Incento_02_2015_Koeln
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Quo Vadis,<br />
deutscher Wein?<br />
Als Weinliebhaber wird man zukünftig immer die Wetterkarte im Blick haben müssen.<br />
Der Klimawandel führt zu einem Temperaturanstieg. „Das tut dem Wein doch gut“ –<br />
so die landläufige Meinung. Im Prinzip richtig, aber: Die Weinrebe ist eine empfindliche<br />
Kulturpflanze. Sie reagiert sensibel auf Veränderungen und mit einer höheren Durchschnittstemperatur<br />
sind eine Vielzahl von Veränderungen der Lebensbedingungen des<br />
Weins verbunden. Was das für den deutschen Winzer bedeutet? Hier nur einige Aspekte,<br />
die der Weinbauer bedenken muss.<br />
zern der frühern 1980er Jahre wandelte sich das Bild: Hohe Qualität,<br />
fachkompetente Arbeit im Weinberg, bei der Lese und im Keller und<br />
eine qualitätsorientierte Sortenwahl verhalfen dem deutschen Wein<br />
zu neuer Blüte.<br />
DIE HERAUSFORDERUNGEN IM DEUTSCHEN<br />
MARKT<br />
Aber es gibt auch immer die andere Seite der Medaille. Ja, mit dem<br />
neuen Bewusstsein für Qualität konnten die deutschen Winzer im<br />
gehobenen Weinsegment wieder punkten. Eine Studie aus dem<br />
Jahr 2012 belegt aber, dass der Durchschnittspreis für eine Flasche<br />
Wein, die im Lebensmitteleinzelhandel verkauft wurde, nur eine geringe<br />
Steigerung aufwies: Von Euro 2,07 auf Euro 2,28 je 0,75 Liter<br />
Flasche. Und schon dieser geringe Anstieg des Durchschnittspreises<br />
auf niedrigem Niveau sorgte dafür, dass der deutsche Wein an<br />
Regalplätzen im Supermarkt verlor – ersetzt durch preisgünstige<br />
Weine aus anderen Anbaugebieten auf unserem Globus. Die deutschen<br />
Winzer befinden sich also auch in der Zukunft auf dünnem<br />
Eis zwischen Qualitätsanspruch und Preissensitivität. Denn einmal<br />
verlorene Regalplätze im Point of Sale sind nur schwer zurück zu gewinnen.<br />
Zumal wenn man die demografische Entwicklung bedenkt:<br />
Rund zwölf Millionen Menschen werden bis 2050 als Konsumenten<br />
fehlen, falls die düsteren Bevölkerungsprognosen der Statistiker<br />
eintreten. Und in diesem problematischen Marktumfeld muss sich<br />
der Winzer auch noch den vielfältigen Herausforderungen des Klimawandels<br />
stellen.<br />
30 JAHRE – DAS ZEITFENSTER IM WEINGARTEN<br />
Ein Winzer muss mit einem langen Zeithorizont in die Zukunft blicken.<br />
Legt er heute einen Weingarten an, kann und muss er mit einer<br />
Nutzungszeit von rund 30 Jahren rechnen. Über diese Zeitspanne<br />
hinweg entwickelt sich ein Weingarten vom Setzen der Rebstöcke,<br />
über die frühe Entwicklung der jungen Pflanzen und die Periode der<br />
vollen Leistungskraft der Reben bis zum allmählichen Nachlassen<br />
der Ertragskraft der älteren Pflanzen gegen Ende dieser langen<br />
Periode. Und über die gesamte Dauer dieser Lebensperiode eines<br />
Weingartens sind die Eingriffsmöglichkeiten des Winzers relativ beschränkt.<br />
Wenn zum Beispiel aufgrund des Temperaturanstieges in<br />
den letzten Jahren die Fachblätter urteilen, dass sich in Mitteleuropa<br />
die Klimaverhältnisse so darstellen, dass sie sich in idealer Weise für<br />
die Erzeugung schwerer Rotweine eignen würden, kann der Winzer<br />
nicht von einer Saison zur anderen reagieren. Hat er einen Weingarten<br />
mit einer Silvaner-Traube angelegt, kann er über die kommenden<br />
dreißig Jahre diese Entscheidung nicht mehr umkehren. Ein anderes<br />
Beispiel: Gerade von den ausgewiesenen Weinliebhabern und<br />
Experten wurden in den letzten Jahren Weine aus sogenannten autochthonen<br />
Sorten besonders hoch gehandelt. Dabei handelt es sich<br />
um teils sehr alte Traubensorten, die sich dadurch auszeichnen, dass<br />
sie nur in bestimmten Anbaugebieten kultiviert wurden. Diese Traubensorten<br />
verfügen über sehr eigenständige Aromenreservoires,<br />
die sie geschmacklich spürbar von anderen Weinen unterscheiden<br />
– insofern ist der kleine Hype um diese autochthonen Rebsorten<br />
gut nachvollziebar. Mit einem kleinen Haken: Diese Rebsorten reagieren<br />
auf Veränderungen des Mikroklimas in der Region, in der sie<br />
traditionell angebaut werden, naturgemäß besonders empfindlich.<br />
Stimmen die Parameter – Temperatur, Regenmengen, Intensität der<br />
Sonneneinstrahlung und Bodenbeschaffenheit – nicht mehr, ist dieser<br />
Traubensorte, die ja aus gutem Grund nicht universell eingesetzt<br />
wurde, schnell die Lebensgrundlage entzogen. Bedenkt man, dass<br />
auch für die Weingärten, die mit autochthonen Rebsorten bestückt<br />
wurden, eine Lebensdauer von 30 Jahren gilt, wird das Dilemma des<br />
Winzers deutlich. Entspricht er dem Wunsch des Marktes nach den<br />
eher seltenen Traubenarten, kann er qualitativ hochwertige Weine<br />
an eine zahlungskräftige Käuferschaft absetzen. Verändern sich<br />
aber die klimatischen Gegebenheiten zu stark, kann es durchaus<br />
sein, dass sein Weingarten dramatisch an Ertragskraft verliert.<br />
WÄRME UND REGEN – ZWEI WICHTIGE SÄULEN<br />
IM WEINBAU<br />
Wie gut ein Weinjahrgang ist, hängt vom Wetter ab. Diese Erkenntnis<br />
ist nicht neu und bestimmt das Auf und Ab im Weinbau seit<br />
Jahrtausenden. Als wärmeliebende Pflanze haben die Weinbauern<br />
schon immer Standorte ausgewählt, die der Sonne zugewandt sind<br />
und über Böden verfügen, die die Hitze des Tages speichern und<br />
während der Abend- und Nachtstunden abgeben können. Diese<br />
Kontinuität der Wärme und nicht allzu große Temperaturschwankungen<br />
zwischen Tag und Nacht sorgen für eine gute Reifephase<br />
›Erste Weinanbauflächen schon bald in Dänemark‹, so titeln die<br />
Fachmagazine, die sich mit der Zukunft des Weinanbaus beschäftigen.<br />
Der kontinuierliche Temperaturanstieg, der sich seit rund einer<br />
Dekade in Mitteleuropa statistisch nachweisen lässt, macht heute<br />
die Kultivierung von Rebstöcken auch in Gefilden möglich, die früher<br />
für diese wärmeliebenden Gewächse keine Perspektiven bot. Im<br />
Umkehrschluss spüren die traditionellen Bestlagen für den Weinanbau,<br />
dass die Klimaveränderung ihre Weine eher ›schlechter‹ als<br />
›besser‹ macht. Denn da wo bisher die besten Anbaubedingungen<br />
herrschten, sind nun die Temperaturen zu hoch und häufig ist ein<br />
Wassermangel zu beklagen. Damit sind in Teilen Italiens, Frankreichs<br />
und Spaniens nicht mehr so ideale Bedingungen vorzufinden,<br />
wie sie sich bislang darstellten.<br />
EIN BLICK AUF DEN DEUTSCHEN WEINMARKT<br />
Was bedeutet das für den deutschen Weinmarkt? Zunächst zur<br />
Orientierung ein kurzer Überblick: Der Jahrgang 2014 wird für die<br />
deutschen Weinbauern sehr gut. Mit 9,3 Millionen Hektolitern liegt<br />
der Ertrag rund 11 Prozent über der Vorjahresmenge. Im Vergleich<br />
dazu ist der Ertrag europaweit – also vor allem in den südlichen<br />
Anbaugebieten – um etwa zehn Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig<br />
zeigen die intensiven Bemühungen der deutschen Winzer um<br />
eine Steigerung der Qualität der deutschen Weine international beeindruckende<br />
Ergebnisse. Wenn über die Sommermonate hinweg in<br />
mehr als 500 US-amerikanischen Restaurants der ›Summer of Riesling‹<br />
ausgerufen wird, zeigen die amerikanischen Weinliebhaber ihren<br />
Sinn für beste Qualität. Denn die 31 Tage des ›German Riesling‹,<br />
an denen ausschließlich Rieslinge aus deutschen Anbaugebieten<br />
ausgeschenkt werden, zählen immer zu den am besten besuchten<br />
Veranstaltungen dieser Genuss-Serie. Wenn man bedenkt, dass<br />
schon im 19. Jahrhundert die Rieslinge von Mosel, Rhein und aus<br />
der Pfalz am damals neu entstehenden internationalen Weinmarkt<br />
Preise erzielten, die über denen der großen Roten aus dem Bordeaux<br />
lagen, erscheint im Rückblick die Phase der deutschen Massen- und<br />
Billigweine fast wie ein kleiner Irrtum der Geschichte. Denn in den<br />
1950er Jahren wurden in der überwiegenden Mehrzahl der Anbauregionen<br />
zwischen Neckar und Ahr dünne, künstlich aufgezuckerte<br />
Billigweine produziert. Und da die deutschen Weinliebhaber schnell<br />
die Vorzüge der trockenen Weiß- und Rotweine aus Frankreich,<br />
Italien und Spanien zu schätzen wussten, wurde Deutschland zum<br />
drittgrößten Weinimporteur der Welt. Erst mit den mutigen Win-<br />
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