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karriereführer ingenieure<br />
1.2010<br />
Ingenieure aus Deutschland sind weltweit gefragt<br />
Die<br />
Problem<br />
12
löser<br />
13<br />
International. New York, Rio, Tokio, Shanghai – deutsche Ingenieurskunst<br />
ist weltweit gefragt. Denn deutsche Ingenieure gelten als Problemlöser und<br />
Anpacker, die zuverlässig und kompetent Projekte planen und umsetzen. Besonders<br />
wenn es um Einzelanfertigungen im Ausland geht, haben die deutschen<br />
Ingenieure die Nase vorn. Ihre Kompetenz und Kreativität wird weltweit<br />
geschätzt. Wer zudem noch Sprachkenntnisse, interkulturelle Teamfähigkeit und<br />
Projektmanagementwissen mitbringt, hat auch in Zukunft beste Aussichten auf<br />
einen Job in spannenden Projekten.<br />
Top-Thema<br />
Anzeige<br />
14<br />
20<br />
24<br />
28<br />
32<br />
36<br />
Kompetent und kreativ<br />
Weil Ingenieure weltweit gefragt sind,<br />
steigen auch die Anforderungen.<br />
„Das weiße Blatt Papier“<br />
Marketingleiter Stefan Eichholz<br />
schafft den Brückenschlag zwischen<br />
Kunst und Technik.<br />
Weltweit gefragt<br />
Kolja Ostrowski bringt deutsches<br />
Know-how nach Nordamerika.<br />
In wichtiger Mission<br />
Dr. Marco Benkert stattet eine Heeresfliegertruppe<br />
mit Flugfunkgeräten aus.<br />
Sonnencreme und Daunenjacke<br />
Benedikt Pape geht als Projektentwicklungsingenieur<br />
für Solar Millennium<br />
auch in kalte Regionen der Erde.<br />
Vom Tüftler zur Leitfigur<br />
Deutsche Erfinder haben Weltgeschichte<br />
geschrieben.
karriereführer ingenieure<br />
1.2010<br />
Kompetent<br />
und kreativ<br />
Kompetent, kundenorientiert,<br />
kreativ: Ingenieure aus Deutschland<br />
sind weltweit gefragt. Ob Projekte<br />
in China, die nicht nur technisches<br />
Know-how, sondern auch Kreativität<br />
erfordern, oder in Dubai, dem Land<br />
der baulichen Superlative – deutsche<br />
Ingenieure sind dabei. Denn<br />
„German Engineering“ genießt rund<br />
um den Globus einen exzellenten<br />
Ruf. Aber die Anforderungen steigen.<br />
Von Stefan Siegfried<br />
Manche Menschen erinnern die Trichter<br />
an Trompeten, andere an riesige<br />
Blumen, in denen sich das Sonnenlicht<br />
bündelt. Wenn am 1. Mai in Shanghai<br />
die Expo eröffnet wird, dann betreten<br />
die Besucher das Ausstellungsgelände<br />
unter einer Aufsehen erregenden<br />
Dachkonstruktion. Circa 100 Meter<br />
breit und knapp einem Kilometer lang,<br />
überspannt sie mit lichtdurchlässigen<br />
Membranen und Stahl-Glas-Konstruktionen<br />
die Expo-Hauptachse, die zu<br />
den Länder- und Themenpavillons und<br />
bis hinunter zum Huang-Pu-Fluss<br />
führt, der durch die 20-Millionen-Einwohner-Stadt<br />
fließt.<br />
Kreativität gefordert<br />
Entwickelt hat das weltgrößte Membran-Dachtragewerk<br />
das Stuttgarter<br />
Ingenieurbüro Knippers Helbig Advanced<br />
Engineering. Vier Jahre dauerten<br />
die Arbeiten an dem Projekt – von den<br />
ersten Planungen in Stuttgart bis zum<br />
Abschluss der Montage in Shanghai.<br />
Dabei hatten die chinesischen Bauherren<br />
hohe Ansprüche an die europäischen<br />
Ingenieure. „Bei der konzeptionellen<br />
Entwicklung war vor allem<br />
unsere Kreativität gefordert“, sagt Jan<br />
Knippers. So zeichnen die Stuttgarter<br />
nicht nur für die Tragkonstruktion, sondern<br />
auch für die Form des Daches verantwortlich.<br />
Bereits 2006 hat das deutsch-chinesische<br />
Architekturbüro SBA (Stuttgart/Shanghai)<br />
den Auftrag für das<br />
Gesamtkonzept der Expo-Achse, des<br />
bedeutendsten Bauwerks neben dem<br />
chinesischen Pavillon auf dem Ausstellungsgelände,<br />
in einem städtebaulichen<br />
Wettbewerb gewonnen. Ging<br />
man dabei anfangs noch von einer reinen<br />
Stahl-Glas-Konstruktion für das<br />
Dach aus, veränderten sich die Vorstellungen<br />
der chinesischen Bauherren<br />
rasch. In der „heißen Planungsphase“<br />
im Jahr 2007 reisten Knippers und<br />
seine Mitarbeiter daher circa einmal<br />
im Monat nach Shanghai, um mit den<br />
Bauherren und hochrangigen Planungsbehörden<br />
zu verhandeln und sich<br />
deren Fragen zu stellen. Mehrere Alternativen<br />
wurden diskutiert, bis man sich<br />
schließlich auf die von Knippers Helbig<br />
Advanced Engineering vorgeschlagene<br />
Membran-Lösung festlegte.<br />
„Manche Entscheidungsschritte waren<br />
für uns nicht immer transparent, so<br />
zum Beispiel, warum man bestimmte<br />
Alternativen für die Dachkonstruktion<br />
bevorzugte, andere dagegen nicht“,<br />
sagt Knippers. Auch die Vergabekriterien<br />
für die Baufirmen waren nicht in<br />
dem Maße offen und transparent, wie<br />
sie es in Deutschland sind. „Wer als<br />
Bauingenieur langfristig erfolgreich<br />
sein will, muss sich in einem internationalen<br />
Umfeld bewegen können“,<br />
sagt Knippers. Und hier gehen die<br />
Anforderungen eben weit über Sprachkenntnisse<br />
hinaus, hier sind vor allem<br />
soziale und kommunikative Kompetenzen<br />
im Umgang mit den Gesprächspartnern<br />
gefragt.<br />
Ob auf der Weltausstellung Expo 2010<br />
in China oder bei anderen vergleichbaren<br />
Großprojekten wie zum Beispiel<br />
dem Bau des mit 828 Metern höchsten<br />
Gebäudes der Welt, des Wolkenkratzers<br />
„Burj Khalifa“ (ursprünglich „Burj<br />
14
Zukunft bewegen.<br />
Torsten Schnaase,<br />
Arbeitsgebietsleiter<br />
Planung und Steuerung<br />
„Mit der DB habe ich bereits während<br />
des Studiums die richtige Technik<br />
für meine Karriere angewendet.“<br />
„Mit der DB bin ich während meines gesamten Studiums immer<br />
gut gefahren: erst ein technisches Grundpraktikum vor Studienbeginn,<br />
dann ein Praktikum mit technischem Schwerpunkt nach<br />
dem 4. Semester. Anschließend absolvierte ich das technische<br />
Einstiegsprogramm der Deutschen Bahn, das mich gezielt auf<br />
meine zukünftige Karriere vorbereitete. Es bot mir die besten<br />
Aussichten für mein berufliches Weiterkommen.“<br />
Mehr zu unseren ingenieurwissenschaftlichen Einstiegswegen,<br />
Ansprechpartnern und zur Bewerbung erfahren Sie unter<br />
www.deutschebahn.com/karriere.
karriereführer ingenieure<br />
1.2010<br />
Ingenieurwissenschaftliche<br />
Fachrichtungen<br />
Agrarwissenschaften<br />
Abfallwirtschaft<br />
Architektur<br />
Arbeitssicherheit<br />
Anlagenbau<br />
Anwendungstechnik<br />
Automatisierungstechnik<br />
Automotive Systems Engineering<br />
Bauingenieurwesen<br />
Bekleidungstechnik<br />
Bergbau<br />
Bioingenieur<br />
Biotechnologie<br />
Brandschutz<br />
Brauwesen und Getränketechnologie<br />
Chemieingenieurwesen<br />
Computervisualistik<br />
Druck- und Verpackungstechnik<br />
Elektrotechnik<br />
Energietechnik<br />
Elektrische Energietechnik<br />
Fahrzeugtechnik<br />
Feinwerktechnik<br />
Flugzeugbau<br />
Forstingenieur<br />
Fotografie<br />
Gebäudetechnik<br />
Geowissenschaften<br />
Hochbau<br />
Hochfrequenztechnik<br />
Hochspannungstechnik<br />
Grabungstechnik<br />
Holztechnik<br />
Informationswirtschaft<br />
Informationssystemtechnik<br />
Informatik<br />
Innenarchitektur<br />
Kartographie<br />
Kerntechnik<br />
Dubai“) in Dubai, der im Januar eingeweiht<br />
wurde – deutsche Unternehmen<br />
und die Leistung ihrer Ingenieure sind<br />
gefragt. So erledigte in Dubai beispielsweise<br />
die Bauer AG aus dem<br />
oberbayerischen Schrobenhausen die<br />
Tiefbauarbeiten, der Edelstahl für die<br />
Fassade kam aus dem Krefelder Thyssen-Krupp-Werk,<br />
und patentierte<br />
Betonpumpen der Firma Putzmeister<br />
aus Essen beförderten den Beton auf<br />
Weltrekordhöhe – um nur einige zu<br />
nennen.<br />
Exzellenter Ruf<br />
„German Engineering“ – das ist bis<br />
heute weltweit ein Qualitätssiegel.<br />
Das fachliche Know-how deutscher<br />
Ingenieure und die Ingenieurausbildung<br />
genießen überall einen exzellenten<br />
Ruf, der für hohe Qualitätsstandards,<br />
Zuverlässigkeit und Termintreue<br />
steht. „Deutsche Ingenieure arbeiten<br />
sehr kundenorientiert“, sagt Oliver<br />
Koppel, Ökonom beim Institut der<br />
deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Das<br />
heißt, deutsche Unternehmen, vor<br />
allem auch die vielen mittelständischen<br />
Firmen, werden dann besonders<br />
gerne aus dem Ausland beauftragt,<br />
wenn es um Einzelanfertigungen geht,<br />
weniger bei Massengeschäften. Zum<br />
Beispiel beim Bau einer Produktionsanlage<br />
in China oder eben der Konstruktion<br />
eines Membran-Daches auf<br />
der Expo. „Ingenieure aus Deutschland<br />
sind bekannt für eine sehr hohe<br />
Lösungskompetenz“, ergänzt Ralf Kleine<br />
von der SCS Personalberatung in<br />
Frankfurt. „Das heißt, sie können sich<br />
in der Regel sehr schnell in Probleme<br />
einarbeiten und Lösungen anbieten.“<br />
Zweifelsohne für die Unternehmen ein<br />
wichtiger Faktor im globalen Wettbewerb.<br />
Damit das auch so bleibt, warnen<br />
Interessensverbände wie der Verein<br />
Deutscher Ingenieure (VDI) schon<br />
seit Jahren vor massiven Demografieproblemen<br />
im Ingenieurwesen. Weiterhin<br />
fehlt der Nachwuchs, denn von den<br />
circa eine Million Ingenieuren, die es<br />
derzeit in Deutschland gibt, verabschiedet<br />
sich in den kommenden zehn<br />
Jahren mindestens die Hälfte in den<br />
Ruhestand. Gleichzeitig kommen aber<br />
nur circa 400.000 Fachkräfte von den<br />
Hochschulen nach.<br />
Langfristige Perspektiven sehr gut<br />
Rosige Zeiten für Ingenieure, müsste<br />
man meinen. Wer allerdings 2010 auf<br />
den Arbeitsmarkt strebt, „der muss mit<br />
Problemen beim Berufseinstieg in<br />
Folge der weltweiten Finanzmarktkrise<br />
rechnen“, sagt Oliver Koppel. Bei den<br />
mittelständischen Unternehmen sind<br />
die Aussichten zwar noch vergleichsweise<br />
gut, aber bei vielen Großkonzernen<br />
herrscht hingegen weiterhin Einstellungsstopp.<br />
Ein Anzeichen für die<br />
derzeit schwierige Situation sei auch,<br />
dass Verbände und Arbeitsagenturen<br />
in Bayern und Baden-Württemberg<br />
bereits sogenannte „Beschäftigungsbrücken“<br />
eingerichtet haben, bei<br />
denen Jungingenieure zunächst befristet<br />
eingestellt werden. Die mittel- und<br />
langfristigen Perspektiven sind allerdings<br />
nach wie vor sehr gut, betonen<br />
alle Experten übereinstimmend – insbesondere,<br />
wenn der Demografiefaktor<br />
zum Tragen komme und die Konjunktur<br />
wieder anziehe. „Wer heute<br />
sein Studium beendet, sucht vielleicht<br />
16
etwas länger als Absolventen vor zwei<br />
Jahren“, sagt Sven Renkel vom VDI, „bis<br />
er eine adäquate Position findet.“<br />
Die größte Nachfrage besteht heute<br />
weiterhin laut VDI nach Fachkräften<br />
aus der Elektrotechnik, dem Maschinenbau<br />
und dem Fahrzeugbau, aber<br />
auch aus der Verfahrens- und der<br />
Umwelttechnik. Der Verein meldet im<br />
Januar immer noch 47.600 unbesetzte<br />
Stellen in den Unternehmen bei insgesamt<br />
circa 29.000 arbeitslosen Ingenieuren.<br />
„Gerade im Energieanlagenbau<br />
bei den Umwelttechnologien wie Wind<br />
und Solar suchen die Unternehmen.<br />
Das ist auch für Berufseinsteiger interessant<br />
und lukrativ“, sagt Ralf Kleine.<br />
Die Finanzmarktkrise hat allerdings<br />
auch diejenigen Branchen am stärksten<br />
getroffen, die besonders vom<br />
Export abhängen – wie den Maschinenbau<br />
und die Fahrzeugtechnik. So<br />
kam es im Automobilbereich laut Kleine<br />
im vergangenen Jahr zu Umsatzeinbrüchen<br />
von 60 Prozent bei den Nutzfahrzeugen<br />
und zu 20 bis 30 Prozent<br />
bei den Pkw.<br />
Interkulturelle Kompetenz ist wichtig<br />
Wer heute auf den Arbeitsmarkt<br />
strebt, der muss sich jedenfalls darauf<br />
einstellen, dass sich das Berufsbild<br />
des Ingenieurs sowohl auf der fachlichen<br />
als auch auf der sozialen Ebene<br />
durch die Internationalisierung des<br />
Geschäftes der Unternehmen deutlich<br />
verändert hat. Über ein spezialisiertes<br />
Fachwissen hinaus benötigen<br />
Ingenieure heute mehr Know-how,<br />
das nicht direkt mit ihrem Studium zu<br />
tun hat.<br />
„Konnten sie sich früher ausschließlich<br />
auf ihre fachliche Qualifikation berufen,<br />
so ist das mittlerweile nicht mehr<br />
denkbar“, sagt Ralf Kleine: „Heute spielen<br />
soziale und interkulturelle Kompetenzen<br />
eine wesentlich wichtigere<br />
Rolle als früher.“ Gerade in den Großkonzernen,<br />
aber auch bei exportabhängigen<br />
mittelständischen Unternehmen<br />
müssen Ingenieure sich oftmals<br />
von Beginn an in Matrix orga nisa -<br />
tionen integrieren, in denen verschiedene<br />
interdisziplinäre Teams an einem<br />
Projekt länderübergreifend arbeiten.<br />
Das heißt, sie müssen mit Mitarbeitern<br />
und Kollegen aus verschiedenen Ländern<br />
und Kulturen, die häufig Tausende<br />
von Kilometern entfernt sind, zusammenarbeiten.<br />
„Da hilft es dann zum Beispiel zu wissen,<br />
dass in Indien eine ganz andere<br />
Arbeitnehmerkultur herrscht als in<br />
Deutschland“, erklärt Kleine. Wenn es<br />
beispielsweise um die Frage geht, ob<br />
ein Problem lösbar ist, hört man dort<br />
seltener ein ,Nein’ als hierzulande.<br />
Auch damit müssen Ingenieure heute<br />
umgehen können und lernen, sich auf<br />
andere Kulturen einzustellen. Sprachkenntnisse,<br />
vor allem Englisch, und<br />
Teamfähigkeit sind gefordert.<br />
BWL-Kenntnisse von Vorteil<br />
Gerade die neuen Arbeitsprozesse verlangen<br />
den Ingenieuren aber auch oftmals<br />
Wissen im Projektmanagement<br />
oder Führungskompetenzen ab. Darüber<br />
hinaus werden betriebswirtschaftliche<br />
Kenntnisse immer wichtiger –<br />
und das gilt nicht nur für Wirtschaftsoder<br />
Vertriebsingenieure, zwei Berufs-<br />
Ingenieurwissenschaftliche<br />
Fachrichtungen<br />
Kulturtechnik und Wasserwirtschaft<br />
Kunststofftechnik<br />
Kybernetik<br />
Landschaftsarchitektur, Gartenbau<br />
Landschaftsplanung<br />
Luft- und Raumfahrttechnik<br />
Lebensmitteltechnologie<br />
Maschinenbau<br />
Materialwissenschaft<br />
Mechatronik<br />
Metallverarbeitung<br />
Metallurgie<br />
Medientechnik<br />
Medizintechnik, Pharmakologie<br />
Mikrosystemtechnik<br />
Motorenbau<br />
Nachrichtentechnik und<br />
Kommunikationstechnologie<br />
Nanostrukturtechnik<br />
Oberflächentechnik<br />
Papiertechnik<br />
Pharmatechnik<br />
Produktionsinformatik<br />
Produktionstechnik<br />
Raumplanung<br />
Rettungsingenieur<br />
Schiffbau<br />
Sensorsystemtechnik<br />
Sicherheitstechnik<br />
Stadtplanung<br />
Technische Chemie<br />
Technische Informatik/Informationstechnik<br />
Technische Mathematik<br />
Technische Physik<br />
Technologiemanagement<br />
Textiltechnik<br />
Tiefbau<br />
Ton- und Bildtechnik<br />
Umweltingenieurwissenschaften<br />
Veranstaltungstechnik und -management<br />
Verfahrenstechnik<br />
Verkehrswesen<br />
Vermessungswesen/Geodäsie<br />
Versorgungstechnik<br />
Vertriebs- und Einkaufsingenieurwesen<br />
Wasserwirtschaft<br />
Weinbau und Oenologie<br />
Wirtschaftsingenieurwesen<br />
17
karriereführer ingenieure<br />
1.2010<br />
Top-Thema<br />
Ingenieurskunst<br />
1925 war es soweit: In München eröffnete<br />
das „Deutsches Museum von Meisterwerken<br />
der Naturwissenschaften und Technik“,<br />
das bis heute diesen Namen trägt. Man<br />
beachte: Meisterwerke! Ganz bewusst<br />
wählte Museums-Gründer Oskar von Miller<br />
damals einen Begriff aus dem Umfeld der<br />
Kunstgeschichte, hatten die Naturwissenschaften<br />
doch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
einen eher zweitrangigen Stellenwert,<br />
wie ein Zitat aus Thomas Manns<br />
Roman „Zauberberg“ sehr schön verdeutlicht:<br />
„Ich bin Ingenieur, Herr Doktor“, antwortete<br />
Hans Castorp mit bescheidener<br />
Würde. „Ah, Ingenieur.“ Die Ironie, der Spott<br />
sind unüberhörbar, der Ingenieur ein Bildungsbürger<br />
zweiter Klasse. Als „Meisterwerke“<br />
wurden die Objekte damals auch im<br />
Museum in München inszeniert, in goldverzierten<br />
Vitrinen. Der Kunstbegriff sollte die<br />
Naturwissenschaften und somit auch das<br />
Ingenieurwesen aufwerten. Das ist heute<br />
nicht mehr nötig.<br />
bilder, die vor zwanzig Jahren in dieser<br />
Form noch gar nicht existierten, sondern<br />
für alle Ingenieurberufe.<br />
Insbesondere hier bestehen noch die<br />
größten Defizite bei den Ingenieuren,<br />
bestätigt die Studie mit dem Titel „Bildung<br />
und Qualifikation als Grundlage<br />
der technologischen Leistungsfähigkeit“<br />
der Hochschul-Informations-System<br />
GmbH (HIS) aus dem vergangenen<br />
Jahr. Sie vergleicht die neuen<br />
Abschlüsse mit den traditionellen aufgrund<br />
von Selbsteinschätzungen der<br />
Absolventen. Fazit: Während die Absolventen<br />
mit Bachelorabschlüssen bei<br />
Sozialkompetenzen und Fremdsprachenkenntnissen<br />
gegenüber den<br />
Absolventen mit traditionellen<br />
Abschlüsse bessere Werte erzielten,<br />
kommen beiden Gruppen bei Wirtschaftskenntnissen<br />
auf unterdurchschnittliche<br />
Werte. „Viele Projekte, die<br />
Ingenieure heute betreuen müssen,<br />
besitzen einen hohen Eskalationsrahmen<br />
und Risiken, die sie auch verstehen<br />
sollen“, sagt Kleine. Zumindest die<br />
Grundkenntnisse der betriebswirtschaftlichen<br />
Kennzahlen sollten die<br />
Ingenieure daher beherrschen.<br />
Weltspitze durch Kreativität<br />
Über die fachlichen und sozialen Kompetenzen<br />
hinaus ist eine weitere Fähigkeit<br />
nicht zu vergessen, für die deutsche<br />
Ingenieure traditionell bekannt<br />
sind: Kreativität. Mehr als 60.000<br />
Patente werden im Jahr in Deutschland<br />
angemeldet, viele gehen auf Ingenieure<br />
zurück. „Kreativität ist immer gefordert“,<br />
sagt Renkel vom VDI, „denn nur<br />
damit können Produkte verbessert werden.<br />
So wird ein Verbrennungsmotor<br />
sparsamer und so lässt sich mit Sonnenkraft<br />
Energie erzeugen.“<br />
Darauf verwies auch Hans-Jörg Bullinger,<br />
Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft,<br />
jüngst in einem Beitrag in der<br />
Süddeutschen Zeitung, in dem er über<br />
das Tempo chinesischer Ingenieure<br />
referierte. „Wir in den westlichen<br />
Industrienationen haben etwas, das<br />
uns auszeichnet – Kreativität. Ungewohnte<br />
Zusammenhänge herstellen,<br />
neue Produktideen, Verfahren und<br />
Geschäftsmodelle entwickeln; darin<br />
sind wir immer noch Weltspitze.“<br />
18
ZF dankt allen Kunden für die nette<br />
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Dann zeigen wir Ihnen einmal, was ein Fahrzeug Spannendes in sich birgt: die Antriebs- und Fahrwerktechnik<br />
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Antriebs- und Fahrwerktechnik
karriereführer ingenieure<br />
1.2010<br />
„Das weiße Blatt Papier“<br />
Einen Brückenschlag zwischen Kunst und Technik will das Dienstleistungsunternehmen<br />
Ferchau Engineering mit dem Wettbewerb „Art of<br />
Engineering“ schaffen. Eine Jury aus 16 Professoren, Künstlern und<br />
Ingenieuren, darunter Museumsdirektoren und Wissenschaftler, musste<br />
dabei aus circa 100 eingesandten Arbeiten die besten auswählen.<br />
Die Sieger wurden auf der Hannover Messe Industrie (HMI) am 19.<br />
April 2010 ausgezeichnet. Wie die unterschiedlichen Fraktionen in der<br />
Jury auf einen Nenner kommen, erklärt Stefan Eichholz, Maschinenbauingenieur<br />
und Marketingleiter bei Ferchau. Von Stefan Siegfried<br />
Warum haben Sie den Wettbewerb ins<br />
Leben gerufen?<br />
Weil wir die unterschiedlichen Aspekte<br />
des Ingenieurberufs aufzeigen wollen,<br />
seine Verwandtschaft mit anderen<br />
Lebensbereichen wie etwa der Kunst.<br />
Was haben Ingenieure denn mit Kunst<br />
zu tun?<br />
Die Übergänge von moderner Kunst<br />
und Ingenieurwesen sind heute fließend.<br />
Wir haben beispielsweise einen<br />
Beitrag der Künstlerin Sanela Jahic mit<br />
dem Titel „Das Pendel“ im Wettbewerb:<br />
Das ist ein kinetischer Apparat,<br />
der mittels Software und Elektronik<br />
ein „entmaterialisiertes“ Bild erzeugt,<br />
einen Schleier aus Licht, der vor dem<br />
Betrachter erscheint. Die bildproduzierende<br />
Mechanik ist stets sicht- und<br />
hörbar, entlarvt sich als Produzent<br />
eines Trugbildes. Das Wesen des<br />
Objekts ist die Desillusionierung. Ob<br />
das nun ein Kunstwerk oder aber<br />
schon eine eigenständige Maschine<br />
ist, lässt sich nur schwer beurteilen.<br />
Warum wehren sich Ingenieure<br />
eigentlich häufig gegen den Begriff<br />
Ingenieurskunst?<br />
Weil der Begriff „Kunst“ zu sehr im<br />
Kontext einer emotionalen Kreativität<br />
verwendet wird, in Ingenieurberufen<br />
jedoch vor allem rationale Kreativität<br />
gefordert wird. Im Innersten jedoch<br />
weiß der Ingenieur, dass er ebenfalls<br />
eine Kunst beherrscht. Denn die Ausgangsposition<br />
bei beiden ist gleich:<br />
20
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karriereführer ingenieure<br />
1.2010<br />
Stefan Eichholz<br />
Stefan Eichholz, Jahrgang 1959, studierte<br />
an der Fachhochschule Kiel<br />
Maschinenbau mit Schwerpunkt<br />
Kraft- und Arbeitsmaschinen, bevor er<br />
1984 zunächst als Fertigungsplanungsingenieur<br />
bei der Firma Rudolf<br />
Hell in Kiel einstieg. Von 1987 bis 1999<br />
arbeitete er in unterschiedlichen Positionen<br />
in verschiedenen Unternehmen.<br />
Dann stieg er bei Ferchau Engineering<br />
ein, erst als Niederlassungsleiter<br />
Hamburg und ab 2004 dann als<br />
Regionalleiter Nord. Seit 2004 ist Eichholz<br />
Marketingleiter und Mitglied der<br />
Geschäftsführung bei Ferchau. Er ist<br />
verheiratet und hat eine Tochter.<br />
Am Anfang steht meist ein weißes<br />
Blatt, auf dem sowohl der Künstler als<br />
auch der Ingenieur etwas kreativ<br />
gestalten müssen. In den Entwicklungsabteilungen<br />
der Unternehmen<br />
sind dementsprechend auch besonders<br />
kreative Köpfe zu finden.<br />
Wo sehen Sie den größten Unterschied<br />
zwischen den Disziplinen?<br />
Der Künstler hat einen höheren Freiheitsgrad,<br />
der Ingenieur ist oftmals in<br />
ein technisches System eingebunden,<br />
ihn beschäftigt mehr ein Teil der Prozesskette,<br />
ein Teil des Ganzen. Der<br />
Künstler hingegen bleibt mit dem<br />
Blick für das Ganze eher an der Ober-<br />
fläche, das heißt, ihm bleibt weniger<br />
Zeit für die Perfektionierung der Technik.<br />
Im Ursprung steht aber bei den<br />
handelnden Personen der Drang, etwas<br />
Neues zu erfinden und zu entwickeln.<br />
Und nach welchen Kriterien beurteilen<br />
Sie die Arbeiten?<br />
Nach der technischen Qualität, der<br />
Originalität, der Aktualität und dem<br />
Innovationsgrad. Die künstlerische<br />
Fraktion in der Jury beschäftigt sich<br />
dabei eher mit vergleichenden Fragen,<br />
beispielsweise damit, was an einer<br />
Arbeit schon „State of the art“ und<br />
was wirklich neu ist. Die Ingenieurfraktion<br />
fragt eher nach der technischen<br />
Qualität, nach dem Grad der<br />
Ausfertigung. Am Ende gilt es, einen<br />
gemeinsamen Schnittpunkt zu finden<br />
– und da zeigt sich dann, dass Künstler<br />
und Ingenieure eben doch eine gemeinsame<br />
Sprache sprechen können.<br />
22
karriereführer ingenieure<br />
1.2010<br />
Weltweit gefragt<br />
„Exportweltmeister“ – diesen inoffiziellen<br />
Titel sicherte sich Deutschland<br />
zumindest in den letzten<br />
Jahren ein ums andere Mal. Doch<br />
unser wahrer Exportschlager ist<br />
eigentlich eine Berufsgruppe: die<br />
Ingenieure. Wenn irgendwo auf<br />
dem Erdball ein technisches Großprojekt<br />
realisiert werden soll, sind<br />
hieran mit ziemlicher Sicherheit<br />
auch deutsche Experten beteiligt.<br />
Doch warum ist das so? Was unterscheidet<br />
deutsche Ingenieure von<br />
anderen? Und wie sehen ihre<br />
Auslandseinsätze aus?<br />
Von Maren Winter, Brunel<br />
Zwei Ingenieurteams arbeiten parallel<br />
an einem Projektvorhaben, im Grunde<br />
nichts Ungewöhnliches. Trennen diese<br />
beiden Teams aber der Atlantik und<br />
damit über 6000 Kilometer, so lässt<br />
sich erahnen, welch große Herausforderungen<br />
in punkto Koordination und<br />
Kommunikation die Mitarbeiter zu<br />
bewältigen haben. Kolja Ostrowski, studierter<br />
Maschinenbauer mit Fachrichtung<br />
Fertigungstechnologie, war an<br />
dieser Unternehmung maßgeblich<br />
beteiligt.<br />
Insgesamt zwei Jahre hat Ostrowski<br />
vom international tätigen Ingenieurdienstleister<br />
Brunel in Kanada und den<br />
USA gearbeitet. Als Project Support<br />
Manager in den Bereichen Automotive<br />
sowie Luft- und Raumfahrt war es<br />
seine vorrangige Aufgabe, das Engineering-Geschäft<br />
westeuropäischer Prägung<br />
nach Nordamerika zu transferieren,<br />
also Abläufe und Prozesse zu harmonisieren.<br />
„Gerade für einen<br />
international agierenden Konzern wie<br />
Brunel sind einheitliche Arbeitsstandards<br />
wichtig, um unseren Kunden<br />
überall das gleiche Portfolio anbieten<br />
zu können“, erklärt Ostrowski.<br />
Beim eingangs erwähnten Projekt<br />
stand die Entwicklung eines Hybridantriebs<br />
für Niederflurbusse im Fokus,<br />
und zwar zu einer Zeit, als sich diese<br />
Technologie noch in den Kinderschuhen<br />
befand. Eine besondere Anforderung<br />
war die optimale Platzausnutzung<br />
für alle technischen Komponenten: Der<br />
wegfallende Raum unter dem Bus<br />
musste kompensiert werden, ohne das<br />
Vehikel dabei zu hoch für Brückenunterquerungen<br />
zu konzipieren. Die<br />
Verfolgung dieses Ziels von zwei Standorten<br />
aus ermöglichte eine extreme<br />
Verkürzung des Entwicklungszeitraums.<br />
Am Ende eines Arbeitstages in<br />
Deutschland wurden alle ermittelten<br />
Daten nach einem vorgeschriebenen<br />
System auf dem Server gesichert,<br />
sodass die kanadischen Kollegen kurz<br />
darauf zum morgendlichen Arbeitsbeginn<br />
via Remote-Computer-Zugriff<br />
an denselben Daten anknüpfen konnten.<br />
Ostrowski koordinierte dabei den<br />
Einsatz der Brunel-Mitarbeiter auf<br />
kanadischer Seite. „Dieses transnationale<br />
Arbeitskonzept ist im Grunde die<br />
Verwirklichung des Globalisierungstraums.<br />
Doch nur flüssige Übergänge<br />
und damit Effektivität gewährleisten,<br />
dass eine solche Form der Kooperation<br />
sinnvoll ist.“ Denn genügt die durchgeführte<br />
Dokumentation einmal nicht<br />
und tritt dadurch eine Frage auf, fällt<br />
die Problemlösung aufgrund der Zeitverschiebung<br />
oft sehr langwierig aus.<br />
Die Koordination der Brunel-Ingenieure<br />
übernahm Ostrowski zudem bei einem<br />
weiteren Projekt mit Pioniercharakter,<br />
und auch dieses mündete erfolgreich in<br />
der Serienreife des Produkts. Mit dem<br />
Bau von Kleinstflugzeugen, ausgelegt<br />
für maximal vier Passagiere, wurde in<br />
den USA ein vollkommen neuer Markt<br />
erschlossen. Als sogenannte Air Taxis<br />
haben sich diese Düsenjets in den letzten<br />
Jahren als attraktive Alternative für<br />
Businessreisende einen Namen<br />
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1.2010<br />
Made in Germany<br />
Was bis heute weltweit ein Qualitätssiegel<br />
ist, war ursprünglich als Warnhinweis<br />
gedacht. Im Jahr 1887 erließ die britische<br />
Regierung den „MerchandiseMarks Act“,<br />
das sogenannte Handelsmarkengesetz.<br />
Damals war England die führende Exportnation<br />
Europas, Sheffield das Zentrum der<br />
Stahlwarenindustrie, doch auch deutsche<br />
Stahl- und Eisenwaren wurden auf der<br />
Insel angeboten. Dabei wurden manchmal<br />
auch betrügerische Tricks angewandt:<br />
Produkte, die von Maschinen angefertigt<br />
wurden, gab man als handgefertigt aus.<br />
Die englischen Marken sollten mit dem<br />
neuen Gesetz vor den deutschen, meist<br />
minderwertigen Nachahmungen<br />
geschützt werden. Die Kennzeichnung<br />
„Made in Germany“ wurde geboren. Bald<br />
schon wurde aber klar, dass sich das Blatt<br />
wenden würde, machten die Deutschen<br />
doch nicht nur schlechte Kopien. Besonders<br />
mit dem Wirtschaftswunder nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg wurde aus der<br />
einst diffamierend beabsichtigten<br />
Bezeichnung ein Werbeslogan.<br />
gemacht. Für Europäer erscheint es im<br />
ersten Moment unvorstellbar, dass sich<br />
ein mittelständisches Unternehmen<br />
den Luxus eines eigenen Firmenjets<br />
gönnt, doch bei näherer Betrachtung<br />
leuchtet es ein. Denn aus Kosten- und<br />
Platzgründen siedeln sich viele Unternehmen<br />
nicht direkt in den Großstädten<br />
an, sondern weiter außerhalb. Reisen<br />
per Bus und Bahn sind oft zeitintensiv,<br />
die zu überbrückenden<br />
Distanzen innerhalb der USA groß.<br />
Flugplätze für kleine Düsenjets sind<br />
allerdings über das ganze Land verteilt<br />
– ein Zeitgewinn, der den preiswerten<br />
Kauf schnell aufwiegt. Insbesondere an<br />
der Optimierung der Elektrik für die<br />
Erstzulassung des Fliegers waren<br />
Ostrowski und sein Team beteiligt.<br />
Der Umstand, dass ein deutscher Ingenieur<br />
mit seinem Know-how im eigentlich<br />
hoch entwickelten Nordamerika<br />
mit offenen Armen empfangen wird,<br />
könnte verwundern. Doch in der Tat<br />
wird der Titel „Dipl.-Ing.“ weltweit als<br />
Markenzeichen für Wertarbeit angesehen.<br />
„Egal wo, jeder leitende Ingenieur<br />
weiß, wofür diese Abkürzung steht“, so<br />
Ostrowski. „Ein vergleichbarer Titel in<br />
Übersee ist der P. Eng. (Professional<br />
Engineer), den man allerdings erst nach<br />
mehrjähriger Praxiserfahrung und<br />
einer Abschlussprüfung erhält“ – ein<br />
Beleg für den Stellenwert der deutschen<br />
Ausbildung. Dieser gute Ruf hat<br />
Ursachen: „Während sich kanadische<br />
Kollegen den Begriff Work-Life-Balance<br />
wirklich zu Herzen nehmen, gehen<br />
deutsche Ingenieure erst nach Hause,<br />
wenn sie für ein drängendes Problem<br />
einen Lösungsansatz gefunden haben.<br />
Wir leben Qualität und stehen für Innovationskraft.“<br />
Die ehrgeizigen, fleißigen<br />
und präzisen Deutschen – im Falle der<br />
Ingenieure scheint sich dieses positive<br />
Klischee zu bestätigen.<br />
Einen Auslandsaufenthalt kann<br />
Ostrowski, mittlerweile Geschäftsbereichsleiter<br />
Nord bei Brunel in Deutschland,<br />
jedem Studenten oder Absolventen<br />
nur empfehlen. Es bilde den Charakter,<br />
mache selbstständig und<br />
erlaube, aus gemachten Fehlern<br />
gestärkt hervorzugehen. Zudem gehe<br />
der Trend in Großkonzernen zu multikulturellen<br />
Teams. Für eine erfolgreiche<br />
Karriere könne das Studium nur die Eintrittskarte<br />
sein, doch das Prestige deutscher<br />
Ingenieure im Ausland eröffnet<br />
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1.2010<br />
In wichtiger Mission<br />
Dr. Marco Benkert verantwortet<br />
bei Rohde & Schwarz als Senior-<br />
Projektleiter für Avionik-, Flugsicherungs-<br />
und Heeresysteme ein<br />
Projekt für die Ausstattung einer<br />
Heeresfliegertruppe mit Flugfunkgeräten.<br />
Gefragt sind in seinem<br />
Job technisch-fachliches Wissen,<br />
methodisch-organisatorische<br />
Fähigkeiten und interkulturelle<br />
Kompetenzen. Darüber hinaus<br />
gehören aber auch Disziplin, Hartnäckigkeit<br />
und eine gute Portion<br />
Humor dazu.<br />
Von Pascaline Baldacci, Rohde & Schwarz<br />
Ein solches Projekt fordert den ganzen<br />
Mann, aber der ehemalige Fallschirmjägeroffizier<br />
ist das Anpacken<br />
gewohnt. Seine wichtigste Mission<br />
bei Rohde & Schwarz besteht derzeit<br />
darin, Flugfunkgeräte, Antennen und<br />
weiteres Zubehör an eine Heeresfliegertruppe<br />
zu liefern. Das ist jedoch<br />
nur die Spitze des Eisbergs: Vor Ort<br />
verantwortet Marco Benkert dann die<br />
Durchführung von sogenannten Site<br />
Surveys für mehrere Helikoptertypen,<br />
also die Bestandsaufnahmen der<br />
Hubschrauber-Innenausstattungen.<br />
Er sorgt außerdem dafür, dass die<br />
Flugfunkgeräte-Prototypen in die verschiedenen<br />
Drehflügler eingerüstet<br />
werden. Auch die Definierung und<br />
Lieferung von Serieninstallationskits<br />
für die Flugfunkgeräte sowie das<br />
Abhalten von verschiedenen Trainings<br />
für den Endkunden gehören zu seinem<br />
Job.<br />
Benkert muss als Projektleiter mehrere<br />
Fäden in der Hand halten, und das<br />
bedeutet konkret im Alltag: Projektziele<br />
definieren, verfolgen, Projektteams<br />
organisieren, Aufwände schätzen<br />
und abstimmen. Darüber hinaus<br />
muss er Risikoanalysen betreiben und<br />
Arbeitsabläufe einteilen, Personal-,<br />
Ressourcen- und Terminpläne festlegen<br />
sowie Arbeitsfortschritt und Kosten<br />
überwachen. Nicht zuletzt sind<br />
auch Projektdokumentationen fertigzustellen,<br />
Besprechungen und Präsentationen<br />
abzuhalten – und natürlich<br />
muss er alles an das Management<br />
berichten.<br />
Rund 25 Kollegen arbeiten Benkert zu.<br />
Das Einzigartige an seinem Projekt: Es<br />
arbeiten Mitarbeiter aus sechs Ländern<br />
von drei Kontinenten daran, Flugfunkgeräte<br />
der neuesten Generation<br />
von Rohde & Schwarz in diverse Helikoptertypen<br />
westlichen Standards<br />
sowie der östlichen Hemisphäre (ehemaliger<br />
Warschauer Pakt-Standard)<br />
einzurüsten. „Es ist manchmal schon<br />
ein echter Kraftakt, dies alles unter<br />
einen Hut zu bringen“, schmunzelt<br />
Benkert. Die größte Herausforderung,<br />
die er bislang zu meistern hatte: „Für<br />
das Projekt musste überhaupt erst ein<br />
Zulieferer und speziell zertifizierter<br />
Integrator von Flugfunkgeräten in Luftfahrzeuge<br />
eruiert werden.“ Er wurde<br />
jedoch fündig – in Frankreich: „Wir<br />
haben mit den Franzosen inzwischen<br />
Prototypeneinrüstungen an sechs verschiedenen<br />
Helikoptertypen erfolgreich<br />
durchgeführt“, freut sich der Projektleiter.<br />
Spannend sind laut Benkert der interdisziplinäre<br />
Charakter und die hohe<br />
Dynamik des Projekts: „Ich komme viel<br />
rum, und das ist gut so, ich brauche<br />
diese Abwechslung“, erklärt der 35-<br />
Jährige. Auch die Komplexität solcher<br />
Projekte hat es ihm angetan und dass<br />
es bei der Projektimplementierung in<br />
der Regel keine monokausalen<br />
Lösungsansätze gebe. Verstärkt werde<br />
dies noch durch unerwartete Verhaltensweisen,<br />
die immer wieder – kulturell<br />
bedingt – auftreten: „Interkulturelle<br />
Kompetenz ist hier keine Kür mehr,<br />
sondern Pflicht“, betont Benkert.<br />
28
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1.2010<br />
Flugfunk<br />
Am Flugfunk teilnehmen darf nur,<br />
wer eine entsprechende Ausbildung und<br />
Prüfung abgelegt hat. Es gibt drei<br />
Sprechfunkzeugnisse für den<br />
Flugfunkdienst:<br />
1. Beschränkt gültiges Sprechfunkzeugnis II:<br />
Damit darf man in Deutschland am<br />
Flugfunkdienst bei Flügen nach<br />
Sichtflugregeln teilnehmen.<br />
2. Beschränkt gültiges Sprechfunkzeugnis I:<br />
Damit darf man weltweit am<br />
Flugfunkdienst bei Flügen nach<br />
Sichtflugregeln teilnehmen.<br />
Man beherrscht zusätzlich<br />
die englischen Sprechgruppen.<br />
3. Allgemeines Sprechfunkzeugnis:<br />
Das ist die höchste Stufe und<br />
erlaubt Flugfunk auch bei Flügen nach<br />
Instrumentenflugregeln.<br />
Quelle: www.tf.uni-kiel.de<br />
„So ein Projekt fordert das gesamte<br />
Kompetenzspektrum eines Projektleiters<br />
ab – angefangen bei den technisch-fachlichen<br />
über die methodischorganisatorischen<br />
bis hin zu den<br />
sozialen und interkulturellen Kompetenzen.“<br />
Fachlich-technisches Know-how und<br />
Expertise sind laut Benkert zwar notwendige,<br />
jedoch noch keine hinreichende<br />
Voraussetzung für eine erfolgreiche<br />
Projektimplementierung. Über<br />
Erfolg und Misserfolg entscheiden seinen<br />
Worten zufolge auch die Soft-<br />
Skills: „Eine wichtige Rolle spielen Disziplin,<br />
Hartnäckigkeit und das Streben<br />
nach Exzellenz. Gerade diese drei<br />
Eigenschaften machen die deutsche<br />
Ingenieurskunst aus“, ist er überzeugt.<br />
Exzellenz definiert er dabei als das<br />
Zusammenspiel von zwei Faktoren:<br />
Klarheit der Ziele und deren konsequente<br />
Umsetzung. „Es gibt im Leben<br />
immer wieder Rückschläge, man darf<br />
seine Ziele jedoch niemals aus dem<br />
Auge verlieren. Ich habe auch schon<br />
mal Dienstreisen verlängert, weil ich<br />
mit dem Ergebnis noch nicht zufrieden<br />
war“, erzählt der Projektleiter. Last<br />
but not least gehört zum Job laut Benkert<br />
noch eine große Portion gesunden<br />
Humors dazu. „Manchmal komme<br />
ich beim Kunden an wie ein beladener<br />
Kleintransporter: Ich habe Installationsmaterial<br />
im Koffer, Schrauben in<br />
den Taschen und eigentlich immer ein<br />
Sondergepäckstück dabei.“<br />
harte Schule gegangen, „aber das<br />
erleichtert später vieles.“ Nach seiner<br />
Ausbildung zum Fallschirmjägeroffizier<br />
schloss der Vater von zwei Kindern<br />
2003 sein Hochschulstudium an der<br />
Universität der Bundeswehr in München<br />
sowie an der University of Texas<br />
in Austin mit Prädikatsexamen ab.<br />
Anschließend wurde er als Verbindungs-<br />
beziehungsweise Projektoffizier<br />
eingesetzt.<br />
Höhepunkt seiner militärischen Laufbahn<br />
waren zwei viermonatige Auslandseinsätze<br />
im Nato-Hauptquartier<br />
in Kabul in Afghanistan. In dieser Zeit<br />
hatte Benkert bereits damit begonnen,<br />
an seiner Dissertation zu schreiben.<br />
„Manchmal wurde ich beim<br />
Schreiben von Raketenalarmen unterbrochen.<br />
Das waren mitunter schon<br />
abenteuerliche Umstände“, erinnert<br />
er sich. Nach Beendigung seiner zwölfjährigen<br />
Verpflichtungszeit verließ er<br />
im Juni 2007 die Bundeswehr und<br />
startete dann im Juli nahtlos bei<br />
Rohde & Schwarz als Projektleiter<br />
durch. „Das war eine Punktlandung“,<br />
so Benkert, der kurz danach den Doktortitel<br />
errang. Sein Arbeits- und auch<br />
Lebensmotto: „Fleiß, Zielstrebigkeit<br />
und der Glaube an die eigenen Fähigkeiten,<br />
gepaart mit einer guten Portion<br />
fränkischen Humors, den ich mir<br />
nicht nehmen lasse.“<br />
Für alle Fälle gewappnet ist Benkert<br />
auf jeden Fall. Dafür ist er durch eine<br />
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neben der Sonnencreme auch eine<br />
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einpacken. Benedikt Pape,<br />
Ingenieur bei Solar Millennium, ist<br />
gerade von dort zurückgekehrt. Als<br />
verantwortlicher Ingenieur für die<br />
Projektentwicklung ist er von<br />
Anfang an für das Unternehmen<br />
aus Erlangen mit vor Ort.<br />
Von Alexander Jacobsen,<br />
Solar Millennium<br />
Benedikt Pape weiß, warum es trotz<br />
Sonnenschein sehr kalt sein kann, und<br />
erklärt: „Minustemperaturen und eine<br />
gute Sonneneinstrahlung schließen sich<br />
nicht aus. An unserem Projektstandort<br />
in der Inneren Mongolei erhalten wir<br />
auch bei Temperaturen von minus 20<br />
Grad Celsius tägliche Direkteinstrahlungswerte<br />
von 700 bis 800 Watt pro<br />
Quadratmeter.“ Da es dort nur wenig<br />
Wolkenbildung gibt, sind die jährlichen<br />
durchschnittlichen Strahlungswerte<br />
trotz eines harten mongolischen Winters<br />
mit denen in Spanien vergleichbar.<br />
In Spanien, in der Provinz Granada, stehen<br />
die ersten solarthermischen Kraftwerke<br />
Europas, Andasol 1 und 2, die von<br />
Solar Millennium initiiert und mitentwickelt<br />
wurden. Eine der wichtigsten<br />
Aufgaben der Erlanger Experten bei der<br />
Projektentwicklung war dabei die Auswahl<br />
des Standortes. Neben genügend<br />
Fläche und den wirtschaftlichen und<br />
politischen Rahmenbedingungen ist aber<br />
vor allem der Wert der Direktstrahlung<br />
der Sonne das entscheidende Kriterium,<br />
ob sich an einem Standort die Errichtung<br />
eines Solarkraftwerks lohnt. Verlässliche<br />
Daten der Direktstrahlung sind allerdings<br />
bisher global nicht oder nur schwer<br />
zugänglich, sodass Solar Millennium an<br />
potenziellen Standorten stets eine<br />
qualifizierte Messung durchführt. Als<br />
Projektentwicklungsingenieur ist Pape<br />
dafür verantwortlich. Er bedient sich<br />
dazu unter anderem einer sogenannten<br />
Meteostation. Dieser eher<br />
unscheinbare Kasten aus Aluminium<br />
enthält eine Messstation mit Temperatur-,<br />
Wind-, Feuchtigkeits- und natürlich<br />
einem Sonnensensor. Die Station<br />
arbeitet vollkommen autark und<br />
bezieht ihren Strom aus einem Solarpanel.<br />
Über ein GPRS-Mobilfunkmodul<br />
kommuniziert die Station mit der Zentrale<br />
in Erlangen, der sie täglich die<br />
Messdaten funkt. Zwei Jahre stehen die<br />
Meteostationen im Schnitt an den<br />
vorab ausgewählten Standorten und<br />
erfassen die örtlichen Wetterbedingungen.<br />
Die wichtigste Komponente ist der<br />
Sonnensensor, der die Direktstrahlung<br />
mit Hilfe eines Rotating Shadowband<br />
Pyranometer (RSP) sehr genau bestimmen<br />
kann. Damit wird zunächst die<br />
Globalstrahlung gemessen, die sowohl<br />
Diffus- als auch Direktstrahlung beinhaltet.<br />
Durch die Drehung des Schattenbandes<br />
wird der Sensor kurzzeitig<br />
abgeschattet, sodass die diffuse Strahlung<br />
ermittelt werden kann. Die Direktstrahlung<br />
kann schließlich aus der Differenz<br />
von Globalstrahlung und diffuser<br />
Strahlung berechnet werden.<br />
Ursprünglich wurde dieses Prinzip in<br />
den USA entwickelt. Das Design genügte<br />
aber nicht den hohen Ansprüchen der<br />
Ingenieure von Solar Millennium. Vor<br />
allem die Robustheit gegenüber<br />
Umwelteinflüssen ließ zu wünschen<br />
32
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1.2010<br />
übrig. Da die Meteo stationen über einen<br />
langen Zeitraum extremen Witterungsbedingungen<br />
ausgesetzt sind, kam es<br />
öfter zu extremen Messausschlägen, die<br />
umständlich per Hand verbessert werden<br />
mussten. Daher haben Pape und<br />
seine Kollegen zusammen mit externen<br />
Dienstleistern den Sonnensensor von<br />
Grund auf neu entwickelt. „Wir haben<br />
das ganze Design neu durchdacht, nach<br />
unseren Maßstäben berechnet und<br />
dabei versucht, alle Eventualitäten zu<br />
berücksichtigen“, erzählt Pape. Zum Beispiel<br />
die Temperaturausdehnung der<br />
drehend gelagerten Teile des rotierenden<br />
Schattenbandsensors, die genügend<br />
Spiel haben müssen, um bei jeder Temperatur<br />
leichtgängig zu sein. Gleichzeitig<br />
müssen die Dichtungen der Komponenten<br />
so dimensioniert sein, dass keine<br />
Feuchtigkeit oder Schmutz eindringt.<br />
Nicht nur bei dieser Entwicklungsarbeit<br />
profitiert der junge Ingenieur von seinem<br />
Studium der Elektrotechnik. „Für<br />
die Arbeit eines Projektentwicklers war<br />
es aufgrund der thematischen Breite<br />
die ideale Grundlage. Dieses Grundwissen<br />
in Mechanik, Sensorik oder Kraftwerkstechnik<br />
kann ich jetzt in vielen<br />
Bereichen meiner Arbeit einsetzen.“ In<br />
die Entwicklung der Meteostation sind<br />
zum Beispiel auch seine Erfahrungen<br />
aus dem Bereich Kommunikation mit<br />
eingeflossen. Die Stationen haben früher<br />
über Telefonleitungen kommuniziert,<br />
heute sind sie über GPRS mit dem<br />
Hauptquartier verbunden. Pape nennt<br />
auch den entscheidenden Vorteil: „In<br />
vielen Regionen im Sonnengürtel der<br />
Erde gibt es in ländlichen Gegenden<br />
kein Telefonnetz. Diese Länder setzten<br />
stattdessen gleich auf den Ausbau des<br />
Mobilfunknetzes, da die Errichtung von<br />
Funkzellen billiger und schneller geht,<br />
als das Verlegen von Telefonkabeln. In<br />
der Inneren Mongolei haben wir zum<br />
Beispiel exzellenten Handyempfang.“<br />
Die Zuverlässigkeit und die Robustheit<br />
gegen klimatische Bedingungen sowie<br />
der Service der Datenüberprüfung<br />
durch Solar Millennium machen die<br />
Meteostation einzigartig: „Dazu gehört<br />
auch, dass wir die systematischen<br />
Abweichungen des Sensors herausrechnen<br />
und zudem die Daten täglich<br />
überprüfen“, sagt Pape. Die nächste<br />
Weiterentwicklung ist auch schon in<br />
Arbeit. Derzeit arbeitet Pape zusammen<br />
mit seinen Kollegen an einer<br />
neuen Variante der Meteostation. Im<br />
Gegensatz zu den bisherigen „Remote“-<br />
Stationen, den ferngewarteten Stationen<br />
zur Standortbewertung, die zur<br />
Projektentwicklung eingesetzt werden,<br />
dient die neue „Präzisions-Meteostation“<br />
dazu, die Werte an bestehenden<br />
Kraftwerken zu messen. So kann festgestellt<br />
werden, ob das Kraftwerk bei<br />
einer bestimmten Sonneneinstrahlung<br />
den vorgesehenen Output erreicht. Für<br />
diese Arbeit beschäftigt sich Pape auch<br />
mit dem Materialeinkauf und dem Verkauf<br />
kompletter Meteostationen.<br />
Besonders diese Bandbreite seiner<br />
Arbeit begeistert den gebürtigen Nürnberger.<br />
„Bei jedem Projekt bin ich von<br />
Anfang an dabei: Ich sehe als Erster den<br />
Standort, treffe als Erster die Partner<br />
vor Ort und habe die Möglichkeit, in<br />
einer jungen Branche die Standards<br />
mitzugestalten.“ Das klingt, als hätte<br />
jemand seinen Traumjob gefunden.<br />
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1.2010<br />
Vom Tüftler zur Leitfigur<br />
Deutschland wird oft als das Land<br />
der Dichter und Denker bezeichnet<br />
– aber es ist auch das Land der Entdecker<br />
und Erfinder. Mit ihren<br />
Ideen und ihrem Konstruktions -<br />
geschick haben sie Weltgeschichte<br />
geschrieben: Ingenieure wie<br />
Robert Bosch und Ferdinand<br />
Porsche. Ihre Erfindungen sind die<br />
Grundlage für technische Entwicklungen,<br />
die unser Leben bestimmen.<br />
Und noch heute prägen sie<br />
die Unternehmen, die sie vor vielen<br />
Jahrzehnten gegründet haben.<br />
Von Kerstin Neurohr<br />
Nur 50 Quadratmeter groß war die<br />
„Werkstätte für Feinmechanik und<br />
Elektrotechnik“, die Robert Bosch 1886<br />
in Stuttgart gründete. Dass daraus ein<br />
international agierendes Unternehmen<br />
werden sollte, das heute Niederlassungen<br />
auf der ganzen Welt unterhält<br />
und über 271.000 Mitarbeiter hat,<br />
hat der Feinmechaniker damals vermutlich<br />
nicht geahnt. Dabei war er es,<br />
der die Internationalisierung angetrieben<br />
hat: Robert Bosch machte eine<br />
Mechanikerlehre, ging zum Militärdienst<br />
und arbeitete anschließend in<br />
den USA und Großbritannien. Dann<br />
gründete er sein Unternehmen, und<br />
bereits 1913 generierte er fast 90 Prozent<br />
seines Umsatzes im Ausland.<br />
Bosch war ein globales Unternehmen,<br />
lange bevor der Begriff Globalisierung<br />
zum Schlagwort wurde. Stefanie Mattes<br />
von der Bosch-Unternehmenskommunikation<br />
erläutert: „Auch wenn wir<br />
durch die Zeitläufte große Rückschläge<br />
zu verkraften hatten, so haben wir<br />
immer nach dem Grundsatz gehandelt,<br />
in aller Welt technisches Knowhow<br />
in der Nähe unserer Kunden<br />
anzusiedeln.“<br />
Generell scheint Robert Bosch die<br />
Unternehmenskultur bis heute zu<br />
beeinflussen. Die Vielzahl seiner Pionierleistungen<br />
habe zu einer starken<br />
Identifikation der „Boschler“ mit<br />
ihrem Unternehmen geführt, meint<br />
Stefanie Mattes, und sie sporne die<br />
Mitarbeiter bis heute an. „Die Pioniertaten<br />
von gestern treiben auch maßgeblich<br />
den Erfindergeist unserer<br />
Ingenieure an, das zeigen schon unsere<br />
ehrgeizigen Projekte. Gerade aus<br />
der Spannung zwischen den beiden<br />
Polen Traditionsbewusstsein und<br />
Modernität wächst das, was wir als<br />
Innovationskultur bezeichnen.“ Diese<br />
Innovationskultur trägt Früchte: Über<br />
3800 Patente konnte Bosch im Jahr<br />
2009 anmelden, das sind 15 an jedem<br />
Arbeitstag. Damit ist das Unternehmen<br />
die Nummer eins in Deutschland.<br />
Auch in Bezug auf die Qualität gelten<br />
bis heute die Maßstäbe von Robert<br />
Bosch, der seinen Anspruch mit „Qualität<br />
ist unser höchstes Gut“ formuliert<br />
hat. Nach wie vor liege hier eine<br />
der wesentlichen Stärken von Bosch in<br />
der Präzisionsmengen-Produktion,<br />
erklärt Stefanie Mattes. Dabei wird<br />
die Genauigkeit in Mikrometertoleranzen<br />
gemessen, während die Stückzahlen<br />
in die Millionen gehen. Das ist<br />
bei den Hochdruck-Dieselsystemen so,<br />
das ist in der Mikromechanik nicht<br />
anders. Hier wie dort konnten die<br />
Bosch-Ingenieure Innovationen nur<br />
deshalb realisieren, weil Verfahrensund<br />
Materialkunde in die Forschung<br />
integriert ist.<br />
Auch die Vielseitigkeit geht auf den Firmengründer<br />
zurück. Schon die erste<br />
Dieselpumpe 1927 führte über das<br />
damalige Stammgeschäft mit Magnetzündern<br />
weit hinaus. Und auf das<br />
erste Elektrowerkzeug 1928 folgte der<br />
erste Bosch-Kühlschrank 1933. Heute<br />
decken die Unternehmensbereiche<br />
Kraftfahrzeug- und Industrietechnik<br />
sowie Haushalts- und Gebäudetechnik<br />
die verschiedensten Geschäftsfelder<br />
ab, von der Solarzellenproduktion bis<br />
zur Verpackungstechnik.<br />
36
Erfolgreicher Nachbar<br />
Nur ein paar Straßen entfernt von<br />
Robert Boschs Werkstatt gründete<br />
Ferdinand Porsche 1930 sein Konstruktionsbüro<br />
und legte damit den Grundstein<br />
für ein Unternehmen, das ebenfalls<br />
Geschichte schrieb. Das herausragende<br />
technische Talent von Ferdinand<br />
Porsche zeigte sich schon früh: Er war<br />
erst 25 Jahre alt, als auf der Weltausstellung<br />
in Paris das Lohner-Porsche-<br />
Elektromobil präsentiert wurde, das<br />
erste allradbetriebene Hybridfahrzeug,<br />
das ihn berühmt machte. Viele weitere<br />
richtungweisende Erfindungen sollten<br />
folgen: der Hybridantrieb, die Mittelmotor-Rennwagen<br />
der Auto Union und<br />
das Kleinwagenkonzept für den VW-<br />
Käfer, um nur einige zu nennen.<br />
Ferdinand Porsches Erfolg war nicht<br />
nur das Resultat seiner technischen<br />
Leistungen, sondern auch seines unternehmerischen<br />
Denkens und seiner<br />
Kommunikationsfähigkeit: „Er verstand<br />
es sehr gut, seine Ideen gegenüber den<br />
Auftraggebern zu vermitteln und sie<br />
im Anschluss auch technisch zu realisieren“,<br />
erklärt Dieter Landenberger,<br />
Leiter des Historischen Archivs von Porsche.<br />
„Seiner kleinen, aber hoch qualifizierten<br />
Mannschaft ließ er viel Freiraum<br />
und motivierte sie durch seine<br />
Persönlichkeit zu Höchstleistungen.“<br />
Vieles, was die Persönlichkeit Ferdinand<br />
Porsches ausmachte, ist auch<br />
heute noch entscheidend für den<br />
Erfolg von Ingenieuren: Zum einen Ehrgeiz<br />
und Streben nach technischer Perfektion,<br />
wie Archivleiter Dieter Landenberger<br />
bestätigt: „Ferdinand Porsche<br />
war nie zufrieden und arbeitete unentwegt<br />
an neuen Innovationen. Dabei<br />
beschritt er immer wieder neue Wege –<br />
auch gegen den Mainstream.“ Zum<br />
anderen zählt Durchhaltevermögen:<br />
Ferdinand Porsche hat im Laufe seiner<br />
Karriere viele Erfolge gefeiert, aber auch<br />
zahlreiche Rückschläge hinnehmen<br />
müssen. Er hat sich dennoch nie entmutigen<br />
lassen und gegen alle Widerstände<br />
fest an seine Ideen geglaubt. Und<br />
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