpönt. Rot als die Farbe<br />

des Blutes und Symbol der Gewalt soll am Ort des Friedens und der<br />

Freundschaft für immer verbannt bleiben.<br />

Nur wenige Kilometer entfernt gelangen wir an einen weiteren<br />

Ort uneingeschränkten Friedens. Phu Rua Roun Mai liegt an einem<br />

kleinen Fluss auf einer breiten Ebene, die in eine reizvolle Berglandschaft<br />

eingebettet ist. Hier betreiben Oma, Mutter und Tochter<br />

Tahwichai seit vier Jahren erfolgreich eine ökologische Reisfarm.<br />

Nachdem ihr Mann gestorben war, reichte ihr Gehalt als Lehrerin<br />

zum Überleben nicht mehr aus, so dass ihre Tochter Jitchanok die<br />

Idee hatte, auf ihrem Land einen Zeltplatz für Kälte suchende junge<br />

Leute im Winter einzurichten, erzählt uns die Mutter Ubol, während<br />

wir gemeinsam bis zu den Knien im Wasserschlamm stehend nach<br />

der so genannten Kronprinzessinnenmethode sortenreinen Reis<br />

aussähen. Bei dieser Methode wird der Reis nicht mehr gesteckt,<br />

sondern die vorgezogenen Setzlinge werden im Reisfeld ausgeworfen.<br />

Man benötigt weniger Samenkörner, hat vor der Aussaat mehr,<br />

später dann weniger Arbeit. Als der Nachbar sein Grundstück aus<br />

Altersgründen an die Familie Tahwichai verkaufte, begann die Tochter<br />

mit dem ökologischen Reisanbau. Ihre Kenntnisse bezog sie aus<br />

dem Internet, denn wen hätte sie fragen sollen, selbst die Mutter<br />

war ja am Anfang skeptisch, erzählt die 25-jährige Jitchanok: „Die<br />

Nachbarn haben mich doch alle ausgelacht. Heute lachen sie immer<br />

noch, aber sie kommen auf unsere Felder, um Frösche zu sammeln<br />

und beobachten nachts die Glühwürmchen, die es auf ihren Feldern<br />

schon lange nicht mehr gibt.“ Der Ertrag sei zwar geringer als beim<br />

traditionellen Reisanbau, aber schließlich wollen sie ihn ja selber essen<br />

und der Rest sei für ihre Gäste, denn immerhin haben sie jetzt<br />

zehn kleine Ferienhäuser. Hilfe erhalten die drei Frauen von fünf<br />

fest angestellten Arbeitern und in der Hochsaison im Winter von<br />

Schülern der Berufsschule für Tourismus aus Dan Sai, die im Phu Rua<br />

Roun Mai Resort ihr Praktikum machen können. Auf die Frage, ob sie<br />

sich auch ausländische Gäste wünsche, antwortet Mutter Ubol, sie<br />

würde sich darüber freuen, aber sie müssten darüber hinwegsehen<br />

können, dass bei ihnen nicht alles durchorganisiert ist, sonst wäre<br />

es schade. Erst beim Abschied meldet sich die 80-jährige Oma Sikarinwanon<br />

zu Wort. Es erfülle sie mit Stolz, dass wir ihre Arbeit und<br />

ihr Leben wertzuschätzen wüssten, gibt sie uns mit auf den Weg.<br />

Wir nähern uns dem Mekong. Je näher man dem mächtigen Fluss<br />

kommt, umso mehr Wälder sind abgeholzt. Obstgärten, Gemüseund<br />

Reisfelder zwischen Bambushainen wechseln sich ab. Von den<br />

wenigen Dörfern sticht das der Tai Dam Gemeinde hervor. Es ist die<br />

Zeit der Reisaussaat. Viele in traditionelles Schwarz gekleidete Frauen<br />

stehen bis zu den Knien im Wasser der Reisfelder, die das schöne,<br />

blumenreiche Dorf umgeben. Tai Dam, Leute vom schwarzen Fluss,<br />

nennt sich das Volk von ursprünglich mehr als 1 ½ Millionen Menschen<br />

und einer eigenen Sprache, die in mehreren Flüchtlingswellen<br />

über China und Vietnam nach Laos und Thailand geschwemmt<br />

wurden. Khun Poisoon ist gewählter Dorfvorsteher und Schamane<br />

zugleich. Während er uns mit dem Traktor vorbei an den zweisprachigen<br />

Straßenschildern durch sein Dorf bis zur Weberkooperative<br />

fährt, wo wir fein gearbeitete Baumwollschals erstehen, erzählt er<br />

von den Umbrüchen in seinem Dorf. Nur noch knapp tausend Menschen<br />

leben hier, und noch viel weniger leben nach den alten Regeln.<br />

Immer mehr schließen sich der modernen Gesellschaft an oder ziehen<br />

gleich ganz weg. Er selbst habe schon seit langem seine Gabe zu<br />

heilen verloren. Kein Nachfolger sei in Sicht. So müssten die Dorfbewohner<br />

bei dringendem Bedarf für teures Geld den Schamanen aus<br />

der Tai Dam Gemeinde in Laos von der anderen Seite des Mekong<br />

kommen lassen, der die Gabe noch besitzt.<br />

Ein paar Kilometer trennen uns noch vom Fluss des Lebens, dann<br />

sind wir am Mekong. Obwohl gar nicht so einfach zu erreichen, ist<br />

der Wandel vom ehemaligen Backpacker-Paradies zu einem Ort des<br />

gehobenen Tourismus überall in Chiang Khan zu sehen. Nur noch<br />

wenige traditionelle Holzhäuser mit blumengeschmückten Balkonen<br />

und Balustraden säumen die Chai Khong Road. Die einzige<br />

wirkliche Straße der Stadt zieht sich parallel zum Mekong vom Tempel<br />

Wat Takok bis zum Tempel Wat Si Khun Muang. Noble Boutique<br />

Hotels stehen neben einfachen Guesthouses, Restaurants und Geschäfte<br />

gibt es in Hülle und Fülle, Touristen mit Geld schlendern neben<br />

Backpackern ohne Geld. Dennoch hat sich der beschauliche Ort<br />

seinen Charme bisher bewahren können. Am meisten spürt man ihn<br />

im Morgengrauen vor sechs Uhr, wenn die Mönche barfuß ihre Klöster<br />

verlassen, um im gleichmäßigen Singsang, Gebete murmelnd<br />

ihre Almosen aus Klebereis von den auf der Marktstraße knienden<br />

Stadtbewohnern zu empfangen, während langsam der Flussnebel<br />

vom Ufer hochsteigt und sich mit dem Morgendunst vermischt.<br />

Überhaupt der Mekong. Beim Spaziergang auf der neuen Uferpromenade<br />

schimmert er durch die Bambushaine wie ein stiller, großer<br />

See. Etwas oberhalb Chiang Khans an der Mündung des Flusses<br />

Huang, wo der Mekong zur fließenden Grenze zwischen Laos und<br />

Thailand wird und auf seinem 4500 km langen Weg zum Meer noch<br />

einmal in einem großen Bogen nach Nordosten ausweichen muss,<br />

schlängelt er sich zu Beginn der Regenzeit noch träge und geduldig<br />

durch ein Labyrinth von bizarren, grünen Inselchen, während er drei<br />

Kilometer flussabwärts am Katerakt Kaeng Khut Khu eher wütend<br />

auf die Felsen schlägt. Nur manchmal, wenn laute Speedboote von<br />

Laos´ Hauptstadt Vientiane auf dem Weg zur alten Königsstadt<br />

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