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11.04.2016 Aufrufe

ESPRESSO MIT FRÜHSTÜCK Zu Besuch beim Neuwirt alias Goldener Stern. Ein Beitrag von Wolfgang Tonninger „Ein bisschen Goldener Stern war der Neuwirt ja immer schon“, meint Gerhard Wageneder über ein altes Foto aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts gebeugt, auf dem das Gasthaus Neuwirt zu sehen ist, und deutet auf den Stern über dem Eingang. Es ist vormittags, wir sitzen im Restaurant des Goldenen Stern und blättern in der Familienchronik, die bis ins 16. Jahrhundert zurückgeht. Der ganze Tisch ist vollgeräumt mit Büchern und Ordnern und Bildern. Das etwas düstere Licht gibt unserem Stöbern eine konspirative Note. Früher, unter den Kerschbaumers, wurden neben dem Gasthof auch eine Metzgerei, eine Landwirtschaft und ein Viehhandel betrieben. Dann kam der Krieg, die Männer sind fort und die Buben ausgeblieben. Dann kamen die Wageneders und bald der schillernde Max, sein Vater, der 1960 das Gasthaus zum „Konditorei-Espresso – Goldener Stern“ ausbaute. Er war Konditor aus Leidenschaft und ein wilder Hund. Ein talentierter und begeisterter Fußballer und einmal sogar kurz vor dem Sprung in die Profikarriere, als der holländische Top-Club Twente Enschede Interesse zeigte. Dass er 60 Zigaretten am Tag rauchte, war damals – in Zeiten von Cruyff und Happel – wohl kein wirkliches Problem. Max entschied sich jedoch für Abtenau und dafür, als Lehrherr in der internationalen Konditorliga kräftig mitzumischen. „Wenn man beim Max gelernt hat, dann hieß das etwas“, erinnert sich Gerhard, der über einen Umweg in die Gastronomie 26 gangart

Max Wageneder mit Sohn Gerhard. ... früh übt sich ... Die Konditorei: Nach wie vor das Herzstück des Hotels Goldener Stern Bilder: Dr. Mathias Krimplstätter kam, als sein Bruder Maximilian, der das Erbe antreten sollte, mit dem Motorrad verunglückte: So kam er zurück von der Skihandelsschule, lernte Koch, später auch noch Konditor und absolvierte seine Lehr- und Wanderjahre in Toronto/Kanada. Anders als sein Vater Max sieht Gerhard sich eher als Hotelier und Universalist: „Man hört immer wieder, dass man sich spezialisieren muss. Aber unsere Stärke liegt im Gesamtkonzept, darin, dass wir auf mehrere Säulen setzen. Bei uns greift ein Rad ins andere: Wir haben ein Mittagsgeschäft, ein Nachmittagsgeschäft mit der Konditorei, abends gibt es Live-Musik. Und dann übernachten die Leute auch noch bei uns.“ Verwalten oder Gestalten? Mittlerweile hat das Hotel Goldener Stern 70 Betten und einen nagelneuen Wellness-Bereich mit Badebiotop. Als Gerhard den Betrieb 1998 übernommen hat, waren es 40 Betten. „Wir mussten uns entscheiden: verwalten oder gestalten? Und wir haben uns entschieden und begannen zu investieren! So haben wir die Hotellerie sukzessive auf neue Beine gestellt und versucht, ein optimales Verhältnis aller Bereiche zu entwickeln. Ohne dieses größere Bild, das die Richtung vorgab, hätten wir es nicht geschafft. Da bin ich mir sicher.“ Dieses Suchen nach dem größeren Bild ist mitverantwortlich, dass Gerhard heute auch Obmann des Tourismusverbandes ist und sich politisch engagiert. Dass alles mitunter etwas viel ist, wissen er und seine Frau Eva. „Ohne sie könnte ich viele Sachen nicht durchziehen, die wichtig sind. Aber die Branche ist in Bewegung und verlangt vollen Einsatz. Nicht gegeneinander, sondern miteinander. Alleine kann das niemand heben.“ Was Gerhard vom Vater hat, fragen wir ihn, bevor wir aufstehen. „Mein Vater war spontan, fordernd, kompromisslos, penibel, streng und beliebt. Und er hatte eine Vision. Ich bin eher ruhig, diplomatisch, unaufgeregt. Aber das Visionäre spüre ich in mir. Es hält mich jung.“ Und er hat Recht. Für einen, der in der Früh aufsteht und jeden Tag bis eins in der Nacht arbeitet – ohne freien Tag – wirkt er beinahe jugendlich. Eva und Gerhard Wageneder Kinder Maximilian (25) und Gerhard (22) – wachsen nach und nach in den Betrieb hinein Sehen den Betrieb als Generationenprojekt gangart 27

ESPRESSO<br />

MIT FRÜHSTÜCK<br />

Zu Besuch beim Neuwirt<br />

alias Goldener Stern.<br />

Ein Beitrag von Wolfgang Tonninger<br />

„Ein bisschen Goldener Stern war der Neuwirt ja immer schon“,<br />

meint Gerhard Wageneder über ein altes Foto aus den 20er<br />

Jahren des vorigen Jahrhunderts gebeugt, auf dem das Gasthaus<br />

Neuwirt zu sehen ist, und deutet auf den Stern über<br />

dem Eingang. Es ist vormittags, wir sitzen im Restaurant des<br />

Goldenen Stern und blättern in der Familienchronik, die bis ins<br />

16. Jahrhundert zurückgeht. Der ganze Tisch ist vollgeräumt<br />

mit Büchern und Ordnern und Bildern. Das etwas düstere Licht<br />

gibt unserem Stöbern eine konspirative Note.<br />

Früher, unter den Kerschbaumers, wurden neben dem Gasthof<br />

auch eine Metzgerei, eine Landwirtschaft und ein Viehhandel<br />

betrieben. Dann kam der Krieg, die Männer sind fort und die<br />

Buben ausgeblieben. Dann kamen die Wageneders und bald<br />

der schillernde Max, sein Vater, der 1960 das Gasthaus zum<br />

„Konditorei-Espresso – Goldener Stern“ ausbaute. Er war Konditor<br />

aus Leidenschaft und ein wilder Hund. Ein talentierter und<br />

begeisterter Fußballer und einmal sogar kurz vor dem Sprung<br />

in die Profikarriere, als der holländische Top-Club Twente Enschede<br />

Interesse zeigte. Dass er 60 Zigaretten am Tag rauchte,<br />

war damals – in Zeiten von Cruyff und Happel – wohl kein<br />

wirkliches Problem. Max entschied sich jedoch für Abtenau<br />

und dafür, als Lehrherr in der internationalen Konditorliga<br />

kräftig mitzumischen.<br />

„Wenn man beim Max gelernt hat, dann hieß das etwas“, erinnert<br />

sich Gerhard, der über einen Umweg in die Gastronomie<br />

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