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Im Falle der Route „Gang-Art“ ist die Erschließungsgeschichte<br />
selbst ein wesentlicher Teil dieses<br />
Statements. Irgendwann im Juni 2015 war der<br />
erste Bolt gesetzt und der Hans wieder in seinem<br />
Element. Die ersten Seillängen gingen flott von<br />
der Hand. Es lief gut. Bis der Hans plötzlich von<br />
der Vergangenheit eingeholt wurde und mitten<br />
in der Wand auf einem Band stand, das er von<br />
früher her kannte. Augenblicklich kam die Erinnerung<br />
zurück – an das Zögern von damals, und<br />
den Umweg, für den sie sich damals entschieden,<br />
der Albert Precht und er. Der alten Route folgen,<br />
war keine Option. Und die neue, verrückte Linie<br />
direkt hinauf zu den Dächern wählen – in diesem<br />
Moment – ebenso wenig. Zwei, drei Versuche.<br />
Halbherzig Neuland erkundend. Zu groß die Sogwirkung<br />
des sicheren Stands. Und zu präsent die<br />
ethischen Vorgaben, um einfach den Akku-Bohrer herauszuholen<br />
und dem Unbekannten damit ein unwürdiges Ende<br />
zu bereiten.<br />
Es gab da etwas, das ihn abhielt – und es gab etwas anderes,<br />
das ihn verfolgte. Das wusste der Hans spätestens in<br />
dem Moment, in dem er wieder am Wandfuß stand, und<br />
dann später im Tal als der Blick durch das Fernglas immer<br />
wieder um die Stelle kreiste, wo er umgekehrt war. Immer<br />
wieder die Dachlinien mit den Augen entlangtastend. Detailfotos<br />
vom Felsen minutiös vergleichend. Immer wieder<br />
hineinspürend in den, der er damals war, als er den Rückzug<br />
antrat und den, der das jetzt nicht mehr glauben, nicht<br />
mehr hinnehmen wollte.<br />
Das Warten auf den richtigen Moment<br />
Und so verging die Zeit. Und so kam der Augenblick, an dem<br />
er bereit war, noch einmal alles hineinzuwerfen, was er hatte.<br />
Die ersten Seillängen wie in Trance. Dem Fokus hinterhereilend,<br />
der immer schon einige Meter über ihm wie ein<br />
Schattenhund die Wand hochhetzte. Bis er das Band erreichte,<br />
Atem holte, den Stand verließ und ins Neuland kletterte.<br />
Er endlich wieder dort war, wo er sein wollte, im Weiß des<br />
Unbekannten, Unbeschriebenen, dem er sich verschrieben<br />
hatte. Und irgendwie ging es weiter und weiter. Bis zum<br />
Dach, das sich wie von Geisterhand öffnete – hier ein versteckter<br />
Schlitz, dort eine unscheinbare Leiste, die auf ihn<br />
wartete. Plötzlich war alles da, als er mit Haut und Haar da<br />
war und hineinwarf, was er hatte. Und so turnte der Wallingerhans<br />
entlang seiner Möglichkeiten, über das Dach und<br />
seine Grenzen hinaus und weiter. Und wurde schließlich so<br />
reich beschenkt, dass es am Ende kein Halten mehr gab.<br />
Mit einer Route, die nicht nur von der Linie her wunderschön<br />
und im Nachhinein klar und logisch scheint – im<br />
Nachhinein wohlgemerkt –, sondern auch vom Charakter<br />
etwas Besonderes ist. Die „Gang-Art“ verlangt den kompletten<br />
Kletterer: Risse, Verschneidungen, Überhänge, Wulste,<br />
Platten, perfektes Gestein und mitunter auch ein paar Splitterpassagen,<br />
wie sie zu einer Nordwand gehören, geben sich<br />
auf knapp 1000 Klettermetern die Hand.<br />
Hans sitzt mir gegenüber am Tisch. Er wirkt ruhig und<br />
tatendurstig zugleich. Ich suche den Getriebenen, den er<br />
beschrieben hat und finde ihn nicht. Ob es das Alter ist?<br />
Irgendwann wird es kommen, das weiß er. Das wissen wir<br />
beide. Und dann wird er lachen und ich mit ihm. Und wir<br />
werden ihm die Hand geben und so tun, als wüssten wir<br />
nicht, wer vor uns steht.<br />
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