Sherlock Holmes - Komplett

Der größte Detektiv aller Zeiten. Alle Geschichten und Romane illustriert und überarbeitet in einem Band. Der größte Detektiv aller Zeiten. Alle Geschichten und Romane illustriert und überarbeitet in einem Band.

1


Arthur Conan Doyle<br />

<strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong><br />

Sammlung<br />

Alle Geschichten und Romane - Illustriert und<br />

kommentiert


Arthur Conan Doyle<br />

<strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong><br />

Sammlung<br />

Alle Geschichten und Romane - Illustriert und<br />

kommentiert<br />

Überarbeitung, Umschlaggestaltung: Null Papier Verlag<br />

Published by Null Papier Verlag, Deutschland<br />

Copyright © 2016 by Null Papier Verlag<br />

1. Auflage, ISBN 978-3-95418-759-1<br />

www.null-papier.de/holmes<br />

Das hier veröffentlichte Werk ist eine kommentierte, überarbeitete und digitalisierte<br />

Fassung und unterliegt somit dem Urheberrecht. Verstöße werden juristisch verfolgt.<br />

Eine Veröffentlichung, Vervielfältigung oder sonstige Verwertung ohne Genehmigung<br />

des Verlages ist ausdrücklich untersagt.


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort des Verlegers...........................................................................11<br />

Editorische Anmerkungen....................................................................12<br />

Arthur Conan Doyle & <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong>..........................................14<br />

Eine Studie in Scharlachrot.................................................................22<br />

Aus Watsons Erinnerungen...........................................................23<br />

Erstes Kapitel – <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong>...........................................24<br />

Zweites Kapitel – Die Kunst der Schlußfolgerung.............40<br />

Drittes Kapitel – Brixton Street Nummer drei....................58<br />

Viertes Kapitel – Was uns John Rance erzählte...................77<br />

Fünftes Kapitel – Wir bekommen Besuch.............................92<br />

Sechstes Kapitel – Tobias Gregson tut große Taten........104<br />

Siebentes Kapitel – Es kommt Licht in das Dunkel...........122<br />

Im Lande der Heiligen...................................................................139<br />

Achtes Kapitel – Auf der großen Alkali Ebene...................140<br />

Neuntes Kapitel – Die Blume von Utah................................159<br />

4


Zehntes Kapitel – John Ferrier spricht mit dem Propheten<br />

.........................................................................................................174<br />

Elftes Kapitel – Eine Flucht auf Leben und Tod.................184<br />

Zwölftes Kapitel – Die Racheengel.......................................203<br />

Fortsetzung von Dr. Watsons Erinnerungen...........................219<br />

Die Auflösung..................................................................................240<br />

Das Zeichen der Vier...........................................................................251<br />

Erstes Kapitel – Beobachtung und Schlußfolgerung............252<br />

Zweites Kapitel – Ein rätselhafter Fall......................................265<br />

Drittes Kapitel – Wohin geht die Fahrt?...................................275<br />

Viertes Kapitel – Die Erzählung des kahlköpfigen Herrn....285<br />

Fünftes Kapitel – Das Trauerspiel in Pondicherry Lodge....303<br />

Sechstes Kapitel – <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong> hält einen Vortrag......318<br />

Siebentes Kapitel – Toby auf der Fährte..................................336<br />

Achtes Kapitel – Das Freikorps aus der Baker Street............357<br />

Neuntes Kapitel – Unwillkommener Stillstand.......................376<br />

Zehntes Kapitel – Das Ende des Insulaners............................395<br />

Elftes Kapitel – Der große Agra-Schatz....................................412<br />

Zwölftes Kapitel – Jonathan Smalls seltsame Geschichte...425<br />

Schluß...............................................................................................469<br />

5


Der Hund von Baskerville...................................................................472<br />

I. Der teure Stock............................................................................473<br />

II. Ein rätselhaftes Verhängnis....................................................487<br />

III. Versuch einer Erklärung.........................................................510<br />

IV. Beratungen.................................................................................527<br />

V. Immer mehr kleine Geheimnisse..........................................550<br />

VI. Sir Henrys Einzug in Baskerville Hall..................................569<br />

VII. Doktor Watsons erster Ausgang.........................................588<br />

VIII. Doktor Watsons erster Bericht..........................................616<br />

IX. Doktor Watsons zweiter Bericht.........................................630<br />

X. Auszug aus Dr. Watsons Tagebuch.......................................663<br />

XI. Die Spur wird deutlicher........................................................686<br />

XII. <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong> greift ein.....................................................711<br />

XIII. Die Rätsel lösen sich.............................................................739<br />

XIV. Der große Schlag....................................................................761<br />

Das Tal des Grauens............................................................................789<br />

I. Teil. Der Mord in Birlstone.......................................................790<br />

1. Kapitel. Die Warnung.............................................................791<br />

2. Kapitel. <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong> tritt in Tätigkeit.....................810<br />

3. Kapitel. Das Drama von Birlstone.....................................828<br />

6


4. Kapitel. In der Dunkelheit...................................................847<br />

5. Kapitel. Die Hauptpersonen des Dramas.........................871<br />

6. Kapitel. Die ersten Lichtstrahlen......................................892<br />

7. Kapitel. Die Lösung................................................................919<br />

II. Teil. Die Rächer..........................................................................952<br />

1. Kapitel. Der Fremde..............................................................953<br />

2. Kapitel. Der Logenmeister..................................................970<br />

3. Kapitel. Loge Nr. 341 Vermissa........................................1003<br />

4. Kapitel. Das Tal des Grauens............................................1034<br />

5. Kapitel. Die trübste Stunde..............................................1054<br />

6. Kapitel. Gefahr.....................................................................1078<br />

7. Kapitel. Der Detektiv in der Falle.....................................1097<br />

8. Kapitel. Das Ende..................................................................1115<br />

Geschichten..........................................................................................1121<br />

Ein Skandal in Böhmen.................................................................1122<br />

Der Bund der Rothaarigen............................................................1171<br />

Ein Fall geschickter Täuschung................................................1220<br />

Der Mord im Tale von Boscombe.............................................1255<br />

Fünf Apfelsinenkerne...................................................................1306<br />

Der Mann mit der Schramme....................................................1343<br />

7


Die Geschichte des blauen Karfunkels....................................1396<br />

Das gesprenkelte Band.................................................................1441<br />

Der Daumen des Ingenieurs......................................................1494<br />

Der adlige Junggeselle.................................................................1536<br />

Die Beryll-Krone...........................................................................1582<br />

Die Blutbuchen..............................................................................1632<br />

Silberstrahl.....................................................................................1683<br />

Die Pappschachtel.........................................................................1737<br />

Das gelbe Gesicht..........................................................................1783<br />

Eine sonderbare Anstellung.......................................................1820<br />

Sein erster Fall...............................................................................1857<br />

Der Katechismus der Familie Musgrave.................................1896<br />

Die Gutsherren von Reigate.......................................................1934<br />

Der Krüppel....................................................................................1973<br />

Der Doktor und sein Patient.....................................................2008<br />

Der griechische Dolmetscher...................................................2048<br />

Der Marinevertrag.......................................................................2087<br />

Sein letzter Fall..............................................................................2156<br />

Im leeren Hause............................................................................2196<br />

Der Baumeister von Norwood..................................................2236<br />

8


Die tanzenden Männchen..........................................................2284<br />

Die einsame Radfahrerin............................................................2334<br />

Die Entführung aus der Klosterschule....................................2373<br />

Der schwarze Peter.....................................................................2433<br />

Charles Augustus Milverton.......................................................2474<br />

Die sechs Napoleonbüsten.........................................................2513<br />

Die drei Studenten.......................................................................2556<br />

Der goldene Zwicker...................................................................2598<br />

Der verschollene Three-Quarter.............................................2643<br />

Der Mord in Abbey Grange........................................................2688<br />

Der zweite Blutflecken................................................................2736<br />

Das Geheimnis der Villa Wisteria.............................................2789<br />

Der rote Kreis................................................................................2856<br />

Das Verschwinden der Lady Frances Carfax........................2895<br />

Die gestohlenen Zeichnungen..................................................2938<br />

Der sterbende <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong>..............................................2999<br />

Das Abenteuer mit dem Teufelsfuß........................................3033<br />

Seine Abschiedsvorstellung.......................................................3087<br />

Der Mazarin-Stein........................................................................3124<br />

Die Thor-Brücke............................................................................3161<br />

9


Der Mann mit dem geduckten Gang.......................................3220<br />

Der Vampir von Sussex...............................................................3267<br />

Die drei Garridebs.......................................................................3305<br />

Der illustre Klient.........................................................................3344<br />

Die Drei Giebel.............................................................................3404<br />

Der erbleichte Soldat..................................................................3443<br />

Des Löwen Mähne.......................................................................3490<br />

Der Farbenhändler im Ruhestand............................................3533<br />

Die verschleierte Mieterin.........................................................3566<br />

Shoscombe Old Place..................................................................3592<br />

Das weitere Verlagsprogramm......................................................3633<br />

10


Vorwort des Verlegers<br />

Liebe Leser, 5 Jahre nun schon existiert der Null Papier Verlag –<br />

ein Erfolg, auch dank ihnen. Es ist Zeit, davon etwas zurückzugeben;<br />

daher diese Jubiläumsausgabe der gesammelten <strong>Sherlock</strong>-<strong>Holmes</strong>-Werke.<br />

Viel Spaß mit dem bekanntesten Detektiv der Welt.<br />

Ihr<br />

Jürgen Schulze, redaktion@null-papier.de<br />

PS. Als Ein-Mann-Verleger investiere ich in die Qualität meiner<br />

Veröffentlichungen und nicht in Werbung. Wenn Sie mich unterstützen<br />

möchten, schaffen Sie es am besten durch eine positive<br />

Bewertung. Und wenn es mal etwas zu kritisieren gibt,<br />

dann schreiben Sie mir doch bitte direkt, so erhalten Sie am<br />

schnellsten eine Reaktion.<br />

11


Editorische Anmerkungen<br />

Dieses Buch basiert auf den Erstübersetzungen ins Deutsche.<br />

Ich habe bewusst darauf verzichtet, es in die Neue Deutsche<br />

Rechtschreibung (von 2006) zu übertragen. Ein<br />

»Telegraphenamt« wird nicht zum »Telegrafenamt«, die<br />

»Phantasie« wird nicht zur »Fantasie« und das »daß« nicht zum<br />

»dass«.<br />

Der Text wurde nicht geändert, aber an mehreren Stellen<br />

behutsam angepasst. Ich habe versucht, bei wirklich nicht mehr<br />

gebräuchlichen Wörtern Ersatz zu finden. War das nicht möglich,<br />

musste eine erklärende Fußnote herhalten.<br />

Einige der Geschichten wurden bei der deutschen Erstveröffentlichung<br />

zusätzlich in eine nicht der Vorlage entsprechenden<br />

Rahmenhandlung gepackt, die im Nachhinein und im Kontrast<br />

zu den anderen Geschichten irritierend wirkt. Dies habe<br />

ich im Einklang mit dem englischen Original korrigiert. Dazu<br />

mussten mehrere Passagen komplett neu übersetzt werden.<br />

12


Die Geschichte »Seine letzte Vorstellung« ist von mir selbst<br />

übersetzt worden. Diese Geschichte ist auch die Einzige im<br />

<strong>Holmes</strong>-Kanon, die im Original in der 3. Person erzählt wird.<br />

Die Geschichte »Die Blutbuchen« wurde ursprünglich<br />

fälschlicherweise ebenfalls in die 3. Person übersetz, das habe<br />

ich rückgängig gemacht.<br />

Die Geschichten sind in der Reihenfolge der Veröffentlichung<br />

aufgelistet und entsprechen nicht der Reihenfolge der<br />

Handlungen. Das tut der Lesefreude keinen Abbruch, da Doyle<br />

darauf geachtet hat, dass für das Verstehen kein Vorwissen benötigt<br />

wird. Sie dürfen die Geschichten also in ihrer eigenen<br />

Reihenfolge lesen.<br />

13


Arthur Conan Doyle & <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong><br />

Womöglich wäre die Literatur heute um eine ihrer schillerndsten<br />

Detektivgestalten ärmer, würde der am 22. Mai 1859 in<br />

Edinburgh geborene Arthur Ignatius Conan Doyle nicht ausgerechnet<br />

an der medizinischen Fakultät der Universität seiner<br />

Heimatstadt studieren. Hier nämlich lehrt der später als Vorreiter<br />

der Forensik geltende Chirurg Joseph Bell. Die Methodik des<br />

Dozenten, seine Züge und seine hagere Gestalt wird der angehende<br />

Autor für den dereinst berühmtesten Detektiv der Kriminalliteratur<br />

übernehmen.<br />

14


15


Geburt und Tod des <strong>Holmes</strong><br />

Der erste Roman des seit 1883 in Southsea praktizierenden Arztes<br />

teilt das Schicksal zahlloser Erstlinge – er bleibt unvollendet<br />

in der Schublade. Erst 1887 betritt <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong> die Bühne,<br />

als »Eine Studie in Scharlachrot« erscheint. Nachdem Conan<br />

Doyle im Magazin The Strand seine <strong>Holmes</strong>-Episoden veröffentlichen<br />

darf, ist er als erfolgreicher Autor zu bezeichnen. The<br />

Strand eröffnet die Reihe mit »Ein Skandal in Böhmen«. Im Jahr<br />

1890 zieht der Schriftsteller nach London, wo er ein Jahr darauf,<br />

dank seines literarischen Schaffens, bereits seine Familie ernähren<br />

kann; seit 1885 ist er mit Louise Hawkins verheiratet, die<br />

ihm einen Sohn und eine Tochter schenkt.<br />

Ginge es ausschließlich nach den Lesern, wäre dem kühlen Detektiv<br />

und seinem schnauzbärtigen Mitbewohner ewiges Leben<br />

beschieden. Die Abenteuer der beiden Freunde nehmen freilich,<br />

wie ihr Schöpfer meint, zu viel Zeit in Anspruch; der Autor<br />

möchte historische Romane verfassen. Deshalb stürzt er 1893 in<br />

»Sein letzter Fall« sowohl den Detektiv als auch dessen Widersacher<br />

Moriarty in die Reichenbachfälle. Die Proteste der enttäuschten<br />

Leserschaft fruchten nicht – <strong>Holmes</strong> ist tot.<br />

Die Wiederauferstehung des <strong>Holmes</strong><br />

Obwohl sich der Schriftsteller mittlerweile der Vergangenheit<br />

und dem Mystizismus widmet, bleibt sein Interesse an Politik<br />

16


und realen Herausforderungen doch ungebrochen. Den Zweiten<br />

Burenkrieg erlebt Conan Doyle seit 1896 an der Front in<br />

Südafrika. Aus seinen Eindrücken und politischen Ansichten resultieren<br />

zwei nach 1900 publizierte propagandistische Werke,<br />

wofür ihn Queen Victoria zum Ritter schlägt.<br />

Eben zu jener Zeit weilt Sir Arthur zur Erholung in Norfolk, was<br />

<strong>Holmes</strong> zu neuen Ehren verhelfen wird. Der Literat hört dort<br />

von einem Geisterhund, der in Dartmoor eine Familie verfolgen<br />

soll. Um das Mysterium aufzuklären, reanimiert Conan Doyle<br />

seinen exzentrischen Analytiker: 1903 erscheint »Der Hund der<br />

Baskervilles«. Zeitlich noch vor dem Tod des Detektivs in der<br />

Schweiz angesiedelt, erfährt das Buch enormen Zuspruch, weshalb<br />

der Autor das Genie 1905 in »Das leere Haus« endgültig<br />

wiederbelebt.<br />

Das unwiderrufliche Ende des <strong>Holmes</strong><br />

Nach dem Tod seiner ersten Frau im Jahr 1906 und der Heirat<br />

mit der, wie Conan Doyle glaubt, medial begabten Jean Leckie<br />

befasst sich der Privatmann mit Spiritismus. Sein literarisches<br />

Schaffen konzentriert sich zunehmend auf Zukunftsromane,<br />

deren bekanntester Protagonist der Exzentriker Professor<br />

Challenger ist. Als populärster Challenger-Roman gilt die 1912<br />

veröffentlichte und bereits 1925 verfilmte Geschichte »Die vergessene<br />

Welt«, die Conan Doyle zu einem Witz verhilft: Der<br />

durchaus schlitzohrige Schriftsteller zeigt im kleinen Kreis ei-<br />

17


ner Spiritistensitzung Filmaufnahmen vermeintlich lebender<br />

Saurier, ohne zu erwähnen, dass es sich um Material der ersten<br />

Romanverfilmung handelt.<br />

Die späte Freundschaft des Literaten mit Houdini zerbricht am<br />

Spiritismus-Streit, denn der uncharmante Zauberkünstler entlarvt<br />

zahlreiche Betrüger, während der Schriftsteller von der<br />

Existenz des Übernatürlichen überzeugt ist. Conan Doyles Geisterglaube<br />

erhält Auftrieb, als sein ältester Sohn Kingsley während<br />

des Ersten Weltkriegs an der Front fällt.<br />

Noch bis 1927 bedient der Autor das Publikum mit Kurzgeschichten<br />

um <strong>Holmes</strong> und Watson; zuletzt erscheint »Das Buch<br />

der Fälle«. Als Sir Arthur Conan Doyle am 7. Juli 1930 stirbt,<br />

trauern Familie und Leserschaft gleichermaßen, denn diesmal<br />

ist <strong>Holmes</strong> wirklich tot.<br />

Von der Bedeutung eines Geschöpfes<br />

Oder vielmehr ist <strong>Holmes</strong> ein ewiger Wiedergänger, der im Gedächtnis<br />

des Publikums fortlebt. Nicht wenige Leser hielten<br />

und halten den Detektiv für eine existente Person, was nicht<br />

zuletzt Conan Doyles erzählerischem Geschick und dem Realitätsbezug<br />

der Geschichten zu verdanken sein dürfte. Tatsächlich<br />

kam man im 20. Jahrhundert dem Bedürfnis nach etwas<br />

Handfestem nach, indem ein Haus in der Londoner Baker Street<br />

18


die Nummer 221 b erhielt. Dort befindet sich das <strong>Sherlock</strong>-<strong>Holmes</strong>-Museum.<br />

Conan Doyles zeitgenössischer Schriftstellerkollege Gilbert<br />

Keith Chesterton, geistiger Vater des kriminalistischen Pater<br />

Brown, brachte das literarische Verdienst seines Landsmanns<br />

auf den Punkt: Sinngemäß sagte er, dass es nie bessere Detektivgeschichten<br />

gegeben habe und dass <strong>Holmes</strong> möglicherweise<br />

die einzige volkstümliche Legende der Moderne sei, deren Urheber<br />

man gleichwohl nie genug gedankt habe.<br />

Dass der Detektiv sein sonstiges Schaffen dermaßen überlagern<br />

konnte, war Conan Doyle selbst niemals recht. Er hielt seine historischen,<br />

politischen und später seine mystizistisch-spiritistischen<br />

Arbeiten für wertvoller, während die Kurzgeschichten<br />

dem bloßen Broterwerb dienten. Vermutlich übersah er bei der<br />

Selbsteinschätzung seiner vermeintlichen Trivialliteratur deren<br />

enorme Wirkung, die weit über ihren hohen Unterhaltungswert<br />

hinausging.<br />

So wie Joseph Bell, Conan Doyles Dozent an der Universität,<br />

durch präzise Beobachtung auf die Erkrankungen seiner Patienten<br />

schließen konnte, sollte <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong> an Kriminalfälle<br />

herangehen, die sowohl seinen Klienten als auch der Polizei unerklärlich<br />

schienen. Bells streng wissenschaftliches Vorgehen<br />

stand Pate für Deduktion und forensische Methodik in den vier<br />

Romanen und 56 Kurzgeschichten um den hageren Gentleman-<br />

Detektiv. Professor Bell beriet die Polizei bei der Verbre-<br />

19


chensaufklärung, ohne in den offiziellen Berichten oder in den<br />

Zeitungen erwähnt werden zu wollen. Die Ähnlichkeit zu <strong>Holmes</strong><br />

ist augenfällig. Wirklich war in den Geschichten die Fiktion<br />

der Realität voraus, denn wissenschaftliche Arbeitsweise, genaue<br />

Tatortuntersuchung und analytisch-rationales Vorgehen<br />

waren der Kriminalistik jener Tage neu. Man urteilte nach Augenschein<br />

und entwarf Theorien, wobei die Beweisführung<br />

nicht ergebnisoffen geführt wurde, sondern lediglich jene<br />

Theorien belegen sollte. Zweifellos hat die Popularität der Erlebnisse<br />

von <strong>Holmes</strong> und Watson den Aufstieg der realen Forensik<br />

in der Verbrechensaufklärung unterstützt.<br />

Ein weiterer interessanter Aspekt der Erzählungen betrifft Conan<br />

Doyles Neigung, seine eigenen Ansichten einzuarbeiten.<br />

Zwar bevorzugte er zu diesem Zweck andere Schaffenszweige,<br />

aber es finden sich gesellschaftliche und moralische Meinungen,<br />

wenn <strong>Holmes</strong> etwa Verbrecher entkommen lässt, weil er<br />

meint, dass eine Tat gerecht gewesen oder jemand bereits<br />

durch sein Schicksal genug gestraft sei. Gelegentlich ist dabei<br />

festzustellen, dass er Angehörige niedriger Stände gleichgültiger<br />

behandelt als die Vertreter der »guten Gesellschaft«.<br />

Fiktive Biografien des Detektivs, Bühnenstücke, Verfilmungen<br />

und zahllose Nachahmungen, darunter nicht selten Satiren, von<br />

denen Conan Doyle mit »Wie Watson den Trick lernte« 1923<br />

selbst eine verfasste, künden von der ungebrochenen Beliebtheit<br />

des kriminalistischen Duos, ohne das die Weltliteratur weniger<br />

spannend wäre.<br />

20


21


Eine Studie in Scharlachrot<br />

»A Study in Scarlet«, 1887<br />

Übersetzung: Margarete Jacobi<br />

22


Aus Watsons Erinnerungen<br />

23


Erstes Kapitel – <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong><br />

Im Jahre 1878 hatte ich mein Doktorexamen an der Londoner<br />

Universität bestanden und in Nelley den für Militärärzte<br />

vorgeschriebenen medizinischen Kursus durchgemacht.<br />

Bald darauf ward ich dem fünften Füsilierregiment<br />

Northumberland zugeteilt, welches damals in Indien stand. Bevor<br />

ich jedoch an den Ort meiner Bestimmung gelangte, brach<br />

der zweite afghanische Krieg aus, und bei meiner Landung in<br />

Bombay erfuhr ich, mein Regiment sei bereits durch die Gebirgspässe<br />

marschiert und weit in Feindesland vorgedrungen.<br />

In Gesellschaft mehrerer Offiziere, die sich in gleicher Lage befanden,<br />

folgte ich meinem Korps, erreichte dasselbe glücklich in<br />

Kandahar und trat in meine neue Stellung ein.<br />

Der Feldzug, in welchem andere Ehre und Auszeichnungen<br />

fanden, brachte mir indessen nur Unglück und Mißerfolg.<br />

Gleich in der ersten Schlacht zerschmetterte mir eine Kugel<br />

das Schulterblatt und ich wäre sicherlich den grausamen Ghazis<br />

1 in die Hände gefallen, hätte mich nicht Murray, mein treuer<br />

Bursche, rasch auf ein Packpferd geworfen und mit eigener Le-<br />

1 Ghazis, Ghāzī, manchmal auch Ghasi (arabisch, »wer einen Kriegszug unternimmt«,<br />

Angreifer, Eroberer) ist ursprünglich die Bezeichnung für<br />

einen muslimischen Krieger, der »auf dem Wege Gottes im Dschihad<br />

kämpft«<br />

24


ensgefahr mit sich geführt, bis wir die britische Schlachtlinie<br />

erreichten.<br />

25


26


Lange lag ich krank, und erst nachdem ich mit einer großen<br />

Anzahl verwundeter Offiziere in das Hospital von Peshawar geschafft<br />

worden war, erholte ich mich allmählich von den ausgestandenen<br />

Leiden; ich war bereits wieder so weit, daß ich in<br />

den Krankensälen umhergehen und auf der Veranda frische<br />

Luft schöpfen durfte. Da befiel mich unglücklicherweise ein<br />

Entzündungsfieber und zwar mit solcher Heftigkeit, daß man<br />

monatelang an meinem Wiederaufkommen zweifelte. Als endlich<br />

die Macht der Krankheit gebrochen war und mein Bewußtsein<br />

zurückkehrte, befand ich mich in solchem Zustand der<br />

Kraftlosigkeit, daß die Ärzte beschlossen, mich ohne Zeitverlust<br />

wieder nach England zu schicken. Einen Monat später landete<br />

ich mit dem Truppenschiff ›Orontes‹ in Portsmouth; meine Gesundheit<br />

war völlig zerrüttet, doch erlaubte mir eine fürsorgliche<br />

Regierung, während der nächsten neun Monate den Versuch<br />

zu machen, sie wiederherzustellen.<br />

Verwandte besaß ich in England nicht; ich beschloß daher,<br />

mich in einem Privathotel einzuquartieren. Mein tägliches Einkommen<br />

belief sich auf elf und einen halben Schilling und da<br />

ich zuerst nicht sehr haushälterisch damit umging, machten<br />

mir meine Finanzen bald große Sorge. Ich sah ein, daß ich entweder<br />

aufs Land ziehen oder meine Lebensweise in der Hauptstadt<br />

völlig ändern müsse.<br />

Da ich letzteres vorzog, sah ich mich genötigt, das Hotel zu<br />

verlassen und mir eine anspruchslosere und weniger kostspielige<br />

Wohnung zu suchen.<br />

27


Während ich noch hiermit beschäftigt war, begegnete ich<br />

eines Tages auf der Straße einem mir bekannten Gesicht, ein<br />

höchst erfreulicher Anblick für einen einsamen Menschen wie<br />

mich in der Riesenstadt London. Ich hatte mit dem jungen<br />

Stamford während meiner Studienzeit verkehrt, ohne daß wir<br />

einander besonders nahe getreten waren, jetzt aber begrüßte<br />

ich ihn mit Entzücken, und auch er schien sich über das Wiedersehen<br />

zu freuen. Bald saßen wir in einer nahen Restauration<br />

zusammen bei einem Glase Wein und tauschten unsere Erlebnisse<br />

aus.<br />

»Was in aller Welt ist denn mit dir geschehen, Watson?«<br />

fragte Stamford verwundert, »du siehst braun aus wie eine Nuß<br />

und bist so dürr wie eine Bohnenstange.«<br />

Ich gab ihm einen kurzen Abriß meiner Abenteuer und er<br />

hörte mir teilnehmend zu.<br />

»Armer Kerl«, sagte er mitleidig, »und was gedenkst du jetzt<br />

zu tun?«<br />

»Ich bin auf der Wohnungssuche«, versetzte ich; »es gilt die<br />

Aufgabe zu lösen, mir um billigen Preis ein behagliches Quartier<br />

zu verschaffen.«<br />

»Wie sonderbar«, rief Stamford; »du bist der zweite Mensch,<br />

der heute gegen mich diese Äußerung tut.«<br />

»Und wer war der erste?«<br />

28


»Ein Bekannter von mir, der in dem chemischen Laboratorium<br />

des Hospitals arbeitet. Er klagte mir diesen Morgen sein<br />

Leid, daß er niemand finden könne, um mit ihm gemeinsam ein<br />

sehr preiswürdiges, hübsches Quartier zu mieten, das für seinen<br />

Beutel allein zu kostspielig sei.«<br />

»Meiner Treu«, rief ich, »wenn er Lust hat, die Kosten der<br />

Wohnung zu teilen, so bin ich sein Mann. Ich würde weit lieber<br />

mit einem Gefährten zusammenziehen, statt ganz allein zu hausen.«<br />

Stamford sah mich über sein Weinglas hinweg mit bedeutsamen<br />

Blicken an. »Wer weiß, ob du <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong> zum Stubengenossen<br />

wählen würdest, wenn du ihn kenntest«, sagte er.<br />

»Ist denn irgend etwas an ihm auszusetzen?«<br />

»Das will ich nicht behaupten. Er hat in mancher Hinsicht<br />

eigentümliche Anschauungen und schwärmt für die Wissenschaft.<br />

Im übrigen ist er ein höchst anständiger Mensch, soviel<br />

ich weiß.«<br />

»Ein Mediziner vermutlich?«<br />

»Nein – ich habe keine Ahnung, was er eigentlich treibt. In<br />

der Anatomie ist er gut bewandert und ein vorzüglicher Chemiker.<br />

Aber meines Wissens hat er nie regelrecht Medizin studiert.<br />

Er ist überhaupt ziemlich überspannt und unmethodisch<br />

in seinen Studien, doch besitzt er auf verschiedenen Gebieten<br />

29


eine Menge ungewöhnlicher Kenntnisse, um die ihn mancher<br />

Professor beneiden könnte.«<br />

»Hast du ihn nie nach seinem Beruf gefragt?«<br />

»Nein – er ist kein Mensch, der sich leicht ausfragen läßt;<br />

doch kann er zuweilen sehr mitteilsam sein, wenn ihm gerade<br />

danach zu Mute ist.«<br />

»Ich möchte ihn doch kennen lernen«, sagte ich; »ein<br />

Mensch, der sich mit Vorliebe in seine Studien vertieft, wäre für<br />

mich der angenehmste Gefährte. Bei meinem schwachen Gesundheitszustand<br />

kann ich weder Lärm noch Aufregung vertragen.<br />

Ich habe beides in Afghanistan so reichlich genossen, daß<br />

ich für meine Lebenszeit genug daran habe. Bitte, sage mir, wo<br />

ich deinen Freund treffen kann.«<br />

»Vermutlich ist er jetzt noch im Laboratorium. Manchmal<br />

läßt er sich dort wochenlang nicht sehen und zu anderen Zeiten<br />

bleibt er wieder von früh bis spät bei der Arbeit. Wenn es<br />

dir recht ist, suchen wir ihn zusammen auf.«<br />

Ich willigte mit Freuden ein und wir machten uns sogleich<br />

auf den Weg nach dem Hospital.<br />

»Du darfst mir aber keine Vorwürfe machen, wenn ihr nicht<br />

miteinander auskommt«, sagte Stamford, als wir in die Droschke<br />

stiegen; »ich möchte dir weder zu- noch abraten.«<br />

»Wenn wir nicht zu einander passen, können wir uns ja<br />

leicht wieder trennen. Deine Vorsicht scheint mir fast übertrie-<br />

30


en, es muß noch etwas anderes dahinter stecken. Heraus mit<br />

der Sprache, was hast du gegen den Menschen einzuwenden?«<br />

»Nichts, gar nichts; er ist nur nach meinem Geschmack seiner<br />

Wissenschaft allzusehr ergeben. – Das grenzt schon an Gefühllosigkeit.<br />

Ich halte es nicht für undenkbar, daß er einem guten<br />

Freunde eine Priese des neuesten vegetabilischen Alkaloids<br />

eingeben würde – nicht etwa aus Bosheit, nein, aus Forschungstrieb<br />

– um die Wirkung genau zu beobachten. Ebenso<br />

gern würde er freilich die Probe an sich selber machen, die Gerechtigkeit<br />

muß man ihm widerfahren lassen. Überhaupt ist<br />

Klarheit und Genauigkeit des Wissens seine größte Leidenschaft;<br />

aber zu welchem Zweck er alle seine Studien betreibt,<br />

weiß der liebe Himmel.«<br />

Vor dem Hospital angekommen, stiegen wir aus, gingen ein<br />

Gäßchen hinunter und traten durch eine Tür in den Nebenflügel<br />

des weitläufigen Gebäudes. Hier war mir alles wohl bekannt<br />

und ich brauchte keinen Führer mehr. Es ging die kahle Steintreppe<br />

hinauf, durch den langen, weißgetünchten Korridor, mit<br />

den Türen auf beiden Seiten, an den sich der niedrige Bogengang<br />

anschloß, welcher nach dem chemischen Laboratorium<br />

führte.<br />

In dem großen Saal, den wir betraten, waren sämtliche Tische<br />

mit Retorten, Reagensgläsern und kleinen Weingeistlampen<br />

besetzt, während rings an den Wänden und überhaupt, wohin<br />

man blickte, Flaschen von allen Größen und Formen um-<br />

31


herstanden. Wir dachten zuerst, der Raum sei leer, bis wir an<br />

dem andern Ende einen jungen Mann gewahrten, der, in seine<br />

Beobachtungen versunken, über einen Tisch gebeugt dasaß.<br />

Beim Schall unserer Fußtritte blickte er von seinem Experiment<br />

aus und sprang mit einem Freudenruf in die Höhe. »Victoria,<br />

Victoria«, jubelte er, und kam uns, mit der Retorte in der Hand,<br />

entgegen. »Ich habe das Reagens gefunden, das sich mit Hämoglobin<br />

zu einem Niederschlag verbindet und sonst mit keinem<br />

Stoff.«<br />

32


33


Er sah so glückstrahlend aus, als hätte er eine Goldmine<br />

entdeckt.<br />

»Mein Freund, Doktor Watson – Herr <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong>«,<br />

sagte Stamford uns einander vorstellend.<br />

»Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen«, erwiderte<br />

<strong>Holmes</strong> in herzlichem Ton und mit kräftigem Händedruck. »Sie<br />

kommen aus Afghanistan, wie ich sehe.«<br />

Ich blickte ihn verwundert an. »Wieso wissen Sie denn das?«<br />

»O, das tut nichts zur Sache«, rief er, sich vergnügt die Hände<br />

reibend; »ich denke jetzt nur an Hämoglobin. Sicherlich<br />

werden Sie die Tragweite meiner Erfindung begreifen.«<br />

»Es mag wohl als chemisches Experiment sehr interessant<br />

sein, aber für die Praxis –«<br />

»Gerade in der Praxis ist es von größter Wichtigkeit für die<br />

Gerichtschemie, weil es dazu dient, das etwaige Vorhandensein<br />

von Blutflecken zu beweisen. – Bitte, kommen Sie doch einmal<br />

her.« In seinem Eifer ergriff er meinen Rockärmel und zog mich<br />

nach dem Tische hin, an welchem er experimentiert hatte. »Wir<br />

müssen etwas frisches Blut haben«, sagte er und stach sich mit<br />

einer großen Stopfnadel in den Finger, worauf er das herabtropfende<br />

Blut in einem Saugröhrchen auffing. »Jetzt mische<br />

ich diese kleine Blutmenge mit einem Liter Wasser – das Verhältnis<br />

ist etwa wie eins zu einer Million – und die Flüssigkeit<br />

sieht ganz aus wie reines Wasser. Trotzdem wird sich, denke<br />

34


ich, die gewünschte Reaktion herstellen lassen.« Er hatte, während<br />

er sprach, einige weiße Kristalle in das Gefäß geworfen<br />

und goß jetzt noch mehrere Tropfen einer durchsichtigen Flüssigkeit<br />

hinzu. Sofort nahm das Wasser eine dunkle Färbung an<br />

und ein bräunlicher Niederschlag erschien auf dem Boden des<br />

Glases.<br />

»Sehen Sie«, rief er und klatschte in die Hände, wie ein Kind<br />

vor Freude über ein neues Spielzeug. »Was sagen Sie dazu?«<br />

»Es scheint mir ein sehr gelungenes Experiment.«<br />

»Wundervoll, wundervoll! Die alte Methode, die Probe mit<br />

Guajacum 2 anzustellen, war sehr umständlich und unsicher, die<br />

mikroskopische Untersuchung der Blutkügelchen aber ist wertlos,<br />

sobald die Flecken ein paar Stunden alt sind. Meine Erfindung<br />

wird sich dagegen ebenso gut bei altem wie bei frischem<br />

Blut bewähren. Wäre sie schon früher gemacht worden, so hätte<br />

man Hunderte von Verbrechern zur Rechenschaft ziehen<br />

können, die straflos davongekommen sind.«<br />

»Meinen Sie wirklich?«<br />

»Ohne Frage. Bei der Kriminaljustiz dreht sich ja meist alles<br />

um diesen einen Punkt. Vielleicht Monate, nachdem die Missetat<br />

begangen ist, fällt der Verdacht auf einen Menschen, man<br />

untersucht seine Kleider und findet braune Flecke am Rock<br />

oder in der Wäsche. Das können Blutspuren sein, aber auch<br />

2 Guajacum: Reagenz zum Nachweis von nicht direkt sichtbarem Blut<br />

35


Rostflecke, Obstflecke oder Schmutzflecke. Mancher Sachverständige<br />

hat sich darüber schon den Kopf zerbrochen und zwar<br />

bloß, weil es an einer zuverlässigen Beweismethode fehlte. Nun<br />

man aber das <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong>sche Mittel besitzt, ist jede<br />

Schwierigkeit beseitigt.«<br />

Seine Augen funkelten, während er sprach, er legte die Hand<br />

aufs Herz und machte eine feierliche Verbeugung, als sähe er<br />

sich im Geist einer Beifall klatschenden Menge gegenüber.<br />

»Da kann man Ihnen ja Glück wünschen«, sagte ich, verwundert<br />

über seinen Feuereifer.<br />

»Hätte man die Probe schon letztes Jahr anstellen können«,<br />

fuhr er fort, »es wäre dem Mason aus Bradford sicherlich an<br />

den Hals gegangen; auch der berüchtigte Müller, sowie Lefevre<br />

aus Montpellier und Samson aus New-Orleans wären überführt<br />

worden. Ich könnte Ihnen Dutzende von Fällen nennen, bei denen<br />

meine Erfindung den Ausschlag gegeben hätte.«<br />

»Sie scheinen ja ein wandelnder Verbrecheralmanach zu<br />

sein«, meinte Stamford lachend; »schreiben Sie doch ein Buch<br />

über Kriminalstatistik.«<br />

»Das möchte wohl des Lesens wert sein«, erwiderte <strong>Holmes</strong>,<br />

der sich eben ein Pflaster auf den verwundeten Finger klebte.<br />

»Ich muß sehr vorsichtig sein«, fügte er erklärend hinzu, »denn<br />

ich mache mir viel mit Giften zu schaffen.« Als er die Hand in<br />

die Höhe hielt, sah ich, daß sie an vielen Stellen bepflastert war<br />

und von scharfen Säuren gefärbt.<br />

36


»Wir kommen in Geschäften«, sagte Stamford, und schob<br />

mir einen dreibeinigen Schemel zum Sitzen hin, während er<br />

ebenfalls Platz nahm. »Mein Freund hier sucht eine Wohnung,<br />

und da Sie gern mit jemand zusammenziehen möchten, dachte<br />

ich, es wäre Ihnen vielleicht beiden geholfen.« <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong><br />

ging mit Freuden auf den Vorschlag ein. »Ich habe ein Auge des<br />

Wohlgefallens auf ein Quartier in der Baker Street geworfen,<br />

das vortrefflich für uns passen würde«, sagte er. »Sie haben<br />

doch nicht etwa eine Abneigung gegen Tabaksdampf?«<br />

»O nein, ich bin selbst ein starker Raucher.«<br />

»Das trifft sich gut. Ferner habe ich häufig Chemikalien bei<br />

mir herumstehen, die ich zu meinen Experimenten brauche.<br />

Würde Sie das belästigen?«<br />

»Durchaus nicht.«<br />

»Warten Sie – was habe ich sonst noch für Fehler? Manchmal<br />

bekomme ich Anfälle von Schwermut und tue dann tagelang<br />

den Mund nicht auf. Sie müssen mir das nicht übel nehmen.<br />

Kümmern Sie sich nur dann gar nicht um mich, und die<br />

Anwandlung wird bald vorüber sein. So – nun ist die Reihe an<br />

Ihnen, mir Bekenntnisse zu machen. Wenn zwei Menschen zusammen<br />

leben wollen, ist es gut, wenn sie im voraus wissen,<br />

was sie von einander zu erwarten haben.«<br />

37


Ich mußte über diese Generalbeichte lachen. »Ich halte mir<br />

einen jungen Bullenbeißer 3<br />

« gestand ich, »und kann keinen<br />

Lärm vertragen, weil meine Nerven angegriffen sind; auch<br />

schlafe ich oft in den Tag hinein und bin überhaupt sehr träge.<br />

In gesunden Zeiten fröhne ich noch Lastern anderer Art, aber<br />

für jetzt sind dies die hauptsächlichsten.«<br />

»Würden Sie unter ›Lärm‹ auch das Spielen auf einer Violine<br />

verstehen?« fragte er besorgt.<br />

»Das kommt auf den Musiker an. Gutes Violinspiel ist ein<br />

Genuß für Götter – aber schlechtes –«<br />

»Freilich, freilich«, rief er vergnügt. »Nun, ich denke, die Sache<br />

ist abgemacht – das heißt, wenn Ihnen das Quartier gefällt.«<br />

»Wann können wir es besichtigen?«<br />

»Holen Sie mich morgen mittag hier ab, dann gehen wir zusammen<br />

hin und bringen gleich alles ins reine.«<br />

»Sehr wohl, also Punkt zwölf Uhr«, sagte ich, ihm zum Abschied<br />

die Hand schüttelnd.<br />

3 Bullenbeißer waren kraftvolle, speziell für das »Bullbaiting« (Bullenbeißen)<br />

gezüchtete Hunde, deren Aufgabe es war, Bullen niederzuringen.<br />

Diese Form des Tierkampfes genoss im England des 16. bis 18. Jahrhunderts<br />

hohe Popularität und war ein beliebter Sport für Menschen aller<br />

Klassen, bei dem große Summen gewettet wurden. Das gesamte Äußere<br />

dieser Bulldoggen (englisch »bulldogs«) war darauf ausgelegt, Bullen bei<br />

der Nase zu packen und zu Boden zu ziehen. [Wikipedia]<br />

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Wir ließen ihn dort bei seinen Chemikalien und gingen nach<br />

meinem Hotel zurück. »Erklären Sie mir nur«, wandte ich mich,<br />

plötzlich stehend bleibend, an Stamford, »was ihn auf die Idee<br />

gebracht haben kann, daß ich aus Afghanistan komme?«<br />

Mein Gefährte lachte geheimnisvoll. »Schon mancher hat<br />

gern wissen wollen, wie <strong>Sherlock</strong> <strong>Holmes</strong> gewisse Dinge ausfindig<br />

macht. Er besitzt eben eine besondere Gabe.«<br />

»Aha, es steckt ein Rätsel dahinter«, rief ich belustigt; »das<br />

ist ja höchst interessant. Ich bin dir sehr verbunden für die<br />

neue Bekanntschaft. Das beste Studium für den Menschen<br />

bleibt ja doch immer der Mensch.«<br />

»Studiere ihn nur«, entgegnete Stamford. »Du wirst dabei<br />

manche Nuß zu knacken finden. Ich wette darauf, er kennt dich<br />

bald besser als du ihn.«<br />

An der nächsten Straßenecke verabschiedeten wir uns und<br />

ich schlenderte allein nach Hause.<br />

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null-papier.de/371<br />

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