Interview mit Dr. Herbert Walter als PDF ansehen - Karrierefuehrer.de
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karriereführer finanzdienstleistungen<br />
2010.2011<br />
Top-Manager<br />
Der Unternehmensberater für Mittelstand, Finanzdienstleister<br />
und Investoren sowie ehemalige<br />
Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r <strong>Dr</strong>esdner Bank im <strong>Interview</strong><br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Herbert</strong><br />
16<br />
Der Branchenkenner. <strong>Dr</strong>. <strong>Herbert</strong> <strong>Walter</strong>s Laufbahn im Bankgeschäft gleicht<br />
einer Bil<strong>de</strong>rbuchkarriere. Vom Trainee bei <strong>de</strong>r Deutschen Bank stieg er bis an die Spitze<br />
<strong>de</strong>r <strong>Dr</strong>esdner Bank auf. Seit seinem Rücktritt von diesem Posten im Januar 2009 arbeitet<br />
<strong>Herbert</strong> <strong>Walter</strong> <strong>als</strong> Unternehmensberater für Mittelstand, Finanzdienstleister und Investoren.<br />
Im <strong>Interview</strong> for<strong>de</strong>rt er von Banken und Beratern ein Um<strong>de</strong>nken und gibt Hinweise,<br />
wie auch im Umfeld <strong>de</strong>r Finanzkrise eine Bil<strong>de</strong>rbuchkarriere gelingen kann. Die Fragen<br />
stellte André Boße.
karriereführer finanzdienstleistungen<br />
2009/20099<br />
2010.2011<br />
Top-Manager<br />
”<br />
”<br />
Wenn es um eine ein<strong>de</strong>utige Kommunikation<br />
von Risiken in <strong>de</strong>r Geldanlage geht, sind<br />
zunächst einmal die Bankhäuser gefragt.“<br />
Herr <strong>Walter</strong>, stimmt es, dass Sie eigentlich<br />
Journalist wer<strong>de</strong>n wollten?<br />
Ich habe zumin<strong>de</strong>st <strong>als</strong> Stu<strong>de</strong>nt und später<br />
in meiner Zeit <strong>als</strong> wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter <strong>als</strong> fester freier Mitarbeiter<br />
für zwei Zeitungen gearbeitet. Das hat<br />
mir viel Spaß gemacht, und ich habe in<br />
<strong>de</strong>r Tat eine Zeit lang daran gedacht.<br />
Gibt es eine Sache, die Journalisten und<br />
Banker gemeinsam haben?<br />
Journalisten müssen beweglich sein,<br />
müssen die Strömungen <strong>de</strong>r Zeit aufnehmen.<br />
In <strong>de</strong>r Hinsicht muss <strong>de</strong>r Bankmensch<br />
in ganz ähnlicher Weise unterwegs<br />
sein, weil auch bei ihm aus ganz<br />
verschie<strong>de</strong>nen Richtungen Informationen<br />
zusammenlaufen, die er dann zu<br />
interpretieren hat. Für bei<strong>de</strong> Berufe<br />
benötigt man großes Interesse an allem,<br />
was um einen herum vorgeht.<br />
Sie sind 1983 <strong>als</strong> Trainee in das Bankgeschäft<br />
eingestiegen. Lässt sich die Branche<br />
von dam<strong>als</strong> noch <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r von heute<br />
vergleichen?<br />
Im Grundansatz ist das Banking <strong>als</strong><br />
Geschäftssystem heute nicht großartig<br />
an<strong>de</strong>rs <strong>als</strong> vor 30 o<strong>de</strong>r auch 100 Jahren. Es<br />
geht immer darum, für Kun<strong>de</strong>n Risiken<br />
zu managen. Festhalten muss man, dass<br />
Anfang <strong>de</strong>r Achtzigerjahre <strong>de</strong>r absolute<br />
Schwerpunkt <strong>de</strong>r Banken im Kreditgeschäft<br />
lag. Das Wertpapiergeschäft war<br />
dam<strong>als</strong> weit weniger entwickelt. Was<br />
sich bis heute geän<strong>de</strong>rt hat, ist die enorm<br />
gestiegene Komplexität <strong>de</strong>s Angebots. Es<br />
gab eine regelrechte Explosion an Produkten<br />
– vor allem im Anlagebereich.<br />
Hat diese Komplexität eine Vielzahl von<br />
Bankberatern überfor<strong>de</strong>rt?<br />
Diese Komplexität war sicherlich neu;<br />
auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite hat <strong>de</strong>r Bankberater<br />
die meisten Innovationen aber<br />
mundfertig serviert bekommen. Die Vorund<br />
Nachteile eines Fonds sowie die<br />
dazu passen<strong>de</strong> Kun<strong>de</strong>nklientel hat die<br />
Vertriebssteuerung in einer einigermaßen<br />
übersichtlichen Art und Weise<br />
geliefert. Es ist grundsätzlich ja auch<br />
nicht schlecht, wenn die Alternativen<br />
bei <strong>de</strong>r Geldanlage größer wer<strong>de</strong>n.<br />
Klingt positiv, jedoch bekommen Bankberatungen<br />
heute miserable Noten.<br />
Die gesamte Finanzbranche steht im<br />
Fokus <strong>de</strong>r Kritik. Was lief f<strong>als</strong>ch?<br />
Ich glaube schon, dass je<strong>de</strong>r Bankberater<br />
<strong>de</strong>n Willen hat, ein Dienstleister für<br />
<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n zu sein. Gleichzeitig gibt es<br />
aber eben auch das Interesse seines<br />
Arbeitgebers. Diese bei<strong>de</strong>n Interessen<br />
auszubalancieren, ist sicherlich eine<br />
anspruchsvolle Aufgabe, und sie gelingt<br />
in einem positiven Umfeld naturgemäß<br />
besser <strong>als</strong> in schlechten Zeiten.<br />
Nun haben viele Menschen <strong>de</strong>n Eindruck,<br />
<strong>de</strong>r Bankberater lässt seine Kun<strong>de</strong>n<br />
nicht nur im Regen stehen, son<strong>de</strong>rn<br />
schickt sie sogar tiefer ins Unwetter<br />
hinein – ohne auf die Risiken hinzuweisen.<br />
Wenn es um eine ein<strong>de</strong>utige Kommunikation<br />
von Risiken in <strong>de</strong>r Geldanlage<br />
geht, sind zunächst einmal die Bankhäuser<br />
gefragt. Die Organisationen<br />
müssen von sich aus ein stärkeres Interesse<br />
haben, je<strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n ein einfaches<br />
Instrument an die Hand zu geben,<br />
da<strong>mit</strong> er die Risiken seiner Anlage insgesamt<br />
abschätzen kann. So etwas ist kein<br />
Hexenwerk. Zur Steuerung von marktorientierten<br />
Geschäftsabteilungen gibt<br />
es ja bereits die Maßzahl <strong>de</strong>s „value at<br />
risk“. So etwas Ähnliches muss es auch<br />
für Privatkun<strong>de</strong>n geben. Die heutige<br />
Einteilung in Risikoklassen für einzelne<br />
Produkte reicht nicht.<br />
Aber auch <strong>de</strong>r Berater muss <strong>mit</strong>spielen.<br />
Ja. Er muss sich bei allem, was er tut,<br />
immer bewusst sein, dass er das Geld<br />
<strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n verwaltet und er primär<br />
dazu da ist, im Interesse <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n zu<br />
arbeiten. Das gilt beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>n<br />
Momenten, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Berater beim<br />
Kun<strong>de</strong>n eine Unsicherheit in finanziellen<br />
Angelegenheiten bemerkt. In <strong>de</strong>n<br />
vergangenen Jahren wur<strong>de</strong> zu oft<br />
die schnelle Rendite zum Thema<br />
gemacht. Die an<strong>de</strong>re Seite <strong>de</strong>r Medaille,<br />
ein mögliches künftiges Risiko, wur<strong>de</strong><br />
eher verdrängt.<br />
Hat <strong>de</strong>nn ein junger Bankberater, <strong>de</strong>r<br />
seinem Chef sagt, er setze auf langfristige<br />
und nachhaltige Beratung statt auf<br />
schnelle Abschlüsse, überhaupt eine<br />
Chance?<br />
Eine Sorge muss er nicht haben: Instrumente,<br />
die auch diese langfristigen Erfolge<br />
sichtbar machen, sind vorhan<strong>de</strong>n. Gut<br />
geführte Banken arbeiten heute <strong>mit</strong><br />
Balanced Scorecards, die die verschie<strong>de</strong>nen<br />
Interessen ausbalancieren: die <strong>de</strong>s<br />
Kun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>s Beraters und <strong>de</strong>r Bank.<br />
Jedoch kommen wir ohne Frage aus<br />
einer Zeit, in <strong>de</strong>r das kurzfristige Denken<br />
gesamtgesellschaftlich sehr ausgeprägt<br />
war und <strong>de</strong>r schnelle Profit – beim Kun<strong>de</strong>n<br />
wie bei <strong>de</strong>r Bank – <strong>de</strong>n größten Einfluss<br />
auf die Art <strong>de</strong>r Geldanlage hatte.<br />
Da die Instrumente vorhan<strong>de</strong>n sind, die<br />
verschie<strong>de</strong>nen Interessen auszutarieren,<br />
wer<strong>de</strong>n die Erfahrungen <strong>de</strong>r vergangenen<br />
zwei Jahre dafür sorgen, dass das Kun<strong>de</strong>ninteresse<br />
stärker in <strong>de</strong>n Mittelpunkt<br />
rücken wird. Diese Entwicklung ist gut.<br />
„Ich glaube schon, dass je<strong>de</strong>r Bankberater <strong>de</strong>n Willen hat, ein Dienstleister für <strong>de</strong>n<br />
Kun<strong>de</strong>n zu sein. Gleichzeitig gibt es aber eben auch das Interesse seines Arbeitgebers.“<br />
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Den Preis dafür, das Interesse <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n<br />
nicht genügend beachtet zu haben,<br />
zahlt die Bankbranche <strong>mit</strong> einem enormen<br />
Imageverlust. Tut Ihnen das in <strong>de</strong>r<br />
Seele weh?<br />
Wenn man auf die Geschichte zurückblickt,<br />
hatte <strong>de</strong>r Bankmann noch nie <strong>de</strong>n<br />
allerbesten Ruf. Das hatte sich ein wenig<br />
geän<strong>de</strong>rt, <strong>als</strong> es in <strong>de</strong>n Achtziger- und<br />
Neunzigerjahren neben <strong>de</strong>n vielen Innovationen<br />
auf <strong>de</strong>m Finanzmarkt <strong>de</strong>utliches<br />
Wachstum zu verzeichnen gab. Die<br />
Geldanlagen <strong>de</strong>r meisten Kun<strong>de</strong>n zahlten<br />
sich aus – in solchen Zeiten ist es<br />
einfach, Banker zu sein. In <strong>de</strong>n vergangenen<br />
zehn Jahren gab es jedoch zwei<br />
schwere Krisen, die beim Anleger einiges<br />
an Wert vernichtet haben. Dass in<br />
dieser Zeit <strong>de</strong>r Berufsstand <strong>de</strong>s Bankers<br />
kritischer beäugt wird, verwun<strong>de</strong>rt<br />
nicht. Die Branche muss jedoch ernsthaft<br />
darüber nach<strong>de</strong>nken, wie sie das in<br />
diesem Krisenjahrzehnt verloren gegangene<br />
Vertrauen zurückgewinnt.<br />
Wie schwierig ist es für einen jungen<br />
Finanzberater, selbstbewusst und motiviert<br />
Karriere zu machen?<br />
Man darf eines nicht verkennen: Der<br />
Ruf <strong>de</strong>r Banken in <strong>de</strong>r Gesellschaft ist<br />
aktuell schlecht. Fragen Sie aber Menschen,<br />
wie sie <strong>mit</strong> <strong>de</strong>m, was ihr persönlicher<br />
Berater für sie tut, zufrie<strong>de</strong>n<br />
sind, bekommen Sie auch viel Positives<br />
zu hören. Wer heute eine Karriere in<br />
dieser Branche beginnt, muss jedoch<br />
wissen, in welchem Umfeld er arbeiten<br />
wird. Er muss wissen, dass <strong>de</strong>r Staat<br />
größeren Einfluss ausüben wird, dass<br />
es wie<strong>de</strong>r mehr Regulierungen geben<br />
wird. Er muss wissen, dass er <strong>de</strong>rzeit<br />
keinen großen Vertrauensvorschuss<br />
genießt. Doch er hat die Chance, dieses<br />
Vertrauen zu gewinnen, wenn er offen<br />
<strong>mit</strong> seinen Kun<strong>de</strong>n re<strong>de</strong>t, und – wenn<br />
die Bank ihm die Freiheit einräumt –<br />
dies auch zu tun.<br />
Zur Person<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Herbert</strong> <strong>Walter</strong>, geboren am 10.08.1953 in Prien am Chiemsee, schloss 1971<br />
seine Ausbildung zum Bankkaufmann ab, machte 1974 sein Abitur und studierte<br />
anschließend BWL in München. Seine Promotion legte er 1982 ab, nach<strong>de</strong>m<br />
er zuvor <strong>als</strong> wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bankbetriebslehre<br />
und Finanzierung an <strong>de</strong>r Universität München gearbeitet hatte. Ein Jahr später<br />
begann er seine Berufskarriere <strong>als</strong> Trainee bei <strong>de</strong>r Deutschen Bank. Er war<br />
Direktionsassistent in <strong>de</strong>r Münchener Filiale und von 1985 bis 1989 Referent<br />
<strong>de</strong>s Vorstands Ulrich Cartellieri. <strong>Walter</strong> stieg 1989 in die Direktion <strong>de</strong>r Bezirksfiliale<br />
Bochum auf. 1998 verantwortete man ihm die Leitung <strong>de</strong>s Projekts Deutsche<br />
Bank 24 AG, <strong>de</strong>r Zusammenführung <strong>de</strong>s Filialgeschäfts <strong>de</strong>r Deutschen<br />
Bank <strong>mit</strong> <strong>de</strong>r Direktbank-Tochter Bank 24. Er war bis 2003 Vorstandssprecher<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Bank 24 und wechselte im März 2003 <strong>als</strong> Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r<br />
zur <strong>Dr</strong>esdner Bank. <strong>Walter</strong> sanierte das unter <strong>Dr</strong>uck geratene Traditionshaus,<br />
bevor durch die Finanzkrise die Investmentbank-Tochter <strong>Dr</strong>esdner Kleinwort<br />
riesige Verluste machte. Die <strong>Dr</strong>esdner Bank wur<strong>de</strong> zum Kaufobjekt, im August<br />
2008 schlug die Commerzbank zu. Im Januar 2009 trat <strong>Herbert</strong> <strong>Walter</strong> <strong>als</strong> Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r<br />
zurück; im März 2009 verzichtete er auf die Abfindung in<br />
Höhe von 3,6 Millionen Euro, die ihm vertragsrechtlich zugestan<strong>de</strong>n hätte. Seit<strong>de</strong>m<br />
ist er <strong>als</strong> freier Spitzenberater tätig und ist Mitglied im Aufsichtsrat <strong>de</strong>r<br />
Lufthansa. <strong>Herbert</strong> <strong>Walter</strong> ist verheiratet, hat drei Kin<strong>de</strong>r und ist in seiner freien<br />
Zeit ein lei<strong>de</strong>nschaftlicher Rad- und Mountain-Bike-Fahrer.<br />
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