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Servus in Niederösterreich - Regionalausgabe

Es ist die Vielfalt, die es so einzigartig macht. Die stolzen Berge im Südwesten, deren Schönheit uns den Atem raubt, und das weite Land, das uns einfach durchatmen lässt; die versteckten Dörfer, in denen die Uhren noch ein bisschen beschaulicher ticken, und die Städte, in denen das urbane Leben pulsiert; die große Oper, die uns die blühende Wachau im Frühling schenkt, und die kleinen Schätze, die wir im Wald- oder Weinviertel entdecken.

Es ist die Vielfalt, die es so einzigartig macht. Die stolzen Berge im Südwesten, deren Schönheit uns den Atem raubt, und das weite Land, das uns einfach durchatmen lässt; die versteckten Dörfer, in denen die Uhren noch ein bisschen beschaulicher ticken, und die Städte, in denen das urbane Leben pulsiert; die große Oper, die uns die blühende Wachau im Frühling schenkt, und die kleinen Schätze, die wir im Wald- oder Weinviertel entdecken.

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<strong>in</strong><br />

<strong>Niederösterreich</strong><br />

REGIONALAUSGABE 2<br />

2<br />

SECHS<br />

GENUSSTOUREN<br />

MIT DEM<br />

FAHRRAD<br />

BAROCKSTIFT<br />

MELK<br />

Das Tor zur Wachau<br />

Schöne<br />

Aussichten<br />

Omas Buchtelgeheimnis<br />

Flaumiges aus der Buckligen Welt<br />

Junger We<strong>in</strong> & altes Brauchtum<br />

Beim Perchtoldsdorfer Hiatae<strong>in</strong>zug<br />

Blühendes Waldviertel<br />

Wo der Mohn leuchtet


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VORWORT<br />

Herzlich willkommen!<br />

ILLUSTRATION: ANDREAS POSSELT<br />

Es ist die Vielfalt, die es so e<strong>in</strong>zigartig macht. Die<br />

stolzen Berge im Südwesten, deren Schönheit uns<br />

den Atem raubt, und das weite Land, das uns e<strong>in</strong>fach<br />

durchatmen lässt; die versteckten Dörfer, <strong>in</strong> denen<br />

die Uhren noch e<strong>in</strong> bisschen beschaulicher ticken, und<br />

die Städte, <strong>in</strong> denen das urbane Leben pulsiert; die<br />

große Oper, die uns die blühende Wachau im Frühl<strong>in</strong>g<br />

schenkt, und die kle<strong>in</strong>en Schätze, die wir im Waldoder<br />

We<strong>in</strong>viertel entdecken.<br />

Es s<strong>in</strong>d die Menschen, die hier zeitlose Werte schaffen.<br />

Es s<strong>in</strong>d Handwerker, Künstler, Männer und Frauen,<br />

die uralte Traditionen mit frischen Gedanken erfüllen.<br />

Es s<strong>in</strong>d die regionalen Wirte und Genuss-Handwerker,<br />

die dieser e<strong>in</strong>zigartigen Vielfalt Geschmack geben.<br />

Es ist <strong>Niederösterreich</strong> – und es ist, frei nach<br />

Marie von Ebner-Eschenbach, e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Welt,<br />

<strong>in</strong> der die große Probe hält.<br />

Es ist e<strong>in</strong>e Freude, diesem großartigen Stück Österreich<br />

e<strong>in</strong>e eigene Ausgabe von <strong>Servus</strong> <strong>in</strong> Stadt & Land<br />

zu widmen.<br />

Viel Vergnügen mit <strong>Servus</strong> <strong>in</strong> <strong>Niederösterreich</strong>.<br />

Die Redaktion<br />

<strong>Servus</strong> 3


22<br />

62<br />

66<br />

36 50<br />

Inhalt<br />

06 Mundart<br />

Mukuisal & Schpr<strong>in</strong>tßal – Sprachreise<br />

durch die Welt der Marienkäfer.<br />

08 Zwei Straßen<br />

durch e<strong>in</strong> Paradies<br />

Moststraße und Eisenstraße entführen<br />

ihre Besucher auf charmante Weise <strong>in</strong>s<br />

Gestern und <strong>in</strong>s Heute.<br />

14 Fenster mit Ausblick<br />

In Pre<strong>in</strong> an der Rax fand der österreichische<br />

Schriftsteller Heimito von<br />

Doderer die schönsten Kulissen für<br />

se<strong>in</strong>e Romane.<br />

16 Der Stolz der Hauer<br />

Der Hiatae<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> Perchtoldsdorf<br />

ist viel mehr als nur e<strong>in</strong> prachtvolles<br />

Erntedankfest.<br />

20 <strong>Servus</strong> daheim<br />

Schönes und Nützliches aus<br />

<strong>Niederösterreich</strong>.<br />

22 Im Zeichen des Schnees<br />

Blauer Himmel, Weltuntergangswetter<br />

und der schönste Arbeitsplatz der Welt<br />

– dem Schneeberg ist viel zuzutrauen.<br />

26 Gut essen und tr<strong>in</strong>ken<br />

im Retzer Land<br />

Der Retzbacherhof von Familie Pollak<br />

ist e<strong>in</strong> ganz besonderes Dorfwirtshaus.<br />

30 Spielleit, geigts uns oans<br />

Beim Schwaigen-Reigen ziehen Musikanten<br />

am Wechsel von Alm zu Alm.<br />

32 E<strong>in</strong> Schloss wie im Märchen<br />

Zu Besuch auf der Schallaburg.<br />

36 Die ganz große Oper<br />

E<strong>in</strong> Ausflug <strong>in</strong> die Wachau – wo Naturund<br />

Kulturlandschaft verschmelzen.<br />

FOTO COVER: NIEDERÖSTERREICH-WERBUNG/MICHAEL LIEBERT PHOTOGRAPHY<br />

4 <strong>Servus</strong>


42<br />

08<br />

46<br />

14<br />

26<br />

FOTOS INHALT: CHRISTOF WAGNER, DIETER BRASCH, MICHAEL REIDINGER, PETER PODPERA,<br />

DANIEL GEBHART DE KOEKKOEK, PHILIP PLATZER, EISENHUT & MAYER, WWW.PICTUREDESK.COM<br />

42 Omas Kochbuch<br />

Das große Geheimnis von Oma<br />

Merschitz’ herrlich flaumigen Buchteln<br />

mit Marillenfülle.<br />

44 Das neue Leben<br />

der Sauerbirla<br />

E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Geschichte der Elsbeere.<br />

46 Das genussvolle Gut<br />

Wer sich <strong>in</strong> Gut Oberstockstall <strong>in</strong><br />

Kirchberg am Wagram e<strong>in</strong>e Auszeit<br />

gönnt, nimmt Urlaub für alle S<strong>in</strong>ne.<br />

50 Der We<strong>in</strong> und die Liebe<br />

Im Veltl<strong>in</strong>erland geht’s speziell <strong>in</strong><br />

den Kellergassen hoch her.<br />

56 Sonnenzeit<br />

In Weiten im Waldviertel stellt<br />

Johann J<strong>in</strong>dra junior geheimnisvolle<br />

Uhren her.<br />

58 Kulturtipps<br />

Bühnen frei <strong>in</strong> <strong>Niederösterreich</strong>!<br />

62 Wenn der Mohn blüht<br />

Warum Waldviertler Graumohn<br />

<strong>in</strong> aller Munde ist.<br />

66 Die Eismacher<br />

aus dem Siern<strong>in</strong>gtal<br />

Köstliches Bioeis vom Bauernhof.<br />

68 Das Leben <strong>in</strong> alten Zeiten<br />

Von heiligen Brünnle<strong>in</strong>, heilenden<br />

Kuren und Sommerferien wie früher.<br />

70 Hoch zu Rad<br />

<strong>Niederösterreich</strong> erfahren?<br />

Nichts leichter als das!<br />

<strong>Servus</strong> 5


REGIONALE WORTSCHÄTZE<br />

Mundart<br />

Von Dr. Ingeborg Geyer, Österreichische Akademie der Wissenschaften<br />

Marienkäfer<br />

Marienkäfer s<strong>in</strong>d Nützl<strong>in</strong>ge, denn sie fressen Blattläuse und Sp<strong>in</strong>nmilben. Sie wurden als<br />

Geschenk Gottes bzw. Mariens betrachtet und werden im Volksmund sehr unterschiedlich<br />

benannt. In Reimen, Liedern und Wunschsprüchen werden sie als Glücksbr<strong>in</strong>ger bezeichnet:<br />

Herrgottskäferl, flieg auf die Heid(e), br<strong>in</strong>g unserer lieben Frau e<strong>in</strong> goldenes Kleid, mir<br />

e<strong>in</strong> R<strong>in</strong>gerl, dir e<strong>in</strong> R<strong>in</strong>gerl, dem Himmelvater auch e<strong>in</strong> R<strong>in</strong>gerl (Drasenhofen/We<strong>in</strong>viertel).<br />

Fraunkuasal<br />

Pöggstall/Waldviertel<br />

Fraunkäfal, Fraukäfal<br />

allgeme<strong>in</strong> verbreitet<br />

Fraunku-al<br />

Mostviertel<br />

MARIENKÄFAR,<br />

-KÄFAL, -KÄFALE<br />

allgeme<strong>in</strong> verbreitet<br />

Liabfraunkäfal<br />

Mostviertel<br />

SCHPRINTSSAL<br />

Waldviertel<br />

Mukuisal<br />

Waldviertel, We<strong>in</strong>viertel<br />

Muidakäfal<br />

Speisendorf/<br />

nördliches Waldviertel<br />

Himöschpr<strong>in</strong>tßal<br />

Waldviertel<br />

Heargottkuisal<br />

Mostviertel<br />

Hoggakaiwal<br />

We<strong>in</strong>viertel<br />

Himlskuisal<br />

Bucklige Welt<br />

Heargottnkalwl<br />

Pulkautal<br />

Mukaiwal<br />

Marchfeld, Umgebung Wien<br />

Heargottskaiwal<br />

ganz <strong>Niederösterreich</strong> (vere<strong>in</strong>zelt)<br />

Jungfraunkäfal<br />

Mostviertel, südl. We<strong>in</strong>viertel,<br />

Puchberg/Schneeberg<br />

IMPRESSUM<br />

Editorial Director & Chefredakteur Andreas Kornhofer Creative Director Markus Kietreiber Beratung Gundi Bittermann/Bittermann Consult GmbH Art Director Daniela<br />

Vallaster Foto redaktion Sab<strong>in</strong>a Dz<strong>in</strong>ic (Ltg.), Mart<strong>in</strong> Kreil Grafik T<strong>in</strong>o Liebmann Illustrationen Andreas Posselt Produktion Veronika Felder (Ltg.), Mart<strong>in</strong> Brandhofer,<br />

Michael Menitz Herstellung Michael Bergmeister Lithografie Josef Mühlbacher Verlagsleitung Franz Renk<strong>in</strong> Herausgeber Karl Abentheuer Sales Director Manfred Svec<br />

Leitung Market<strong>in</strong>g & Kommunikation Barbara Kaiser Leitung Market<strong>in</strong>g-Design Peter Knehtl Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus Plen<strong>in</strong>ger (Vertrieb), Nicole<br />

Glaser (Vertriebsmarket<strong>in</strong>g), Alexandra Ita (Abomarket<strong>in</strong>g) General Manager Wolfgang W<strong>in</strong>ter Medien<strong>in</strong>haber, Eigentümer & Verleger Red Bull Media House GmbH,<br />

Oberst-Lepperd<strong>in</strong>ger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz: Informationen<br />

zum Medien<strong>in</strong>haber s<strong>in</strong>d ständig und unmittelbar unter folgender Adresse auff<strong>in</strong>dbar: www.servusmagaz<strong>in</strong>.at/impressum Druck Vogel Druck und<br />

Medienservice GmbH & Co KG, D-97204 Höchberg (Kern und Endfertigung), Poly-Druck Dresden GmbH, D-01257 Dresden (Cover); gedruckt auf<br />

Furioso von Sappi F<strong>in</strong>e Paper Europe Abo-Service Tel.: +43/1/361 70 70-700; Fax: +43/1/361 70 70-799; abo@servusmagaz<strong>in</strong>.at Redaktionsanschrift<br />

He<strong>in</strong>rich-Coll<strong>in</strong>-Str. 1/1, 1140 Wien Tel. +43/1/90 221-0 E-Mail redaktion@servusmagaz<strong>in</strong>.at Homepage www.servusmagaz<strong>in</strong>.at. E<strong>in</strong> Produkt aus dem<br />

WWW.OEAW.AC.AT; ILLUSTRATION: ANDREAS POSSELT<br />

6 <strong>Servus</strong>


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LAND & LEUTE<br />

Zwei Straßen durch<br />

e<strong>in</strong> Paradies<br />

Die Eisenstraße und die Moststraße entführen ihre Besucher<br />

auf charmante Art und Weise <strong>in</strong>s Gestern und <strong>in</strong>s Heute.<br />

TEXT: USCHI KORDA & DANIELA SCHUSTER<br />

FOTOS: PHILIP PLATZER & MARCO ROSSI<br />

8 <strong>Servus</strong>


Lunz am See<br />

Im Südwesten <strong>Niederösterreich</strong>s<br />

trifft das milde auf das wilde<br />

Mostviertel. Die sanfte Hügellandschaft<br />

geht <strong>in</strong> die schroffere<br />

Voralpenwelt über. Vor uns<br />

steht mächtig der Ötscher.<br />

<strong>Servus</strong> 9


Was sagt Ihnen der Name „Viertel ober dem Wienerwald“?<br />

Nichts? Aber ganz gewiss kennen Sie diesen<br />

wunderbaren Flecken Erde. Vermutlich aber kennen<br />

Sie ihn unter se<strong>in</strong>em gängigen Namen. Unter dem<br />

Namen Mostviertel.<br />

Das Mostviertel ist das südwestlichste Viertel <strong>Niederösterreich</strong>s.<br />

E<strong>in</strong> Naturjuwel e<strong>in</strong>erseits, andererseits<br />

reich an prachtvollen Bauten wie dem Stift Seitenstetten,<br />

reich an Wallfahrtsheiligtümern wie der Basilika<br />

am Sonntagberg, reich an Herrensitzen wie Schloss<br />

Salaberg und nicht zuletzt geprägt von den zahlreichen<br />

imposanten Vierkanthöfen. Und dann s<strong>in</strong>d da noch<br />

zwei Straßen, die e<strong>in</strong>en an wahrlich zauberhafte Plätze<br />

führen: der Kulturpark Eisenstraße und die von sattgrünen<br />

Streuobstwiesen gesäumte Moststraße.<br />

Oben: Mostpionier Anton<br />

Distelberger setzt sich<br />

schon seit Ewigkeiten für<br />

den vergorenen Birnensaft<br />

und die Kultur e<strong>in</strong>,<br />

die sich um ihn rankt. Und<br />

so hat er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Hof-<br />

Museum mehr als 18.000<br />

Exponate bäuer lichen<br />

Alltagslebens zusammen ­<br />

getragen – unter anderem<br />

e<strong>in</strong>e ganze Greißlerei.<br />

www.distelberger.at<br />

L<strong>in</strong>ks und unten: Der Obstdessertwe<strong>in</strong><br />

Mostello wird<br />

nach der Portwe<strong>in</strong>methode<br />

ausgebaut. Erfunden hat ihn<br />

Most baron Josef Farthofer.<br />

Der Edel brenner und Doris,<br />

die Most sommelière, s<strong>in</strong>d<br />

auch privat e<strong>in</strong> Paar. Zusammen<br />

betreiben sie die<br />

Mostelleria <strong>in</strong> Öhl<strong>in</strong>g, <strong>in</strong> der<br />

man so gut wie alles, was<br />

sich aus Most birnen herstellen<br />

lässt, verkosten<br />

kann. www.mostelleria.at<br />

DER MOST UND SEINE WIEDERKEHR<br />

Zwischen den Flüssen Ybbs und Enns bef<strong>in</strong>det sich Europas<br />

größtes Anbaugebiet für Mostbirnen. Immerh<strong>in</strong><br />

300.000 Bäume zählt man heute noch, und blickt man<br />

zur Zeit der Blüte über die sanfte Hügellandschaft,<br />

erlebt man e<strong>in</strong> Naturschauspiel der ganz besonderen<br />

Art, wenn sich e<strong>in</strong> ganzer Landstrich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> duftendes<br />

weißes Kleid hüllt.<br />

E<strong>in</strong>st waren es freilich viel mehr Bäume, nachdem<br />

auf Geheiß von Kaiser<strong>in</strong> Maria Theresia über e<strong>in</strong>e<br />

Million gepflanzt worden waren. Doch nachdem der<br />

Most <strong>in</strong> den 1960ern aus der Mode gekommen war,<br />

gab es für das Abholzen mehr Geld als für den Erhalt<br />

der Streuobstwiesen. Wie sollte sich der vergorene<br />

Birnen saft, hergestellt aus Fallobst und oft trüb und<br />

essigsauer, neben Bier und We<strong>in</strong> behaupten? Könnte<br />

er gar e<strong>in</strong>en Aufstieg zum Edelgetränk erleben, für<br />

das man extra anreist? Daran wollten nur ganz wenige<br />

glauben. Aber diesen wenigen ist es zu verdanken,<br />

dass 300.000 Bäume überlebten. Und seit Beg<strong>in</strong>n des<br />

neuen Millenniums präsentiert sich der Most nun als<br />

ernstzunehmendes Getränk von gesuchter regionaler<br />

Identität. Nicht nur als spritziger Begleiter zu Brettljause<br />

und Haubenmenü ist er beliebt, auch als Zutat<br />

<strong>in</strong> der traditionellen Mostviertler Küche – schließlich<br />

gibt er Gerichten wie etwa dem Rostbraten gleichzeitig<br />

Süße und elegante Säure.<br />

WO BODENSTÄNDIGKEIT REGIERT<br />

Im Volksmund hießen die Mostbauern früher „Mostbarone“.<br />

Weil sie wohlhabend und Herren über mächtige<br />

Vierkanthöfe waren, die an Burgen er<strong>in</strong>nern.<br />

Heute wird dieser Titel verliehen. An Menschen, die<br />

stolz s<strong>in</strong>d auf ihre Wurzeln. Die den Most durch ihr<br />

Wissen und den verantwortungsvollen Umgang mit<br />

10 <strong>Servus</strong>


der Natur wieder zum identitätsstiftenden Kulturgut<br />

erheben. Mostbarone wie Josef Farthofer wollen die<br />

Geschichte des Mosts und se<strong>in</strong>es Viertels also nicht<br />

nur bewahren, sondern fortschreiben. Jeder natürlich<br />

auf se<strong>in</strong>e Weise. Josef Farthofer etwa destilliert <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Mostelleria neben Edelbränden auch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zigartige<br />

Erf<strong>in</strong>dung: den Mostello, e<strong>in</strong>en nach der<br />

Portwe<strong>in</strong>methode aus Mostbirnen hergestellten Obstdessertwe<strong>in</strong>.<br />

Trotz solcher Entdeckungen ist man bodenständig<br />

geblieben. Und die Zahl der Genießer überschaubar.<br />

Mit gerade e<strong>in</strong>mal 12.000 Gästebetten ist das Mostviertel<br />

ohneh<strong>in</strong> nicht auf Massentourismus e<strong>in</strong>gestellt,<br />

man kümmert sich gern um jeden e<strong>in</strong>zelnen Gast. Und<br />

bietet ihm noch dazu viel unberührte Landschaft und<br />

Stille. „Hier sagen sich immer noch Fuchs und Hase<br />

gute Nacht“, sagt Josef Farthofer.<br />

Entlang der Eisenstraße zwischen Scheibbs und<br />

Lunz wiederum sorgten e<strong>in</strong>st Hammerwerke für<br />

Arbeit und Brot.<br />

DAS SCHNAUFEN DER ALTEN LOK<br />

Tütüüt! Dem schrillen Ruf der alten Diesellok folgt e<strong>in</strong><br />

tiefer Seufzer. Es sche<strong>in</strong>t, als würde sie noch e<strong>in</strong>mal<br />

kräftig Luft holen, bevor sie den anstrengendsten Teil<br />

ihres Weges zwischen Kienberg-Gam<strong>in</strong>g und Lunz ➻<br />

Oben: Im 18. Jahrhundert<br />

spielte der Most<br />

e<strong>in</strong>e so wichtige Rolle<br />

als Volks getränk, dass<br />

Kaiser<strong>in</strong> Maria Theresia<br />

Landwirte mit e<strong>in</strong>er<br />

Medaille belohnte, wenn<br />

sie mehr als 100 Streuobstbäume<br />

setzten.<br />

Von e<strong>in</strong>er Million Birnbäumen<br />

steht heute<br />

noch knapp e<strong>in</strong> Drittel.<br />

Rechts: Peter Morocutti<br />

(re.) und Hanns He<strong>in</strong>z<br />

Lukas sorgen mit ihren<br />

Vere<strong>in</strong>s kollegen dafür,<br />

dass der Ötscherland-<br />

Express nach wie vor<br />

von Kienberg über<br />

Gam<strong>in</strong>g und Lunz bis<br />

nach Göstl<strong>in</strong>g fährt.<br />

Manchmal mit der<br />

ältesten Diesellok<br />

Österreichs, seit<br />

88 Jahren im Dienst,<br />

manchmal mit e<strong>in</strong>er<br />

Dampflok. So zuckelt<br />

der Ötscherland-<br />

Express mit gemütlichen<br />

25 km/h über die<br />

28 Meter hohe Stahlkonstruktion<br />

der<br />

Hühnernestbrücke.


am See <strong>in</strong> Angriff nimmt. Mit knapp über 30 Promille<br />

Steigung ist die Bergstrecke des Ötscherland-Express<br />

steiler als die Arlbergbahn. Unruhig ruckeln die Räder<br />

vor und zurück, bis der Zugbegleiter endlich „Abfahrt!“<br />

ruft, da nun alle Gäste wieder e<strong>in</strong>gestiegen s<strong>in</strong>d. Angehalten<br />

hatte man deshalb, damit die Pas sagiere<br />

die 28 Meter hohe Stahlkonstruktion des Hühnernestviadukts<br />

aus der Nähe bewundern konnten.<br />

Als 1898 die Schmalspurbahn von Waidhofen an<br />

der Ybbs über Lunz am See nach Kienberg eröffnet<br />

wurde, war sie für diesen Landstrich das Nonplusultra<br />

modernster Technik. Trotzdem symbolisiert sie das<br />

Ende e<strong>in</strong>er wirtschaftlich florierenden Ära <strong>in</strong> dieser<br />

Region. Jahrhundertelang sorgten Hammerwerke<br />

entlang der Erlauf für Arbeit. Mithilfe von Holz, Holzkohle<br />

und Wasserkraft verarbeitete man hier Eisen<br />

vom Erzberg zu Platten und transportierte sie mit<br />

Pferdefuhrwerken zu den Donauschiffen. Dort wurden<br />

die leeren Fuhrwerke mit Lebensmitteln beladen<br />

und diese <strong>in</strong> die Region zurück mitgenommen.<br />

Oben: Der erste Groß<strong>in</strong>dustrielle<br />

der Monarchie,<br />

Andreas Töpper, spendierte<br />

der Geme<strong>in</strong>de Lunz e<strong>in</strong>e<br />

Brücke mit Heiligenfiguren<br />

aus Mariazeller Eisenguss.<br />

1861 stürzte die Brücke<br />

nach e<strong>in</strong>em Unwetter e<strong>in</strong>,<br />

die Figuren verschwanden<br />

auf Nimmerwiedersehen.<br />

Nur das Be<strong>in</strong> des Apostels<br />

Andreas steckte im Sand<br />

und ist jetzt im Museum im<br />

Amonhaus zu sehen. Die<br />

Brücke wurde danach wiederaufgebaut.<br />

L<strong>in</strong>ks: Suzie Heger br<strong>in</strong>gt<br />

seit Jahren für ihr Festival<br />

„wellenklaenge“ Österreichs<br />

Musikavantgarde<br />

an den Lunzer See.<br />

www.wellenklaenge.at<br />

Unten: Die alte Druckmasch<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong> den Töpperwerken<br />

ist längst nicht<br />

mehr im E<strong>in</strong>satz. In ihrer<br />

Glanzzeit konnte sie<br />

kaum verschnaufen.<br />

EIN QUELL AN INSPIRATION<br />

An den e<strong>in</strong>stigen Wohlstand und die Schwarzen Grafen,<br />

wie die Hammerherren genannt wurden, er<strong>in</strong>nern<br />

nur mehr Museen. Der Grabnerhammer <strong>in</strong> Gam<strong>in</strong>g<br />

etwa und das Amonhaus <strong>in</strong> Lunz, e<strong>in</strong> stattlicher<br />

Renaissancebau. Oder das Töpperwerk samt Anwesen<br />

<strong>in</strong> Neubruck, das bis vor kurzem an der Straße zwischen<br />

Scheibbs und Gam<strong>in</strong>g plakativ zur Ru<strong>in</strong>e verfiel.<br />

In letzter Sekunde haben sich die umliegenden<br />

Geme<strong>in</strong>den zur Rettung zusammengetan. Die barocke<br />

Kapelle und das Schloss wurden renoviert, wobei erstaunliche<br />

Kunstschätze zutage kamen. Auch der alte<br />

Fabriksschlot, mittlerweile so etwas wie das Wahrzeichen<br />

von Neubruck, darf weiter stehen bleiben.<br />

Wenn man zwischen Scheibbs und Lunz am See<br />

durch die Gegend mäandert, kann man verstehen,<br />

warum sich kreative Schöngeister gar so angezogen<br />

fühlen. Im Schatten des Vaterberges, wie der Ötscher<br />

laut slawischem Wortstamm heißt, ist die Natur e<strong>in</strong>e<br />

In spirationsquelle von rauer, wilder und ursprünglicher<br />

Schönheit, bevor sie von den sanften Hügeln<br />

des Mostviertels gezähmt wird.<br />

Und dann ist da noch der Lunzer See. „E<strong>in</strong> besonderer<br />

Platz“, sagt Suzie Heger, die hier jeden Sommer<br />

das Musikfestival „wellenklaenge“ veranstaltet. „Und<br />

an e<strong>in</strong>em lauen Sommerabend, wenn die Gipfel rundherum<br />

im Sonnenuntergang rot glühen und der Wald<br />

dunkel wie e<strong>in</strong> Samtvorhang im H<strong>in</strong>tergrund hängt“,<br />

erzählt Suzie Heger mit ehrfurchtsvollem Unterton weiter,<br />

„dann ist das die kitschigste Kulisse der Welt.“ 3<br />

www.mostviertel.at, www.eisenstrasse.at,<br />

www.niederoesterreich.at<br />

12 <strong>Servus</strong>


WIR TRAGEN<br />

NIEDERÖSTERREICH<br />

Tracht · Brauch · Musik · Kul<strong>in</strong>arik<br />

11. September 2016<br />

Landesweiter Dirndlgwandsonntag<br />

www.wirtragennoe.at


LITERATURREISE<br />

Der Blick aufs Rax-Massiv prägt die Doderer-Villa <strong>in</strong> Pre<strong>in</strong>.<br />

Die Schreibstube des Dichters (Fotos rechts) blieb seit<br />

se<strong>in</strong>em Tod 1966 fast unverändert.<br />

Am Tisch steht noch der Aschenbecher mit se<strong>in</strong>er<br />

Pfeife (oben), liegen noch se<strong>in</strong>e Schreibutensilien<br />

und Zettel, als ob er erst vor wenigen M<strong>in</strong>uten<br />

das Zimmer verlassen hätte.


Pre<strong>in</strong> an der Rax<br />

Fenster mit Ausblick<br />

E<strong>in</strong> kulturhistorischer Spaziergang durch Pre<strong>in</strong> an der Rax:<br />

Hier hat Heimito von Doderer, e<strong>in</strong>er der bedeutendsten<br />

österreichischen Schriftsteller, „ungeheuerliche Mengen Text<br />

abgelegt“ und die schönsten Kulissen für se<strong>in</strong>e Romane gefunden.<br />

TEXT: MARKUS HONSIG<br />

FOTOS: PHILIPP HORAK<br />

ZUSATZFOTOS: WWW.PICTUREDESK.COM, ARCHIV STUMMER/GIRARDI<br />

E<strong>in</strong>en besseren Platz, um den großen<br />

Roman zu schreiben, kann man sich<br />

nicht vorstellen. Der Riegel-Hof steht<br />

auf e<strong>in</strong>er großen Wiese, umgeben von<br />

uralten Obstbäumen und Wald. Der<br />

atemberaubende Blick auf die Felswände<br />

der Rax begrüßt den Besucher, die<br />

re<strong>in</strong>e Idylle. Das Haus ist e<strong>in</strong> typischer<br />

Bau aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende.<br />

Unter dem breiten Giebel<br />

mit dem Glockenturm s<strong>in</strong>d jene Fenster<br />

zu sehen, h<strong>in</strong>ter denen Heimito von<br />

Doderer wohnte und arbeitete.<br />

NUR NICHT DEN NAMEN VERSTÜMMELN<br />

Doderers Schreibstube ist seit se<strong>in</strong>em<br />

Tod praktisch unberührt geblieben. Am<br />

Tisch liegen die Pfeifen im Aschenbecher<br />

bereit, und auf der Schreibunterlage ist<br />

noch e<strong>in</strong>e jener Karten angeheftet, wie<br />

er sie gerne verschickte: „Heimito Doderer<br />

erlaubt sich freundlich darauf h<strong>in</strong>zuweisen,<br />

daß er Zuschriften nicht beachtet,<br />

welche se<strong>in</strong>en Namen verstümmeln<br />

oder willkürlich verändern: weil<br />

solches den bescheidensten Forderungen<br />

der Höflichkeit widerspricht.“<br />

Die Villa, von der Familie Doderer zu<br />

Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts errichtet<br />

und 1903 bezogen, ist für den Dichter<br />

e<strong>in</strong> Leben lang Rückzugsort gewesen,<br />

den er immer wieder für Wochen und<br />

auch Monate aufsucht. Hier verbr<strong>in</strong>gt<br />

der legendäre Wiener Kaffeehausliterat<br />

se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dheit und Jugend mit ihrem<br />

„um sich selbst kreisenden Strudel von<br />

Langweiligkeit“, hier erlebt er Sommerund<br />

Herbstmonate, „die voll Pe<strong>in</strong> waren<br />

und tiefer Erregung, aber auch glücklicher<br />

Art“. Hier legt er <strong>in</strong> den frühen<br />

1930er-Jahren „täglich vormittags ungeheuerliche<br />

Mengen Text ab“, wie wir aus<br />

se<strong>in</strong>en Tagebüchern über die Arbeit an<br />

„Die Dämonen“ erfahren, im Oktober<br />

1946 berichtet er über „das beg<strong>in</strong>nende<br />

Wachstum der ,Strudlhofstiege‘“.<br />

EIN MENÜ, EIN WEISSER SPRITZER<br />

Pre<strong>in</strong> an der Rax <strong>in</strong> den Wiener Alpen<br />

ist e<strong>in</strong> Schlüssel für das Werk Doderers.<br />

Der Riegel-Hof (<strong>in</strong> der „Strudlhofstiege“<br />

die „Stangelersche Villa“), der Ort und<br />

die Rax dienen immer wieder als Kulissen<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Romanen. Das Dorfleben<br />

spiegelt sich <strong>in</strong> vielen Szenen der „Strudlhofstiege“,<br />

wenn er etwa den sonntäglichen<br />

Kirchgang beschreibt oder die örtlichen<br />

Gasthäuser. „Hier aber roch es aus<br />

der weiträumigen sauberen Küche nach<br />

gutem Essen, das Bier war so frisch wie<br />

die Salzstangeln, der We<strong>in</strong> bewies den<br />

Wirtsverstand, der Kaffee duftete morgens<br />

und abends human durchs Haus.“<br />

Die Rede ist vom Gasthaus „Zum Oberen<br />

Eggl“, dessen Wirt Otto Leistentritt wohl<br />

der letzte Zeitzeuge im Ort ist, der sich<br />

an Heimito von Doderer er<strong>in</strong>nern kann.<br />

Bis zu se<strong>in</strong>em Lebensende ist der<br />

Dichter täglich zum Mittagessen gekommen,<br />

wenn er <strong>in</strong> der Pre<strong>in</strong> war, geme<strong>in</strong>sam<br />

mit se<strong>in</strong>er Schwester Astri Stummer,<br />

die bis zu ihrem Tod 1989 am Riegel-Hof<br />

lebte. „Je nach Stimmungslage saß er<br />

mit Blick <strong>in</strong> den Gastraum oder mit Blick<br />

beim Fenster h<strong>in</strong>aus an se<strong>in</strong>em Stammtisch“,<br />

er<strong>in</strong>nert sich der Hausherr. „Er<br />

war zwar e<strong>in</strong> sehr <strong>in</strong>trovertierter Mensch,<br />

aber als Gast ganz unkompliziert. Meistens<br />

wählte er das Menü, dazu trank er,<br />

wenn ich mich recht er<strong>in</strong>nere, e<strong>in</strong>en<br />

weißen Spritzer.“<br />

LAUERN AUF DEN FRÜHLING<br />

E<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er frühen Texte, „Schneeschmelze<br />

im Hof“, beschreibt den Frühl<strong>in</strong>gsbeg<strong>in</strong>n,<br />

auf den Doderer „seit Weihnachten<br />

lauert“ wie wir alle. Man muss<br />

genau h<strong>in</strong>hören, empfiehlt Doderer:<br />

„Mit den Jahreszeiten geht es Dir etwa<br />

so, wie mit dem Anhören bekannter<br />

Musik: da weißt Du zum Beispiel, daß<br />

nun gleich e<strong>in</strong>e Melodie auftauchen<br />

wird, die Dir besonders nahe steht.“<br />

Also: Ohren auf, der Frühl<strong>in</strong>g ist da. 3<br />

Das Gasthaus<br />

„Zum Oberen<br />

Eggl“ <strong>in</strong> historischer<br />

Ansicht,<br />

Doderers<br />

Stammwirtshaus.<br />

Otto und Traudl<br />

Leistentritt, die<br />

Wirtsleute des<br />

Gasthauses<br />

„Zum Oberen<br />

Eggl“ und letzten<br />

Zeitzeugen<br />

Doderers.<br />

* Heimito von Doderer wurde am 5. September<br />

1896 <strong>in</strong> Hadersdorf-Weidl<strong>in</strong>gau geboren, das<br />

heute zu Wien-Penz<strong>in</strong>g gehört. Er starb am<br />

23. Dezember 1966 <strong>in</strong> Wien.<br />

<strong>Servus</strong> 15


BRAUCHTUM<br />

Der Stolz der Hauer<br />

Auf den ersten Blick wirkt der Hiatae<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> Perchtoldsdorf<br />

wie e<strong>in</strong> prachtvolles Erntedankfest. Dah<strong>in</strong>ter verbirgt sich<br />

jedoch e<strong>in</strong> Initiationsritus, bei dem alljährlich e<strong>in</strong> junger<br />

Hiatabua auf e<strong>in</strong>e harte Probe gestellt wird.<br />

TEXT: JOHANNES STÜHLINGER<br />

FOTOS: PETER PODPERA<br />

16 <strong>Servus</strong>


Perchtoldsdorf<br />

Schneller! Die feuchten Äste knacken<br />

unter raschen Schritten. Da<br />

unten, am Fuß des Hügels, ist e<strong>in</strong> Bauernhof.<br />

„Der Hüter Thomas liegt blutüberströmt<br />

im We<strong>in</strong>garten!“, brüllt der<br />

junge Mann und hämmert wild an das<br />

schwere Holztor. „Oben, beim weißen<br />

Ste<strong>in</strong> auf der Haspel! Hilfe! Helft mir!“<br />

So soll es sich zugetragen haben,<br />

am Morgen e<strong>in</strong>es Spätherbsttages im<br />

Jahr 1422. E<strong>in</strong> We<strong>in</strong>hüter hatte se<strong>in</strong>en<br />

Kollegen schwer verwundet vor dessen<br />

Hütte <strong>in</strong> den We<strong>in</strong>bergen vor Perchtolds -<br />

dorf gefunden und im Haus Elisabethstraße<br />

20 Alarm geschlagen. Der Mann,<br />

der die Rieden bewachen sollte – wie<br />

alle anderen We<strong>in</strong>hüter kurz „Hiata“ genannt<br />

– war für e<strong>in</strong> paar Handvoll Trauben<br />

brutal überfallen worden.<br />

„Hier <strong>in</strong> unserem Hof wurde er damals<br />

gesund gepflegt“, erzählt der heutige<br />

Hausherr Franz Breitenecker stolz.<br />

Seit 250 Jahren gehört se<strong>in</strong>er Familie<br />

dieses geschichtsträchtige Gehöft, das<br />

heute noch Ausgangspunkt des größten<br />

Erntedankfests Österreichs ist. Doch<br />

alles der Reihe nach.<br />

Der Pritschntrager auf se<strong>in</strong>em<br />

harten Weg zum Mann: Dabei<br />

muss der auserwählte Hiatabua<br />

die 80 Kilo schwere Erntekrone<br />

e<strong>in</strong>en Kilometer weit bis zur<br />

Pfarrkirche tragen.<br />

DER GROSSE TAG DES HIATABUAM<br />

Um die Perchtoldsdorfer Seele verstehen<br />

zu können, muss man um die Bedeutung<br />

des örtlichen We<strong>in</strong>baus wissen.<br />

„Hier gab es immer nur We<strong>in</strong>hauer. Sie<br />

schufen die Grundlage für die Versorgung<br />

des Ortes“, sagt Breitenecker. Die<br />

Hauer s<strong>in</strong>d untere<strong>in</strong>ander eng verbandelt.<br />

Man kann nur mite<strong>in</strong>ander, nicht<br />

ohne- und schon gar nicht gegene<strong>in</strong>ander.<br />

Deshalb g<strong>in</strong>g jener Vorfall vor mehr<br />

als 590 Jahren den Perchtoldsdorfern so<br />

tief unter die Haut. „Es war das erste Mal,<br />

dass e<strong>in</strong>er aus unserer Geme<strong>in</strong>schaft<br />

überfallen wurde.“ Zu dessen Genesung<br />

wurde schließlich am 6. November<br />

1422, am Tag des heiligen Leonhard,<br />

des Schutzpatrons der We<strong>in</strong>hauer,<br />

➻<br />

<strong>Servus</strong> 17


Am Abend vor dem großen Fest fertigt der designierte Pritschntrager mit se<strong>in</strong>en Freunden e<strong>in</strong> mächtiges Gestell aus Holz und Draht – die Pritschn.<br />

Mit Herbstgaben geschmückt muss sie auf dem Weg zur Kirche vom Hiatabua schwungvoll gedreht werden – alles andere als e<strong>in</strong> Spaziergang.<br />

e<strong>in</strong> Dankgottesdienst gefeiert und damit<br />

der Grundste<strong>in</strong> für das heutige Brauchtum<br />

gelegt. Jedes Jahr wird seither das<br />

Erntedankfest am Sonntag nach Sankt<br />

Leonhard nicht nur als Dank an Gott,<br />

sondern vor allem <strong>in</strong> Gedenken an den<br />

überfallenen Thomas zelebriert: Wenn<br />

die We<strong>in</strong>lese beendet ist, ziehen die<br />

Hiatabuam, also der W<strong>in</strong>zernachwuchs,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Festzug durch den Ort.<br />

ZWISCHEN STOLZ UND SCHAM<br />

Es ist e<strong>in</strong> Initiationsritus aus e<strong>in</strong>er eigentlich<br />

vergessen geglaubten Gesellschaftsordnung:<br />

Jedes Jahr wird e<strong>in</strong><br />

junger Mann dazu berufen, die schwere<br />

Pritschn – e<strong>in</strong> fast zwei Meter hohes und<br />

80 Kilo schweres kegelförmiges Gestell,<br />

geschmückt mit Eichenblättern, bunten<br />

Schleifen und vergoldeten Walnüssen –<br />

vom Breitenecker-Hof ungefähr e<strong>in</strong>en<br />

Kilometer zur Pfarrkirche zu tragen.<br />

Dabei gilt es, durch schwungvolles Drehen<br />

der schweren Last die Schleifen<br />

möglichst waagrecht wehen zu lassen.<br />

„Die Pritschn muaß tanzn“, sagen die<br />

Alten, die das Ritual schon lange h<strong>in</strong>ter<br />

sich haben, „im Takt der Musik.“ Und<br />

dann erzählen sie von ihren eigenen<br />

glanzvollen Auftritten als Pritschntrager:<br />

wie sie damals auf dem Weg zur Kirche<br />

noch e<strong>in</strong>en Umweg e<strong>in</strong>gelegt hätten –<br />

so stark seien sie gewesen.<br />

E<strong>in</strong> erfolgreicher Pritschntrager darf<br />

nach se<strong>in</strong>em Auftritt zu Recht stolz se<strong>in</strong><br />

und wird erhobenen Hauptes beim anschließenden<br />

Fest im Haus des Hiatavaters<br />

gefeiert. Danach wird er im fe<strong>in</strong>maschigen<br />

sozialen Gefüge der We<strong>in</strong>hauer<br />

endgültig als erwachsener Mann<br />

angesehen. E<strong>in</strong>er, der mit se<strong>in</strong>er Aufgabe<br />

nicht zurande kommt, versteckt sich besser<br />

– vor Scham.<br />

„Auf geht’s!“, rufen die Standartenträger,<br />

also jene Vertrauten, die dem<br />

Auserwählten mit lanzenartigen Stäben<br />

<strong>in</strong> der Hand auf dem Marsch zur Seite<br />

stehen. Und dann geht es schnell. Unter<br />

aufmunternden Rufen wird die Pritschn<br />

angelegt, die Blasmusik gibt den Takt<br />

vor. Langsam setzt sich die Prozession<br />

<strong>in</strong> Bewegung: vorneweg drei Reiter auf<br />

geschmückten Pferden, dah<strong>in</strong>ter die<br />

Geme<strong>in</strong>schaft der We<strong>in</strong>hauer. Und am<br />

Wegesrand e<strong>in</strong> Spalier von Schaulustigen.<br />

Längst lockt dieses ungewöhnliche<br />

Treiben <strong>in</strong> der kle<strong>in</strong>en Marktgeme<strong>in</strong>de<br />

18 <strong>Servus</strong>


Rechts oben: die geschmückte Spitze der Pritschn. Das Herzstück s<strong>in</strong>d vergoldete Walnüsse. Die Nüsse symbolisieren das Leben, das Gold den<br />

Reichtum an Früchten. Den We<strong>in</strong> zum Fest haben die Hiatabuam bei den Hauern im Ort gesammelt. Reiter führen den Zug zur Kirche an.<br />

vor den Toren Wiens auch Gäste von<br />

nah und fern an. Und auch abgesehen<br />

vom Festtagsmarsch hat dieser Tag viel<br />

zu bieten: Speziali täten der Region werden<br />

am Pfarrplatz feilgeboten, e<strong>in</strong> Tanzboden<br />

lädt Pärchen zur Polka. Vor allem<br />

aber wird e<strong>in</strong> besonderer We<strong>in</strong> ausgeschenkt:<br />

die „Cuvée sacrale“.<br />

Der festliche Tropfen ist e<strong>in</strong> Mischwe<strong>in</strong>,<br />

den die Hiatabuam <strong>in</strong> den Tagen<br />

vor dem großen Fest zusammengetragen<br />

haben. Dabei klopfen sie an jede We<strong>in</strong>hauertür<br />

und bitten um e<strong>in</strong> paar Liter<br />

Rebensaft. Sobald genug beisammen ist,<br />

werden die We<strong>in</strong>e zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen<br />

vermischt. Die Cuvée soll symbolisieren,<br />

was <strong>in</strong> diesem Ort an jeder Ecke zu spüren<br />

ist: bed<strong>in</strong>gungsloses Mite<strong>in</strong>ander,<br />

Zusammenstehen, Geme<strong>in</strong>schaft. 3<br />

Hiatae<strong>in</strong>zug: Das Fest f<strong>in</strong>det heuer am<br />

6. November, 10 Uhr <strong>in</strong> Perchtoldsdorf statt.<br />

www.perchtoldsdorf.at<br />

Gebirgsaufschießen: Seit 25 Jahren zeigt <strong>in</strong><br />

Gumpoldskirchen das Gebirgsaufschießen<br />

– e<strong>in</strong> Böllerschießen – den Beg<strong>in</strong>n der We<strong>in</strong>lese<br />

an. Heuer am 3. September, 14.30 Uhr.<br />

www.gumpoldskirchen.at<br />

Erntedankfest: In Spitz a. d. Donau steht<br />

der erste Sonntag im Oktober ganz im Zeichen<br />

des Erntedankes. Die Spitzer ziehen<br />

<strong>in</strong> Festtracht zur Kirche, um den Festgottesdienst<br />

zu feiern. Danach gibt’s Sturm und<br />

andere Erntegaben zu verkosten. Die Trachtenkapelle<br />

und die Volkstanzgruppe Spitz<br />

sorgen für Unterhaltung. 2. Oktober, 10 Uhr.<br />

www.spitz-wachau.com<br />

JUNGER WEIN & ALTE BRÄUCHE<br />

Hüatagang: Die Jetzelsdorfer W<strong>in</strong>zer laden<br />

zum traditionsreichen Hüatagang <strong>in</strong> die<br />

Kellergasse. Es gibt Spezialitäten aus der<br />

Heurigenküche und ausgewählte We<strong>in</strong>e zu<br />

verkosten, während Musikgruppen von Keller<br />

zu Keller ziehen. 10. & 11. September,<br />

ab 15 Uhr <strong>in</strong> Jetzelsdorf/Haugsdorf.<br />

www.we<strong>in</strong>herbst.at<br />

Mart<strong>in</strong>iloben: Beim Mart<strong>in</strong>iloben im<br />

Brandlhof <strong>in</strong> Radlbrunn wird der junge We<strong>in</strong><br />

gesegnet. 13. November, 10 Uhr, Brandlhof,<br />

Radlbrunn 24, Ziersdorf.<br />

www.volkskulturnoe.at/brandlhof<br />

Weitere Term<strong>in</strong>e zu We<strong>in</strong>taufen und -segnungen<br />

sowie Informationen zu Veranstaltungen <strong>in</strong><br />

<strong>Niederösterreich</strong> rund ums Jahr f<strong>in</strong>den Sie unter<br />

www.volkskulturnoe.at/veranstaltungen<br />

<strong>Servus</strong> 19


KLEIN & FEIN<br />

<strong>Servus</strong> daheim<br />

REDAKTION: MARIE SALZMANN<br />

DER STARKE<br />

AUS DEM WALDVIERTEL<br />

Wussten Sie, dass das Waldviertel die<br />

heimliche Heimat des Roggens ist?<br />

Gut die Hälfte der österreichischen<br />

Ernte gedeiht hier. Auf dem Hof von<br />

Familie Haider <strong>in</strong> Roggenreith wird<br />

aus dem widerstandsfähigen Getreide<br />

e<strong>in</strong> besonders edler Whisky. Das<br />

Destillat aus 60 % ungemälztem<br />

Roggen und 40 % Gerstenmalz verspricht<br />

e<strong>in</strong>e harmonisch ausgeglichene<br />

Mischung mit würzigen Aromen<br />

und e<strong>in</strong>em milden Vanilleton.<br />

Ab 21 Euro bei shop.roggenhof.at<br />

RUND UM DEN<br />

ÖTSCHER<br />

Majestätisch<br />

thront der<br />

Ötscher über<br />

dem Mostviertel.<br />

Se<strong>in</strong>e Größe<br />

und se<strong>in</strong>e tiefen<br />

Schluchten und<br />

Täler fasz<strong>in</strong>ieren die Menschen seit jeher.<br />

Er prägte die Region und bestimmt bis heute<br />

den Alltag und Rhythmus der Bewohner des<br />

Ötscherlands. Anlässlich der NÖ Landesausstellung<br />

2015 ÖTSCHER:REICH widmete die<br />

Kultur.Region.<strong>Niederösterreich</strong> dem Berg e<strong>in</strong>en<br />

Bild- und Textband. „Wunderwelt Ötscher“ zeichnet<br />

mit Bildern und Erzählungen verschiedener<br />

Autoren e<strong>in</strong> charaktervolles Bild der Arbeit und<br />

des Lebens der Menschen rund um den Ötscher.<br />

32,90 Euro, über www.volkskulturnoe.at<br />

VON OMA EMPFOHLEN<br />

Er ist e<strong>in</strong>er wie ke<strong>in</strong>er. Der Biskuitzwieback der Konditorei Alber <strong>in</strong> Reichenau<br />

sieht nicht nur anders aus als se<strong>in</strong>e Namensvettern, er schmeckt<br />

auch anders. Nach e<strong>in</strong>er Rezeptur, die 1884 bei der ersten Kochkunstausstellung<br />

die Goldmedaille erhielt, wird das Gebäck bis heute ohne<br />

Zusatzstoffe aus Mehl, Zucker, Eiern und Anis hergestellt. Besonders gut<br />

schmeckt er zu Chadeau, e<strong>in</strong>er Weißwe<strong>in</strong>-Creme, wie Oma sie stets gern<br />

serviert hat. Konditorei Alber, Ortsplatz 1, Payerbach, www.zwieback.at<br />

GEMÜSE MIT CHARME<br />

Ob roh als Salat, mit Kräutern gedünstet oder mit Gewürzen<br />

e<strong>in</strong>gelegt: Artischocken schmecken und tun gut. Die<br />

distelartigen Schönheiten s<strong>in</strong>d kalorienarm und liefern<br />

viele wertvolle Inhaltsstoffe wie Kalium, Magnesium, Folsäure<br />

und Eisen. So viel zur Theorie, nun zur Praxis: In der<br />

Marchfelder Ortschaft Raasdorf baut Familie Theur<strong>in</strong>ger<br />

auf 5 Hektar Land das fe<strong>in</strong>e Gemüse mit dem südlichen<br />

Charme an. Geerntet wird ab Mitte Juli, bis Anfang Oktober<br />

kann man hier ab Hof Artischocken <strong>in</strong> unterschiedlicher<br />

Form und Größe zu Preisen zwischen 50 Cent und<br />

2 Euro erstehen. Und auf www.theur<strong>in</strong>ger.at gibt’s Rezepte<br />

zur geschmackvollen Artischockenzubereitung.<br />

FOTOS: HERSTELLER<br />

20 <strong>Servus</strong>


DIE LEGENDE VOM<br />

SONNTAGBERG<br />

Wo die sanfte Hügellandschaft<br />

des Mostviertels<br />

langsam <strong>in</strong> die Voralpen<br />

übergeht, thront die barocke<br />

Basilika am Sonntagberg.<br />

Man sagt, die Erhebung<br />

im Schatten des<br />

Ötschers trage ihren Namen<br />

ihrer Schönheit wegen.<br />

Seit fast 600 Jahren<br />

steht hier auf 704 Metern<br />

über dem Ybbstal e<strong>in</strong><br />

Gotteshaus – erst e<strong>in</strong>e<br />

schlichte Kapelle, seit<br />

dem 18. Jahrhundert e<strong>in</strong>e<br />

Basilika von barocker Pracht.<br />

Der Ursprung der Wallfahrt auf den Sonntagberg beruht auf<br />

e<strong>in</strong>er Legende: E<strong>in</strong> verzweifelter Hirte soll von hier aus e<strong>in</strong> Stoßgebet<br />

losgeschickt und kurz darauf auf e<strong>in</strong>em Felsen e<strong>in</strong>en Laib<br />

Brot und schließlich auch se<strong>in</strong>e verlorenen Schafe gefunden haben.<br />

Das Erlebnis berichtete er den Mönchen <strong>in</strong> Seitenstetten,<br />

die gelobten, an dieser Stelle e<strong>in</strong>e Kapelle zu errichten. Autor<br />

Franz Überlacker erzählt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em reich bebilderten Band von<br />

der wechselvollen Geschichte der Basilika Sonntagberg.<br />

32,90 Euro, über www.volkskulturnoe.at<br />

HÜBSCHE HELFER AUS DEM MOSTVIERTEL<br />

Sie s<strong>in</strong>d die letzten Emailleproduzenten im Land: Seit 1922 fertigt Familie<br />

Riess <strong>in</strong> Ybbsitz Kochgeschirr aus Emaille. Dabei wird jedes Stück handgemacht<br />

– ob Schöpfer, Schmortopf oder Gemüsesieb. Und die kle<strong>in</strong>en<br />

Küchenhelfer aus dem Mostviertel sehen nicht nur hübsch aus, sie überzeugen<br />

auch durch gute Eigenschaften: Die Töpfe und Pfannen s<strong>in</strong>d für<br />

Induktionsherde geeignet, ideal für Nickelallergiker, schnitt- und kratzfest,<br />

bis 450 °C hitzebeständig und leicht zu re<strong>in</strong>igen. Informationen, Kollektionsübersicht<br />

und Händlerverzeichnis auf www.riess.at<br />

WIE DER ACETO BALSAMICO NACH ÖSTERREICH KAM<br />

Die italienische Stadt Modena gilt als die Wiege des Aceto balsamico.<br />

Weniger bekannt ist, dass der edle Es-<br />

sig<br />

auch <strong>in</strong> Österreich hergestellt wird.<br />

Herwig Pecoraro, se<strong>in</strong>es Zeichens Ex-<br />

Gendarmeriebeamter und Opernsänger,<br />

erlernte neben se<strong>in</strong>em Gesangsstudium<br />

<strong>in</strong> Modena die Herstellung<br />

von Aceto balsamico. Zurück <strong>in</strong> Österreich,<br />

verfe<strong>in</strong>erte er se<strong>in</strong>e Fertigkeiten <strong>in</strong><br />

der Kunst des Essigmachens und<br />

richtete <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Haus <strong>in</strong> Klosterneuburg<br />

sogar e<strong>in</strong>en Balsamico-<br />

Keller e<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong>en Balsamessig<br />

gibt es 6-, 9- oder 15-jährig.<br />

Wenige Tropfen davon s<strong>in</strong>d<br />

der perfekte Schlussakkord auf<br />

rohem oder gegrilltem Fisch,<br />

auf Erdbeeren oder zu Käse.<br />

200 ml ab 40 Euro,<br />

www.pecorarobalsamico.at<br />

E<strong>in</strong> Hoch auf den Hanf<br />

Hanf ist e<strong>in</strong>e der ältesten<br />

Nutz- und Zierpflanzen der<br />

Welt. Aus Hanf entstehen<br />

Seile, Textilien, Papier und<br />

nicht zuletzt Fe<strong>in</strong>es für<br />

Fe<strong>in</strong>schmecker. Im Hanfthal-<br />

Hof der Familie Wagner im<br />

We<strong>in</strong>viertler Hanfthal werden Köstlichkeiten vom<br />

Kulturhanf serviert, wie z. B. Hanfschnitzel, Hanfbratwürstel,<br />

Hanfpesto, Hanfoberstorte und dazu<br />

natürlich Hanfbier und -we<strong>in</strong>. Im Onl<strong>in</strong>eshop gibt<br />

es selbst kreierte Spezialitäten zum Kochen oder<br />

Sofort-Vernaschen. www.hanfthal-hof.at<br />

Tipps und Beratung rund um <strong>Niederösterreich</strong> gibt es<br />

bei der <strong>Niederösterreich</strong>-Information:<br />

Tel.: +43/2742/9000 9000, Mail: <strong>in</strong>fo@noe.co.at<br />

www.niederoesterreich.at<br />

<strong>Servus</strong> 21


AUSFLUG<br />

Im Zeichen des Schnees<br />

Vom blauen Himmel bis zum Weltuntergang braucht<br />

der Schneeberg ke<strong>in</strong>e Viertelstunde. Trotzdem liegt<br />

hier der schönste Arbeitsplatz der Welt.<br />

TEXT: STEFAN WAGNER<br />

FOTOS: DIETER BRASCH<br />

22 <strong>Servus</strong>


E<strong>in</strong> dampfend ruckelnder Nostalgiezug der<br />

Schneebergbahn kurz nach Beg<strong>in</strong>n der<br />

Talfahrt mit Ausblick über Wechsel, Sonnwendste<strong>in</strong>,<br />

Semmer<strong>in</strong>g und Kreuzberg.<br />

Puchberg am<br />

Schneeberg<br />

Ü<br />

ber den Schneeberg lässt sich gut von oben nach<br />

unten erzählen. Man hat dann auch gleich das<br />

Wichtigste erledigt, nämlich die Puchberger Bratwurstsuppe.<br />

Das ist Nieder österreichs höchste Suppe,<br />

sie wird auf der Fischerhütte zubereitet und serviert,<br />

auf 2.049 Meter Seehöhe und zwei Ste<strong>in</strong>würfe von<br />

<strong>Niederösterreich</strong>s höchstem Punkt entfernt, dem<br />

Klosterwappen, so heißt der Gipfel des Schneebergs,<br />

2.076 Meter. Nach so e<strong>in</strong>er Puchberger Bratwurstsuppe<br />

ist es wohl nur mehr e<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong>wurf, weil sie dermaßen<br />

wohlwollend mit Majoran versetzt ist, dass<br />

ihre Entdeckung durch die Vitali sierungspharmazie<br />

nur e<strong>in</strong>e Frage der Zeit se<strong>in</strong> kann.<br />

Das ist auch gleich die gute Nachricht für alle, denen<br />

auf den letzten 15 M<strong>in</strong>uten des Marsches von der<br />

Berg station der Schneebergbahn die Knie e<strong>in</strong> bissl<br />

weich werden (es s<strong>in</strong>d ambitioniertere 15 M<strong>in</strong>uten, als<br />

man e<strong>in</strong>em der meistbegangenen Wege e<strong>in</strong>es Berges<br />

zutrauen möchte, der als Ausflugsberg gilt). Die gute<br />

Nachricht also: durchhalten lohnt. Oben wartet e<strong>in</strong><br />

dampfender Blechnapf, der macht dich wieder wie neu.<br />

SCHUHWERK, JACKE, MÜTZE, HANDSCHUHE<br />

Apropos Ausflugsberg und dem Schneeberg was zutrauen,<br />

damit wir auch das gleich erledigt haben: Es<br />

ist Mitte August, als wir auf der Bank vor der Fischerhütte<br />

unsere Bratwurstsuppe schlürfen, Blick runter <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e ferne Spielzeugwelt, Spielzeug-Wiener-Neustadt,<br />

Spielzeug-Baden, Spielzeug-Südautobahn.<br />

Sonne, blauer Himmel, kurze Hose, die Zehen spielen<br />

im Pulverschnee, der noch von vorgestern da liegt.<br />

Schnee, das kann dir hier das ganze Jahr über passieren.<br />

Vom blauen Himmel bis zum Weltuntergang<br />

braucht der Schneeberg auch im Sommer nicht e<strong>in</strong>mal<br />

e<strong>in</strong>e Viertelstunde. Was heroben los se<strong>in</strong> kann, weißt<br />

du spätestens, wenn du die armdicken Stahlseile<br />

➻<br />

GUT ZU WISSEN<br />

Mit 2.076 Metern ist der Schneeberg der höchste Berg<br />

<strong>Niederösterreich</strong>s und der östlichste und nördlichste<br />

Zweitausender der Alpen. Geme<strong>in</strong>sam mit Buckliger<br />

Welt, Wechsel, Semmer<strong>in</strong>g, Rax und Hoher Wand bildet<br />

er die „Wiener Alpen“ und versorgt Wiens Bevölkerung<br />

nicht nur mit Ausflugszielen, sondern seit 1873 über die<br />

1. Wiener Hochquellenwasserleitung auch mit Tr<strong>in</strong>kwasser.<br />

Sehr viele sehr nützliche Informationen über<br />

die gesamte Region gibt es übersichtlich aufbereitet auf<br />

www.wieneralpen.at<br />

<strong>Servus</strong> 23


gesehen hast, die das Dach der Fischerhütte im Boden<br />

verschrauben. 2008 beim Sturmtief „Paula“: 240 km/h.<br />

E<strong>in</strong>e normal gesicherte Hütte hätte es mitsamt Gästen<br />

bis runter nach Puchberg vertragen.<br />

Das mit dem Wetter ist auf dem Schneeberg so extrem,<br />

weil der Schneeberg dem Wetter im Weg steht.<br />

Von Westen gesehen ist er der letzte Zweitausender<br />

der Alpen, da duckt er sich weg, aber von Osten ist er<br />

der erste Zweitausender. Wenn das Wetter also von<br />

Norden, Süden oder vor allem Osten kommt, kracht es<br />

gegen den Schneeberg, wie sie das <strong>in</strong> Salzburg oder<br />

Tirol gar nicht kennen. Ohne gescheites Schuhwerk,<br />

ohne Jacke, Mütze und Handschuhe gilt also: Vergiss<br />

den Schneeberg. Wirklich. Wetterbericht egal, blauer<br />

Himmel egal. Nicht ernst genommen werden, das<br />

nimmt der Schneeberg übel.<br />

Oben: die berühmte<br />

Salamander-Schneebergbahn,<br />

die täglich Wanderer,<br />

Erholungsuchende und<br />

Hungrige auf den Berg und<br />

wieder h<strong>in</strong>unter br<strong>in</strong>gt.<br />

Beliebter Stopp: die Haltestelle<br />

Baumgartner, im<br />

Volksmund „Buchtelstation“<br />

genannt – hier werden<br />

seit 36 Jahren ziemlich<br />

berühmte Buchteln serviert.<br />

Wirt ist Friedrich Warolly<br />

(unten), eigentlich e<strong>in</strong><br />

Tiroler, aber wenn der<br />

Dienst an der Buchtel ruft,<br />

lässt sogar e<strong>in</strong> Tiroler die<br />

Heimat widerspruchslos<br />

h<strong>in</strong>ter sich, Ehrensache.<br />

42 KILO SCHWEINSBRATEN IM RUCKSACK<br />

Aber zurück zur Bratwurstsuppe. Sie ist das Werk der<br />

Wirtsleute der Fischerhütte, das s<strong>in</strong>d Kathi Apfler und<br />

Michl Scheffer. Sie haben <strong>Niederösterreich</strong>s höchstgelegenen<br />

Arbeitsplatz 2008 übernommen, da war<br />

sie 21 Jahre alt, er 24. Seither halten sie jedes Jahr<br />

von Ende April bis Ende Oktober die Hütte geöffnet,<br />

ke<strong>in</strong> Ruhetag, 46 Schlafplätze. Sie kochen und servieren,<br />

stoßen mit Gästen an, reparieren die Therme,<br />

halten das Dach <strong>in</strong> Schuss und vor allem: schupfen die<br />

Logistik. Jedes Cola, das heroben e<strong>in</strong>er tr<strong>in</strong>kt, hat e<strong>in</strong><br />

anderer vorher heraufgebracht. Arbeitswochen unter<br />

100 Stunden kennt e<strong>in</strong> Hüttenwirt <strong>in</strong> der Saison nicht.<br />

Die schönsten Momente heroben? „In der Nacht,<br />

wenn es komplett still ist und man die Lichter bis Wien<br />

sieht“, sagt Michl Scheffer. „Wir schauen auch immer<br />

drauf, dass wir e<strong>in</strong> bisserl e<strong>in</strong> Geheimtipp bleiben.“<br />

Was machts ihr im W<strong>in</strong>ter? „Thailand, Australien und<br />

so weiter. Aber nie mehr als drei, vier Wochen, weil<br />

dann haben wir wieder Heimweh nach Puchberg und<br />

dem Schneeberg. Und im März juckt uns dann eh scho<br />

wieder der Orsch, da denkst nur mehr dran, was du<br />

neu machen kannst auf der Hütte, lauter Ideen.“<br />

Normale Wanderer brauchen von der Schneebergbahn-Bergstation<br />

auf die Fischerhütte e<strong>in</strong>e gute Stunde,<br />

Michl Scheffers persönlicher Rekord s<strong>in</strong>d 32 M<strong>in</strong>uten.<br />

Er profitiert da noch vom Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g der ersten<br />

Jahre, „da haben wir wirklich viel getragen. E<strong>in</strong>mal<br />

ist uns vor e<strong>in</strong>em Sonntag der Schwe<strong>in</strong>sbraten ausgegangen,<br />

hab ich runter nach Puchberg müssen, e<strong>in</strong>en<br />

besorgen, hab bei der Rauffahrt den Zug verpasst.<br />

42 Kilo Schwe<strong>in</strong>sbraten im Rucksack.“ Aber die Intervalle<br />

s<strong>in</strong>d ja nicht so schlimm, der nächste Zug …<br />

„So viel Zeit war nicht.“ Er ist dem Zug nachgerannt.<br />

In der Station Baumgartner, wo die Schneebergbahn<br />

e<strong>in</strong> paar M<strong>in</strong>uten Extrapause macht, damit sich die<br />

Passagiere mit den berühmten Buchteln e<strong>in</strong>decken<br />

können, hat er ihn e<strong>in</strong>geholt. Der Bahnhof <strong>in</strong> Puchberg<br />

liegt auf 577 Meter Seehöhe, die Station Baumgartner<br />

auf 1.394 Metern.<br />

ZUSATZFOTO: MANFRED HORVATH<br />

24 <strong>Servus</strong>


DER SCHÖNSTE ARBEITSPLATZ DER WELT<br />

„Ich hab den schönsten Arbeitsplatz der Welt“, sagt<br />

Gottfried Apfler. Vergleichsmöglichkeiten hat er nicht<br />

so viele, aber dafür viel Zeit für se<strong>in</strong> Urteil, Gottfried<br />

Apfler ist nämlich seit über e<strong>in</strong>em Vierteljahrhundert<br />

Lokführer der Schneebergbahn, der 1897 eröffneten<br />

Zahnradbahn von Puchberg auf den Hochschneeberg.<br />

9,85 Kilometer Streckenlänge, 1.219 Meter Höhendifferenz,<br />

Geschw<strong>in</strong>digkeiten bis zu 24 km/h. Was macht<br />

Ihren zum schönsten Arbeitsplatz der Welt, Herr Apfler?<br />

„Ich seh alles von der Rax bis Wien. Den Neusiedler<br />

See, ganz selten sogar den Plattensee. Und an heißen<br />

Sommertagen steig ich unten bei 35 Grad e<strong>in</strong> und<br />

oben bei 20 Grad aus, da kann man richtig aufatmen.“<br />

An welcher Stelle ist die schönste Aussicht? „Das s<strong>in</strong>d<br />

zu viele, dass man das sagen könnte.“ Und die allerschönste?<br />

„Bei der Talfahrt kurz vor der E<strong>in</strong>fahrt <strong>in</strong><br />

den Tunnel.“ Ist das nicht mit den Jahren e<strong>in</strong> bisschen<br />

langweilig, immer nur im Führerhaus sitzen? Die<br />

Strecke kennen Sie ja auch schon ganz gut. „Man sitzt<br />

ja nicht nur. Wenn die Strecke zugeschneit ist, das<br />

kann dir das ganze Jahr passieren, musst du sie freischaufeln.<br />

Und wenn e<strong>in</strong> Baum auf der Strecke liegt:<br />

stehen bleiben, Motorsäge holen, aussteigen, Strecke<br />

frei machen. Und bei dem Ausblick ist es ohneh<strong>in</strong> nie<br />

lang weilig. Jeder Tag ist anders, jedes Wetter, du<br />

kannst unten Nebel haben und oben Sonne, unten<br />

Sommer und oben W<strong>in</strong>ter. Ne<strong>in</strong>, langweilig wird das<br />

nie.“ Was ist Ihnen lieber, Berg- oder Talfahrt? „Die<br />

Bergfahrt. Weil die wird immer spektakulärer. Bei<br />

der Talfahrt ist es, na ja, umgekehrt.“ 3<br />

Ganz oben auf dem Schneeberg: Abendstimmung auf der 2.049 Meter<br />

hoch gelegenen Fischerhütte.<br />

AUF SCHIENEN DURCH NIEDERÖSTERREICH<br />

Gleichmäßig ziehen We<strong>in</strong>gärten, Felder und<br />

Marillenbäume vorbei, mit leisem Rattern<br />

geht’s entspannt durch herrliche Landschaften.<br />

Wer mit der Regionalbahn durch <strong>Niederösterreich</strong><br />

fährt, genießt dank e<strong>in</strong>zigartiger<br />

Trassenführung unvergessliche Ausblicke.<br />

Mariazellerbahn: Dem Himmel so nah<br />

Auf der Strecke der Mariazellerbahn verkehrt<br />

nicht nur die hochmoderne Himmelstreppe,<br />

auch Nostalgiezüge s<strong>in</strong>d regelmäßig auf den<br />

Gleisen unterwegs. Neun Niederflurtriebwagen<br />

und vier Panoramawagen bilden die<br />

Flotte, die zwischen Mariazell und St. Pölten<br />

verkehrt. Die neuen Züge s<strong>in</strong>d golden lackiert<br />

und mit dem Schriftzug „Die Himmelstreppe“<br />

versehen. Der Name Himmelstreppe bezieht<br />

sich auf die Fahrt mit der Mariazellerbahn<br />

aufwärts zum Wallfahrtsort Mariazell, der auf<br />

fast 900 Meter Höhe liegt. Auf der Strecke<br />

bieten sich für Naturbegeisterte e<strong>in</strong>ige Ausflugsmöglichkeiten:<br />

die Geme<strong>in</strong>dealpe Mitterbach,<br />

der Traisental-Radweg und der Naturpark<br />

Ötscher-Tormäuer. Liebhaber alter<br />

Züge können e<strong>in</strong>e Fahrt im alten Ötscherbären<br />

buchen. Se<strong>in</strong>e Waggons wurden zwischen<br />

1910 und 1914 gebaut.<br />

Reblaus Express: Mit Rad zur Tat<br />

Der Reblaus Express verb<strong>in</strong>det auf 40 Kilometern<br />

von Retz bis Drosendorf das Beste<br />

des We<strong>in</strong>viertels mit den Reizen des Waldviertels.<br />

Die Mischung ist perfekt: Petrijünger<br />

zieht es <strong>in</strong>s Anglerparadies Hessendorf, Aktivsportler<br />

zu Rad und zu Fuß <strong>in</strong> den Nationalpark<br />

Thayatal, Familien <strong>in</strong> die Freizeitanlagen<br />

von Langau, Kulturfreunde <strong>in</strong>s berühmte<br />

Chorherrenstift Geras. Apropos Fahrrad: Der<br />

Radtransport ist im Zug gratis und im eigenen<br />

Radwaggon problemlos möglich.<br />

Waldviertelbahn: Durch den hohen Norden<br />

Die historische Waldviertelbahn verkehrt zwischen<br />

Gmünd, Groß Gerungs und Litschau<br />

und führt so durch die schönsten Landstriche<br />

des Waldviertels. Über 68 Kilometer geht’s<br />

durch Wald und Flur, vorbei an stillen Weihern<br />

und putzigen Haltestellen. Die Erlebnisstationen<br />

entlang der Strecke s<strong>in</strong>d Ausflugsziele<br />

für Groß und Kle<strong>in</strong>: So können etwa bei<br />

der Station Abschlag-Fassldorf begehbare<br />

Fässer besichtigt werden, <strong>in</strong> Alt-Nagelberg<br />

lädt die Glasbläserei Apfelthaler zum Besuch,<br />

<strong>in</strong> Breitensee wartet die Erste Waldviertler<br />

K<strong>in</strong>derwerkstatt auf kle<strong>in</strong>e Besucher,<br />

die Kerzen ziehen, Keramik bemalen, Seifen<br />

sieden oder modellieren wollen.<br />

Wachaubahn: Auf Erkundungstour<br />

Zwischen We<strong>in</strong>gärten, Mauerwerk und<br />

Marillenbäumen rollt die Wachaubahn und<br />

bietet traumhafte Ausblicke auf die Welterbelandschaft.<br />

Die Bahn verkehrt auf der<br />

34 Kilometer langen Strecke von Krems bis<br />

Emmersdorf – perfekt, um die Wachau zu erkunden:<br />

ob bei e<strong>in</strong>er Reise <strong>in</strong> die Vergangenheit<br />

am Fundort der Venus von Willendorf,<br />

im Wachau-Museum <strong>in</strong> Weißenkirchen oder<br />

bei e<strong>in</strong>em der Heurigen entlang der Strecke.<br />

Tickets und Beratung im NÖVOG Infocenter:<br />

Tel.: +43/2742/36 09 90 99, www.noevog.at<br />

<strong>Servus</strong> 25


WIRTSHAUS<br />

Die „E<strong>in</strong>kehr“, e<strong>in</strong> uriges<br />

Nebengebäude, soll<br />

für Feste dienen.<br />

Hokkaidokürbis, rosa Kalb und<br />

Schafkäse als Vorspeise. Oben:<br />

Harald Pollak im Kastaniengarten<br />

des Wirtshauses. Rechts: Speisen<br />

mit Atmosphäre im Salettl.


Unterretzbach<br />

Gut essen und tr<strong>in</strong>ken<br />

im Retzer Land<br />

Sonja und Harald Pollak gehören zu den Menschen,<br />

die ke<strong>in</strong>e Probleme sehen, sondern nur spannende Herausforderungen.<br />

Mit dem Retzbacherhof haben sie <strong>in</strong> jahrelanger Aufbauarbeit im<br />

We<strong>in</strong>viertel e<strong>in</strong> ganz besonderes Dorfwirtshaus geschaffen.<br />

TEXT: TOBIAS MICKE<br />

FOTOS: MICHAEL REIDINGER<br />

E<strong>in</strong> Nussbaum, e<strong>in</strong> Apfelbaum, e<strong>in</strong><br />

Nussbaum, e<strong>in</strong> Apfelbaum. E<strong>in</strong>er prächtiger<br />

als der andere: Es fällt nicht schwer,<br />

sich bei der letzten Ausfahrt vor der<br />

tschechischen Grenze von der eiligen<br />

Bundesstraße nach Kle<strong>in</strong>haugsdorf loszureißen<br />

und der idyllischen L1027 mit<br />

ihrem Spalier aus Obstbäumen nach<br />

Unterretzbach zu folgen.<br />

Da duftet’s im Frühjahr nach Apfelblüten<br />

und im Herbst nach reifen Walnüssen.<br />

Und im Sommer, kurz bevor<br />

man <strong>in</strong> den Ort h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>fährt, auf e<strong>in</strong>er<br />

Allee, die ihren Namen verdient, honigsüß<br />

nach L<strong>in</strong>denblüten.<br />

Alle Fe<strong>in</strong>schmeckers<strong>in</strong>ne s<strong>in</strong>d also<br />

bereits hellwach, wenn man im Ort den<br />

Retzbacherhof der Familie Pollak über<br />

den Kastaniengarten betritt.<br />

Die Pollaks s<strong>in</strong>d an sich e<strong>in</strong>e alte<strong>in</strong>gesessene<br />

Unterretzbacher Bauernfamilie<br />

mit traditioneller Mischlandwirtschaft,<br />

e<strong>in</strong>en Ste<strong>in</strong>wurf von der Grenze entfernt.<br />

Nur dass sich Harald Pollak nach<br />

den Lehrjahren draußen <strong>in</strong> der weiten<br />

Welt – unter anderem im renommierten<br />

Vestibül im Wiener Burgtheater – erst<br />

die kul<strong>in</strong>arischen Hörner abstoßen wollte.<br />

Und selbstverständlich musste er se<strong>in</strong>e<br />

kongeniale Partner<strong>in</strong>, Ehefrau Sonja,<br />

f<strong>in</strong>den, um zurückzukehren und mit<br />

Unterstützung der Geme<strong>in</strong>de aus e<strong>in</strong>em<br />

heruntergekommenen Wirtshaus e<strong>in</strong>en<br />

Lichtblick der Ess- und Tr<strong>in</strong>kkultur zu<br />

schaffen. E<strong>in</strong> Gasthaus im Retzer Land,<br />

dessen guter Ruf unter Kennern locker<br />

bis nach Wien reicht.<br />

ZWISCHEN BODENSTÄNDIG UND FEIN<br />

Im August 2004 wurde nach <strong>in</strong>tensiven<br />

Umbau- und Renovierungsarbeiten aufgesperrt.<br />

Der ehemalige Eiskeller (noch<br />

mit e<strong>in</strong>er Eisgrube für die Fleischlagerung<br />

ausgestattet) wurde zum stilvollen<br />

We<strong>in</strong>keller umfunktioniert und beherbergt<br />

üppige 270 We<strong>in</strong>positionen mit<br />

Schwerpunkt Grüner Veltl<strong>in</strong>er, ganz so,<br />

wie es sich für e<strong>in</strong> gutes We<strong>in</strong>viertler<br />

Gasthaus gehört.<br />

Von Anfang an galt es, e<strong>in</strong> Dorfwirt<br />

für die E<strong>in</strong>heimischen zu bleiben, die e<strong>in</strong><br />

leistbares Mittagsmenü schätzen, trotzdem<br />

aber auch e<strong>in</strong>e so fe<strong>in</strong>e Küche anzubieten,<br />

dass Gäste für e<strong>in</strong>en geschmack-<br />

vollen Abend die etwa e<strong>in</strong>stündige Anfahrt<br />

aus der Stadt nicht scheuen.<br />

So wird jeder Donnerstag beim Pollak<br />

zum vielgeliebten Schnitzeltag. Und freitags<br />

kommt die Trachtenkapelle Unterretzbach<br />

nach der Probe auf e<strong>in</strong>e Nachbesprechung<br />

vorbei, während nebenan<br />

im Salettl mit se<strong>in</strong>er schönen, alten Holzdecke<br />

Gäste aus Wien Tafelspitz oder<br />

Hirschkalb <strong>in</strong> Schwarzbiersauce speisen.<br />

Bei schönem Wetter passiert all das natürlich<br />

auch draußen im Kastanienhof.<br />

E<strong>in</strong> Familienbetrieb ist der Retzbacherhof<br />

auch im erweiterten S<strong>in</strong>n: Haralds<br />

Schwester Petra, Zuckerbäcker<strong>in</strong> im<br />

12 Kilometer entfernten Schrattenthal,<br />

liefert zum Dessert Fe<strong>in</strong>es wie Schokomoussetorte<br />

und geschichtete Mohntorte<br />

sowie Apfelpasteten. Vom Bauernhof<br />

der Eltern kommen e<strong>in</strong>gelegte Zucch<strong>in</strong>i,<br />

Kürbis und Essiggurkerl. Und Bruder<br />

René, der W<strong>in</strong>zer der Familie, steuert<br />

die Hauswe<strong>in</strong>e zu den Speisen bei.<br />

Für Gäste, die etwa zu den gerösteten<br />

Schwe<strong>in</strong>snierndln <strong>in</strong> Senfsauce lieber<br />

Bier tr<strong>in</strong>ken als den empfohlenen Grünen<br />

Veltl<strong>in</strong>er Reserve, bietet Harald<br />

➻<br />

<strong>Servus</strong> 27


GERÖSTETE SCHWEINSNIERNDLN<br />

IN SENFSAUCE<br />

ZUTATEN FÜR 4 PORTIONEN<br />

Zeitaufwand: 45 M<strong>in</strong>uten<br />

Für die Nierndln:<br />

700 g Schwe<strong>in</strong>snieren,<br />

geputzt und gut gewässert<br />

2 Zwiebeln<br />

Öl<br />

Salz<br />

Pfeffer<br />

Mehl zum Stauben<br />

gehackte Petersilie<br />

2 EL grober Senf<br />

250 ml brauner Fond<br />

(oder R<strong>in</strong>dsuppe)<br />

Für die Serviettenknödel:<br />

1 Weißbrotwecken<br />

3 Eier<br />

2 Dotter<br />

100 g flüssige Butter<br />

⅛ l Milch<br />

Salz<br />

Pfeffer<br />

ZUBEREITUNG<br />

1. Die Nieren <strong>in</strong> nicht zu dünne Streifen<br />

schneiden. Mit Pfeffer kräftig würzen.<br />

Zwiebeln schälen und <strong>in</strong> Streifen<br />

schneiden. Öl <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Pfanne<br />

erhitzen, Zwiebeln dar<strong>in</strong> hellbraun<br />

rösten. Den Senf dazugeben und kurz<br />

mitrösten. Mit etwas Mehl stauben,<br />

mit dem Fond aufgießen und e<strong>in</strong>ige<br />

M<strong>in</strong>uten kochen lassen.<br />

2. In e<strong>in</strong>er Pfanne Öl erhitzen und die<br />

Nieren zartbraun rösten. Die Nieren<br />

zum Zwiebelansatz geben und<br />

durchschwenken. Petersilie dazugeben.<br />

Mit den Serviettenknödeln<br />

anrichten.<br />

3. Für die Serviettenknödel das Weißbrot<br />

entr<strong>in</strong>den und <strong>in</strong> große Würfel<br />

schneiden. Die restlichen Zutaten<br />

verrühren und über die Brotwürfel<br />

gießen. Abmischen und ziehen lassen.<br />

Die Masse gut durchkneten<br />

und wenn sie zu dünn ist, mit Mehl<br />

stauben. Masse teilen, auf e<strong>in</strong> gebuttertes<br />

Tuch auftragen, zu e<strong>in</strong>er straffen<br />

Rolle formen. Enden mit Spagat<br />

abb<strong>in</strong>den.<br />

4. In kochendem Salzwasser ca. 30 M<strong>in</strong>uten<br />

zugedeckt bei mittlerer Hitze<br />

kochen. Dann das Tuch entfernen<br />

und die Rolle <strong>in</strong> Scheiben schneiden.<br />

Äußerst gemütlich sitzt es sich bei schönem<br />

Wetter im Kastaniengarten.<br />

Pollak seit drei Jahren e<strong>in</strong> hopfiges Hausbräu<br />

an, das extra für ihn von der Brauwerkstatt<br />

Weitra hergestellt wird.<br />

Zu guter Letzt sei Gästen, die beim<br />

Pollak e<strong>in</strong> wenig länger sitzen bleiben<br />

wollen, noch e<strong>in</strong>e wunderbare, nicht<br />

leicht zu f<strong>in</strong>dende Bleibe empfohlen:<br />

Ke<strong>in</strong>e drei M<strong>in</strong>uten zu Fuß die Herrengasse<br />

h<strong>in</strong>unter, bietet das befreundete<br />

Jungw<strong>in</strong>zerpaar Sigrid und Christoph<br />

Schle<strong>in</strong>zer seit kurzem am We<strong>in</strong>gut<br />

Sonnenhügel sehr fe<strong>in</strong>e Zimmer mit<br />

herrlichem Frühstücksbuffet an. 3<br />

Der Retzbacherhof: Bahnstraße 1, 2074<br />

Unterretzbach, Tel.: +43/2942/201 71<br />

www.retzbacherhof.at;<br />

Harald Pollak (Bild unten mit se<strong>in</strong>er<br />

Frau Sonja) ist Obmann der Initiative<br />

„<strong>Niederösterreich</strong>ische Wirtshauskultur“.<br />

Alle 230 Mitgliedsbetriebe setzen auf moderne,<br />

bodenständige Küche mit frischen<br />

regionalen Zutaten – und s<strong>in</strong>d zu f<strong>in</strong>den<br />

auf www.wirtshauskultur.at<br />

28 <strong>Servus</strong>


Sicher unterwegs<br />

mit der neuen NV App<br />

Ab sofort haben Sie auch unterwegs immer<br />

den direkten Draht zur NV.<br />

k mobile Schadenmeldung e<strong>in</strong>fach und schnell<br />

k alle Notrufnummern auf e<strong>in</strong>en Blick<br />

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k Reiseland<strong>in</strong>fos fürs europäische Ausland<br />

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<strong>Niederösterreich</strong>ische<br />

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Die <strong>Niederösterreich</strong>ische<br />

Versicherung<br />

Wir schaffen das.


BRAUCHTUM<br />

Wechsel<br />

Auf der Kranichberger Schwaig wird<br />

zur Musik von Putz & St<strong>in</strong>gl getanzt.<br />

L<strong>in</strong>ks (mit Hut) ist Schwaigen-Reigen-<br />

Veranstalter<strong>in</strong> Erika Sieder zu sehen, im<br />

H<strong>in</strong>tergrund blitzt der Schneeberg hervor.<br />

Spielleit,<br />

gehts, geigts uns oans<br />

E<strong>in</strong>mal im Jahr ziehen die Musikanten am Wechsel s<strong>in</strong>gend<br />

und spielend von Alm zu Alm: Der Schwaigen-Reigen feiert e<strong>in</strong>e<br />

Region, die über Jahrhunderte ihre eigene Volkskultur pflegte.<br />

TEXT: ALEXANDER LISETZ<br />

FOTO: MICHAEL REIDINGER<br />

S<br />

eit zehn Jahren feiert man <strong>in</strong> den<br />

Wiener Alpen den Schwaigen-Reigen,<br />

e<strong>in</strong> Fest zu Ehren der Schwaig, also<br />

der Alm. Am ersten Samstag nach dem<br />

Almauftrieb auf die Hochwechselalmen<br />

– heuer am 11. Juni – ziehen hunderte<br />

Musikanten auf die Schwaigen des rund<br />

15 Kilometer langen Wechselgebirges,<br />

das die Steiermark von <strong>Niederösterreich</strong><br />

trennt. Dort oben spielen sie mit Zither<br />

und Hackbrett, Geige und Knöpferlharmonika<br />

die alten Lieder und Gstanzln<br />

ihrer Region.<br />

Mit den Musikanten machen sich<br />

auch tausende Wanderer auf den Weg<br />

zur Mönichwalder und zur Vorauer<br />

Schwaig, zur Herrgottschnitzerhütte,<br />

zum Wetterkoglerhaus und zu den anderen<br />

Hütten, <strong>in</strong> denen heute von frühmorgens<br />

bis spätabends gesungen, gespielt<br />

und getanzt wird.<br />

Be<strong>in</strong> erstn Hütterl b<strong>in</strong> i’s niadergsessn,<br />

be<strong>in</strong> zweitn Hütterl håm ma Mülli ’gessn,<br />

be<strong>in</strong> drittn Hütterl håm ma e<strong>in</strong>ig’schaut,<br />

da sitzt der Jager dr<strong>in</strong> und frisst a Kraut.<br />

„Dieses Gstanzl hat ursprünglich die<br />

Reithofer<strong>in</strong> gesungen, dann ihre Tochter,<br />

die Rambauer Stanzl und dann der<br />

Rambauer Naz“, sagt Erika Sieder. Die<br />

im Nachkriegsniederösterreich geborene<br />

Kulturhistoriker<strong>in</strong> ist so etwas wie das<br />

wandelnde Wechselland-Archiv und<br />

die Mutter des Schwaigen-Reigens. Vor<br />

17 Jahren begann sie, die Volkskultur<br />

am Wechsel für e<strong>in</strong> Buchprojekt zu erforschen,<br />

den 22. Band der „Enzyklopädie<br />

zur Volksmusik <strong>in</strong> Österreich“. „Drei<br />

Jahre habe ich mich mit dem Thema beschäftigt“,<br />

sagt sie. „Da ist mir klar geworden:<br />

Diese Kulturschätze müssen<br />

nicht nur archiviert, die müssen gesungen,<br />

getanzt, gelebt werden.“ Also rief<br />

sie 2007 den Schwaigen-Reigen <strong>in</strong>s Leben.<br />

Und wahrsche<strong>in</strong>lich haben die Kuhhirten<br />

und Knechte aus der alten Zeit<br />

nicht viel anders gefeiert als die jungen<br />

Leute, die heute hierherkommen. 3<br />

Näheres zum Schwaigen-Reigen am<br />

11. Juni: www.schwaigen-reigen.at<br />

30 <strong>Servus</strong>


Energie vernünftiger nutzen.<br />

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GARTENBESUCH<br />

E<strong>in</strong> Schloss<br />

wie im Märchen<br />

E<strong>in</strong> Gesamtkunstwerk mit Geschichte. Und e<strong>in</strong><br />

zauberhafter Garten, der zum Verweilen e<strong>in</strong>lädt.<br />

Zu Besuch auf der fantastischen Schallaburg.<br />

TEXT: JOHANNES KÄFER<br />

FOTOS: SIMONE ANDRESS<br />

ZUSATZFOTO: GAP GARDENS<br />

32 <strong>Servus</strong>


Schallaburg<br />

L<strong>in</strong>ks: Der Garten der Schallaburg wurde <strong>in</strong> den 1970er-Jahren nach Vorbild<br />

der italienischen Renaissancegärten gestaltet. Oben: Historische Rosen<br />

wie die Damaszenerrose bilden e<strong>in</strong>en Schwerpunkt bei der Bepflanzung.<br />

Unten: Entlang der Wege im Schlosspark stehen Apfelbäume Spalier.<br />

<strong>Servus</strong> 33


Sie<br />

ist wahrlich e<strong>in</strong> Gesamtkunstwerk.<br />

E<strong>in</strong> <strong>in</strong>zwischen 900 Jahre altes.<br />

Und will man der Geschichte der<br />

Schallaburg auf den Grund gehen, ihr<br />

durch die Jahrhunderte folgen, so ist<br />

das dank der Schallaburg-App e<strong>in</strong> ebenso<br />

vergnügliches wie e<strong>in</strong>faches Unterfangen.<br />

E<strong>in</strong> Burgspaziergang durch<br />

Raum und Zeit, bei dem bunte Sessel<br />

und grüne Kreise am Boden – verteilt auf<br />

dem gesamten Areal – als Startpunkte<br />

für 18 unterhaltsame und <strong>in</strong>formative<br />

Erzählungen dienen.<br />

Ob Küche, Exzellenztrakt oder Rehgraben<br />

– die jeweiligen Erzählungen<br />

funktionieren unabhängig vone<strong>in</strong>ander.<br />

Überall e<strong>in</strong>steigen, e<strong>in</strong>em Film folgen,<br />

Musik lauschen, Stimmen nachgehen –<br />

und auf eigene Faust die Burg erkunden.<br />

EIN AUSFLUG IN DIE 1970ER<br />

Die Schallaburg steht freilich nicht alle<strong>in</strong><br />

für Geschichte, und so kommt man<br />

auf dieser Reise durch die Vergangenheit<br />

irgendwann unweigerlich <strong>in</strong> der<br />

Gegenwart an. E<strong>in</strong>e Gegenwart, die sich<br />

<strong>in</strong> zahlreichen Veranstaltungen widerspiegelt<br />

– ob Sommernachtsdisco, Familienfest<br />

oder Ausstellung. Die aktuell<br />

laufende Ausstellung widmet sich den<br />

1970er-Jahren. Gratisschulbücher,<br />

40-Stunden-Woche, „Atomkraft? Ne<strong>in</strong><br />

danke!“, Plateauschuhe und Fristenlösung:<br />

alles Errungenschaften der 70er.<br />

Was kam? Was blieb? Die Antworten<br />

gibt’s hier. Fünf Debattenräume geben<br />

Platz für Fragen und Diskussionen – ob<br />

alle<strong>in</strong>, mit der Familie, mit anderen<br />

Besuchern oder <strong>in</strong> Workshops. Die Ausstellung<br />

läuft bis 6. November.<br />

Im August f<strong>in</strong>den im weitläufigen<br />

Garten des Schlosses die „Kunst Werk<br />

Tage“ statt, dann steht die Schallaburg<br />

ganz im Zeichen von Design, Kunst und<br />

Schmuck. Und damit s<strong>in</strong>d wir beim<br />

nächsten Thema, das so wichtig ist für<br />

diesen Ort der Begegnung rund 6 km<br />

südlich von Melk: beim histo rischen<br />

Der Gartensommer <strong>Niederösterreich</strong><br />

zeigt heuer <strong>in</strong> Baden e<strong>in</strong>e prachtvolle<br />

Ausstellung zur kaiserlichen Gartenkultur.<br />

Von Juni bis August verwöhnen<br />

rund 60 Gärten, Hotels und Gastronomen<br />

<strong>in</strong> ganz <strong>Niederösterreich</strong> ihre<br />

Gäste mit Kunst, Kultur und Kul<strong>in</strong>arik.<br />

Höhepunkte: die Gartensommer-<br />

Vollmondnächte (20. Juni, 19. Juli und<br />

18. August) und die Inszenierung<br />

„Liv<strong>in</strong>g Plants – bewegende Pflanzengeschichten“,<br />

bei der als Pflanzen<br />

verkleidete Künstler durch die Gärten<br />

streifen (jeweils Freitag bis Sonntag).<br />

www.gartensommer.<strong>in</strong>fo<br />

Die Ausstellung „Die Gartenmanie der<br />

Habsburger“ im Kaiserhaus Baden widmet<br />

sich vom 23. April bis 1. November<br />

der Gartenkultur vom 18. bis zur Mitte<br />

des 19. Jahrhunderts. Behandelt werden<br />

die Gärten der Weilburg als „private<br />

Garten<strong>in</strong>sel“ von Erzherzog Karl und die<br />

teilweise kaum bekannten kaiserlichen<br />

Privatgärten und Parks. E<strong>in</strong> Themenweg<br />

im Kurpark Baden sowie Garten- und<br />

Stadtführungen geben E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die<br />

kaiserliche Gartenkultur. www.baden.at<br />

KUNSTWERKE IN GRÜN<br />

Von April bis Oktober bietet Schloss<br />

Hof, Pr<strong>in</strong>z Eugens Landsitz im Marchfeld,<br />

Veranstaltungen, Führungen und<br />

Workshops zum Thema Garten. In unmittelbarer<br />

Nachbarschaft zeigt Schloss<br />

Niederweiden die Sonderausstellung<br />

„Franz Joseph – Jagd und Freizeit“.<br />

www.schlosshof.at,<br />

www.franzjoseph2016.at<br />

Die legendäre Garten Tulln hält ihre<br />

Pforten heuer vom 6. April bis 16. Oktober<br />

geöffnet. Programme für K<strong>in</strong>der,<br />

Kurse und Sem<strong>in</strong>are für Erwachsene<br />

sowie Veranstaltungen wie die österreichische<br />

Riesenkürbis-Staatsmeisterschaft<br />

runden das Angebot ab.<br />

www.diegartentulln.at<br />

Das Museumsdorf Niedersulz, <strong>Niederösterreich</strong>s<br />

größtes Freilichtmuseum,<br />

hat vom 15. April bis 1. November geöffnet.<br />

Es umfasst auf 22 Hektar 30 Gärten<br />

und über 80 Gebäude <strong>in</strong>klusive<br />

Kellergasse und lebendigem Bauernhof<br />

und erzählt die Geschichte vergangener<br />

Zeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>erzeit typischen<br />

We<strong>in</strong>viertler Dorf. www.museumsdorf.at<br />

34 <strong>Servus</strong>


In den Beeten der Schallaburg blüht es von Anfang Mai bis <strong>in</strong> den Herbst h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Tausende Pflanzen gedeihen hier – Stauden, Zwiebelpflanzen und<br />

E<strong>in</strong>jährige. Im Schlosshof mit se<strong>in</strong>en jahrhundertealten Arkaden laden Schlossrestaurant und -café zu e<strong>in</strong>er Pause im historischen Ambiente e<strong>in</strong>.<br />

Garten, der zum Schlendern e<strong>in</strong>lädt,<br />

zum Picknicken, zum Lesen oder Bogenschießen.<br />

Kurz: zum Entspannen.<br />

In den 1970er-Jahren wurde der<br />

6.300 Quadratmeter große Schlossgarten<br />

neu angelegt und dabei den berühmten<br />

italienischen Renaissancegärten<br />

nachempfunden. Der Garten der<br />

Renaissance steht für den Höhepunkt<br />

der historischen Gartenkultur.<br />

Im Zentrum des Gartens stehen formale<br />

Buchsornamente. An den Randbereichen<br />

s<strong>in</strong>d sehr schöne E<strong>in</strong>zelexemplare<br />

alter Nutz- und Ziergehölze zu<br />

f<strong>in</strong>den. Die beiden Apfelha<strong>in</strong>e betonen<br />

die Bedeutung des Obstes <strong>in</strong> den Ziergärten<br />

der Renaissance.<br />

Die Beete wiederum wurden nach<br />

Farbaspekten gefüllt – blau und gelb,<br />

rot und weiß. Die Blüte beg<strong>in</strong>nt Anfang<br />

Mai und zieht sich bis <strong>in</strong> den Herbst h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>.<br />

Insgesamt f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> den Beeten<br />

der Schallaburg auf rund 550 m² Fläche<br />

mehr als 3.500 Stauden, 2.000 Zwiebelpflanzen<br />

und 2.000 E<strong>in</strong>jährige.<br />

Der Schlosshof verfügt über e<strong>in</strong>e Arkade<br />

mit 1.600 Terrakotten aus den Jahren<br />

1572/73. Sie haben sich über die<br />

Jahrhunderte erhalten und geben Zeugnis<br />

der Baukunst dieser Zeit.<br />

ROSEN, KRÄUTER, ZAUBEREI<br />

Seit 2002 ist diese Grünoase e<strong>in</strong> Schaugarten<br />

der Aktion „Natur im Garten“.<br />

Nicht zuletzt wegen der Rose im Burgwappen<br />

war es naheliegend, e<strong>in</strong>en Rosen-Schwerpunkt<br />

zu setzen: Ke<strong>in</strong>e andere<br />

Blume spielt <strong>in</strong> der Kulturgeschichte<br />

e<strong>in</strong>e so wichtige Rolle wie die Rose. Sie<br />

ist S<strong>in</strong>nbild für Weiblichkeit, Liebe und<br />

Schönheit. In der Renaissance gehörte<br />

es zum guten Ton, e<strong>in</strong>en Rosengarten zu<br />

besitzen. Also wurden <strong>in</strong> den Randbereichen<br />

14 historische Rosen arten und<br />

ihre Begleitstauden gepflanzt, die den<br />

heutigen Ansprüchen genügen: Lange<br />

und üppige Blüte, <strong>in</strong>tensiver Duft und<br />

oft auch zierende Früchte erfreuen das<br />

Auge der Besucher. Robuste Sorten, die<br />

kaum anfällig für Schädl<strong>in</strong>ge und Krankheiten<br />

s<strong>in</strong>d, erleichtern die Pflege.<br />

Mit Kräutern wurden Knotenbeete<br />

angelegt, um weitere Elemente e<strong>in</strong>es<br />

Gartens dieser Epoche wieder lebendig<br />

werden zu lassen. Dar<strong>in</strong> f<strong>in</strong>den sich auch<br />

die <strong>in</strong> der Renaissance beliebten Flechtmuster<br />

mit Pflanzen, die e<strong>in</strong>e unterschiedliche<br />

Blattstruktur oder -farbe haben.<br />

Die Menschen <strong>in</strong> der Renaissance waren<br />

leidenschaftliche Sammler. Davon<br />

zeugen Bücher, die als Inventarlisten berühmter<br />

Gärten herausgegeben wurden.<br />

Damals waren e<strong>in</strong>zelne Pflanzen besonders<br />

wichtig: Salbei stand für Treue<br />

und Er<strong>in</strong>nerung und wurde für Liebeszauber<br />

verwendet, Thymian war der<br />

Jungfrau Maria, den Frauen, Feen und<br />

Gött<strong>in</strong>nen zugeordnet. Alant wurde gegen<br />

Verzauberung und zum Ausräuchern<br />

verwendet. Der Storchschnabel war die<br />

Schutzpflanze für Ehe und Fruchtbarkeit.<br />

Die Pf<strong>in</strong>gstrose half gegen Albträume,<br />

Depression und Be sessenheit.<br />

Das Maiglöckchen – zur rechten Zeit<br />

gepflückt – war e<strong>in</strong> Glücksbr<strong>in</strong>ger.<br />

All diese zauberhaften Gewächse<br />

kann man im Garten der Schallaburg sehen<br />

und riechen, kurzum: genießen. 3<br />

www.schallaburg.at,<br />

www.niederoesterreich.at<br />

<strong>Servus</strong> 35


WUNDER DER HEIMAT<br />

Die ganz große Oper<br />

In der Wachau verschmelzen Kultur- und<br />

Naturlandschaft zu e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigartigen E<strong>in</strong>heit.<br />

E<strong>in</strong>e Harmonie, die Glückseligkeit auslöst.<br />

Widerstand zwecklos.<br />

TEXT: USCHI KORDA<br />

FOTOS: MICHAEL REIDINGER<br />

Die Wehrkirche von Weißenkirchen aus dem<br />

14. Jahrhundert thront <strong>in</strong>mitten der alten<br />

Lesehöfe. Hier, so sagt man, war e<strong>in</strong>st der<br />

Ursprung der Riesl<strong>in</strong>g-Rebe.<br />

36 <strong>Servus</strong>


Krems<br />

Do, do, do! Do schau her! Des wird er, der<br />

neue We<strong>in</strong>!“ Behutsam lüpft Rudi Pichler<br />

e<strong>in</strong> hellgrünes M<strong>in</strong>iatur-We<strong>in</strong>blatt und fährt mit dem<br />

Zeigef<strong>in</strong>ger zärtlich über w<strong>in</strong>zige Kugerln, die <strong>in</strong> diesem<br />

Stadium, mit Verlaub, mehr an Pfefferkörner als<br />

an We<strong>in</strong>trauben er<strong>in</strong>nern. Grüner Veltl<strong>in</strong>er, sagt Rudi<br />

Pichler – und zwar e<strong>in</strong>er, der sogar für ihn, dessen Familie<br />

seit 1884 <strong>in</strong> Wösendorf We<strong>in</strong>bau betreibt, etwas<br />

ganz Besonderes ist.<br />

25 Jahre lang hat er auf den alten We<strong>in</strong>garten hoch<br />

oben <strong>in</strong> der Achleiten gespitzt. Wehmütig von weiter<br />

unten, wo er se<strong>in</strong>en preisgekrönten Riesl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> derselben<br />

Riede ausbaut, den alten We<strong>in</strong>stöcken und Ste<strong>in</strong>terrassen<br />

beim Verfallen zugesehen. Immer wieder angefragt,<br />

Angebote gestellt, aber den begehrten Grund<br />

nicht um die Burg bekommen. Bis plötzlich 2010 se<strong>in</strong><br />

Flehen von e<strong>in</strong>er nicht def<strong>in</strong>ierten Himmelsmacht oder<br />

wem auch immer erhört wurde.<br />

„Wir Wachauer s<strong>in</strong>d sture Schädel“, sagt Rudi Pichler,<br />

„aber wir denken auch voraus.“ Das kann dann<br />

zwar zuweilen etwas dauern, weil das e<strong>in</strong>e oft ja das<br />

andere ausschließt, was aber immer obsiegt, ist letztendlich<br />

die Vernunft. Es ist vermutlich dieser Paarung<br />

aus Sturheit und besonnenem Weitblick zu verdanken,<br />

dass die Wachau bis heute ihren Reiz nicht verloren<br />

hat. Traditionen – ja, allerweil. Fortschritt – ja auch,<br />

aber nur, wenn er der Natur und somit der Lebensquelle<br />

der Bewohner nicht schadet. Und auf ke<strong>in</strong>en<br />

Fall würde e<strong>in</strong>er hier se<strong>in</strong>e Seele verkaufen.<br />

DIE MAGIE DER LANDSCHAFT<br />

Man lebt gut hier von den Touristen, die seit den<br />

schunkelnden 1950er-Jahren auf den Spuren von Mariandl<br />

und dem Hofrat Geiger aus Bussen und Schiffen<br />

auf den historischen Boden schwappen. In Erwartung<br />

e<strong>in</strong>es picksüßen Glücksgefühls, das ihnen <strong>in</strong> Form von<br />

Kitsch auch geboten wird. Inklusive We<strong>in</strong>seligkeit natürlich.<br />

Ihr Kapital aber, und das wissen die Wachauer<br />

ganz genau, liegt <strong>in</strong> der Magie e<strong>in</strong>er Landschaft, <strong>in</strong> der<br />

vieles aufe<strong>in</strong>andertrifft und sich trotzdem zu e<strong>in</strong>em<br />

harmonischen Bild zusammenfügt, an dem man sich<br />

nicht sattsehen kann.<br />

Der Wiener, für den die Wachau praktisch vor der<br />

Haustür liegt, nähert sich stromaufwärts von Osten.<br />

Entlang des Flusses, der hier mächtig, aber reguliert,<br />

gemächlich durch die Ebene des Tullnerfeldes dah<strong>in</strong>plätschert.<br />

Alles ruhig, beschaulich, doch knapp vor<br />

Krems beg<strong>in</strong>nt der Puls zu steigen. Rechts zunächst die<br />

sanften We<strong>in</strong>hügel des Wagram, zeichnen sich <strong>in</strong> der<br />

Ferne langsam die steilen Felsen der Wachau ab.<br />

➻<br />

Hoch droben <strong>in</strong> der Ried Achleiten hat der Wösendorfer W<strong>in</strong>zer Rudi Pichler<br />

vor fünf Jahren e<strong>in</strong>en fast verfallenen We<strong>in</strong>garten übernommen und händisch<br />

wiederaufgebaut. Unten: Gottfried Pöchl<strong>in</strong>ger hat am drüberen Ufer<br />

Obstgärten mit 350 Marillenbäumen. Daraus werden 150 Liter Schnaps.<br />

<strong>Servus</strong> 37


7<br />

WEINTERRASSEN REIHEN<br />

SICH WIE VERSPIELT<br />

GELEGTE PERLENKETTEN<br />

AN DEN STEILEN HÄNGEN.<br />

7<br />

Oben: Während die Donau<br />

leise vor sich h<strong>in</strong> plätschert,<br />

kann man auf der Terrasse<br />

vom He<strong>in</strong>zle bei Fisch und<br />

e<strong>in</strong>em Glas We<strong>in</strong> die Zeit<br />

vergessen.<br />

L<strong>in</strong>ks: Sepp Fischer, zu dem<br />

alle Huchen-Pepi sagen, ist<br />

W<strong>in</strong>zer <strong>in</strong> Rossatz. Se<strong>in</strong>e<br />

Leidenschaft aber gilt der<br />

Donau, dem Fischen und der<br />

Rettung der Huchen. Diese<br />

waren fast ausgestorben,<br />

bevor er ihnen auf se<strong>in</strong>em<br />

We<strong>in</strong>gut e<strong>in</strong> natürliches<br />

Refugium errichtete (u.).<br />

Die aufgezogene Brut wird<br />

auf der Donau wieder <strong>in</strong> die<br />

Freiheit entlassen.<br />

Schnurgerade geht’s vorbei an der Kunstmeile <strong>in</strong><br />

Krems, den alten Häusern von Ste<strong>in</strong>, bis die Kremser<br />

Donaubrücke für die nächsten 30 Kilometer den letzten<br />

strengen Strich durch die Landschaft zieht.<br />

Noch verstellt die erste Felswand den Blick und<br />

lenkt ihn auf die andere Donauseite, wo hoch droben<br />

Stift Göttweig thront. E<strong>in</strong> barockes Juwel, erbaut im<br />

18. Jahrhundert von Johann Lucas von Hildebrandt,<br />

dessen Grundste<strong>in</strong> allerd<strong>in</strong>gs bereits im Jahr 1083 gelegt<br />

wurde. Direkt am Ufer klebt der kle<strong>in</strong>e Ort Mautern,<br />

der erstmals 899 als civitas Mutarensis urkundlich<br />

erwähnt wird. Geschichtsträchtig, wie alles hier rundum,<br />

wo sich schon die alten Römer tummelten.<br />

Noch e<strong>in</strong>e Kurve, und schon ziehen auf der nördlichen<br />

Seite die ersten We<strong>in</strong>terrassen ihre grafischen<br />

L<strong>in</strong>ien durch die Landschaft. Parallel zwar, doch <strong>in</strong><br />

sanften Schwüngen dem Untergrund angeglichen und<br />

e<strong>in</strong>gebettet zwischen Felsformationen, die wuchtig<br />

und rau zum Ufer abfallen. Sie f<strong>in</strong>den jenseits des<br />

Flusses optisch ihre Fortsetzung <strong>in</strong> der dichten Vegetation<br />

des Dunkelste<strong>in</strong>erwaldes, der massiv <strong>in</strong> den<br />

Himmel ragt. E<strong>in</strong>e imposante Kulisse und die Ouvertüre<br />

zur großen Oper, die nach der nächsten Kurve<br />

ihren Auftakt f<strong>in</strong>det.<br />

DAZWISCHEN MÄANDERT DIE DONAU<br />

We<strong>in</strong>terrassen über We<strong>in</strong>terrassen reihen sich wie verspielt<br />

gelegte Perlenschnüre an den steilen Hängen,<br />

nur dort unterbrochen, wo die Ausläufer des Waldviertels<br />

grob und unbewirtschaftbar dazwischenfunken.<br />

Wie selbstverständlich geht hier e<strong>in</strong>e Form <strong>in</strong> die andere<br />

über. Es ist dieses ausgewogene Zusammenspiel<br />

zwischen Kultur- und Naturlandschaft, das die Wachau<br />

so anziehend macht. Was nicht nur für das berühmte<br />

l<strong>in</strong>ke, das We<strong>in</strong>ufer zwischen Loiben und Spitz gilt.<br />

Auf der anderen, der Rossatz-Arnsdorf-Seite, ist<br />

zwar der We<strong>in</strong>bau nicht so dom<strong>in</strong>ant, weil die Hänge<br />

nach Norden schauen und daher weniger Sonne abbekommen.<br />

Dafür wächst hier die Frucht, für die die<br />

Wachau ebenso berühmt ist wie für den We<strong>in</strong>. So<br />

weit das Auge reicht, überziehen Obstgärten voller<br />

Marillenbäume die Gestade und sorgen zumeist Ende<br />

März/Anfang April für das erste große Spektakel<br />

nach dem W<strong>in</strong>ter. Ke<strong>in</strong> Wunder, dass Künstler immer<br />

schon auf diesen Flecken Erde schwörten. Wer zur<br />

➻<br />

38 <strong>Servus</strong>


Das wohl berühmteste Motiv der<br />

Wachau: der Blick auf den blauen<br />

Barockkirchturm von Dürnste<strong>in</strong><br />

mit der Ru<strong>in</strong>e im H<strong>in</strong>tergrund. Hier<br />

wurde im 12. Jahrhundert Richard<br />

Löwenherz gefangen gehalten.<br />

<strong>Servus</strong> 39


Unterwegs mit Rudi Pichler<br />

Wenn die Marillen wieder blühen …<br />

… und auf den We<strong>in</strong>stöcken zartgrüne Blättchen sprießen,<br />

dann ist <strong>in</strong> der Wachau die schönste Zeit angebrochen.<br />

Den Grundste<strong>in</strong> des We<strong>in</strong>baus hier schreibt<br />

man gern den Römern zu, was vielleicht so war.<br />

Zum führenden We<strong>in</strong>baugebiet wurde die<br />

Wachau aber durch die Bayern. Bereits 1022<br />

schenkte He<strong>in</strong>rich der Heilige dem Kloster<br />

Tegernsee zwei We<strong>in</strong>gärten <strong>in</strong> Loiben. Weitere<br />

bayerische Klöster und Stifte, wie etwa Freis<strong>in</strong>g,<br />

legten sich hier Dependancen zu, und die<br />

Mönche bauten die ersten Ste<strong>in</strong>terrassen.<br />

Wer e<strong>in</strong>en Ausflug hierher macht, pendelt<br />

am besten zwischen beiden Donauufern.<br />

Mit den Rollfähren – Brücken gibt es nur<br />

bei Krems und Melk. Die Fähre Weißenkirchen–St.<br />

Lorenzen ist ab April täglich bis<br />

18.30 Uhr, die zwischen Spitz und Arnsdorf <strong>in</strong><br />

der Hauptsaison bis 20.15 Uhr <strong>in</strong> Betrieb.<br />

1. Rudi Pichler III.<br />

1990 übernahm Rudi Pichler auf der Hochra<strong>in</strong><br />

bei Wösendorf se<strong>in</strong>en ersten We<strong>in</strong>garten<br />

von Vater Rudi II. Als Gstudierter – er war<br />

<strong>in</strong> Wien auf der WU –, der alles besser weiß,<br />

argwöhnisch beäugt. Da er aber von K<strong>in</strong>desbe<strong>in</strong>en<br />

an beim We<strong>in</strong>bau mitgearbeitet hatte,<br />

wusste er, dass se<strong>in</strong> größtes Kapital die alten<br />

We<strong>in</strong> stöcke waren. Diese s<strong>in</strong>d durch die natürliche<br />

Selektion sehr robust. 1997 übernahm er<br />

sämtliche Rieden vom Vater, heute bewirtschaftet<br />

er 12,5 Hektar. Se<strong>in</strong>e We<strong>in</strong>e zählen zu den<br />

besten des Landes. Vor vier Jahren wurde er <strong>in</strong><br />

den Vorstand der V<strong>in</strong>ea Wachau gewählt, die<br />

mit ihrem strengen Codex auch die natürliche<br />

V<strong>in</strong>ifizierung der Wachauer We<strong>in</strong>e kontrolliert.<br />

We<strong>in</strong>gut Rudi Pichler, Marienfeldweg 122,<br />

3610 Wösendorf, Tel.: +43/2715/22 67,<br />

www.rudipichler.at<br />

2. An der schönen blauen Donau<br />

Man sitzt kaum wo schöner als auf der Terrasse<br />

des Restaurant He<strong>in</strong>zle direkt an der Donau.<br />

Hausherr Gerhard bereitet <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Küche das<br />

Beste aus der näheren Umgebung zu, vor allem<br />

Fisch: Forelle und Saibl<strong>in</strong>g aus dem Kamptal,<br />

Wels und Zander aus dem Traisental, Karpfen<br />

und Hecht aus dem Waldviertel, ab und zu<br />

Huchen aus der Donau. Gemächlich ziehen die<br />

Schiffe vorüber, und man könnte bei e<strong>in</strong>em Glas<br />

We<strong>in</strong> – oder zwei – glatt auf die Zeit vergessen.<br />

Restaurant He<strong>in</strong>zle, Wachaustraße 280,<br />

3610 Weißenkirchen, Tel: +43/2715/22 31,<br />

www.he<strong>in</strong>zle.at<br />

3. Fe<strong>in</strong>e Sachen<br />

Als K<strong>in</strong>d habe sie sich vor den Smaragdeidechsen<br />

gefürchtet, sagt Sab<strong>in</strong>e Schneeweiß. Heute<br />

ist das heimliche Wappentier der Wachau das<br />

Liebl<strong>in</strong>gsmotiv der Töpfer<strong>in</strong>. Es ziert vom We<strong>in</strong>kühler<br />

bis zum Aschenbecher ihre Keramiken,<br />

die sie <strong>in</strong> ihrer Werkstatt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em alten Salzstadl<br />

aus dem 17. Jahrhundert anfertigt. Den<br />

angeschlossenen Laden, <strong>in</strong> dem man Kunsthandwerk<br />

und Bilder von Wachau-Malern kaufen<br />

kann, schupft ihre Schwester Dorit.<br />

We<strong>in</strong> und Keramik Schneeweiß, Wachau 27,<br />

3610 Weißenkirchen, Tel.: +43/2715/22 27,<br />

www.wachauerwe<strong>in</strong>.at/keramik<br />

4. Brenna tuat’s guat<br />

E<strong>in</strong> Jahr lang sollte der Marillenschnaps nach<br />

dem Brennen reifen, sagt Gottfried Pöchl<strong>in</strong>ger,<br />

erst dann habe er se<strong>in</strong> volles Aroma. Die Pöchl<strong>in</strong>gers<br />

s<strong>in</strong>d seit Generationen We<strong>in</strong>bauern,<br />

<strong>in</strong> den 1950er-Jahren begann Gottfrieds Vater<br />

zusätzlich mit dem Schnapsbrennen. Neben<br />

der Marille wird heute auch die Williamsbirne<br />

aus den eigenen Obstgärten gebrannt. Wie viel<br />

Hochprozentiges es heuer geben wird, steht<br />

noch <strong>in</strong> den Sternen. Oft entsteht durch Frost<br />

und Regen bis zu 85 Prozent Ernteausfall. Das<br />

sei der Lauf der Natur, sagt Gottfried Pöchl<strong>in</strong>ger,<br />

da könne man nichts machen.<br />

W<strong>in</strong>zerhof Pöchl<strong>in</strong>ger, 3621 Mitterarnsdorf 72,<br />

Tel.: +43/2714/84 96, www.poechl<strong>in</strong>ger.at<br />

5. Huchen muss man nicht mehr suchen<br />

W<strong>in</strong>zer Josef Fischer macht se<strong>in</strong>em Namen alle<br />

Ehre: Er ist leidenschaftlicher Donaufischer und<br />

hat sich seit 1975 der Rettung des Huchens verschrieben.<br />

An die 300 Huchen hat er bislang<br />

gefangen und noch ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen davon gegessen.<br />

Vielmehr hat er den Fischen zur Vermehrung<br />

auf se<strong>in</strong>em Grund e<strong>in</strong> Naturparadies<br />

erschaffen, bevor er die großgezogene Brut<br />

wieder <strong>in</strong> die Donau entlässt. Hauptsächlich<br />

macht der liebevoll Huchen-Pepi genannte mit<br />

Sohn Josef junior aber exzellenten We<strong>in</strong>.<br />

We<strong>in</strong>gut Fischer, Marktplatz 58, 3602 Rossatz,<br />

Tel.: +43/2714/62 29, www.huchenfischer.at<br />

6. Fürs Küchengartl<br />

Botaniker Bernhard Kaar hat mit se<strong>in</strong>er Partner<strong>in</strong><br />

Alexandra Gschwandter den längst vergessenen<br />

Safrananbau <strong>in</strong> der Wachau wiederbelebt.<br />

Auf unzugänglichen Ste<strong>in</strong>terrassen ernten<br />

die beiden das Gewürz händisch. Seit 2 Jahren<br />

residieren sie mit ihrem Geschäft <strong>in</strong> Dürnste<strong>in</strong>.<br />

Dort bieten sie nicht nur von der Safranmarillenmarmelade<br />

über Safransalz bis zum Safranbier<br />

fe<strong>in</strong>e Delikatessen an, die sie mit regionalen<br />

Produzenten kreieren. Es gibt auch e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>steigerpaket,<br />

weil, so Bernhard Kaar, der Safran<br />

wieder <strong>in</strong> jedem Küchengartl wachsen soll.<br />

Wachauer Safran-Manufaktur, Dürnste<strong>in</strong> 76,<br />

3601 Dürnste<strong>in</strong>, www.wachauer-safran.at<br />

7. Wie die alten Donauschiffer<br />

Ob die Reste e<strong>in</strong>es hölzernen Schiffes aus 1810,<br />

das bei Altenwörth untergegangen war, den<br />

Nachbau e<strong>in</strong>er Stockplätte, mit der man 200<br />

Tonnen transportieren konnte oder das Modell<br />

e<strong>in</strong>es Getreideschiffszugs, der von 60 Pferden<br />

stromaufwärts gezogen wurde – was immer<br />

man über die Donauschifffahrt wissen möchte,<br />

erfährt man im Museum <strong>in</strong> Spitz. Dieses residiert<br />

seit 1975 im barocken Erlahof, e<strong>in</strong>em Lesehof,<br />

der im Mittelalter dem bayerischen Stift<br />

Niederaltaich gehörte. Geöffnet ab Mitte April.<br />

Schifffahrtsmuseum Spitz, Auf der Wehr 21,<br />

3620 Spitz, Tel.: +43/2713/22 46,<br />

www.schifffahrtsmuseum-spitz.at<br />

ILLUSTRATION: ANDREAS POSSELT<br />

40 <strong>Servus</strong>


Marillenblüte, sagen wir e<strong>in</strong>mal, <strong>in</strong> Dürnste<strong>in</strong> sitzt<br />

und rüberschaut, möchte glauben, der Po<strong>in</strong>tillismus<br />

kann nur hier erfunden worden se<strong>in</strong>. Ins milde Licht<br />

des Frühl<strong>in</strong>gs getaucht, drängen sich weiße Pünktchen<br />

dicht an dicht im Schatten der dunklen Hügel,<br />

die von hier <strong>in</strong> südliche Richtung auslaufen.<br />

Und zwischen all dem mäandert die Donau. Bildet<br />

fe<strong>in</strong>e Sandstrände und verzweigt sich auf der rechten,<br />

der Marillen-Seite, <strong>in</strong> nahezu unberührte Seitenarme<br />

samt idyllischen Inseln mit Auwäldern. Wild und ungezähmt,<br />

so wie man sie im westlichen Teil ihres Weges<br />

zum Schwarzen Meer kaum noch f<strong>in</strong>det.<br />

WO GEDANKEN UND BLICKE SCHWEIFEN<br />

Der Donaustrom, wie die Wachauer gern zu Österreichs<br />

berühmtesten Fluss sagen, zog hier immer schon<br />

wie e<strong>in</strong> Lebensnerv die Menschen an. Älteste Zeug<strong>in</strong><br />

ist e<strong>in</strong>e 11 Zentimeter große, ziemlich üppige Frauenfigur.<br />

An die 29.500 Jahre alt ist die Venus von Willendorf,<br />

die 1908 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von <strong>in</strong>sgesamt acht Lagerplätzen<br />

von Jägern aus der Altste<strong>in</strong>zeit gefunden wurde.<br />

Später bildete die Donau bei Mautern für die Römer<br />

die nördlichste Grenze, im 10. Jahrhundert wählten<br />

die Babenberger Melk, den westlichsten Punkt der<br />

Wachau, zum Zentrum ihrer Macht. Sie alle benutzten<br />

die Donau zum Transport ihrer Waren, im Mittelalter<br />

war Ste<strong>in</strong> e<strong>in</strong> wichtiger Hafen und Krems e<strong>in</strong> blühender<br />

Handelsort.<br />

Während die hölzernen Boote stromabwärts mit<br />

Rudern und Segeln manövriert wurden, mussten sie<br />

gegen die Strömung mit langen Seilen und Stangen<br />

von Pferden mühsam auf den Uferpfaden gezogen<br />

werden. E<strong>in</strong>en ganzen Tag lang brauchte man mit dem<br />

sogenannten „Treideln“, aus dem das Wort „Treppelweg“<br />

entstand, von Krems nach Spitz.<br />

Der Schiffsgast von heute braucht dafür gerade e<strong>in</strong>mal<br />

gemütliche e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Stunden, <strong>in</strong>klusive der beiden<br />

Stopps <strong>in</strong> Weißenkirchen und Dürnste<strong>in</strong> und kann<br />

dabei se<strong>in</strong>e Gedanken schweifen lassen. Wie die Donau<br />

mäandern sie durch den Landstrich, der be<strong>in</strong>ahe noch<br />

so aussieht wie vor 1.000 Jahren, als ihn die Menschen<br />

zum Erblühen brachten. Nur der Hochwasserschutz ist<br />

neu, als Tribut an die moderne Zeit, die den Strom zu<br />

immer neuen Rekordpegeln anschwellen lässt.<br />

„Ahhhh“, sagt Rudi Pichler und streckt sich droben<br />

auf der Achleiten <strong>in</strong> der milden Frühl<strong>in</strong>gssonne, „jetzt<br />

kann’s bald losgehen.“ Vorsichtig hat er die jungen<br />

Triebe <strong>in</strong> quer gespannte Schnüre verstrickt, damit sie<br />

nicht von W<strong>in</strong>d und Wetter geknickt werden. Langsam<br />

wandern unsere Blicke über die Donau tief unten bis<br />

nach Rossatz l<strong>in</strong>ks h<strong>in</strong>über zum blauen Dürnste<strong>in</strong>er<br />

Kirchturm und zurück über Weißenkirchen bis Spitz.<br />

E<strong>in</strong> magischer Platz, fürwahr. Und jetzt verfällt nicht<br />

nur die Besucher<strong>in</strong> <strong>in</strong> klischeehafte Glückseligkeit. 3<br />

Oben: Ende März/Anfang April beg<strong>in</strong>nen die Marillenbäume zu blühen<br />

und überziehen vor allem das rechte Ufer mit weißen Tupfen. Unten:<br />

Alexandra Gschwandter und Bernhard Kaar haben den Safrananbau hier<br />

wiederbelebt (großes Bild). Sab<strong>in</strong>e Schneeweiß töpfert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em alten<br />

Weißenkirchner Salzstadl traditionelle und moderne Keramik (darunter).<br />

www.donau.com, www.niederoesterreich.at


FAST VERGESSENE REZEPTE<br />

Aus Omas Kochbuch<br />

Buchteln mit Marillenfülle<br />

Das große Geheimnis ihrer wunderbar flaumigen Wuchteln –<br />

„Wir haben hier <strong>in</strong> der Region immer Wuchteln g’sagt“ – ist e<strong>in</strong>fach.<br />

„Man muss sie mit Liebe machen“, verrät Anna Merschitz und lacht.<br />

REDAKTION: HARALD NACHFÖRG<br />

FOTO: EISENHUT & MAYER<br />

Fe<strong>in</strong>er Teig, fe<strong>in</strong>e Hitze<br />

Abgesehen davon, dass man es natürlich merkt, mit<br />

wie viel Liebe Anna Merschitz die Buchteln zubereitet<br />

– es gibt schon auch noch andere Gründe, warum ihre<br />

gar so gut schmecken. Zum Beispiel, weil sie mehr<br />

Dotter verwendet als nötig. „Damit der Teig fe<strong>in</strong>er<br />

wird“, sagt sie. Und das mit der Hitze ist auch so e<strong>in</strong>e<br />

Sache. Oma Merschitz kocht ja noch am Holzherd,<br />

so wie es <strong>in</strong> ihrer K<strong>in</strong>dheit üblich war. Damals, als<br />

Buchteln nicht bloß als köstliche Süßspeise galten,<br />

sondern, viel wichtiger, e<strong>in</strong> Essen waren, das satt<br />

macht. „Ob mit Vanillesauce oder wie jetzt mit Hollerkoch,<br />

ich hab sie von kle<strong>in</strong> auf gern gegessen“,<br />

er<strong>in</strong>nert sich die Merschitz-Oma. Und dass da, wo<br />

heute die Küche ist, früher der Kuhstall war. Ihre<br />

Tochter und ihr Schwiegersohn haben ja aus dem<br />

ehemaligen Bauernhof e<strong>in</strong> Wirtshaus gemacht.<br />

Genuss rund um den Teich<br />

Mit „Wirtshaus“ ist allerd<strong>in</strong>gs nicht wirklich beschrieben,<br />

was Gäste <strong>in</strong> Ödhöfen erwartet. Veronika und<br />

Uwe Machreich haben hier e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Paradies geschaffen.<br />

Im Mittelpunkt steht zwar das heimelige<br />

Zwei-Hauben-Lokal (herrlich, die rustikale Stube!),<br />

das man längst weit über die Bucklige Welt h<strong>in</strong>aus<br />

kennt. Aber se<strong>in</strong> Name wurde mit Bedacht gewählt:<br />

„Triad“, auf Griechisch „Dreiheit“. Weil abgesehen<br />

vom Schlemmen – es gibt übrigens auch e<strong>in</strong>en gut<br />

bestückten Hofladen –, kann man am malerisch gelegenen<br />

Anwesen auch noch golfen und Urlaub machen.<br />

Die Driv<strong>in</strong>g Range ist gleich h<strong>in</strong>term Restaurant, nur<br />

150 Meter weit entfernt der Teich. Und wer dort je mit<br />

e<strong>in</strong>em Glas We<strong>in</strong> gesessen ist, weiß, was es heißt, die<br />

Seele baumeln zu lassen. Also haben die Machreichs<br />

drei Zimmer e<strong>in</strong>gerichtet und das Ausged<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Ferienhäuschen umgebaut. Doch es wollen immer<br />

mehr Gäste übernachten.<br />

E<strong>in</strong> Bett <strong>in</strong> der Wiese<br />

Woher aber Quartier nehmen? Uwe Machreich überlegte<br />

lange und hatte schließlich e<strong>in</strong>e schräge Idee:<br />

Die Landschaft hier ist e<strong>in</strong> Idyll. Warum nicht e<strong>in</strong> Bett<br />

mitten <strong>in</strong> die Natur stellen?<br />

Was soll man sagen: Se<strong>in</strong> E<strong>in</strong>fall wurde adaptiert<br />

und schließlich das „Wiener Alpen Bett“ realisiert. Das<br />

ist e<strong>in</strong>e moderne 18 m 2 große Holzbox mit riesiger<br />

Glasfront und allem Komfort – quasi e<strong>in</strong> geschütztes<br />

Bett <strong>in</strong> der Natur. Zwei haben die Machreichs schon<br />

aufgestellt. E<strong>in</strong>es steht auf der Teichseite, e<strong>in</strong>es im<br />

Garten. So lässt sich ’s leben, im Paradies. 3<br />

Im „Wiener Alpen Bett“ kann man Urlaub mitten <strong>in</strong> der<br />

Natur machen. Und das auch noch mit allem Komfort.<br />

www.wieneralpen.at/dasbett<br />

ZUSATZFOTOS: WA/BENE CROY, PRIVAT<br />

42 <strong>Servus</strong>


Krumbach<br />

Anna Merschitz vom Wirtshaus<br />

Triad <strong>in</strong> der Buckligen Welt hat uns<br />

dieses traditionelle Rezept geschickt.<br />

Triad: Ödhöfen 25, 2853 Krumbach,<br />

www.triad-machreich.at<br />

BUCHTELN mit Marillenfülle und Hollerkoch nach Omas Rezept<br />

ZUTATEN FÜR 20 KLEINE<br />

BUCHTELN<br />

Zeitaufwand: 2 Stunden<br />

Für die Buchteln:<br />

250 g Mehl und Mehl zum<br />

Arbeiten<br />

20 g frische Germ<br />

⅛ l lauwarme Milch<br />

1 KL Zucker<br />

1 EL Öl<br />

1 Prise Salz<br />

1 KL Vanillezucker<br />

2 Dotter<br />

50 g Butter für die Form<br />

Zum Bestreichen und Füllen:<br />

100 g hausgemachte, feste<br />

Marillenmarmelade<br />

60 g Butter<br />

Für das Hollerkoch (ca. ½ Liter):<br />

150 g reife Holunderbeeren<br />

100 g Äpfel oder Birnen<br />

150 g Zwetschken<br />

2 cl Mandellikör<br />

⅛ l Rotwe<strong>in</strong><br />

2 EL Kristallzucker<br />

Gewürzsackerl mit 1 Vanilleschote<br />

1 Zimtstange<br />

3 Gewürznelken<br />

⅛ l geschlagenes Obers<br />

ZUBEREITUNG<br />

1. Die Holunderbeeren rebeln,<br />

die Zwetschken entkernen, die<br />

Äpfel schälen und die Kerngehäuse<br />

ausschneiden.<br />

2. Zwetschken und Äpfel kle<strong>in</strong><br />

schneiden. Holunder mit<br />

Zwetschken, Äpfeln, Likör,<br />

We<strong>in</strong>, Kristallzucker und<br />

Gewürzen etwa 1 Stunde<br />

köcheln lassen.<br />

3. Für die Buchteln das Mehl <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Rührschüssel geben und<br />

<strong>in</strong> der Mitte e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Grube<br />

machen. In diese Vertiefung<br />

die Germ bröseln, etwas<br />

Zucker und die Hälfte der lauwarmen<br />

Milch dazugeben. Nun<br />

die Zutaten <strong>in</strong> der Mitte vorsichtig<br />

verrühren, damit sich die<br />

Germ mit der warmen Milch<br />

vermengt. Dann zudecken und<br />

gehen lassen, bis der Vorteig <strong>in</strong><br />

der Mulde das doppelte Volumen<br />

angenommen hat.<br />

4. Jetzt Dotter, Öl, e<strong>in</strong>e Prise Salz<br />

und Vanillezucker unterrühren<br />

und am besten mit der Küchenmasch<strong>in</strong>e<br />

zu e<strong>in</strong>em Teig grob<br />

kneten, bis er Blasen wirft, und<br />

auf e<strong>in</strong>em bemehlten Brett<br />

etwa 1 cm dick ausrollen.<br />

5. Das Backrohr auf 160 °C vorheizen.<br />

6. Mit e<strong>in</strong>em Ausstecher Kreise<br />

von etwa 3 cm Durchmesser ausstechen.<br />

E<strong>in</strong>e feuerfeste rechteckige<br />

Form großzügig mit lauwarmer<br />

Butter ausstreichen.<br />

Die ausgestochenen Teigkreise<br />

mit etwas Marillenmarmelade<br />

füllen, den Teig darüberziehen,<br />

zusammendrücken und direkt<br />

<strong>in</strong> die warme Butter dicht nebene<strong>in</strong>ander<br />

<strong>in</strong> die Form<br />

schichten. Zugedeckt nochmals<br />

gehen lassen, bis die<br />

Buchteln wieder das doppelte<br />

Volumen erreicht haben.<br />

7. Etwa 30 M<strong>in</strong>uten im Heißluft-<br />

Backrohr goldbraun backen.<br />

Danach stürzen, mit Staubzucker<br />

bestreuen und warm<br />

servieren.<br />

8. Vor dem Servieren das Gewürzsackerl<br />

aus dem Hollerkoch<br />

entfernen und vorsichtig<br />

das geschlagene Obers unterheben.<br />

Tipp: Ohne Schlagobers lässt<br />

sich das Hollerkoch hervorragend<br />

<strong>in</strong> Rexgläsern im Kühlschrank<br />

aufbewahren. Nach dem Öffnen<br />

aufkochen, das geschlagene<br />

Obers unterheben, servieren.<br />

<strong>Servus</strong> 43


GENUSS<br />

Das neue Leben der<br />

Sauerbirla<br />

E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Geschichte der Elsbeere<br />

und ihrer schmackhaften Wiederentdeckung<br />

im niederösterreichischen Wiesenwienerwald.<br />

TEXT: ELISABETH RUCKSER<br />

FOTOS: DANIEL GEBHART DE KOEKKOEK<br />

I<br />

m Reich der Botanik ist sie wohl die<br />

König<strong>in</strong> der Namen: Nicht weniger als<br />

180 Bezeichnungen s<strong>in</strong>d der Elsbeere <strong>in</strong><br />

der Fach literatur gewidmet, so wird sie<br />

Adlasbeere genannt, Sauerbirla, Elschbirle,<br />

Ruhrbirne oder Atlasbaum.<br />

Ihren heute gebräuchlichen Namen<br />

verdankt sie Mart<strong>in</strong> Luther. Er war der<br />

Erste, der im frühen 16. Jahrhundert<br />

von den Elsbeeren schrieb, den kle<strong>in</strong>en<br />

Früchten, die se<strong>in</strong>e Frau so liebte, dass<br />

er Bekannte darum bat, welche von ihren<br />

Reisen mitzubr<strong>in</strong>gen.<br />

Der den Luthers gut bekannte berühmte<br />

deutsche Botaniker Hieronymus<br />

Bock setzte der Elsbeere <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em New<br />

Kreütterbuch e<strong>in</strong> erstes wissenschaftliches<br />

Denkmal, als er unter die Abbildung<br />

schrieb: Wir haben hie e<strong>in</strong>en wilden Baum,<br />

der nicht jedermann bekannt ist.<br />

Und das ist auch heute noch so, trotz<br />

se<strong>in</strong>er stattlichen Ersche<strong>in</strong>ung: Bis zu<br />

20 Meter ragen die größten Exemplare<br />

mit ihren ausladenden Ästen <strong>in</strong> die Höhe.<br />

Die Früchte dieses so selbstbewussten<br />

Baums zu pflücken lohnt sich. Schließlich<br />

kann man Elsbeeren nicht nur vom<br />

Baum naschen – sie schmecken, wenn<br />

sie reif s<strong>in</strong>d, zunächst leicht säuerlich,<br />

um danach e<strong>in</strong> herzhaftes marzipanähnliches<br />

Aroma zu entfalten –, sie<br />

lassen sich auch zu herrlichen Marmeladen,<br />

Likören oder dem berühmten<br />

Schnaps verarbeiten.<br />

DER SCHNAPS IST EINE MEDIZIN<br />

„E<strong>in</strong> bissl e<strong>in</strong>en Aufwand verlangt sie<br />

schon“, gesteht Norbert Mayer, Elsbeerbauer<br />

aus Michelbach, 20 Kilometer südöstlich<br />

von St. Pölten. Mit langen Leitern<br />

rückt die gesamte Familie alljährlich zwischen<br />

September und November zur Ernte<br />

aus. In schw<strong>in</strong>delerregender Höhe<br />

müssen die Fruchtdolden von Hand geerntet<br />

werden. Und damit ist es lange<br />

nicht getan. Aber der Reihe nach …<br />

In der Region des sogenannten Wiesenwienerwalds,<br />

so nennt man den südwestlichen<br />

Teil des Wienerwalds, der<br />

schon <strong>in</strong>s niederösterreichische Mostviertel<br />

überlappt, gab es seit jeher die<br />

Tradition der Verarbeitung der Elsbeere.<br />

Vor allem der Schnaps aus den etwa olivengroßen,<br />

bräunlichen Beeren hatte es<br />

den Leuten hier immer schon an getan.<br />

„E<strong>in</strong>e Mediz<strong>in</strong> ist er!“, wie Wirt und Koch<br />

Franz Schwarzwallner betont.<br />

Mit der Zeit drohte die Tradition jedoch<br />

sanft zu entschlummern, bis sich<br />

e<strong>in</strong>ige enga gierte Leute zum „Vere<strong>in</strong> zur<br />

44 <strong>Servus</strong>


Michelbach<br />

Veronika Mayer, ihr Ehemann<br />

Norbert, Eva Kübel und Brigitte<br />

Mayer (von l<strong>in</strong>ks) beim Abrebeln<br />

der nachgereiften Elsbeeren.<br />

Etwa drei Kilo schaffen sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Stunde. Je nach Ernte sitzt<br />

die Familie – oft unterstützt von<br />

Freunden – bis zu drei Wochen<br />

täglich bei dieser Handarbeit.<br />

Rechts: In der zweiten Septemberhälfte<br />

ist es wieder so weit.<br />

Dann beg<strong>in</strong>nt „Auf der Pr<strong>in</strong>z“,<br />

so heißt das Anwesen der Familie<br />

Mayer, die Elsbeeren-Ernte.<br />

Wie ihr Mann Norbert steigt<br />

Veronika hoch h<strong>in</strong>auf auf die<br />

Bäume, um die begehrten Früchte<br />

zu pflücken.<br />

Erhaltung, Pflege und Vermarktung der<br />

Elsbeere“ zusammenschlossen, um sie<br />

wiederzubeleben.<br />

Und so entwickelte man zum Beispiel<br />

e<strong>in</strong>e Elsbeermarmelade. „Da haben wir<br />

alle mite<strong>in</strong>ander immer wieder das e<strong>in</strong>e<br />

oder andere versucht, bis die Eva Kübel<br />

das richtige Rezept fand“, erzählt Norbert<br />

Mayer. Mit e<strong>in</strong>em Konditor wurde<br />

e<strong>in</strong>e Elsbeerschokolade kreiert, mit der<br />

Fachschule Pyhra e<strong>in</strong> Elsbeerkäse erfunden,<br />

und <strong>in</strong> den Wirtshäusern der Region<br />

servierte man Elsbeermenüs. An die<br />

30 Familien und Betriebe s<strong>in</strong>d heute <strong>in</strong><br />

die Initiative „Elsbeer-Reich“ e<strong>in</strong>gebunden,<br />

Tendenz: steigend.<br />

So e<strong>in</strong>fallsreich man auch <strong>in</strong> der Zubereitung<br />

neuer Spezialitäten ist, so<br />

sehr folgt man <strong>in</strong> der Verarbeitung der<br />

Tradition: Die Beeren werden händisch<br />

mitsamt der Dolde vom Baum gepflückt<br />

– und zwar genau dann, wenn ungefähr<br />

die Hälfte der Früchte schon reif ist, die<br />

andere aber noch nicht. Dann werden<br />

sie zum Nachreifen aufgelegt und<br />

schließlich, nach etwa e<strong>in</strong>er Woche,<br />

Stück für Stück sorgfältig von den Stängeln<br />

gepflückt. E<strong>in</strong> Teil wird anschließend<br />

zu Marmelade oder Fruchtmus<br />

verarbeitet, e<strong>in</strong> anderer destilliert. Oder<br />

man macht aus den Beeren getrocknete<br />

Knabbereien, Müsliriegel und Kuchen.<br />

DER ELSBEER-FLÜSTERER<br />

E<strong>in</strong>e der wichtigsten Aufgaben des<br />

Elsbeer-Vere<strong>in</strong>s ist die Verjüngung<br />

des Baumbestands, da die meisten<br />

der mächtigen Riesen schon 150 bis<br />

200 Jahre zählen. Junge Elsbeerbäume<br />

zu setzen ist aber gar nicht so e<strong>in</strong>fach.<br />

Sogar wenn Profis Hand anlegen, liegt<br />

die Ausfallsquote bei fast 50 Prozent.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs gibt es da e<strong>in</strong>en, den man im<br />

Wiesenwienerwald nur respektvoll<br />

„Herr Wagner“ nennt, e<strong>in</strong>en pensionierten<br />

Gärtner mit magischen Fähig keiten<br />

– be<strong>in</strong>ahe e<strong>in</strong>en Elsbeer-Flüsterer.<br />

„Ja, der Herr Wagner“, sagt Norbert<br />

Mayer anerkennend, „41 Bäume hat er<br />

veredelt, 39 s<strong>in</strong>d angewachsen!“ So ist,<br />

Herrn Wagner sei Dank, rechtzeitig für<br />

Thronfolge im Elsbeer-Reich gesorgt. 3<br />

Elsbeer-Reich:<br />

Alle Produkte, Produzenten und<br />

Elsbeer-Wirte sowie Informationen<br />

zur Genuss Region WiesenWienerWald<br />

Elsbeere www.elsbeerreich.at und bei<br />

Vere<strong>in</strong>sobmann Norbert Mayer.<br />

Tel.: +43/664/350 89 53<br />

<strong>Servus</strong> 45


HAUSBESUCH<br />

Das genussvolle Gut<br />

Wohnen, We<strong>in</strong> und Wohlgeschmack – wer sich im<br />

zauberischen Gut Oberstockstall <strong>in</strong> Kirchberg am Wagram<br />

e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Auszeit gönnt, nimmt Urlaub für alle S<strong>in</strong>ne.<br />

TEXT: ACHIM SCHNEYDER<br />

FOTOS: MICHAEL REIDINGER


Oberstockstall<br />

Birgit und Fritz Salomon (l<strong>in</strong>ke Seite rechts unten) s<strong>in</strong>d Herr<strong>in</strong> und Herr über das zu Gut Oberstockstall<br />

gehörende We<strong>in</strong>gut. Die gotische Kapelle (l<strong>in</strong>ke Seite oben) wurde um 1320 erbaut,<br />

die ausladend großen Genießerzimmer <strong>Niederösterreich</strong> (oben) s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> barockem Stil gehalten.<br />

usammenfassend lässt sich<br />

schwärmerisch Folgendes sagen: exzellent<br />

gegessen, besonders schöne We<strong>in</strong>e<br />

getrunken, behaglich gewohnt und herrlich<br />

geschlafen. Mit anderen Worten:<br />

s<strong>in</strong>nenfrohes Se<strong>in</strong>.<br />

Wie’s dazu kam? Ganz e<strong>in</strong>fach: auf<br />

Gut Oberstockstall <strong>in</strong> Kirchberg am Wagram<br />

gewesen. Dort, wo sich We<strong>in</strong>gut,<br />

Restaurant und Genießerzimmer der Familie<br />

Salomon quasi unter e<strong>in</strong>em Dach<br />

bef<strong>in</strong>den. Gut, die We<strong>in</strong>gärten natürlich<br />

nicht, aber zum<strong>in</strong>dest die Keller … „Man<br />

spürt die Geschichte <strong>in</strong> nahezu jedem<br />

Raum“, sagt Eva Salomon, die 1987 den<br />

Grundste<strong>in</strong> für das Restaurant legte, das<br />

<strong>in</strong>zwischen ihr jüngster Sohn Matthias<br />

als Sommelier und Serviceleiter auch<br />

nach außen h<strong>in</strong> repräsentiert.<br />

Das Restaurant bef<strong>in</strong>det sich im ehemaligen<br />

Ges<strong>in</strong>detrakt des im Jahre 1135<br />

erstmals urkundlich erwähnten Gutes,<br />

das rund 180 Jahre später auch um<br />

e<strong>in</strong>e gotische Kapelle erweitert wurde.<br />

Damals, 1135, wurde das Gut dem<br />

Domkapitel Passau übertragen, <strong>in</strong> dessen<br />

Besitz es schließlich bis 1803 blieb.<br />

In weiterer Folge gehörte es kurz der<br />

7<br />

EIN ORT, AN DEM<br />

MAN IN JEDEM<br />

EINZELNEN RAUM<br />

GESCHICHTE SPÜRT.<br />

7<br />

Hofkammer und danach auch noch der<br />

Nationalbank. Bis 1875. Da ersteigerte<br />

Karl Salomon das prachtvolle Anwesen,<br />

das seither im Besitz der Familie ist.<br />

Das Ambiente des Lokals, ganz egal<br />

ob Stube, Salon oder lichtdurchfluteter<br />

W<strong>in</strong>tergarten, versetzt den genießenden<br />

Gast <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Zustand wohlig angeregter<br />

Entspannung, die Gerichte von Küchenchef<br />

Christoph Wagner tragen e<strong>in</strong> weiteres<br />

Stück zur Glückseligkeit bei. Von<br />

den We<strong>in</strong>en von Birgit und Fritz Salomon<br />

– übrigens e<strong>in</strong> Enkel des großen<br />

Josef Jamek – ganz zu schweigen.<br />

IM EINKLANG MIT DER NATUR<br />

„Wir haben komplett auf biologischdynamischen<br />

We<strong>in</strong>bau umgestellt“, erzählt<br />

Fritz Salomon, der das We<strong>in</strong>gut<br />

mit Birgit seit 1997 führt. „Für uns war<br />

das Umstellen aber nicht gleichbedeutend<br />

mit e<strong>in</strong>em rigorosen Umdenken,<br />

sondern e<strong>in</strong>e logische Konsequenz des<br />

steten Weiterdenkens.“ Gedüngt wird<br />

ausschließlich mit hofeigenem Kompost<br />

und Mist, und auch die Chemiekeule<br />

schlägt längst nicht mehr zu. „E<strong>in</strong>en Demeter-We<strong>in</strong>garten<br />

zu bewirtschaften ➻<br />

<strong>Servus</strong> 47


Oben: E<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> den W<strong>in</strong>tergarten des<br />

Restaurants, das als e<strong>in</strong>e der schönsten<br />

Gaststätten Österreichs zertifiziert ist.<br />

Mitte l<strong>in</strong>ks: Fritz und Birgit Salomon im<br />

Verkostungsraum. Mitte rechts und unten:<br />

Die Holzböden <strong>in</strong> den Zimmern s<strong>in</strong>d teils<br />

noch orig<strong>in</strong>al erhalten.<br />

bedeutet, sich der Natur zu bedienen.<br />

Nützl<strong>in</strong>ge können sich hier quasi frei bewegen<br />

und bekämpfen die Schädl<strong>in</strong>ge.“<br />

Gekeltert werden neben Klassikern wie<br />

Grünem Veltl<strong>in</strong>er, Riesl<strong>in</strong>g oder Zweigelt<br />

auch Blauer Burgunder und Cabernet<br />

Sauvignon. Wobei Fritz Salomon auf e<strong>in</strong>es<br />

besonderen Wert legt: die Arbeit im<br />

We<strong>in</strong>garten. „Weil man im Keller nicht<br />

reparieren kann, was draußen nicht an<br />

Qualität wächst. Wir lesen nur händisch<br />

und gehen im Keller besonders behutsam<br />

vor. Schwefel etwa wird kaum<br />

e<strong>in</strong>gesetzt, dafür schwören wir auf den<br />

längeren Ausbau auf der Hefe.“<br />

RESIDIEREN WIE IM BAROCK<br />

Nicht nur aufgrund der We<strong>in</strong>e und des<br />

Genusses selbiger ist es so beruhigend<br />

und erfreulich, auf Gut Oberstockstall<br />

nächtigen zu können. Denn man hat<br />

hier die Wahl, <strong>in</strong> barockem Stil zu residieren<br />

oder noch weiter zurückzureisen<br />

bis <strong>in</strong> die Renaissance. „Das heutige<br />

Hauptgebäude, <strong>in</strong> dem sich der Wohntrakt<br />

bef<strong>in</strong>det, ließ Domherr Christoph<br />

von Trenbach <strong>in</strong> den 1540er-Jahren im<br />

Stil der Renaissance erbauen“, erzählt<br />

Birgit Salomon und geleitet durch<br />

die fünf stilsicher adaptierten Zimmer,<br />

die den Gästen seit März 2014 zur Verfügung<br />

stehen und den Salomons zur<br />

Aufnahme <strong>in</strong> die exklusive Runde der<br />

Genießerzimmer-Vermieter <strong>Niederösterreich</strong>s<br />

verholfen haben. Ausladend<br />

groß – bis 62 Quadratmeter –, teilweise<br />

mit barockem Mobiliar ausgestattet<br />

und über Böden aus Holz verfügend,<br />

die partiell noch orig<strong>in</strong>al erhalten s<strong>in</strong>d.<br />

Schmuckstücke, <strong>in</strong> denen man sich<br />

vom ersten Moment an wohlfühlt. Von<br />

dem Moment an, wo die schwere Holztür<br />

h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>s Schloss fällt. 3<br />

Gut Oberstockstall, Tel.: 02279/23 35,<br />

www.gut-oberstockstall.at<br />

Alle 114 Vermieter von zertifizierten<br />

Genießerzimmern <strong>in</strong> <strong>Niederösterreich</strong><br />

f<strong>in</strong>den Sie unter www.geniesserzimmer.at<br />

48 <strong>Servus</strong>


****Alpenhotel Gös<strong>in</strong>g im<br />

Naturpark Ötscher-Tormäuer<br />

Als „Ort lebendiger Stille“ wird das Alpenhotel Gös<strong>in</strong>g – <strong>in</strong>mitten<br />

des großen hauseigenen Forstes gelegen – oft bezeichnet. E<strong>in</strong> Platz zum<br />

Aufatmen <strong>in</strong>mitten von frei atmender Natur.<br />

Fotos: Alpenhotel Gös<strong>in</strong>g<br />

Der auf 981 Metern gelegene Ort hat<br />

nur acht Hausnummern und sogar e<strong>in</strong>e<br />

eigene Postleitzahl: Gös<strong>in</strong>g, e<strong>in</strong> gebettet<br />

im Naturpark Ötscher-Tormäuer, ist<br />

zwar sehr kle<strong>in</strong>, aber zu jeder Jahreszeit<br />

reich an Möglich keiten, die traumhafte<br />

Natur im Ötscher gebiet zu entdecken.<br />

Spaziergänge, Wanderungen,<br />

Langlaufen, Schneeschuhwandern,<br />

Skifahren oder e<strong>in</strong>fach nur Rasten und<br />

Auftanken – für all diese wohltuenden<br />

Auszeiten vom Alltag tut man gut<br />

daran, das Alpenhotel Gös<strong>in</strong>g anzufahren.<br />

Am besten umweltfreundlich mit<br />

der Mariazellerbahn zum haus nahen<br />

Bahnhof.<br />

Es war e<strong>in</strong>mal vor über 100 Jahren<br />

E<strong>in</strong> Teil des Gebäudes entstand bereits<br />

Anfang des 20. Jahrhunderts und<br />

diente als Unterkunft für die Ingenieure<br />

beim Bau der Mariazellerbahn. Heute<br />

verb<strong>in</strong>det das Alpenhotel Gös<strong>in</strong>g traditionelles<br />

Flair, moderne Standards –<br />

und ungestörte Natur: <strong>in</strong> völliger E<strong>in</strong>zellage<br />

mitten im hauseigenen Forst, mit<br />

dem Ötscher unmittelbar vor Augen.<br />

So lässt es sich mit allen S<strong>in</strong>nen entspannen,<br />

aktiv se<strong>in</strong> und genießen:<br />

Hallen- und Freibad, Sauna, Sanarium,<br />

Dampfbad, Infrarotkab<strong>in</strong>e, Fitnessraum,<br />

Tennisplatz, Massagen, kosmetische<br />

Anwendungen, biologische und<br />

regionale Küche. Das Haus trägt das<br />

Umweltzeichen, nicht zuletzt wegen<br />

der autarken Stromversorgung aus<br />

dem Kraftwerk an der Erlauf. Und e<strong>in</strong>e<br />

eigene Quelle versorgt das ganze Hotel<br />

mit lebendigem Tr<strong>in</strong>kwasser. Da spürt<br />

man die Natur durch und durch!<br />

NATUR PUR ERLEBEN<br />

Im E<strong>in</strong>klang mit der Natur bietet das<br />

Alpenhotel Gös<strong>in</strong>g se<strong>in</strong>en Gästen e<strong>in</strong>e<br />

Reihe von Vorteilen, die dem Haus<br />

auch das Umweltzeichen bescherten:<br />

• ökologisch nachhaltig anreisen direkt<br />

zum Hotel mit der Maria zellerbahn<br />

• lebendiges Wasser aus der Gös<strong>in</strong>g-<br />

Quelle<br />

• Ökostrom von eigenen Wasserkraftwerken<br />

• Heizholz aus dem eigenen Forst<br />

• Wild aus Eigenjagd – Forst Gös<strong>in</strong>g<br />

• Honig aus dem Ötschergebiet<br />

• weitestgehend biologische Lebensmittel<br />

• Produkte aus der Region werden<br />

mit der Mariazellerbahn zugestellt<br />

www.goes<strong>in</strong>g.at


GENUSSREISE<br />

Der We<strong>in</strong> und die Liebe<br />

Im Veltl<strong>in</strong>erland rund um Poysdorf geht’s speziell <strong>in</strong> den Kellergassen<br />

hoch her. Vor allem im Herbst, wenn die Menschen die Früchte<br />

ihrer Arbeit genießen. Und so manches mehr.<br />

TEXT: ACHIM SCHNEYDER<br />

FOTOS: PETER PODPERA<br />

50 <strong>Servus</strong>


Poysdorf<br />

Der e<strong>in</strong>drucksvolle Blick reicht<br />

über den kle<strong>in</strong>en We<strong>in</strong>ort Falkenste<strong>in</strong><br />

mit se<strong>in</strong>er mächtigen Ru<strong>in</strong>e<br />

und den zahlreichen We<strong>in</strong>gärten<br />

bis nach Tschechien und verliert<br />

sich <strong>in</strong> der Unendlichkeit.<br />

<strong>Servus</strong> 51


Aus Tschechien hat’s e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Luftballon<br />

herübergeweht. Gefüllt mit Gas. Der hat sich<br />

jetzt, nachdem e<strong>in</strong> Teil vom Gas bereits entwichen ist,<br />

herabgesenkt vom Himmel und verfangen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

We<strong>in</strong>stock am Ortsrand von Falkenste<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e dünne<br />

Schnur hängt dran an diesem Luftballon und an dieser<br />

Schnur e<strong>in</strong>e Karte. Mit e<strong>in</strong>er Nachricht drauf auf<br />

Tschechisch, e<strong>in</strong>er Adresse und e<strong>in</strong>er Zeichnung von<br />

K<strong>in</strong>derhand. Die zeigt e<strong>in</strong>en Mann im Anzug und e<strong>in</strong>e<br />

Frau im Kleid. Jana und Pavel haben geheiratet, jetzt<br />

lassen die beiden die Welt teilhaben an ihrer Liebe.<br />

„Das ist e<strong>in</strong> Brauch“, erklärt me<strong>in</strong> Begleiter und<br />

steckt die Botschaft e<strong>in</strong>, die per Luftpost kam. „Wer<br />

die Nachricht f<strong>in</strong>det, soll e<strong>in</strong>e Antwort schicken. Das<br />

br<strong>in</strong>gt Glück.“ – „Wir schicken We<strong>in</strong>“, sage ich. Immerh<strong>in</strong><br />

bef<strong>in</strong>den wir uns im Veltl<strong>in</strong>erland, dem nordöstlichen<br />

Ausläufer des We<strong>in</strong>viertels, wo sich so vieles<br />

um den Rebensaft dreht.<br />

Oben: E<strong>in</strong> Luftballon aus<br />

Tschechien mit der Nach -<br />

richt von e<strong>in</strong>er Hochzeit hat<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em We<strong>in</strong>garten<br />

nahe Falkenste<strong>in</strong> verfangen.<br />

Schreibt man den jungen<br />

Eheleuten zurück, soll das<br />

Glück br<strong>in</strong>gen.<br />

L<strong>in</strong>ks: Kle<strong>in</strong>e Presshäuser<br />

f<strong>in</strong>den sich im Veltl<strong>in</strong>erland<br />

an allen Ecken und Enden.<br />

Unten: Barbara Schüller<br />

von der Gruppe Frauenkompott<br />

s<strong>in</strong>gt nicht zuletzt<br />

auf We<strong>in</strong>festen wunderbar<br />

böse Lieder.<br />

DIE KUNST DES AUGENZWINKERNS<br />

Speziell im Herbst blüht die Region auf. Falkenste<strong>in</strong><br />

etwa, wenn Kellergassenfest ist. Gläser klirren, Handwerkskunst<br />

wird feilgeboten, es wird gelacht und<br />

We<strong>in</strong> ausgeschenkt und sechs Damen erheben s<strong>in</strong>gend<br />

ihre Stimmen. Frauenkompott nennt sich dieses Volksmusikensemble<br />

aus der Region, das se<strong>in</strong> Publikum mit<br />

fröhlich-frechem, kritisch-ironischem und bisweilen<br />

fast kabarettistischem Liedgut nicht nur im We<strong>in</strong>herbst<br />

ausgezeichnet unterhält.<br />

Für beste Unterhaltung ist auch <strong>in</strong> Herrnbaumgarten<br />

gesorgt. In jenem Dorf, <strong>in</strong> dem Friedl Umschaid<br />

zu Hause ist. Der Friedl ist W<strong>in</strong>zer, aber nicht nur. Er<br />

ist auch König der Unterwelt und Mitbegründer und<br />

Obmann des VVG, des Vere<strong>in</strong>s zur Verwertung von<br />

Gedankenüberschüssen. In se<strong>in</strong>er Funktion als Obmann<br />

fischt der Friedl nun e<strong>in</strong>en Schlüssel aus se<strong>in</strong>er<br />

Tasche und sperrt e<strong>in</strong>e Welt auf, die sich jemand, der<br />

noch nie dort war, kaum vorstellen kann: das Nonseum.<br />

Jenen aus den Wörtern Nonsens und Museum<br />

abgeleiteten Ort, an dem die hohe Kunst des Augenzw<strong>in</strong>kerns<br />

gepflegt und beherrscht wird wie kaum<br />

irgendwo sonst.<br />

Das Nonseum zeigt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em alten Stadl, e<strong>in</strong>em<br />

großen Garten und e<strong>in</strong>em 2012 eröffneten modernen<br />

Nebengebäude weit mehr als 500 Objekte, die die<br />

Welt nicht braucht. Oder doch?<br />

EIN LABYRINTH UNTER DER ERDE<br />

„E<strong>in</strong> paar Freunde und ich“, er<strong>in</strong>nert sich Friedl Umschaid,<br />

„hatten <strong>in</strong> den frühen 1980ern e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>schneidendes<br />

Erlebnis: E<strong>in</strong>e Kellner<strong>in</strong> hat e<strong>in</strong> besudeltes<br />

52 <strong>Servus</strong>


Tischtuch e<strong>in</strong>fach umgedreht. Da haben wir beschlossen,<br />

e<strong>in</strong> würfeliges Tischtuch zu erzeugen, das man<br />

sechsmal wenden kann, ohne es auch nur e<strong>in</strong>mal waschen<br />

zu müssen. Und dann haben wir den VVG gegründet<br />

und begonnen, unentwegt D<strong>in</strong>ge zu erf<strong>in</strong>den.<br />

Den Zebrastreifen zum Ausrollen etwa oder die Ziehharmonika<br />

mit e<strong>in</strong>gebautem Expander für musikalischen<br />

Muskelaufbau.“<br />

Man muss es erleben, das Nonseum. Wie man auch<br />

Friedl Umschaids Kellerlabyr<strong>in</strong>th erleben muss. In den<br />

vergangenen gut 20 Jahren nämlich hat der rastlos<br />

Umtriebige se<strong>in</strong>en eigenen und neun weitere Keller<br />

aus der unmittelbaren Nachbarschaft <strong>in</strong> mühevoller<br />

Kle<strong>in</strong>arbeit unterirdisch mite<strong>in</strong>ander verbunden. Das<br />

Resultat: e<strong>in</strong> auf zirka 1.600 Quadratmeter Gesamtfläche<br />

<strong>in</strong>sgesamt gut 600 Meter langer, sehr verw<strong>in</strong>kelter<br />

Pfad durch Lehmröhren und Gänge von unterschiedlicher<br />

Höhe und Breite, gesäumt von über 15.000 Flaschen<br />

We<strong>in</strong>, geschmückt mit e<strong>in</strong>igen We<strong>in</strong>altären <strong>in</strong><br />

erdigen Nischen und schwach ausgeleuchtet von rund<br />

500 Lampen und noch mehr Kerzen. Letztere werden<br />

freilich nur bei Veranstaltungen wie Verkostungen entzündet,<br />

bei Lesungen, bei Konzerten oder – und auch<br />

das gibt’s hier rund acht Meter unter der Erde – bei<br />

Bällen mit Musik und Tanz.<br />

DAS ÄLTESTE HAUS UND DIE GUTE IDEE<br />

In Poysdorf wiederum, der Hauptstadt des Veltl<strong>in</strong>erlandes,<br />

ist speziell das Eisenhuthaus aus dem Jahre<br />

1540 e<strong>in</strong>en Besuch wert. Benannt ist das älteste Haus<br />

des Ortes nach der Familie Eisenhut, die hier seit dem<br />

Preußenkrieg 1866 zu Hause war. Als dann vor über<br />

25 Jahren mit Antonia das letzte Familienmitglied<br />

gestorben ist, ist niemand mehr e<strong>in</strong>gezogen und das<br />

Haus mehr und mehr zur Ru<strong>in</strong>e verkommen. Der W<strong>in</strong>zer<br />

Wolfgang Rieder hat es schließlich im Jahr 2009<br />

erworben und vor dem totalen Verfall bewahrt. Mehr<br />

noch, er hat ihm Leben e<strong>in</strong>gehaucht. Im vorderen Teil,<br />

der allerd<strong>in</strong>gs nicht mehr zu retten war, bef<strong>in</strong>det sich<br />

nun e<strong>in</strong> Kaffeehaus mit angeschlossener Backstube.<br />

Im h<strong>in</strong>teren Teil, außen wie <strong>in</strong>nen liebevoll restauriert,<br />

laden im Obergeschoß Doppelzimmer und Appartements<br />

mit zum Teil noch orig<strong>in</strong>alen Holzdecken<br />

aus längst vergangenen Zeiten zum Übernachten e<strong>in</strong>.<br />

Nicht weit von Poysdorf, <strong>in</strong> Enzersdorf und ebenfalls<br />

im Jahr 2009, hatte Bernd Hamal e<strong>in</strong>en genialen<br />

E<strong>in</strong>fall und baute se<strong>in</strong>en ersten We<strong>in</strong>flaschenständer<br />

aus e<strong>in</strong>er We<strong>in</strong>daube. We<strong>in</strong>dauben s<strong>in</strong>d die gebogenen<br />

Bretter e<strong>in</strong>es We<strong>in</strong>fasses, und e<strong>in</strong>e solche Daube nahm<br />

Bernd zur Hand, marschierte mit ihr <strong>in</strong> die Tischlerwerkstatt<br />

se<strong>in</strong>es Vaters, bürstete sie so lange, bis ➻<br />

Oben: Während die<br />

Erwachsenen beim Kellergassenfest<br />

<strong>in</strong> Falkenste<strong>in</strong><br />

den We<strong>in</strong> verkosten,<br />

spielen die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> den<br />

angrenzenden We<strong>in</strong>gärten.<br />

Rechts: Zwei Gläser<br />

We<strong>in</strong>viertel DAC vom<br />

W<strong>in</strong>zer Friedl Umschaid,<br />

dem Herrscher der Unterwelt<br />

<strong>in</strong> Herrnbaumgarten,<br />

schließlich hat er dort<br />

mehrere Keller zu e<strong>in</strong>em<br />

großen zusammengelegt<br />

und feiert dort mitunter<br />

sehr eigenwillige Feste.<br />

Unten: e<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong>s<br />

Nonseum, wo der Aberwitz<br />

wohnt. Hier s<strong>in</strong>d über<br />

500 Exponate von D<strong>in</strong>gen<br />

ausgestellt, die die Welt<br />

nicht braucht.


54 <strong>Servus</strong><br />

9<br />

WO DER WEIN EINEM LANDSTRICH DEN<br />

NAMEN GIBT: VELTLINER – ZU HAUSE<br />

IM ÄUSSERSTEN OSTEN ÖSTERREICHS<br />

UND IN DEN GLÄSERN DER WELT.<br />

9


sie glatt war, bohrte flaschenhalsgroße Löcher h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

und ließ sie mit Öl e<strong>in</strong>. Als Bodenplatte diente e<strong>in</strong> Teil<br />

e<strong>in</strong>es Fassbodens – fertig war der We<strong>in</strong>flaschenständer.<br />

Aus der Idee wurde e<strong>in</strong> lukratives Geschäft.<br />

Oben: e<strong>in</strong>e Kellergasse <strong>in</strong><br />

Herrnbaumgarten.<br />

L<strong>in</strong>ks: Bernd Hamal machte<br />

aus der Not e<strong>in</strong>e Tugend.<br />

Er brauchte e<strong>in</strong>en We<strong>in</strong>ständer,<br />

also baute er sich<br />

e<strong>in</strong>en – und zwar aus e<strong>in</strong>er<br />

Daube, sprich aus e<strong>in</strong>em<br />

Brett e<strong>in</strong>es alten Fasses.<br />

Inzwischen wurde daraus<br />

e<strong>in</strong> lukratives Geschäft.<br />

Unten: e<strong>in</strong> Stiegenaufgang<br />

im Eisenhuthaus, dem<br />

äl testen Haus <strong>in</strong> Poysdorf.<br />

Es stammt aus dem Jahr<br />

1540 und wurde zuletzt<br />

behutsam restauriert.<br />

Heute beherbergt es e<strong>in</strong><br />

Kaffeehaus sowie e<strong>in</strong>ige<br />

Gästezimmer, <strong>in</strong> denen<br />

noch die orig<strong>in</strong>alen Holzdecken<br />

zu bewundern s<strong>in</strong>d.<br />

VON KÖRNDL- UND VON WEINBAUERN<br />

„Wisst ihr, wie man Kellergassen noch nennt?“, fragt<br />

Johannes Stadler. „Dörfer ohne Rauchfang.“ Johannes<br />

Stadler ist W<strong>in</strong>zer <strong>in</strong> Falkenste<strong>in</strong> und Heurigenwirt.<br />

„Falkenste<strong>in</strong>“, erzählt Johannes Stadler, „wurde im<br />

Jahr 1050 <strong>in</strong> Zusammenhang mit der Burg gegründet,<br />

die damals zur Grenzsicherung gegen die e<strong>in</strong>fallenden<br />

Böhmen errichtet wurde. Vom 13. bis <strong>in</strong>s 18. Jahrhundert<br />

war hier auch das Falkenste<strong>in</strong>er Berggericht beheimatet,<br />

die zentrale Anlaufstelle <strong>in</strong> Streitfragen um<br />

den We<strong>in</strong> im Gebiet von Wien bis nach Brünn.“<br />

Am Abend kommen wir mit e<strong>in</strong>igen E<strong>in</strong>heimischen<br />

<strong>in</strong>s Gespräch. „Wie seid ihr denn so, ihr Veltl<strong>in</strong>erländer?“<br />

– „Unterschiedlich“, sagt e<strong>in</strong>er. – „Inwiefern?“ –<br />

„Kommt drauf an, woher e<strong>in</strong>er kommt. Kommst aus<br />

e<strong>in</strong>em Ort, wo nur Körndlbauern zu Hause s<strong>in</strong>d, die<br />

mit den Sonnenblumen oder dem Mais, dann bist oft<br />

e<strong>in</strong> eher verschlossener Mensch, weil dort nichts los<br />

ist. Kommst aber aus e<strong>in</strong>em Ort mit vielen We<strong>in</strong>bauern,<br />

dann bist viel offener. Denn wo der We<strong>in</strong> wohnt,<br />

ist auch die Liebe zu Hause.“<br />

Apropos Liebe: Wir müssen zur Post. Denn <strong>in</strong> wenigen<br />

Tagen soll <strong>in</strong> Tschechien e<strong>in</strong> junges Paar mit<br />

Grünem Veltl<strong>in</strong>er aus dem We<strong>in</strong>viertel auf se<strong>in</strong> Glück<br />

anstoßen. Zum Wohl! 3<br />

UNTERWEGS IM VELTLINERLAND<br />

1. E<strong>in</strong>e andere Art von Kompott<br />

Im We<strong>in</strong>viertel gibt’s sechs Frauen, die machen Volksmusik.<br />

Mit teils bitterbösen, teils saukomischen Texten.<br />

„Therapiesitzungen“ nennt die Formation Frauenkompott<br />

ihre Konzertabende. www.frauenkompott.<strong>in</strong>fo<br />

2. Der W<strong>in</strong>zer im Kellerlabyr<strong>in</strong>th<br />

Friedl Umschaid produziert exzellenten We<strong>in</strong>. Und er ist<br />

Meister e<strong>in</strong>es Kellerlabyr<strong>in</strong>ths <strong>in</strong> Herrnbaumgarten, wo<br />

er mehrere Keller verbunden hat und dort Feste feiert,<br />

die’s sonst wohl kaum wo gibt. www.umschaid.at<br />

3. S<strong>in</strong>n und Zweck und Kunst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Als Bernd Hamal e<strong>in</strong>en We<strong>in</strong>ständer brauchte, erfand er<br />

e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>en. www.orig<strong>in</strong>al-we<strong>in</strong>daube.at<br />

4. Wo der Witz wohnt<br />

Herrnbaumgarten beherbergt das berühmte Nonseum.<br />

Hier f<strong>in</strong>den sich über 500 Exponate von D<strong>in</strong>gen, die die<br />

Welt nicht braucht. www.nonseum.at<br />

5. We<strong>in</strong> und Design<br />

Die Schau- und Verkostungsräume auf Johannes Stadlers<br />

We<strong>in</strong>gut s<strong>in</strong>d architektonische Musterbeispiele, wie man<br />

We<strong>in</strong>tradition mit Moderne vere<strong>in</strong>t. Se<strong>in</strong>e We<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d<br />

ebenfalls ausgezeichnet. www.we<strong>in</strong>gut-stadler.com<br />

<strong>Servus</strong> 55


HANDWERK<br />

Die Wandsonnenuhr am Schloss<br />

Trumau, die Johann J<strong>in</strong>dra junior mit<br />

aufwendigen Restaurierungsarbeiten<br />

wieder zum Leben erweckt hat.<br />

I<br />

m Ysper-Weitental gehen die Uhren<br />

anders. Gemächlicher, weil es e<strong>in</strong> stiller<br />

Landstrich ist, <strong>in</strong> dem die Menschen<br />

e<strong>in</strong> von der Welt recht abgeschiedenes<br />

Leben leben. Aber auch, weil hier Sonnenuhren<br />

den Rhythmus des Tages<br />

bestimmen.<br />

Und diese lassen ke<strong>in</strong>e Hektik zu.<br />

Schon alle<strong>in</strong>, weil „e<strong>in</strong> Blick auf die Uhr“<br />

sich nicht <strong>in</strong> Sekundenschnelle erledigt.<br />

Da muss e<strong>in</strong>er schon genau schauen, wo<br />

der Schatten des Zeigers h<strong>in</strong>fällt. Und<br />

wenn es ke<strong>in</strong>en Schatten gibt, dann gibt<br />

es auch ke<strong>in</strong>e Zeit, die drängt.<br />

Die Menschen hier schauen auch<br />

gern auf ihre Sonnenuhren, wenn die<br />

Sonnenzeit<br />

In Weiten im Waldviertel stellt Johann J<strong>in</strong>dra junior<br />

geheimnisvolle Uhren her. Obwohl sie nur e<strong>in</strong>en Zeiger haben,<br />

s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> der Region und weit darüber h<strong>in</strong>aus heiß begehrt.<br />

TEXT: SILVIA MATRAS<br />

FOTOS: JULIA STIX<br />

Sonne gar nicht sche<strong>in</strong>t. Schließlich<br />

s<strong>in</strong>d die auf die Häuser gemalten Zifferblätter<br />

wunderschön.<br />

AM ANFANG STAND EINE KAHLE MAUER<br />

Woh<strong>in</strong> man auch schaut <strong>in</strong> der idyllischen<br />

Marktgeme<strong>in</strong>de Weiten, überall<br />

Sonnenuhren. Und schuld daran ist<br />

Johann J<strong>in</strong>dra senior, besser gesagt:<br />

se<strong>in</strong>e Frau Marianne. Der war nämlich<br />

die Mauer ihres damals gerade fertiggebauten<br />

Hauses zu kahl, und daher<br />

wünschte sie sich von ihrem Mann als<br />

Zierde e<strong>in</strong>e Sonnenuhr. Ke<strong>in</strong> Problem,<br />

dachte der gelernte Schlosser: „E<strong>in</strong> Zeiger,<br />

Ziffern von e<strong>in</strong>s bis zwölf – und fertig<br />

ist die Uhr.“ Doch schnell wurde ihm<br />

klar, dass das alles nicht so e<strong>in</strong>fach ist.<br />

Was wusste er schon von Gnomonik –<br />

wie sich die Wissenschaft der Sonnenuhrenkunde<br />

nennt? Vom Polstab, von<br />

Äquatorialsonnenuhren und von der<br />

Berechnung des Breitengrads sowie anderen<br />

Geheimnissen rund um den Bau<br />

des Zifferblatts – von all dem hatte er<br />

damals ke<strong>in</strong>e Ahnung.<br />

Ganze acht Jahre musste se<strong>in</strong>e Frau<br />

warten, bis sie ihre Sonnenuhr bekam.<br />

Ehrgeizig, wie Johann senior immer<br />

schon war, baute er nämlich e<strong>in</strong>e Uhr,<br />

die nicht nur die Stunden, sondern auch<br />

die Jahreszeit anzeigt.<br />

56 <strong>Servus</strong>


Weiten<br />

Mittlerweile <strong>in</strong> Pension, steht er bis heute<br />

oft <strong>in</strong> der Werkstatt, um se<strong>in</strong>em Sohn<br />

Johann zu helfen, der mit Begeisterung<br />

das Werk se<strong>in</strong>es Vaters fortsetzt.<br />

NUR KEINE BÖSEN GEDANKEN AM FEUER<br />

Zusammen arbeiten sie etwa an e<strong>in</strong>er<br />

Vertikalsonnenuhr, wie die Modelle für<br />

die Hausmauer genannt werden. Bevor<br />

mit dem handwerklichen Teil begonnen<br />

werden kann, muss Johann junior die<br />

Neigung der Mauer, den Schatten des<br />

Dachvorsprungs und den Standort des<br />

Hauses samt Breitengrad bestimmen.<br />

Nur so lässt sich der Zeiger, Polstab genannt,<br />

präzis ausrichten.<br />

Ohne diese Berechnungen und e<strong>in</strong>er<br />

Zeichnung <strong>in</strong> Orig<strong>in</strong>algröße würden<br />

Vater und Sohn nicht ans Werk gehen.<br />

Denn wenn der Polstab auch nur e<strong>in</strong>en<br />

Grad vom exakt bestimmten W<strong>in</strong>kel abweicht,<br />

macht das e<strong>in</strong>e Ungenauigkeit<br />

von acht M<strong>in</strong>uten aus. „Wandsonnenuhren<br />

können daher nicht abgenommen<br />

und an e<strong>in</strong>em anderen Standort montiert<br />

werden. Sie würden ke<strong>in</strong>e genaue<br />

Zeit zeigen“, erklärt Johann junior.<br />

Beim Schmieden mahnt Johann senior,<br />

während der Arbeit am Feuer ja<br />

ke<strong>in</strong>e schlechten Gedanken zu hegen<br />

oder Böses zu murmeln. „Weil man früher<br />

glaubte, die Schmiede verfüge über<br />

Zauberkräfte, hat man sie an den Rand<br />

des Dorfes verbannt. Wir nennen uns<br />

zwar nur Schlosser“, scherzt Johann<br />

junior, „und s<strong>in</strong>d daher von so e<strong>in</strong>em<br />

Bannfluch ausgenommen, aber <strong>in</strong> Wahrheit<br />

schmieden wir natürlich auch.“<br />

Auch weitab des Weitentales s<strong>in</strong>d die<br />

J<strong>in</strong>dras gefragt. So fertigten sie etwa e<strong>in</strong>e<br />

Sonnenuhr für die Gandegghütte, die auf<br />

3.030 Metern im schweizerischen Zermatt<br />

liegt. Und sogar bis Burk<strong>in</strong>a Faso<br />

reicht der gute Ruf. Im Garten e<strong>in</strong>es<br />

dort lebenden österreichischen Zahnarztes<br />

steht e<strong>in</strong>e Sonnenuhr aus J<strong>in</strong>dras<br />

wunderbarer Schlosser-Werkstatt. 3<br />

Sonnenuhren Johann J<strong>in</strong>dra<br />

3653 Weiten 120, Tel.: +43/2758/82 92<br />

www.sonnenuhren.com<br />

Die Sonnenuhr am Pfarrhof<br />

von Weiten. Auch Hochwürden<br />

schaut gern nach<br />

oben, wenn er wissen will,<br />

wie spät es ist (ganz oben).<br />

Diese Äquatorialsonnenuhr<br />

steht im Garten der J<strong>in</strong>dras.<br />

Der Kontrast zwischen<br />

rostigem Zifferblatt und<br />

vergoldeten Stundenziffern<br />

ist Absicht (oben).<br />

Johann J<strong>in</strong>dra junior und<br />

senior mit Sonne (rechts).<br />

Tipp: Familie J<strong>in</strong>dra ist Partner<br />

der Initiative „Handwerk und<br />

Manufaktur im Waldviertel“.<br />

Sonnenuhrengarten und<br />

-werkstatt stehen für Führungen<br />

offen. Informationen unter<br />

www.waldviertel-handwerk.at


KLEIN & FEIN<br />

<strong>Servus</strong>-Tipp:<br />

DAS 10. GRAFENEGG FESTIVAL<br />

FINDET VOM 19. AUGUST<br />

BIS 11. SEPTEMBER<br />

STATT.<br />

Der Wolkenturm im<br />

Schlosspark bietet<br />

2.000 Gästen Platz,<br />

kulturelle Darbietungen<br />

unter freiem Himmel<br />

zu genießen.<br />

Bühne frei für Grafenegg<br />

E<strong>in</strong> Schloss wie aus dem Märchenbuch. Und darüber h<strong>in</strong>aus<br />

e<strong>in</strong>e der ersten Adresse der österreichischen Kulturlandschaft,<br />

wo auch Kunst und Kul<strong>in</strong>arik mite<strong>in</strong>ander verschmelzen.<br />

TEXT: ACHIM SCHNEYDER<br />

ur E<strong>in</strong>stimmung e<strong>in</strong> Picknick im<br />

weitläufigen Schlosspark? Beim<br />

Goldfischteich vielleicht, unter e<strong>in</strong>em<br />

der jahrhundertealten Bäume oder auf<br />

e<strong>in</strong>er weiten Frühl<strong>in</strong>gswiese?<br />

Grafenegg macht’s möglich. Man holt<br />

sich die Köstlichkeiten vom Picknickpavillon<br />

gegenüber der von Spitzenkoch<br />

Toni Mörwald geleiteten Taverne, sucht<br />

sich se<strong>in</strong> Platzerl und stimmt sich e<strong>in</strong><br />

auf den Kunstgenuss – auf Musik unter<br />

freiem Himmel zum Beispiel im historischen<br />

Schlosshof bei den nachmittäglichen<br />

Prélude-Konzerten, Konzerte<strong>in</strong>führungen<br />

<strong>in</strong> der ehemaligen Reitschule<br />

und hochkarätig besetzte Konzertprogramme.<br />

EIN HIMMLISCHES GEBILDE<br />

Prunkstück und zentrale Spielstätte des<br />

weitläufigen Geländes ist freilich der<br />

Wolkenturm, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e natürliche<br />

Senke des Parks e<strong>in</strong>gebettete und preisgekrönte<br />

Open-Air-Bühne, deren Konstruktion<br />

aus Beton und Stahl e<strong>in</strong> wahrlich<br />

unbeschreiblicher Blickfang ist. Der<br />

Wolkenturm – e<strong>in</strong>e akustische Skulptur<br />

und Symbol für das moderne Grafenegg.<br />

1.700 Gästen stehen hier Sitzplätze zur<br />

Verfügung, 300 können das Bühnengeschehen<br />

vom Rasen aus verfolgen. Und<br />

wenn das Wetter nicht mitspielt, übersiedeln<br />

Künstler und Publikum <strong>in</strong> den<br />

Konzertsaal, <strong>in</strong> dem auch die Mat<strong>in</strong>ee-<br />

Konzerte stattf<strong>in</strong>den. Initiator der kul-<br />

turellen Umtriebigkeit, zu der auch verschiedene<br />

Ausstellungen gehören, war<br />

Hausherr Franz-Albrecht Metternich-<br />

Sándor. Das geschah im Jahre 1971. Seit<br />

2007 gilt das Grafenegg Festival unter<br />

der künstlerischen Leitung von Pianist<br />

Rudolf Buchb<strong>in</strong>der als jährlicher Höhepunkt.<br />

Die Veranstaltung etablierte sich<br />

als e<strong>in</strong>es der bedeutendsten Orchesterfestivals<br />

Europas. Beim Jubiläumsfestival<br />

s<strong>in</strong>d heuer im August und September<br />

unter anderem die Wiener Philharmoniker,<br />

das Cleveland Orchestra mit<br />

Franz Welser-Möst, das Concertgebouw-<br />

Orchester Amsterdam und Solisten wie<br />

Klaus Florian Vogt und Hilary Hahn zu<br />

Gast. www.grafenegg.com<br />

➻<br />

58 <strong>Servus</strong>


Musik, marsch!<br />

In der Produktion En avant, marche!<br />

s<strong>in</strong>d neu arrangierte Werke von<br />

Strauss und Verdi sowie heimisches<br />

Marschrepertoire zu hören.<br />

Umgesetzt wird das ungewöhnliche<br />

Stück von e<strong>in</strong>er Marschkapelle,<br />

Tänzern des Les ballets C de la B<br />

sowie von Schauspielern des Genter<br />

Stadttheaters. Am 10. Juni im<br />

Festspielhaus St. Pölten.<br />

www.festspielhaus.at<br />

Barocke Klänge<br />

Unter der künstlerischen Leitung<br />

von Michael Schade f<strong>in</strong>den vom<br />

13. bis 16. Mai die Internationalen<br />

Barocktage Stift Melk statt.<br />

Motto heuer: „Illusion und Wirklichkeit“.<br />

Die Götter- und Sagenwelt<br />

kommt ebenso vor wie e<strong>in</strong>e<br />

Gegenüberstellung von Adel und<br />

Volk. Geistliches trifft auf Irdisches<br />

und Überirdisches.<br />

www.barocktagemelk.at<br />

Nitsch & Co<br />

Im Rahmen der Ausstellung<br />

„Hermann Nitsch – Ritual“, die<br />

ab 15. Mai im Nitsch Museum<br />

<strong>in</strong> Mistelbach zu sehen ist, werden<br />

neben eigenen Arbeiten<br />

des Künstlers Werke der bildenden<br />

Kunst, Literatur und Musik<br />

gezeigt, die im Verständnis von<br />

Hermann Nitsch das Ritualhafte<br />

widerspiegeln.<br />

www.nitschmuseum.at<br />

FOTOS: ALEXANDER HAIDEN, STEPHAN VANFLETERN, PHOTO GRAPHIC ART, AKP/HEUBER, GERHARD HADERER, HERSTELLER<br />

Die Römer s<strong>in</strong>d los<br />

An den drei Wochenenden<br />

zwischen 28. Mai und 12. Juni<br />

erwartet die Besucher der Römerstadt<br />

Carnuntum das Leben von<br />

e<strong>in</strong>st <strong>in</strong> Re<strong>in</strong>kultur. Zu erleben gibt<br />

es die Bühnenshow Carnuntum<br />

und die Kaiser Roms, römisches<br />

Handwerk, K<strong>in</strong>derprogramm und<br />

römische Genussstationen.<br />

www.carnuntum.at<br />

Das Beste von Haderer<br />

„Th<strong>in</strong>k Big!“ – so heißt die Gerhard-Haderer-Ausstellung,<br />

die<br />

bis 11. November im Karikaturmuseum<br />

Krems zu bestaunen ist.<br />

Erstmals werden auch großflächige<br />

Ölgemälde des grandiosen<br />

oberösterreichischen Satirikers gezeigt.<br />

Insgesamt s<strong>in</strong>d 140 Arbeiten<br />

und zahlreiche Skizzen zu sehen.<br />

www.karikaturmuseum.at<br />

Verborgene Landschaft<br />

Das MAMUZ-Museum Mistelbach<br />

zeigt bis 27. November die<br />

Ausstellung Stonehenge. Verborgene<br />

Landschaft. Gigantische<br />

Ste<strong>in</strong>modelle <strong>in</strong> Orig<strong>in</strong>algröße<br />

sowie digitale Animationen zu<br />

Ritualen versetzen Besucher <strong>in</strong><br />

die mystische Welt unserer Vorfahren<br />

vor mehr als 4.000 Jahren.<br />

www.mamuz.at<br />

<strong>Servus</strong> 59


Spanien und Paris <strong>in</strong> Baden<br />

Die Sommerarena der Bühne Baden eröffnet die Saison am 17. Juni mit Franz<br />

Lehárs 1922 uraufgeführter Operette „Frasquita“, die musikalisch nach Spanien<br />

und Paris entführt. Unter der Regie von Anette Leistenschneider schlüpft<br />

Bibiana Nwobilo <strong>in</strong> die Titelrolle der Frasquita. Erzählt wird e<strong>in</strong>e turbulente<br />

Geschichte um zwei Freunde, zwei Frauen und die große Liebe, wobei speziell<br />

die Melodie „Schatz, ich bitt’ dich, komm heut’ Nacht“ weltberühmt wurde.<br />

Tipp: Anlässlich des 110-jährigen Jubiläums bitten die Bühne Baden und die<br />

Konditorei Trahbüchler diesen Sommer zum Picknick im Park. Picknickkörbe<br />

können vor den Vorstellungen im Café Florian im Kurpark abgeholt werden.<br />

Nur auf Vorbestellung! www.buehnebaden.at<br />

E<strong>in</strong> Bundesland ist Bühne<br />

Vom 15. Juni bis 17. September bietet<br />

<strong>Niederösterreich</strong> beim Theaterfest an<br />

22 Spielstätten Kulturvielfalt vom Fe<strong>in</strong>sten.<br />

Komödie und Musical, Oper und<br />

Operette, Schauspielklassiker – es gibt<br />

nichts, was es nicht gibt. Hohe künstlerische<br />

Qualität ist ebenso garantiert<br />

wie besonderes Ambiente, schließlich<br />

wird auch auf Burgen und <strong>in</strong> Schlössern<br />

gespielt. www.theaterfest-noe.at<br />

Hausers Meisterwerke<br />

2016 begeht das Museum Gugg<strong>in</strong>g<br />

se<strong>in</strong> zehnjähriges Jubiläum.<br />

Gefeiert wird mit e<strong>in</strong>er Ausstellung<br />

der Werke von Johann<br />

Hauser (1926–1996). Intensiv<br />

und mächtig s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Bildnisse<br />

von Damen, Raketen, Panzern,<br />

Schlangen und Schlössern. Große<br />

Eröffnungsfeier am 5. Juni!<br />

www.gugg<strong>in</strong>g.at<br />

Die Hauptstadt der<br />

Volksmusik<br />

Das 24. <strong>Niederösterreich</strong>ische<br />

Volksmusikfestival „aufhOHRchen“<br />

wandert dieses Jahr <strong>in</strong>s<br />

Mostviertel und verwandelt Lilienfeld<br />

vom 8. bis 12. Juni <strong>in</strong> die<br />

Hauptstadt der ländlichen Klänge.<br />

Am Abschlusssonntag darf e<strong>in</strong><br />

Frühschoppen natürlich nicht<br />

fehlen. www.aufhohrchen.at<br />

Theater im Norden<br />

Das Wald4tler Hoftheater startet<br />

im Mai <strong>in</strong> die neue Saison. Gegründet<br />

1986, zählt das Haus heute<br />

längst zu den etablierten österreichischen<br />

Spielstätten. In e<strong>in</strong>em<br />

alten Bürgermeisterhof <strong>in</strong> Pürbach<br />

werden klassische Dramen, moderne<br />

Stücke und Kle<strong>in</strong>kunst sowie<br />

Musikproduktionen geboten.<br />

www.w4hoftheater.co.at<br />

FOTOS: WWW.CHRISTIAN-HUSAR.COM, MARC GLASSNER, PRESSEFOTO LACKINGER, HERSTELLER<br />

60 <strong>Servus</strong>


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LAND & LEUTE<br />

Wenn der<br />

Mohn leuchtet<br />

E<strong>in</strong>st blühte er <strong>in</strong> jedem Hausgartl, dann geriet er <strong>in</strong> Vergessenheit.<br />

E<strong>in</strong> paar eigen s<strong>in</strong>nigen Waldviertlern aus Armschlag ist es zu<br />

verdanken, dass ihr Graumohn heute wieder <strong>in</strong> aller Munde ist.<br />

TEXT: ELISABETH RUCKSER<br />

FOTOS: DANIEL GEBHART DE KOEKKOEK<br />

62 <strong>Servus</strong>


W<br />

enn man im Herzen des Waldviertels<br />

durch den Fischwald Richtung Armschlag<br />

fährt, prägen farbenfrohe Äcker<br />

die Landschaft. Blütenfelder! E<strong>in</strong>mal<br />

leuchten sie im typisch <strong>in</strong>tensiven Rot,<br />

dann wieder ist e<strong>in</strong> Streifen elegant <strong>in</strong><br />

Rot-Weiß-Rosa gehalten, zuweilen auch<br />

höchst patriotisch <strong>in</strong> Rot-Weiß-Rot.<br />

Wenn der Hochsommer E<strong>in</strong>zug hält <strong>in</strong><br />

der hügeligen Gegend, gerät Rosemarie<br />

Neuwies<strong>in</strong>ger, die Mohnwirt<strong>in</strong> von Armschlag,<br />

<strong>in</strong>s Schwärmen: „Es ist jedes Jahr<br />

wieder unglaublich schön. Da muss ich<br />

e<strong>in</strong>fach raus auf die Felder. Auch wenn<br />

ich nur ganz wenig Zeit hab!“<br />

Die bunte Pracht währt nur kurz,<br />

zwei Wochen etwa. Schließlich blüht<br />

jede Pflanze nur e<strong>in</strong>en Tag, streckt sich<br />

der Sonne entgegen, bis Kronblätter und<br />

Staubbeutel zu Boden fallen und der<br />

Reifeprozess der Mohnkapsel beg<strong>in</strong>nt.<br />

EIN FEST FÜRS GANZE DORF<br />

In dieser Zeit geht’s <strong>in</strong> Armschlag hoch<br />

her. Jeden dritten Sonntag im Juli feiert<br />

man den Mohnblütensonntag, e<strong>in</strong> Fest<br />

fürs ganze Dorf und se<strong>in</strong>e Gäste. Gleichzeitig<br />

ist quasi Halbzeit im landwirtschaftlichen<br />

Mohnjahr. Und wenn die<br />

Pflanzen hoch <strong>in</strong> der Blüte stehen, dann<br />

ist zum<strong>in</strong>dest schon e<strong>in</strong> Stück des Weges<br />

geschafft. Doch das Bangen und Hoffen<br />

ist noch nicht vorbei, dass alles gutgehen<br />

möge bis zur Ernte des Graumohns oder<br />

Papaver somni ferum, wie der botanische<br />

Name der Pflanzenfamilie ist.<br />

Bis <strong>in</strong>s 13. Jahrhundert lässt sich der<br />

Mohnanbau <strong>in</strong> der Gegend zwischen<br />

Zwettl und Jauerl<strong>in</strong>g zurückverfolgen.<br />

In e<strong>in</strong>er der ältesten Aufzeichnungen des<br />

Stiftes Zwettl, im „Urbar des Abtes Ebro“<br />

von 1280, kann man das nachlesen.<br />

Riesige Anbauflächen wurden durch<br />

die Jahrhunderte bepflanzt, „Zwettler<br />

Mohn“ sogar bis nach Amerika verkauft.<br />

Auf den Höfen rund um Zwettl hatte<br />

ihn natürlich jeder. Der Mohn wurde<br />

ja für die Ernährung der Familie gebraucht.<br />

„Auf dem ,Bifang‘ – so nannte<br />

man e<strong>in</strong> Eck von e<strong>in</strong>em Acker, das nicht<br />

mehr gut zu bearbeiten war – wurde der<br />

Mohn ausgesät“, erzählt die Mohnwirt<strong>in</strong><br />

von alten Tagen.<br />

➻<br />

Armschlag<br />

Wenn der Mohn blüht, hat der Hochsommer E<strong>in</strong>zug gehalten. Und dann holt sich auch<br />

Rosemarie Neuwies<strong>in</strong>ger, die Mohnwirt<strong>in</strong> von Armschlag, e<strong>in</strong>en Strauß voll bunter Pracht.<br />

Unten: Blüten, Bilder, Malerei. Auch im Extrazimmer ist nicht zu übersehen, woher der<br />

„Mohnwirt“ se<strong>in</strong>en schönen Namen hat.<br />

<strong>Servus</strong> 63


Von der Blüte (l<strong>in</strong>ks oben) bis zur Kapsel<br />

(oben rechts als Puppendekoration)<br />

e<strong>in</strong>e Schönheit: Waldviertler Graumohn.<br />

Früher wurde er <strong>in</strong> hölzernen Mörsern<br />

von Hand zerstoßen (rechts).<br />

7<br />

Der Graumohn ist e<strong>in</strong><br />

„sehender“ Mohn: Wenn er<br />

reif ist, gehen kle<strong>in</strong>e Augen<br />

unterhalb der ehemaligen<br />

Blüte auf. Aus ihnen wird der<br />

Samen herausgeschüttelt.<br />

7<br />

Aufwendig und mühselig war das.<br />

Schließlich wurde alles von Hand gemacht,<br />

bis h<strong>in</strong> zum Mahlen der reifen<br />

Samen. „Mohn muss richtig zerquetscht<br />

werden. Das war die Aufgabe der K<strong>in</strong>der<br />

– und alles andere als beliebt“, sagt<br />

Rosemarie Neuwies<strong>in</strong>ger.<br />

Sie kann sich noch gut daran er<strong>in</strong>nern.<br />

Gezählte hundertmal musste jedes<br />

der vier Geschwister den Stößel <strong>in</strong> den<br />

hölzernen Mohnmörser, „Nabi“ genannt,<br />

fallen lassen. Manchmal auch öfter, jedenfalls<br />

so lange, bis die gestrenge Großmutter<br />

befand, dass der Mohn nun fe<strong>in</strong><br />

genug gemahlen war.<br />

ALS LOHN GAB’S SÜSSE KÖSTLICHKEITEN<br />

„Die Samen wurden im Backrohr angewärmt,<br />

dann kam e<strong>in</strong> bisserl Kristallzucker<br />

dazu. Und zum Schluss hat die<br />

Großmutter e<strong>in</strong> Kaffeelöfferl <strong>in</strong> die<br />

Mohnmasse getaucht – wenn die dran<br />

picken geblieben ist, waren wir fertig.“<br />

Fast. Denn meist folgten noch e<strong>in</strong> paar<br />

Nabi-Füllungen, bis genug Mohn für<br />

Strudel oder Nudeln beisammen war.<br />

Als Lohn gab’s süße Köstlichkeiten. „Me<strong>in</strong>e<br />

Oma stammte aus Brünn, die konnte<br />

wunderbare Mehlspeisen machen“, er<strong>in</strong>nert<br />

sich Rosemarie Neu wies<strong>in</strong>ger mit<br />

großer Freude.<br />

Das richtige Mahlen oder eigentlich<br />

Zerquetschen des Mohns ist übrigens<br />

sehr wichtig, will man all se<strong>in</strong>e Aromen<br />

genießen. „Nur wenn die Samen richtig<br />

aufplatzen, schmeckt er wirklich“, weiß<br />

die Wirt<strong>in</strong>. Und das gel<strong>in</strong>gt eben entweder<br />

mit dem Mörser, der heute jedoch<br />

wie bei den Neuwies<strong>in</strong>gers nur noch als<br />

Sammlerobjekt dient, oder mit e<strong>in</strong>er<br />

händisch betriebenen Mohnmühle aus<br />

Metall – e<strong>in</strong> Mitteld<strong>in</strong>g zwischen Kaffeemühle<br />

und Fleischwolf, das es durchaus<br />

noch <strong>in</strong> so manchem Haushalt gibt.<br />

„Heutzutage ist es aber am e<strong>in</strong>fachsten,<br />

den Mohn mahlen zu lassen und<br />

ihn e<strong>in</strong> zu frieren“, sagt Rosemarie Neuwies<strong>in</strong>ger.<br />

Er ist dann gut haltbar und<br />

immer e<strong>in</strong>satzbereit. Durch se<strong>in</strong>en hohen<br />

Ölgehalt bleibt der Mohn nämlich<br />

auch streufähig, wenn er direkt aus der<br />

Tiefkühltruhe kommt.“<br />

Die kle<strong>in</strong>en grauen Kugeln bestehen<br />

knapp zur Hälfte aus Öl, das be son ders<br />

reich an ungesättigten Fettsäuren, an<br />

Kalium, Kalzium und anderen M<strong>in</strong>eralstoffen<br />

ist. Schon von alters her wurde<br />

Mohn daher auch <strong>in</strong> der Mediz<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Er galt als schmerzstillend, half<br />

bei Schlafpro blemen und bei allerlei<br />

Frauenleiden.<br />

LEHM, SAND, SONNE – UND VIEL ARBEIT<br />

In Armschlag begann man sich <strong>in</strong> den<br />

1980er-Jahren <strong>in</strong>tensiv mit Mohn zu<br />

beschäftigen. Das Kle<strong>in</strong>klima rund um<br />

Zwettl ist ideal dazu. Es ist nicht zu<br />

feucht, es gibt die richtigen, lehmigsandigen<br />

Böden und genug Sonne.<br />

Nahezu gleich geblieben ist der große<br />

Arbeitsaufwand. Mohn ist e<strong>in</strong> sensibles<br />

Pflänzchen, das viel Liebe und viel Hand-<br />

64 <strong>Servus</strong>


WALDVIERTLER MOHNNUDELN<br />

ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN<br />

Zeitaufwand: 1 Stunde<br />

Für den Teig:<br />

500 g mehlige Erdäpfel<br />

250 g griffiges Mehl<br />

30 g Butter<br />

1 Ei<br />

1 Prise Salz<br />

gemahlener Mohn (ca. 100 g,<br />

je nach Geschmack)<br />

4 EL Kristallzucker<br />

etwas Vanillezucker<br />

e<strong>in</strong> Schuss Rum<br />

10 g Butter<br />

ZUBEREITUNG<br />

1. Die Erdäpfel am besten am Vortag<br />

kochen. Schälen, fe<strong>in</strong> zerdrücken und<br />

mit Mehl, Butter, Salz und Ei zu e<strong>in</strong>em<br />

geschmeidigen Teig kneten.<br />

2. Etwa f<strong>in</strong>gerlange Nudeln formen und<br />

zirka 10 M<strong>in</strong>uten langsam kochen lassen.<br />

Nudeln abseihen.<br />

3. Butter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Topf zerlassen, mit<br />

Zucker, etwas Vanillezucker und e<strong>in</strong>em<br />

Schuss Rum mischen. Nudeln dr<strong>in</strong><br />

schwenken und den geriebenen Waldviertler<br />

Graumohn daruntermischen.<br />

4. Mit Staubzucker bestreut servieren.<br />

arbeit benötigt – besonders im biologischen<br />

Anbau. Zum Beispiel, wenn das<br />

Unkraut zwischen den Reihen entfernt<br />

und ausgehackt werden muss.<br />

Aber auch, wenn’s ans Ernten geht.<br />

Da kann der Mähdrescher nicht so ohne<br />

wei teres durchs Feld fahren, „wir wollen<br />

ja die schönen Mohnkapseln auch weiterverwenden“,<br />

sagt Neuwies<strong>in</strong>ger. Also<br />

wird büschelweise per Hand geschnitten,<br />

bevor man die reifen Samen vorsichtig<br />

herausklopft.<br />

Der Graumohn ist e<strong>in</strong> „sehender“<br />

Mohn, das bedeutet, dass gegen Ende<br />

des Reifeprozesses kle<strong>in</strong>e Öffnungen unterhalb<br />

des Blütensatzes aufgehen – die<br />

sogenannten „Augen“, aus denen der<br />

Samen herausgeschüttelt werden kann.<br />

Sieben Landwirte bauen mittlerweile<br />

wieder Mohn rund um Armschlag an.<br />

Sie haben e<strong>in</strong>en eigenen Vere<strong>in</strong> gegründet<br />

und s<strong>in</strong>d sehr rührig <strong>in</strong> der Vermarktung.<br />

Es gibt e<strong>in</strong>en Bauernladen mit<br />

vielen Mohnspezialitäten, e<strong>in</strong>e Kosmetik-<br />

l<strong>in</strong>ie mit dem schönen Namen „Mohn<br />

amour“, ja sogar e<strong>in</strong>e eigens kreierte<br />

Mohntracht.<br />

IM WIRTSHAUS WIRD WIEDER GEREDET<br />

„Die Dorfgeme<strong>in</strong>schaft ist durch all die<br />

Aktivitäten näher zusammengerückt“,<br />

erzählt man beim Mohnwirt stolz. „Es<br />

wäre schwierig gewesen, das Wirtshaus<br />

zu erhalten, hätten wir das Thema Mohn<br />

nicht wieder für uns entdeckt“, sagt<br />

Rosemarie Neuwies<strong>in</strong>ger. Nun ist Leben<br />

<strong>in</strong> der Stube. Man kommt, um sich auszutauschen<br />

und Pläne zu schmieden.<br />

„Wir s<strong>in</strong>d die Mohndorfgeme<strong>in</strong>schaft –<br />

e<strong>in</strong>e funktionierende Symbiose zwischen<br />

Wirt, Landwirt, Produzent und<br />

dem ganzen Dorf.“ Und natürlich feiern<br />

die E<strong>in</strong>wohner gern. Das Waldviertler<br />

Mohnjahr beg<strong>in</strong>nt am 17. März. Da hat<br />

Gertraud, die Schutzpatron<strong>in</strong> der Garten-<br />

und Feldfrüchte, Namenstag – Armschlag<br />

erwacht dann mit e<strong>in</strong>er feierlichen<br />

Dorfmesse aus dem W<strong>in</strong>ter schlaf.<br />

„Die Gertraud den Mohn baut“, heißt es<br />

schließlich, und ab dann werden die<br />

Felder hergerichtet. Am Karfreitag wird<br />

traditionell ausgesät, im Sommer geht’s<br />

beim Mohnblütensonntag rund. Und im<br />

Herbst endlich, am dritten Sonntag im<br />

September, feiert man Erntedank beim<br />

großen Mohnkirtag. Wenn alles gutgeht,<br />

wie gesagt. 3<br />

GUT ZU WISSEN<br />

Auf www.mohndorf.at f<strong>in</strong>den Sie Term<strong>in</strong>e<br />

und Informationen – vom Mohnkirtag<br />

bis zum Mohnlehrpfad.<br />

Wissenswertes über die Geschmackswelt<br />

des Waldviertels vom Mohn über<br />

Kräuter, Käse und Karpfen bis zum Bier<br />

und anderen fe<strong>in</strong>en Tropfen gibt’s auf<br />

www.geschmack-waldviertel.at.<br />

Waldviertel – ganz me<strong>in</strong> Geschmack:<br />

Den kul<strong>in</strong>arischen Führer durch die Region<br />

f<strong>in</strong>den Sie auf www.waldviertel.at<br />

zum Bestellen oder Herunterladen.<br />

<strong>Servus</strong> 65


HOFLADEN<br />

Biobauer Günter<br />

Hans<strong>in</strong>ger mit<br />

Kostproben aus<br />

der eigenen<br />

Produktion.<br />

Gutes von<br />

daheim<br />

9<br />

Die Eismacher<br />

aus dem Siern<strong>in</strong>gtal<br />

Wenn bei den Hans<strong>in</strong>gers täglich um fünf Uhr früh gemolken<br />

wird, dann liefern die 38 Kühe die Basis für e<strong>in</strong> ganz<br />

besonderes Produkt: köstliches Bioeis vom Bauernhof.<br />

TEXT: ELISABETH RUCKSER<br />

FOTOS: CHRISTOF WAGNER<br />

66 <strong>Servus</strong><br />

Diese Kühe haben’s gut, sie verbr<strong>in</strong>gen fast das<br />

ganze Jahr auf den Streuobstwiesen. Die Milch<br />

wird zu Joghurt oder Topfen und im Sommer mit<br />

frischen Beeren auch zu köstlichem Eis verarbeitet.


Kilb<br />

Auf dem Bio-Bauernhof von<br />

Familie Hans<strong>in</strong>ger <strong>in</strong> Kilb herrscht wie<br />

immer reger Betrieb. Mutter Anneliese<br />

steht seit der Früh <strong>in</strong> der Molkerei, Vater<br />

Herbert bereitet den Traktor mit dem<br />

großen Mähwerk vor. Günter arbeitet an<br />

der Eismasch<strong>in</strong>e, se<strong>in</strong>e Schwester Kar<strong>in</strong><br />

schupft derweil den Bioladen, der e<strong>in</strong><br />

paar Kilometer die Straße h<strong>in</strong>unter am<br />

Kirchplatz von Kilb liegt.<br />

Dennoch geht es irgendwie entspannt<br />

zu bei den Hans<strong>in</strong>gers – und für e<strong>in</strong>en<br />

kurzen Plausch mit neugierigen Gästen<br />

ist natürlich immer Zeit.<br />

Auf der Holzbank vor dem Haus<br />

lässt es sich gut <strong>in</strong> der Sonne sitzen, die<br />

frisch gemolkene Milch schwappt üppig<br />

<strong>in</strong>s Häferl und verwandelt den Kaffee<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e mollig-karamellbraune Köstlichkeit.<br />

Milchbauern waren die Hans<strong>in</strong>gers<br />

schon immer. Der Hof liegt <strong>in</strong>mitten von<br />

idyllischen Streuobstwiesen, e<strong>in</strong>gebettet<br />

<strong>in</strong> die sanften Hügel des Mostviertels.<br />

Insgesamt gehören 40 Hektar Wiesen<br />

zum Hof, 16 davon stehen als Weiden<br />

zur Verfügung.<br />

Das war durchaus e<strong>in</strong> Wagnis, denn<br />

der Zustrom war nicht von Anfang an so<br />

groß wie heute. Zusätzlich arbeiteten die<br />

Hans<strong>in</strong>gers aber auch immer mehr mit<br />

den Schulen <strong>in</strong> der Gegend zusammen<br />

und versorgten die K<strong>in</strong>der mit Milch,<br />

Kakao, Fruchtjoghurt und Apfelsaft.<br />

FRUCHTIGE VIELFALT AUS DER REGION<br />

Das benötigte Obst kommt aus der Nachbarschaft<br />

oder auch aus dem eigenen<br />

Garten: Ribiseln, Himbeeren, Erdbeeren,<br />

Brombeeren, Zwetschken, Birnen und<br />

Äpfel. Selbst Dirndln gehören bis heute<br />

zur angebotenen reichen Fruchtpalette.<br />

Denn die leuchtend roten, herben Kornelkirschen<br />

gedeihen wunderbar hier <strong>in</strong><br />

der Region.<br />

Das Schulprojekt lief gut. Bloß den<br />

Sommer über, da war’s doch e<strong>in</strong> wenig<br />

ruhiger, wegen der großen Ferien. Und<br />

so wurde e<strong>in</strong>e neue Idee geboren: Eiscreme.<br />

„Me<strong>in</strong>e Mutter hat Eis für uns gemacht,<br />

als wir noch K<strong>in</strong>der waren. Wir<br />

haben es alle immer schon sehr gern gegessen“,<br />

sagt Günter. Und die Idee fand<br />

von Anfang an begeis terte Abnehmer.<br />

So erweiterte man die klassische<br />

bäuerliche Milchverarbeitung um e<strong>in</strong>e<br />

Eismasch<strong>in</strong>e und legte los. Die Rezepte<br />

für das Eis entwickelte und verfe<strong>in</strong>erte<br />

Günter Hans<strong>in</strong>ger im Laufe der Zeit<br />

selbst.<br />

Es werden Milcheissorten von Kastanie<br />

bis Haselnuss hergestellt. Es gibt<br />

wunderbares Joghurt-Fruchteis oder<br />

auch vegane Sorbets <strong>in</strong> vielen Varianten.<br />

Und die Produktion läuft mittlerweile<br />

nahezu das ganze Jahr über.<br />

Verkauft wird das Kilber Bauernhofeis<br />

nicht nur an die Kundschaft im Bioladen,<br />

sondern auch an Wirtshäuser<br />

und Restaurants sowie auf ausgewählten<br />

Märkten.<br />

Selbstverständlich ist auch die Qualitätskontrolle<br />

bei den Hans<strong>in</strong>gers Familiensache:<br />

Wilson, der siebenjährige<br />

Neffe von Günter, übernimmt das jederzeit<br />

und gern und natürlich mit schmatzender<br />

Begeisterung. 3<br />

Bauernhof-Eis: Biohof Hans<strong>in</strong>ger,<br />

Tel.: +43/2748/74 66, www.hans<strong>in</strong>ger.at;<br />

Bioladen: Raiffeisenplatz 1, 3233 Kilb<br />

DER WEG DIREKT ZUM KONSUMENTEN<br />

Gemolken wird jeden Tag um fünf Uhr<br />

früh – jahre<strong>in</strong>, jahraus. Von Frühl<strong>in</strong>g bis<br />

Herbst s<strong>in</strong>d die Kühe den ganzen Tag<br />

auf der Weide, abends um fünf geht es<br />

wieder nach Hause. Dann werden sie<br />

versorgt und noch e<strong>in</strong>mal gemolken.<br />

Und immer schon suchten die Hans<strong>in</strong>gers<br />

auch nach Alternativen zum<br />

Herkömmlichen, nach Wegen, wie das,<br />

was sie im Mostviertel mit großer Sorgfalt<br />

herstellen, ohne den Umweg der<br />

<strong>in</strong>dustriellen Verarbeitung direkt an<br />

den Konsumenten kommen kann.<br />

Bereits vor 21 Jahren entschloss sich<br />

die Familie, e<strong>in</strong>en Bioladen zu eröffnen,<br />

mit Produkten aus häuslicher Herstellung<br />

und von Biobauern der Region.<br />

Bereits seit dem Jahr 2004 arbeiten mehr<br />

als 400 Partnerbetriebe unter dem Namen<br />

So schmeckt <strong>Niederösterreich</strong> geme<strong>in</strong>sam<br />

daran, regionale Lebensmittel frisch und<br />

<strong>in</strong> bester Qualität auf die Teller der Österreicher<br />

zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Geerntet wird, wenn die Zeit reif ist – also<br />

dann, wenn Obst und Gemüse am schmackhaftesten<br />

s<strong>in</strong>d, die meisten Vitam<strong>in</strong>e haben<br />

und alle wertvollen Inhaltsstoffe ausgereift<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Wachauer Marille, Waldviertler Mohn, Wildes<br />

aus dem Piest<strong>in</strong>gtal, We<strong>in</strong>bergr<strong>in</strong>d aus<br />

GUT ZU WISSEN<br />

Hollabrunn, Honig aus dem Wienerwald<br />

oder eben köstliches Bio-Eis aus dem<br />

Mostviertel machen Lust auf Genuss –<br />

und auf Ausflüge <strong>in</strong> die Regionen <strong>Niederösterreich</strong>s.<br />

Die Partnerbetriebe von So schmeckt <strong>Niederösterreich</strong><br />

freuen sich auf e<strong>in</strong>en Besuch und<br />

öffnen Besuchern gern die Hoftür.<br />

Alle zertifizierten Betriebe der Initiative<br />

sowie deren Köstlichkeiten von Dirndlmus<br />

bis Chilischmalz f<strong>in</strong>den Sie onl<strong>in</strong>e im<br />

So schmeckt <strong>Niederösterreich</strong>-Onl<strong>in</strong>eshop<br />

unter www.soschmecktnoe.at<br />

<strong>Servus</strong> 67


RÜCKBLICK<br />

das leben<br />

<strong>in</strong> alten zeiten<br />

9<br />

Auf zur Sommerfrische!<br />

Wien, Biedermeierzeit. An klaren Tagen schimmerten aus der Ferne die<br />

letzten Schneefelder am Schneeberg. Dort draußen, nah an den Bergquellen,<br />

wohnte für die Dauer e<strong>in</strong>es Sommers alles erstrebenswerte Glück.<br />

TEXT: GERTRAUD STEINER<br />

Wasser und Luft! Um sie re<strong>in</strong> – als<br />

pure Natur – genießen zu können, waren<br />

e<strong>in</strong>ige Strapazen zu bewältigen. Bis<br />

1842 rumpelten nur Pferdewagen <strong>in</strong> die<br />

grünen Fluren und seligen Gefilde h<strong>in</strong>aus,<br />

wo e<strong>in</strong>em die Brust weit und der<br />

Atem so leicht wurde, dass man glaubte,<br />

s<strong>in</strong>gen zu müssen. Erholungsuchende<br />

begnügten sich daher meist mit dem<br />

Wienerwald oder e<strong>in</strong>er Kur <strong>in</strong> Baden,<br />

wo Kaiser Franz I. die Sommer verbrachte.<br />

Dieser hatte 1805 und noch e<strong>in</strong>mal<br />

1807 den Schneeberg erstiegen und so<br />

Nicolas-Marie-Joseph Chapuy: „Der Thalhof. Der gastliche Ort <strong>in</strong> Reichenau“.<br />

Lithografie von Sandmann (koloriert), 1852.<br />

allen die Augen für die Fasz<strong>in</strong>ation der<br />

Bergwelt <strong>in</strong> Wiens Umgebung geöffnet.<br />

E<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Sehnsucht nach schöner<br />

Landschaft regte sich.<br />

Am 5. Mai 1842 fand die feierliche<br />

Eröffnung der Südbahn-Teilstrecke<br />

Wien–Gloggnitz statt. In e<strong>in</strong>er Tagesreise<br />

war nun das Schwarzatal erreichbar,<br />

die Reichenau, die Raxalpe und<br />

das Höllental. Am Pf<strong>in</strong>gstsonntag 1850<br />

stiegen 10.000 Fahrgäste <strong>in</strong> Gloggnitz<br />

aus dem Zug. Aber e<strong>in</strong> Ausflug alle<strong>in</strong><br />

wollte bald niemanden mehr glücklich<br />

machen. Man tat es dem Hof nach und<br />

suchte schon vor Beg<strong>in</strong>n der Sommerhitze<br />

das Land auf, um sich dort auch<br />

häuslich niederzulassen. Die Bahn erlaubte<br />

die Beförderung mit Koffern, Personal<br />

und Haushalt. Das war Sommerfrische!<br />

Zurück blieb der Ehemann, der<br />

erst freitags mit dem Busserlzug nach<br />

Payerbach oder Küb, nach Langenlois<br />

und Gars fuhr, wo ihn die Se<strong>in</strong>en gut gelaunt<br />

und erholt <strong>in</strong> Empfang nahmen.<br />

HEILIGE BRÜNNLEIN, FRISCHE KAMPBÄDER<br />

Baden mit se<strong>in</strong>en Thermalquellen, seit<br />

1813 Sommerresidenz der Habsburger,<br />

FOTOS: ARCHIV KURDIREKTION BADEN, LANDESBIBLIOTHEK NIEDERÖSTERREICH, TOPOGRAPHISCHE SAMMLUNG<br />

68 <strong>Servus</strong>


Kamptalbad <strong>in</strong> Gars: Das Idyll e<strong>in</strong>er Sommerfrische<br />

für Liebhaber von Wasser, Licht und<br />

Ruhe. Lichtbild von Paul Ledermann, 1928.<br />

war die Idylle der Biedermeierzeit. E<strong>in</strong>e<br />

Wohltat die warmen Bäder, erfrischend<br />

die Tr<strong>in</strong>kbrunnen, gepflegt die Gesellschaft,<br />

die sich hier zu e<strong>in</strong>em Ausflug<br />

<strong>in</strong>s Helenental, e<strong>in</strong>er Tour auf den L<strong>in</strong>dkogel<br />

oder e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> die nahen We<strong>in</strong>berge<br />

verabredete.<br />

Schon deutlich weiter steckten sich<br />

jene ihr Ziel, die es nach Reichenau<br />

zog. Von dort aus bestieg man den<br />

Schneeberg, von Schottwien gelangte<br />

man zu den Adlitzgräben und pilgerte<br />

zum heiligen Brünnl am Nordhang des<br />

Sonnwendste<strong>in</strong>s.<br />

Das Baden, e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Wonne! Von den dreizehn Bädern der Kurstadt Baden erfreute sich<br />

das Johannesbad wegen se<strong>in</strong>er lauen Temperatur von 32,8 °C besonderer Beliebtheit.<br />

9<br />

DEN ERDENKINDERN ZUM ASYL,<br />

VOM HIMMELSRAUM HERNIEDERFIEL<br />

EIN KLEINES STÜCKCHEN PARADIES,<br />

DAS SPÄTER MAN NUR BADEN HIESS.<br />

HERRLICHE LUFT, FEINE GESELLSCHAFT<br />

Spaziergänge und leichtere Wanderungen<br />

bot auch das Kamptal, seit 1889 mit<br />

Bahnanschluss, mit se<strong>in</strong>en Aussichtswarten,<br />

wo man über das Flusstal, den<br />

Manhartsberg und die Wachau schaute.<br />

Die Hamerl<strong>in</strong>gwarte bei Gars am Kamp,<br />

die Gobelsburger Warte, die Heiligenste<strong>in</strong>er<br />

Warte bei Zöb<strong>in</strong>g und schließlich<br />

der Weg auf die mittelalterliche Rosenburg<br />

waren lohnende Ziele. Schließlich<br />

machten die Verschönerungsvere<strong>in</strong>e <strong>in</strong><br />

Plank, Gars, Stiefern und Zöb<strong>in</strong>g das<br />

Bad im Kamp zu e<strong>in</strong>em außergewöhnlichen<br />

Sommervergnügen: Sie ließen am<br />

Ufer der Flusslandschaft Holzpavillons<br />

errichten, dazu lockten Bootsfahrten.<br />

Hier stand die Sommerfrische immer<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Naheverhältnis zu den Landbewohnern.<br />

Man feierte und trauerte<br />

mit ihnen, kehrte Sommer für Sommer<br />

wieder, tauschte die Stadtkleidung gegen<br />

das luftige Leiblgwand ohne Korsett,<br />

g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> kurzen Hosen und mit e<strong>in</strong>er<br />

Blume im Hutband.<br />

Am 17. Juli 1854 wurde mit dem<br />

Teilstück Gloggnitz–Mürzzuschlag die<br />

Südbahn von Wien bis an die Adria fahrbar,<br />

und der Semmer<strong>in</strong>g war b<strong>in</strong>nen<br />

vier Stunden, Baden schon <strong>in</strong> zwei Stunden<br />

erreichbar. Der Bau dieser Bahnl<strong>in</strong>ie<br />

mit ihren 15 Tunnels war e<strong>in</strong>e architektonische<br />

Sensation.<br />

Für gastronomischen Komfort sorgte<br />

<strong>in</strong> der Gegend die Familie Waissnix. Seit<br />

Olga Waissnix Herr<strong>in</strong> über den Thalhof<br />

war, wurde die Reichenau mondän. Mit<br />

großem Strohhut und Alpenstock führte<br />

sie ihre Gesellschaften auf den Lakaboden<br />

und richtete Feste aus, die den jungen<br />

Wiener Kunstbetrieb versammelten.<br />

In Baden wurde mit dem Durchbruch<br />

des Urtlste<strong>in</strong>s, e<strong>in</strong>er Felsenenge, das<br />

h<strong>in</strong>tere Helenental erschlossen, das sich<br />

nun auch für kle<strong>in</strong>e Gebirgswanderungen<br />

anbot. Ludwig van Beethoven, e<strong>in</strong><br />

treuer Gast <strong>in</strong> der Kurstadt, mied nun<br />

Moritz Gottlieb Saphir (1795–1858)<br />

9<br />

den gesellschaftlichen Parcours auf dem<br />

Promenadenweg unter den Aquädukten<br />

und pilgerte am liebsten <strong>in</strong> die „erschröcklichen“<br />

Schluchten des romantischen<br />

h<strong>in</strong>teren Helenentals.<br />

Ab 1875 waren Höhenkuren auch mediz<strong>in</strong>isch<br />

anerkannt. Nach gesundem<br />

Wasser wurde nun frische Luft zum<br />

Qualitätsprädikat der Sommerfrische.<br />

Entlang der Semmer<strong>in</strong>gbahn entstanden<br />

das Südbahnhotel und das Panhans.<br />

Hier blieb es auch <strong>in</strong> Jägerloden dist<strong>in</strong>guiert<br />

und elegant. E<strong>in</strong> fe<strong>in</strong>geistiger Kritiker<br />

hat es so ausgedrückt: Die lästigen<br />

D<strong>in</strong>ge der Großstadt, denen die Herrschaften<br />

entfliehen möchten, auf dem<br />

Lande wollen sie sie wiederf<strong>in</strong>den. 3<br />

www.niederoesterreich.at<br />

<strong>Servus</strong> 69


AUSFLUG<br />

Hoch zu Rad<br />

<strong>Niederösterreich</strong> erfahren? Nichts leichter als das!<br />

Wir präsentieren sechs wunderschöne Radwege, die Bewegung,<br />

Genuss, Kultur, Geschichte und Spaß an der Freude<br />

gleichsam <strong>in</strong> den Satteltaschen der Drahtesel vere<strong>in</strong>en.<br />

TEXT: ACHIM SCHNEYDER<br />

ILLUSTRATIONEN: ANDREAS POSSELT<br />

70 <strong>Servus</strong>


Wochenend und Sonnensche<strong>in</strong> bei<br />

e<strong>in</strong>er beschaulichen Radtour<br />

ge nießen. Hier im We<strong>in</strong>viertel geht’s<br />

gemächlich durch e<strong>in</strong>e Landschaft<br />

mit Weitblick, vorbei an verheißungsvoll<br />

leuchtenden Reben.<br />

FOTO: ASTRID BARTL<br />

<strong>Servus</strong> 71


DONAUREGION<br />

Im Fluss mit dem Strom<br />

Der Donauradweg führt auf 410 km durch Österreich von Passau<br />

bis nach Bratislava. Landschaftlich e<strong>in</strong>malig schöne 260 km davon<br />

radelt man entlang des Donaustroms durch <strong>Niederösterreich</strong>, dabei<br />

kann man aus zehn Etappen wählen. Fährt man etwa von Ardagger<br />

nach Melk, lockt <strong>in</strong> Pöchlarn das Geburtshaus des Malers Oskar<br />

Kokoschka. Zwischen Melk und Krems radelt man an beiden Donauufern<br />

durch die Weltkulturerberegion Wachau. Östlich von Wien<br />

geht’s schnurgerade ab Orth an der Donau durch die grandiose Landschaft<br />

des Nationalparks Donau-Auen. Was für alle zehn Etappen<br />

gilt: Kul<strong>in</strong>arisch ist vom Heurigen bis zum Haubenlokal alles dabei.<br />

www.donau.com/donauradweg<br />

WIENERWALD<br />

Von e<strong>in</strong>em Heurigen<br />

zum nächsten<br />

We<strong>in</strong>gartenradweg – der Name hält,<br />

was er verspricht. Denn auf den rund<br />

20 Kilometern zwischen Mödl<strong>in</strong>g und<br />

Bad Vöslau strampelt man ohne große<br />

Mühen quer durch die wunderbare<br />

Rebenlandschaft der Thermenregion<br />

mit all ihren typischen Heurigen. Fährt<br />

man die nahezu völlig ebene Strecke –<br />

abwechselnd Asphalt und Kies – <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em durch, so hat man sie <strong>in</strong> etwa<br />

e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Stunden bewältigt. Aber:<br />

Zwischenzeitliches Absteigen lohnt<br />

sich! Nicht nur wegen der Heurigen,<br />

e<strong>in</strong>en Besuch s<strong>in</strong>d auch die Gebietsv<strong>in</strong>othek<br />

<strong>in</strong> Thallern, das We<strong>in</strong>baumuseum<br />

<strong>in</strong> Gumpoldskirchen oder<br />

die Römertherme <strong>in</strong> Baden wert.<br />

www.wienerwald.<strong>in</strong>fo<br />

72 <strong>Servus</strong>


MOSTVIERTEL<br />

Pilgern auf<br />

zwei Rädern<br />

Der Traisental-Radweg führte früher über<br />

50 Kilometer von Traismauer nach Lilienfeld,<br />

heute erstreckt er sich bis <strong>in</strong>s steirische<br />

Mariazell über 111 Kilometer. Von mild<br />

bis wild – so könnte man ihn umschreiben,<br />

von den sanften Hügeln südlich der Donau<br />

h<strong>in</strong>auf <strong>in</strong> die Mostviertler Alpen. Außerdem<br />

nennt man ihn auch Pilgerradweg, liegen<br />

doch Stift Göttweig, das Chorherrenstift<br />

Herzogenburg, der Dom zu St. Pölten und<br />

das Zisterzienserstift Lilienfeld auf der<br />

Strecke, ehe die Basilika Mariazell den<br />

krönenden Abschluss bildet. Wer die Route<br />

hier beendet, fährt mit der Mariazellerbahn<br />

zurück nach St. Pölten. Ebenfalls<br />

e<strong>in</strong>en Abstecher wert: das Kameltheater<br />

Kernhof oder die zehn Meter hohe Mostviertelschaukel<br />

auf dem Muckenkogel.<br />

www.traisentalradweg.at<br />

WALDVIERTEL<br />

Der kle<strong>in</strong>e Grenzverkehr<br />

Via Verde – so nennt sich e<strong>in</strong>e grenzüberschreitende<br />

Radroute, die die Geme<strong>in</strong>den Moorbad<br />

Harbach im Waldviertel und Horní Stropnice <strong>in</strong><br />

Tschechien verb<strong>in</strong>det. Der 33 Kilometer lange<br />

Erlebnisrundweg durch beide Länder ist für Radfahrer<br />

und Biker wie geschaffen, zumal die acht<br />

Kilometer lange anspruchsvolle Erweiterungsrunde<br />

über den Nebelste<strong>in</strong> nicht nur wegen der<br />

Aussichtswarte auf 1.017 Metern ungeme<strong>in</strong><br />

reizvoll ist. Und wer nicht 33 oder 41 Kilometer<br />

am Stück strampeln will, dem seien e<strong>in</strong> paar <strong>in</strong>teressante<br />

Stationen ans Herz gelegt: der Naturbadeteich<br />

<strong>in</strong> Moorbad Harbach, der Garten der<br />

Menschenrechte <strong>in</strong> Lauterbach, die Barockwallfahrtskirche<br />

<strong>in</strong> Dobrá Voda oder e<strong>in</strong> Abstecher<br />

nach Weitra, die älteste Braustadt Österreichs.<br />

www.waldviertel.at<br />

➻<br />

<strong>Servus</strong> 73


WIENER ALPEN<br />

Auf dem Höhepunkt<br />

Von Wiener Neustadt durch die Bucklige Welt<br />

nach Mönichkirchen oben am Wechsel – auf<br />

dieser Strecke <strong>in</strong> den Wiener Alpen verläuft e<strong>in</strong><br />

rund 50 Kilometer langer Teilabschnitt des <strong>in</strong>sgesamt<br />

1.930 Kilometer langen EuroVelo 9, der<br />

von Danzig an der Ostsee bis nach Pula an der<br />

Adria führt. Hat man, noch ehe man von Wiener<br />

Neustadt aus losradelt, von Norden kommend<br />

schon so manchen Kilometer <strong>in</strong> den Be<strong>in</strong>en,<br />

sollte man sich hier <strong>in</strong> der Altstadt mit ihren<br />

Fußgängerzonen und Schanigärten auf dem<br />

Hauptplatz noch stärken, denn mit Mönichkirchen<br />

hat man nun den mit 958 Metern höchsten<br />

Punkt des gesamten EuroVelo 9 zum Ziel!<br />

Wer zwischendurch e<strong>in</strong>e Pause braucht: Auch<br />

die Therme L<strong>in</strong>sberg Asia liegt auf dem Weg.<br />

www.wieneralpen.at/eurovelo9<br />

WEINVIERTEL<br />

Vorhang auf<br />

Der rund 10.000 Kilometer lange Iron Curta<strong>in</strong> Trail, auch Euro-<br />

Velo 13 genannt, also der Radweg entlang des ehemaligen Eisernen<br />

Vorhangs von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer,<br />

führt klarerweise auch durch <strong>Niederösterreich</strong>. Das Teilstück<br />

von Gmünd im Waldviertel, weiter <strong>in</strong>s We<strong>in</strong>viertel nach<br />

Retz, durch den grenzüberschreitenden Nationalpark Podyjí-<br />

Hardegg und schließlich nach Bratislava erstreckt sich<br />

über gut 400 Kilometer. In e<strong>in</strong>em ist die Route freilich nicht<br />

zu schaffen, doch viele charmante Orte laden zur Rast e<strong>in</strong>:<br />

Retz mit dem größten historischen We<strong>in</strong>keller Mitteleuropas,<br />

Laa an der Thaya mit dem Biermuseum oder Marchegg mit<br />

dem Naturdenkmal Pulverturm-Tümpelwiese. Planen Sie<br />

unbed<strong>in</strong>gt den Besuch e<strong>in</strong>er der vielen Kellergassen e<strong>in</strong>!<br />

www.we<strong>in</strong>viertel.at/iron-curta<strong>in</strong>-trail-eurovelo-13<br />

74 <strong>Servus</strong>


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