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Incento_02_2015_Koeln

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Das Schatzhaus<br />

des Lichts<br />

Die Bruder-Klaus-Feldkapelle in Wachendorf setzt in der Eifel ein Zeichen.<br />

Von Peter Zumthor geplant und realisiert, lässt sie Wanderer in die Welt des<br />

Einsiedlers eintreten.<br />

Als Herman-Josef Scheidtweiler in der Presse von dem großen<br />

Lob las, das dem Erzbistum Köln dafür zuteil wurde, dass<br />

man sich entschieden hatte, den Schweizer Architekten Peter<br />

Zumthor für die Gestaltung des neuen Kolumba Museums zu gewinnen,<br />

stand sein Entschluss fest: Diesen Architekten möchte<br />

ich von meiner Idee begeistern.<br />

Die Idee war schon lange vorher gereift: Bauer Scheidtweiler, der<br />

über viele Jahre im katholischen Landvolk aktiv gewesen war,<br />

und seine Frau Trudel wollten auf ihrem Land eine Feldkapelle<br />

errichten. Als Dank für ein erfülltes und erfolgreiches Leben –<br />

gewidmet dem heiligen Nikolaus von Flüe, auch bekannt als Bruder<br />

Klaus. Wobei man zugeben muss, dass der Stadtbevölkerung<br />

dieser Bruder Klaus eher unbekannt ist. Der Mystiker und Einsiedler<br />

aus der Schweiz wird vor allem in den ländlichen Gebieten<br />

verehrt. Und, wie der Zufall es wollte, auch von der Mutter von<br />

Peter Zumthor.<br />

Diese besondere Beziehung seiner Mutter zu Nikolaus von Flüe<br />

war ein ganz wesentlicher Grund für die Zustimmung Zumthors<br />

zu diesem Projekt. Trutzig und erhaben behauptet die Kapelle<br />

seit ihrer Einweihung im Mai 2007 ihre architektonische Eigenheit<br />

und nimmt in ihren Proportionen doch Rücksicht auf die<br />

grüne wellige Landschaft.<br />

Zwischen Dusche und dem Kaffee zum Frühstück könne der berühmte<br />

Architekt Zumthor doch ein „Plänchen“ entwerfen, so<br />

dachte Landwirt Scheidtweiler und schickte einen Brief in die<br />

Schweiz. Die Antwort Zumthors war äußerst zurückhaltend, aber<br />

der Bezug zum heiligen Nikolaus brachte ihn zum Nachdenken –<br />

und zu einem ersten Besuch ins Eifeldorf. Nach langer Wartezeit<br />

konnte das Ehepaar Scheidtweiler dann erste Pläne sehen, die<br />

der Perfektionist Zumthor entwickelt hatte. Dafür dass die Planungen<br />

so lange brauchten, hatte Zumthor eine gute Erklärung:<br />

„Auch die kleinen Gebäude brauchen Zeit. Wenn Ihre Kinder sich<br />

in zwanzig Jahren dagegen wehren, dass man es abreißt, dann<br />

ist es gelungen.“<br />

Die Planung Zumthors hat zwei Gesichter. Das äußere Erscheinungsbild<br />

und die innere Stimmung. Beide Elemente überzeugen<br />

durch ihre Phantasie und den engen Bezug zur Tradition.<br />

Zum äußeren Erscheinungsbild: Die Feldkapelle hat einen unregelmäßigen,<br />

fünfeckigen Grundriss und zeigt den Betrachtern<br />

von jeder Seite ein unterschiedliches Antlitz – aber kein Fenster.<br />

Von Weitem wirkt sie wie ein erratischer, homogener Block.<br />

Zwölf Meter hoch und in sandfarbenem Ton gehalten. Je näher<br />

man der Kapelle aber kommt, umso schroffer und spröder wirkt die<br />

Fassade. Man erkennt Material und Arbeitsweise. Peter Zumthor hat<br />

einen Beton vorgeschlagen, der aus Flusskies aus der Voreifel, rötlichgelbem<br />

Sand und weißem Zement besteht. Das besondere an<br />

diesem, schon seit Jahrhunderten in der Eifel bekannten Baustoff<br />

ist aber seine Verarbeitung. Der Beton wird nicht gegossen, sondern<br />

gestampft. Bauherr Scheidtweiler hatte eigens aus dem großen<br />

Kreis von Freunden und Mitstreitern eigene ›Stampfmannschaften‹<br />

gebildet, die die dreiundzwanzig Lagen von je fünfzig Zentimeter<br />

Höhe nach alter Handwerkstradition geschichtet haben. Moderne<br />

Architektur, die altes Handwerk und fast vergessene Materialien<br />

wiederentdeckt – diese Kombination macht die Gebäude von Peter<br />

Zumthor so einzigartig.<br />

Wer das dreieckige Eingangstor ins Innere der Kapelle hinein durchschreitet,<br />

beschreibt seine Eindrücke und Erlebnisse mit sehr unterschiedlichen<br />

Begriffen. Vom Gefühl, sich im Mutterschoß zu befinden,<br />

bis zur Assoziation mit Bildern vom nahenden Tod werden<br />

die tiefen Gefühle, die die Kapelle bei vielen Besuchern auslöst, beschrieben.<br />

Während die Außenwand über keine Fenster verfügt, ist im Dach eine<br />

tropfenförmige Aussparung als ein alles bestimmender Lichteinlass<br />

geblieben. Trichterförmig laufen rauchige Stelen auf diese Öffnung zu,<br />

Glaseinschlüsse vermitteln eine zauberhafte, mystische Atmosphäre.<br />

Beeindruckend ist die Entstehungsgeschichte dieses Ortes der<br />

tiefen Einkehr: Aus 112 Fichtenstämmen hat Zumthor diese innere<br />

Schalung der Kapelle angelegt. Nachdem der Beton geschichtet war,<br />

wurde im Inneren der Kapelle über zwei Wochen hinweg ein Köhlerfeuer<br />

abgebrannt, das die Fichtenstämme vom Beton löste. Mit<br />

einem Kran wurden die Schalungs-Stämme oben aus der Kuppel herausgezogen.<br />

Nach der Reinigung des Sakralraums blieben nur die<br />

Negativrundungen der Stämme. Ein zweites Köhlerfeuer schwärzte<br />

die Wände und in die entstandenen kleinen Öffnungen wurden<br />

hunderte von Glassteinen eingesetzt, die das von oben einfallende<br />

Licht brechen.<br />

Auf den Betonboden verlegte Zumthor noch eine zwei Zentimeter<br />

dicke Zinnbleischicht, da der Regen ungehindert in die Kapelle eindringen<br />

kann.<br />

Eine schlichte Holzbank lädt zur Meditation ein. Wie nahe Zumthor<br />

mit dieser Kapelle der Einsiedelei des Namensgebers Bruder Klaus<br />

gekommen ist, lässt sich nur erahnen. Aber eines kann man feststellen:<br />

Die Bruder-Klaus-Feldkapelle in Wachendorf hat Glaubenspilger<br />

zu Architekturpilgern werden lassen – und umgekehrt.<br />

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