Interview mit Dr. Herbert Walter als PDF ansehen - Karrierefuehrer.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
karriereführer finanzdienstleistungen<br />
2009/20099<br />
2010.2011<br />
Top-Manager<br />
”<br />
”<br />
Wenn es um eine ein<strong>de</strong>utige Kommunikation<br />
von Risiken in <strong>de</strong>r Geldanlage geht, sind<br />
zunächst einmal die Bankhäuser gefragt.“<br />
Herr <strong>Walter</strong>, stimmt es, dass Sie eigentlich<br />
Journalist wer<strong>de</strong>n wollten?<br />
Ich habe zumin<strong>de</strong>st <strong>als</strong> Stu<strong>de</strong>nt und später<br />
in meiner Zeit <strong>als</strong> wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter <strong>als</strong> fester freier Mitarbeiter<br />
für zwei Zeitungen gearbeitet. Das hat<br />
mir viel Spaß gemacht, und ich habe in<br />
<strong>de</strong>r Tat eine Zeit lang daran gedacht.<br />
Gibt es eine Sache, die Journalisten und<br />
Banker gemeinsam haben?<br />
Journalisten müssen beweglich sein,<br />
müssen die Strömungen <strong>de</strong>r Zeit aufnehmen.<br />
In <strong>de</strong>r Hinsicht muss <strong>de</strong>r Bankmensch<br />
in ganz ähnlicher Weise unterwegs<br />
sein, weil auch bei ihm aus ganz<br />
verschie<strong>de</strong>nen Richtungen Informationen<br />
zusammenlaufen, die er dann zu<br />
interpretieren hat. Für bei<strong>de</strong> Berufe<br />
benötigt man großes Interesse an allem,<br />
was um einen herum vorgeht.<br />
Sie sind 1983 <strong>als</strong> Trainee in das Bankgeschäft<br />
eingestiegen. Lässt sich die Branche<br />
von dam<strong>als</strong> noch <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r von heute<br />
vergleichen?<br />
Im Grundansatz ist das Banking <strong>als</strong><br />
Geschäftssystem heute nicht großartig<br />
an<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> vor 30 o<strong>de</strong>r auch 100 Jahren. Es<br />
geht immer darum, für Kun<strong>de</strong>n Risiken<br />
zu managen. Festhalten muss man, dass<br />
Anfang <strong>de</strong>r Achtzigerjahre <strong>de</strong>r absolute<br />
Schwerpunkt <strong>de</strong>r Banken im Kreditgeschäft<br />
lag. Das Wertpapiergeschäft war<br />
dam<strong>als</strong> weit weniger entwickelt. Was<br />
sich bis heute geän<strong>de</strong>rt hat, ist die enorm<br />
gestiegene Komplexität <strong>de</strong>s Angebots. Es<br />
gab eine regelrechte Explosion an Produkten<br />
– vor allem im Anlagebereich.<br />
Hat diese Komplexität eine Vielzahl von<br />
Bankberatern überfor<strong>de</strong>rt?<br />
Diese Komplexität war sicherlich neu;<br />
auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite hat <strong>de</strong>r Bankberater<br />
die meisten Innovationen aber<br />
mundfertig serviert bekommen. Die Vorund<br />
Nachteile eines Fonds sowie die<br />
dazu passen<strong>de</strong> Kun<strong>de</strong>nklientel hat die<br />
Vertriebssteuerung in einer einigermaßen<br />
übersichtlichen Art und Weise<br />
geliefert. Es ist grundsätzlich ja auch<br />
nicht schlecht, wenn die Alternativen<br />
bei <strong>de</strong>r Geldanlage größer wer<strong>de</strong>n.<br />
Klingt positiv, jedoch bekommen Bankberatungen<br />
heute miserable Noten.<br />
Die gesamte Finanzbranche steht im<br />
Fokus <strong>de</strong>r Kritik. Was lief f<strong>als</strong>ch?<br />
Ich glaube schon, dass je<strong>de</strong>r Bankberater<br />
<strong>de</strong>n Willen hat, ein Dienstleister für<br />
<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n zu sein. Gleichzeitig gibt es<br />
aber eben auch das Interesse seines<br />
Arbeitgebers. Diese bei<strong>de</strong>n Interessen<br />
auszubalancieren, ist sicherlich eine<br />
anspruchsvolle Aufgabe, und sie gelingt<br />
in einem positiven Umfeld naturgemäß<br />
besser <strong>als</strong> in schlechten Zeiten.<br />
Nun haben viele Menschen <strong>de</strong>n Eindruck,<br />
<strong>de</strong>r Bankberater lässt seine Kun<strong>de</strong>n<br />
nicht nur im Regen stehen, son<strong>de</strong>rn<br />
schickt sie sogar tiefer ins Unwetter<br />
hinein – ohne auf die Risiken hinzuweisen.<br />
Wenn es um eine ein<strong>de</strong>utige Kommunikation<br />
von Risiken in <strong>de</strong>r Geldanlage<br />
geht, sind zunächst einmal die Bankhäuser<br />
gefragt. Die Organisationen<br />
müssen von sich aus ein stärkeres Interesse<br />
haben, je<strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n ein einfaches<br />
Instrument an die Hand zu geben,<br />
da<strong>mit</strong> er die Risiken seiner Anlage insgesamt<br />
abschätzen kann. So etwas ist kein<br />
Hexenwerk. Zur Steuerung von marktorientierten<br />
Geschäftsabteilungen gibt<br />
es ja bereits die Maßzahl <strong>de</strong>s „value at<br />
risk“. So etwas Ähnliches muss es auch<br />
für Privatkun<strong>de</strong>n geben. Die heutige<br />
Einteilung in Risikoklassen für einzelne<br />
Produkte reicht nicht.<br />
Aber auch <strong>de</strong>r Berater muss <strong>mit</strong>spielen.<br />
Ja. Er muss sich bei allem, was er tut,<br />
immer bewusst sein, dass er das Geld<br />
<strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n verwaltet und er primär<br />
dazu da ist, im Interesse <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n zu<br />
arbeiten. Das gilt beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>n<br />
Momenten, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Berater beim<br />
Kun<strong>de</strong>n eine Unsicherheit in finanziellen<br />
Angelegenheiten bemerkt. In <strong>de</strong>n<br />
vergangenen Jahren wur<strong>de</strong> zu oft<br />
die schnelle Rendite zum Thema<br />
gemacht. Die an<strong>de</strong>re Seite <strong>de</strong>r Medaille,<br />
ein mögliches künftiges Risiko, wur<strong>de</strong><br />
eher verdrängt.<br />
Hat <strong>de</strong>nn ein junger Bankberater, <strong>de</strong>r<br />
seinem Chef sagt, er setze auf langfristige<br />
und nachhaltige Beratung statt auf<br />
schnelle Abschlüsse, überhaupt eine<br />
Chance?<br />
Eine Sorge muss er nicht haben: Instrumente,<br />
die auch diese langfristigen Erfolge<br />
sichtbar machen, sind vorhan<strong>de</strong>n. Gut<br />
geführte Banken arbeiten heute <strong>mit</strong><br />
Balanced Scorecards, die die verschie<strong>de</strong>nen<br />
Interessen ausbalancieren: die <strong>de</strong>s<br />
Kun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>s Beraters und <strong>de</strong>r Bank.<br />
Jedoch kommen wir ohne Frage aus<br />
einer Zeit, in <strong>de</strong>r das kurzfristige Denken<br />
gesamtgesellschaftlich sehr ausgeprägt<br />
war und <strong>de</strong>r schnelle Profit – beim Kun<strong>de</strong>n<br />
wie bei <strong>de</strong>r Bank – <strong>de</strong>n größten Einfluss<br />
auf die Art <strong>de</strong>r Geldanlage hatte.<br />
Da die Instrumente vorhan<strong>de</strong>n sind, die<br />
verschie<strong>de</strong>nen Interessen auszutarieren,<br />
wer<strong>de</strong>n die Erfahrungen <strong>de</strong>r vergangenen<br />
zwei Jahre dafür sorgen, dass das Kun<strong>de</strong>ninteresse<br />
stärker in <strong>de</strong>n Mittelpunkt<br />
rücken wird. Diese Entwicklung ist gut.<br />
„Ich glaube schon, dass je<strong>de</strong>r Bankberater <strong>de</strong>n Willen hat, ein Dienstleister für <strong>de</strong>n<br />
Kun<strong>de</strong>n zu sein. Gleichzeitig gibt es aber eben auch das Interesse seines Arbeitgebers.“<br />
18