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Incento_02_2015_Koeln

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der Trauben. Eine dauerhafte Veränderung der Temperaturen zieht<br />

aber eine ganze Reihe von Veränderungen nach sich, auf die der<br />

Weinbauer eingestellt sein muss. So zeigen zum Beispiel Beobachtungen<br />

in Veitshöchheim bei Würzburg, dass die Sorte Müller Thurgau<br />

heute um rund acht Tage früher austreibt, als noch vor fünfzig<br />

Jahren. Damit steht der Rebe ein längerer Zeitraum für Wachstum<br />

und Entwicklung zur Verfügung. Gerade für die Sorte Müller Thurgau<br />

gilt aber, dass diese Verlängerung der Reifezeit kaum positive<br />

Effekte mit sich bringt. Müller Thurgau nutzt die verlängerte Vegetationszeit<br />

nicht, um weiteren Zucker in die Beeren einzulagern,<br />

sondern schließt die Traubenreife mit dem Erreichen eines bestimmten<br />

Reifezustandes ab. Anders die später reifenden Sorten wie Silvaner,<br />

Grüner Veltliner, Riesling oder Burgundersorten. Mit diesen<br />

Sorten ließen sich die Vorteile des früheren Austriebs besser in eine<br />

höhere Qualität des Weins ummünzen. Denn der frühe Austrieb<br />

birgt auch Risiken: Unser Klima hat sich ja noch nicht vollständig<br />

verändert und so sind zur Zeit des Austriebs der Reben immer noch<br />

Kälteperioden mit Nachtfrösten möglich. Je früher der Austrieb beginnt,<br />

umso größer die Gefahren, die sich durch das Einfließen kalter<br />

Luftmassen ergeben können. Ähnliche Effekte lassen sich bei dem<br />

früheren Eintritt der Rebblüte und dem Beginn der Reifeperiode der<br />

Trauben beobachten. Die langjährigen Aufzeichnungen der Winzer<br />

zeigen, dass der Lesetermin immer weiter noch vorne rückt. Ein<br />

zweiter Aspekt des dauerhaft höheren Temperaturniveaus findet<br />

sich bei der Beobachtung der Fauna im Weingarten. Mit steigenden<br />

Temperaturen fühlen sich bei uns plötzlich Lebewesen pudelwohl,<br />

die das nördliche Mitteleuropa bisher eher gemieden haben. Die<br />

Amerikanische Rebzikade, die die Goldgelbe Vergilbung übertragen<br />

kann, ist ein Beispiel für das Auftreten neuer Schädlinge in deutschen<br />

Weinbergen. Die von dieser Zikade übertragene Krankheit<br />

führt zum Absterben der Rebstöcke, ist eine Lage befallen, wird sie<br />

unter Quarantäne gestellt.<br />

Mit der steigenden Intensität der Sonneneinstrahlung sind für viele<br />

Rebsorten weitere Gefahren verbunden: An Tagen mit extrem hohen<br />

Temperaturen – auch in diesem Jahr hatten wir ja Tage, an denen<br />

das Thermometer auf bis zu 40 Grad geklettert ist – droht den Trauben<br />

ein Sonnenbrand. Der Sonnenbrand führt zu einer drastischen<br />

Abnahme der Apfelsäure in den Beeren und die betroffenen Früchte<br />

müssen vor dem Keltern aussortiert werden. Eine direkt nicht erkennbare<br />

Gefahr geht von der steigenden UV-B Strahlung aus. Die<br />

Vom Sonnenbrand, den die Trauben durch hohe UV-B Strahlungsbelastung erleiden<br />

können, bis zum Auftreten neuer Schädlinge im Weinberg reichen die Konsequenzen,<br />

die mit den veränderten Temperaturen einhergehen.<br />

Schwächung der Ozonkonzentration in den oberen Schichten unserer<br />

Atmosphäre führt dazu, dass die UV-B Strahlen, die ja auch für<br />

den Menschen schädlich sind, nicht mehr so gut gefiltert werden.<br />

Bei Trauben kann diese Strahlung dazu führen, dass sich ungünstige<br />

Gerbstoffeinlagerungen in den Beerenschalen negativ auf die<br />

Weinqualität auswirken. Aber auch hier gilt: Die Auswirkungen sind<br />

bei den einzelnen Rebsorten sehr unterschiedlich und bei Verkostungen<br />

zeigt sich, dass je nach Traubensorte, die höheren Durchschnittstemperaturen<br />

durchaus auch zu einer Qualitätssteigerung<br />

führen können, während andere Sorten zunehmend in Stress geraten.<br />

Zu den Stressfaktoren, auf die Weintrauben aller Rebsorten<br />

in der Regel sehr sensibel reagieren, zählt der Wassermangel. Mit<br />

einem Anstieg der Sonneneinstrahlung, der Temperaturen und der<br />

Windgeschwindigkeiten steigt die Verdunstung des Wassers aus<br />

den Böden in die Atmosphäre. Weniger Wasser steht den Reben zur<br />

Verfügung und gerade in der Reifeperiode der Beeren kann dies zu<br />

negativen Auswirkungen führen. Zumal die Pflanzen über das Wasser<br />

auch Mineralstoffe aufnehmen, die letztlich zur Ausprägung der<br />

terroir-typischen Geschmacksnuancen im Wein führen. Gerade die<br />

Anbaugebiete im Süden Europas spüren die negativen Auswirkungen<br />

der langen Trockenperioden in besonderer Weise. Auch wenn<br />

hier mit intelligenten Bewässerungssystemen gearbeitet wird, die<br />

die Wasserversorgung der Pflanzen aufrecht erhalten, ist gerade die<br />

Aufnahme der bodentypischen Mineralien und Spurenelemente, die<br />

dem Wein seine besondere Charakteristik geben, nicht unbedingt<br />

gewährleistet. In Deutschland sind gar nicht unbedingt die langen<br />

Trockenperioden das größte Problem, dem der Weinbauer gegenübersteht.<br />

In unseren Weinbaugebieten spielt die steigende Zahl<br />

der Starkregen-Ereignisse eine wichtigere Rolle. Starke Regenfälle,<br />

zum Beispiel bei Gewittern, fördern die Bodenerosion. Das schnell<br />

fließende Wasser, das in kurzer Zeit über den Weinbergen abregnet<br />

und vom Boden gar nicht so schnell aufgenommen werden kann,<br />

reißt auf seinem Weg in die Täler die obere Humusschicht mit sich<br />

und entzieht so dem Weingarten den nahrhaften Boden. Der drohenden<br />

Erosion kann man durch die Anpflanzung von bodendeckenden<br />

Gräsern Einhalt gebieten – viele Winzer haben auch bereits<br />

entsprechende Pflanzungen angelegt. Aber auch diese Pflanzen benötigen<br />

ja Wasser und stehen so mit den Reben in gewisser Weise<br />

in Konkurrenz um das Wasser im Boden. Der Winzer muss also sehr<br />

genau prüfen, wie sich die Wassersituation im Boden entwickelt<br />

und entsprechend reagieren – die notwendigen technischen Geräte<br />

stehen zur Verfügung. Eine steigende Temperatur des Bodens führt<br />

aber auch zu einer Veränderung der Abbaurate organischen Materials.<br />

Eine erhöhte Zufuhr von organischen Düngern wird notwendig.<br />

Dieser kleine Überblick über eine Auswahl von Problemen, die der<br />

Winzer aufgrund der Klimaveränderungen im Auge behalten muss,<br />

zeigt die ganze Komplexität des Weinanbaus in Zeiten des Klimawandels<br />

auf. Was über Jahrhunderte galt, muss heute nicht mehr<br />

richtig sein – darauf müssen sich die Winzer einstellen. Galten früher<br />

alle Maßnahmen, die eine frühe Reife der Trauben fördern als<br />

sinnvoll, gilt heute das genaue Gegenteil. Der Klimawandel macht<br />

reifeverzögernde Arbeiten im Weinberg notwendig.<br />

DIE ARBEIT IM KELLER<br />

Einige Wahrheiten gelten aber trotz veränderter Temperaturen.<br />

Eine dieser Wahrheiten lautet: Exzellente Weine kann man nur aus<br />

besten Trauben machen. Und die Frage der Qualität des Weins entscheidet<br />

sich bereits bei der Traubenlese. In südlichen Anbaugebieten<br />

werden die Trauben aufgrund der hohen Tagestemperaturen<br />

bereits während der Nacht- oder frühen Morgenstunden gelesen.<br />

Auch in deutschen Weinbergen wird diese Form der Traubenlese<br />

vermutlich schon in den nächsten Jahren verstärkt Einzug halten.<br />

Das Auftreten von Fäulnispilzen, die die hohen Temperaturen lieben,<br />

erhöht die Anforderungen an die Traubensortierung. Maschinell<br />

oder von Hand müssen befallene Beeren aussortiert werden,<br />

um einen hochwertigen Most zu erhalten. Der heute durschnittlich<br />

höhere Zuckergehalt der Trauben führt im Verlauf der Gärung zu<br />

einem höheren Alkoholgehalt der Weine. Gleichzeitig verlangt der<br />

Markt aber nach Weinen mit eher niedrigem Alkoholgehalt. Die Suche<br />

nach neuen Hefen, die aus Zucker weniger Alkohol erzeugen,<br />

hat in der Branche bereits eingesetzt. Und während in Deutschland<br />

über Jahrzehnte den Weinen Zucker zugegeben wurde, gehörte es<br />

in den wärmeren Anbaugebieten zur kellertechnischen Routine, den<br />

Weinen eher Säure zu zusetzen. Auch diese Praxis wird in den kommenden<br />

Jahren vermutlich in den deutschen Weinkellern Einzug<br />

halten.<br />

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