OCEAN7 2008-03

Gegensätzlicher könnten die Reviere nicht sein, die in dieser Ausgabe von OCEAN7 beschrieben werden: karibisches Segeln vor den Küsten des kommunistischen Kuba und Besonderheiten aus der Inselwelt der dänischen Südsee. Gegensätzlicher könnten die Reviere nicht sein, die in dieser Ausgabe von OCEAN7 beschrieben werden: karibisches Segeln vor den Küsten des kommunistischen Kuba und Besonderheiten aus der Inselwelt der dänischen Südsee.

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84 text & fotos: dominic marsano MagIc fingerS Josef Hirsch, einer der besten Yachtbauer weltweit, hat sein Geschäft in Wien, Talent mit Leidenschaft kombiniert und den Neusiedler See satt. OCEAN7 hat seiner Werft einen Besuch abgestattet. siegeryacht. Josef Hirsch mit dem Nachbau des Yacht-Europameisters 2007/08, einer Sunbeam 34. So stellt man sich eine Werkstatt vor, so muss sie sein: ein organisiertes Chaos in ziemlich kleinen, mit wenig frischer Luft und ebenso wenig natürlichem Licht, aber umso mehr Feinstaub durchzogenen Räumen. Frischer Lackduft hängt in der Atmosphäre, die Fensterscheibe ist innen definitiv dreckiger als draußen, und das auf der Johnstraße, wo Verkehr durchaus Thema ist. Abgesehen von Werkzeug, Baumaterialien und dem jeweiligen Patienten gibt es nichts, weder eine Sitzecke noch Prospekte, und schon gar keinen Schauraum. Was unterm Strich auch überhaupt nicht notwendig ist, denn Yacht-Modellbauer Josef Hirsch bezieht seine Kundschaft fast durchwegs aus dem Ausland. Der 60-jährige Wiener hat das gemacht, was alle wollen: sein Hobby zu seinem Beruf erklärt. Und lebt ganz ausgezeichnet damit. Irgendwie erinnert der Mann an den Bockerer Buschiger Oberlippenbart, buschige Augenbraue, beides in Grau gehalten, ebenso wie der Haarsatz, dazu listiginteressierte Augen, ein sympathisches Schmunzeln, kein Blatt vor dem Mund und einen guten Schmäh obendrauf. Und wie Karl Merkatz hat Josef Hirsch seine Brille um den Hals baumeln. 25 edle Sonderanfertigungen verlassen jährlich die Werkstätte des Meisters, der seine Vorliebe für Finger-Stunts paradoxerweise beim Motorsport entdeckt hat. Zu einer Zeit übrigens, als Hirsch von Beruf Fleischhauer war und den elterlichen Betrieb übernehmen sollte. Der PS-Narr kurvte emsig und durchaus erfolgreich in der Tourenklasse um die Meisterschaft mit und lernte „by doing“. Schweißen, Löten und vor allem Polyesterarbeiten. Damals ein Novum. Darüber hinaus gewann der Rennfahrer Fingerspitzengefühl; je kleiner die Dinge, umso größer der Hirsch. Als neue Motoren nur noch in preislichen Höhen von einer Million guter alter Schillinge zu haben waren, stieg Hirsch auf die Bremse und begann Talent mit Spaß zu koppeln. Sein erstes Schiff benannte er nach Ehefrau Margot, mit dem Auftrag, die Schiffsmodelle im Technischen Museum zu restaurieren, schaffte er endgültig den Durchbruch. Josef Hirsch baut originalgetreue Nachbauten von nostalgischen Holzschiffen bis zu hypermodernen Yachten. Die elterliche Fleischerei dient als exklusive Brutstätte, unter 2.500 Euro macht der Baumeister mittlerweile keinen Finger mehr krumm. Das Büro öffnet

yacht 85 um 9.00 Uhr und schließt neun Stunden später. Außer am Wochenende. Ein Ablauf wie so viele, mit dem feinen Unterschied, dass Josef Hirsch der Broterwerb auch augenscheinlich Spaß bereitet. Von jedem seiner Modelle kennt er die komplette Vergangenheit, von der ersten Latte bis hin zum letzten Anstrich. Seine Kinder hängen in Eingangshallen von Bootswerften oder in aristokratischen Räumlichkeiten. Fürst Schwarzenberg zählt ebenso zur Kundschaft wie die Spedition Böhm, deren schnittiger Hochsee-Racer im Format 1:15 gerade finalisiert wird. Parallel zum Yacht-Nachbau entdeckte der Taucher seine Leidenschaft für den Segelsport. Von Breitenbrunn aus zogen er und seine Margot ihre maritimen Kreise auf dem Neusiedler See, bis das Wasser irgendwann knapp wurde. „Was die hinsichtlich Zuleitung nicht alles versprochen haben, und zwar im- 01 auf und unter deck. Die maßstabsgetreue Liebe zum Detail ist augenscheinlich. 02 skurril bis witzig. Meister Hirsch hat eine Menge zu erzählen. mer und immer wieder, und passiert ist genau nichts.“ Boot und Besatzung übersiedeln seitdem lieber an die Adria, zuletzt war man in venezianischen Gewässern auf Kurs. „Es ist schön hier“, sagt Hirsch, der segelnd schon ziemlich herumgekommen ist. Der Neusiedler See bleibt tabu, von seinem Betrieb trennt sich Hirsch dafür nur indirekt. Sohn Christian, der in Sachen Bootsbeschriftung längst Hand anlegt, bastelt bereits fleißig mit. „Das hat sich erst unlängst so ergeben und freut mich schon sehr“, gesteht der Bootsbauer, der seine ruhige Hand ganz offensichtlich weitergegeben hat. 03 einblicke. Organisiertes Chaos anstelle eines unnötigen Schauraumes. 04 fingerfertig. Kein Job für zittrige Hände. Was unbedingt vonnöten ist, denn Präzision ist bei dem detailintensiven Tagesgeschäft das A und O. Winschen, Travellerschienen, Wantenspanner, Baumniederholer, Blöcke, alles wird perfekt nachgebaut, selbst das Innenleben sieht täuschend echt aus. Einige Glanzstücke stehen öffentlich zur Schau, wer die XARIFA, das Forschungsschiff von Hans Hass, und das Expeditionsschiff der Habsburger, die NOVARA, im Naturhistorischen Museum erblickt, sieht die Handschrift von Josef Hirsch. Infos: www.yachtmodellbau.com

84 text & fotos: dominic marsano<br />

MagIc<br />

fingerS<br />

Josef Hirsch, einer der besten Yachtbauer weltweit,<br />

hat sein Geschäft in Wien, Talent mit Leidenschaft<br />

kombiniert und den Neusiedler See satt.<br />

<strong>OCEAN7</strong> hat seiner Werft einen<br />

Besuch abgestattet.<br />

siegeryacht. Josef Hirsch mit dem<br />

Nachbau des Yacht-Europameisters<br />

2007/08, einer Sunbeam 34.<br />

So stellt man sich eine Werkstatt<br />

vor, so muss sie sein: ein<br />

organisiertes Chaos in ziemlich<br />

kleinen, mit wenig frischer<br />

Luft und ebenso wenig natürlichem<br />

Licht, aber umso mehr Feinstaub<br />

durchzogenen Räumen. Frischer<br />

Lackduft hängt in der<br />

Atmosphäre, die Fensterscheibe<br />

ist innen definitiv<br />

dreckiger als draußen,<br />

und das auf der Johnstraße,<br />

wo Verkehr durchaus<br />

Thema ist. Abgesehen<br />

von Werkzeug, Baumaterialien<br />

und dem jeweiligen<br />

Patienten gibt es nichts, weder<br />

eine Sitzecke noch Prospekte, und<br />

schon gar keinen Schauraum. Was unterm<br />

Strich auch überhaupt nicht notwendig<br />

ist, denn Yacht-Modellbauer<br />

Josef Hirsch bezieht seine Kundschaft<br />

fast durchwegs aus dem Ausland. Der<br />

60-jährige Wiener hat das gemacht,<br />

was alle wollen: sein Hobby zu seinem<br />

Beruf erklärt. Und lebt ganz ausgezeichnet<br />

damit.<br />

Irgendwie erinnert der<br />

Mann an den Bockerer<br />

Buschiger Oberlippenbart, buschige<br />

Augenbraue, beides in Grau gehalten,<br />

ebenso wie der Haarsatz, dazu listiginteressierte<br />

Augen, ein sympathisches<br />

Schmunzeln, kein Blatt vor dem Mund<br />

und einen guten Schmäh obendrauf.<br />

Und wie Karl Merkatz hat Josef Hirsch<br />

seine Brille um den Hals baumeln.<br />

25 edle Sonderanfertigungen verlassen<br />

jährlich die Werkstätte des Meisters, der<br />

seine Vorliebe für Finger-Stunts paradoxerweise<br />

beim Motorsport entdeckt<br />

hat. Zu einer Zeit übrigens, als Hirsch<br />

von Beruf Fleischhauer war und den<br />

elterlichen Betrieb übernehmen sollte.<br />

Der PS-Narr kurvte emsig und durchaus<br />

erfolgreich in der Tourenklasse um<br />

die Meisterschaft mit und lernte „by<br />

doing“. Schweißen, Löten und vor allem<br />

Polyesterarbeiten. Damals ein Novum.<br />

Darüber hinaus gewann der Rennfahrer<br />

Fingerspitzengefühl; je kleiner die<br />

Dinge, umso größer der Hirsch. Als<br />

neue Motoren nur noch in preislichen<br />

Höhen von einer Million guter alter<br />

Schillinge zu haben waren, stieg Hirsch<br />

auf die Bremse und begann Talent mit<br />

Spaß zu koppeln. Sein erstes Schiff benannte<br />

er nach Ehefrau Margot, mit<br />

dem Auftrag, die Schiffsmodelle im<br />

Technischen Museum zu restaurieren,<br />

schaffte er endgültig den Durchbruch.<br />

Josef Hirsch baut originalgetreue Nachbauten<br />

von nostalgischen Holzschiffen<br />

bis zu hypermodernen Yachten. Die<br />

elterliche Fleischerei dient als exklusive<br />

Brutstätte, unter 2.500 Euro macht<br />

der Baumeister mittlerweile keinen<br />

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