Länderübergreifender Gesundheitsbericht Berlin-Brandenburg 2015
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3. Betriebliche Gesundheitsförderung und Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement. Relevanz, aktueller Stand<br />
und aktuelle Entwicklungen<br />
„Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen und die Freizeit organisiert,<br />
sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der Krankheit sein. Gesundheitsförderung schafft sichere,<br />
anregende, befriedigende und angenehme Arbeits- und Lebensbedingungen“ (WHO1986).<br />
Der hier zitierten Vorstellung von Gesundheitsförderung<br />
zufolge soll diese in Settings bzw. in Lebenswelten stattfinden.<br />
Die Arbeitswelt und der einzelne Betrieb ist eine<br />
solche Lebenswelt. Und zwar eine mit sehr großer Bedeutung,<br />
die sich alleine schon daraus ergibt, dass aktuell<br />
etwa 43 Millionen Erwerbstätige im Schnitt ca. 7,2 Stunden<br />
an Werktagen 4 am Arbeitsplatz verbringen und dort vielfältigen<br />
Einflussfaktoren auf ihre psychische und physische<br />
Gesundheit ausgesetzt sind. Diese Einflussfaktoren sind<br />
selbstverständlich nicht immer schädigender Natur. Vielmehr<br />
hat Arbeit ebenso positive Effekte auf Wohlbefinden,<br />
Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung. Dennoch<br />
birgt Arbeit Risikofaktoren für die Gesundheit, die zu<br />
Beeinträchtigungen führen können. Zum Beispiel sind<br />
Schätzungen zufolge etwa 40 Prozent der Rückenerkrankungen<br />
als arbeitsbedingt einzustufen (Lenhardt und Rosenbrock<br />
2010).<br />
Betriebliche Gesundheitsförderung ist also Gesundheitsförderung<br />
in einer Lebenswelt, in der sie besonders effektiv<br />
ist: im Betrieb. Im Betrieb können wichtige gesundheitliche<br />
Rahmenbedingungen gezielt beeinflusst werden und es<br />
können auch solche Zielgruppen erreicht werden, die individuelle<br />
Präventionsangebote seltener in Anspruch nehmen,<br />
wie z. B. Männer oder junge Menschen.<br />
3.1 Was ist betriebliche Gesundheitsförderung?<br />
Als betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) bezeichnet<br />
man systematische Interventionen in privaten und öffentlichen<br />
Betrieben, durch die gesundheitsrelevante Belastungen<br />
gesenkt und Ressourcen vermehrt werden. Die<br />
primärpräventiven und gesundheitsförderlichen Effekte<br />
werden durch gleichzeitige und aufeinander bezogene Veränderungen<br />
der Ergonomie, der Organisation, des Sozialklimas<br />
und des individuellen Verhaltens erzielt (Rosenbrock<br />
und Hartung <strong>2015</strong>).<br />
Diesem umfassenden Anspruch der BGF steht die häufig<br />
anzutreffende Wahrnehmung von BGF als (Einzel-) Maßnahmen<br />
der individuellen Verhaltensänderungen entgegen,<br />
wie solche in Bezug auf Ernährung, Bewegung,<br />
Stressbewältigung und Suchtmittelkonsum. Diese können<br />
zwar durchaus ein verhaltenspräventiver Teil von BGF<br />
sein, stehen jedoch keinesfalls in ihrem Mittelpunkt. Vielmehr<br />
umfasst BGF neben den verhaltenspräventiven<br />
Aspekten auch Verhältnisprävention, Ressourcenstärkung,<br />
die Befähigung von Betroffenen zur Teilhabe an der aktiven<br />
Gestaltung der Lebenswelt Betrieb und zu „selbstbestimmten<br />
gesundheitsorientierten Handeln“ der Beschäftigten<br />
(Faller 2012, Rosenbrock und Hartung <strong>2015</strong>).<br />
Der umfassende Anspruch der BGF ist auch in der „Luxemburger<br />
Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung<br />
in der europäischen Union“ (2014) formuliert:<br />
„Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) umfasst alle<br />
gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern<br />
und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit<br />
und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Dies kann durch eine<br />
Verknüpfung folgender Ansätze erreicht werden:<br />
• Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen<br />
• Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung<br />
• Stärkung persönlicher Kompetenzen.“<br />
Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />
Aufgrund der häufig geäußerten Klage, dass BGF ein<br />
Nischendasein führe, große Verstetigungsprobleme habe<br />
und losgelöst sei von den restlichen Unternehmensabläufen<br />
gibt es verschiedene Bemühungen, BGF fest in die betrieblichen<br />
Strukturen und Abläufe zu integrieren und zu<br />
einem Gesundheitsmanagement zu entwickeln. Badura et<br />
al. (1999) sprechen von der „Entwicklung integrierter betrieblicher<br />
Strukturen und Prozesse, die die gesundheits-<br />
4<br />
Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsförderung in der Europäischen Union e.V. (2014 (1997))