gangart 6

11.04.2016 Aufrufe

DIE FREIHEIT, die ich meine ... Mit Werner Wallinger einmal um den Einberg herum Ein Beitrag von Wolfgang Tonninger Als Gott die Zeit schuf, schuf er viel davon. Keltische Weisheit Seine Sätze enden oft mit einem Undundund ... Das ist eine der Eigenarten des Werner Wallinger, wenn es zur Sache geht. Da kann es schon passieren, dass er einmal um die Welt herum muss, um auf den Punkt zu kommen. Wir sitzen bei ihm in der Küche und trinken Kaffee. Er mahlt ihn selber mit einer Handmühle, während er spricht. Dazwischen rührt er am Ofen sein Müsli an oder er sucht nach einem Zitat, das er in einem Buch gefunden hat. Bei soviel Offline-Multitasking wundert es nicht, dass er das Internet ablehnt. Auch Fernsehen gibt es hier keines. „Ich versuch mich, auf das Wesentliche zu konzentrieren“, meint er. Was das genau ist, darauf bleibt er die Antwort schuldig. Nicht absichtlich, eher zufällig. Weil alles mit jedem zusammenhängt und ihn die Gedanken weitertreiben. Das Eine das Andere ergibt. Wie es halt so ist im Leben. Aufgewachsen ist der Werner Wallinger im Wallingwinkl, gleich bei den Lammeröfen. Am Oberwallingerhof, um genau zu sein. Manfred Wallinger, der mir hier heroben am berüchtigten Einberg Begleitschutz gibt, nickt bedächtig, während er mit einem kleinen Löffel den Schnaps in seinen Tee schaufelt. Ihm scheint gar nicht aufzufallen, wie es hier in der Stube „wallert“. Was den Einberg so speziell macht, das ist nicht nur seine erhabene Lage – auf halbem Weg zur Postalm – das sind auch die Menschen, die sich hier angesiedelt haben. Sonderlinge, Revoluzzer – so beschreibt man sie gern, weiter unten im Dorf. Was es damit auf sich hat, frag ich den Werner: „Na ja, eigen sind sie schon, da heroben.“ Und ich sehe an seinem verschmitzten Lächeln, dass er „wir“ meint, wenn er „sie“ sagt. Vom Wallingwinkl hinauf auf den Einberg sind es in Wirklichkeit ein paar Kilometer. Für den Werner war es nicht mehr als ein großer Schritt. Die Initiation geschah, als er sechs Jahre alt war. Als sein Großvater den Buben auf die Seite nahm und meinte: „Und du, du wirst a Kropfei!“ Das hat sich in seinen Kopf gebrannt und wurde allmählich zur Bestimmung, der er sich nicht entziehen konnte. Auch wenn rundherum die Leute die Hände über den Kopf zusammenschlugen, als der knapp 20-Jährige beschloss, hier herauf auf den Kropfhof zu ziehen, in eine Wohngemeinschaft mit seiner Großmutter; ein Einberger zu werden, mit allem, was dazugehört. Den Dickschädel dazu hatte man ihm in die Wiege gelegt und das Brachiale, das ihm hier heroben das Überleben sichert, das kommt vom Vater: „Mein Vater, der Toff, war ein sensibler Mann, aber der konnte auch reinhauen. Der kannte kein Erbarmen, auch mit sich nicht. Wie ein Viech ist er hineingegangen in das Holz oder in den Stein: „Bua, ziag o!“ – hat er mir zugerufen und dann hat er Urlaute ausgestoßen und das Ding bewegt. Egal, ob es 50 Kilo wog oder eine Tonne. Das hat mich fasziniert als Kind und fasziniert mich heute noch. Dieser Zugang zu einer Kraft, die den meisten Menschen verborgen bleibt.“ Und trotzdem: Wie ein sesshaft Gewordener wirkt er nicht. Und wie ein Bauer ebenso wenig – mit seinen langen Haaren und dem keltischen Sonnensymbol auf seinem T-Shirt. Werner lacht und wischt mit einer Handbewegung die Kategorien vom Tisch, die ich vor ihm aufstelle, um ihn aus der Reserve zu locken. „Das interessiert doch niemanden, was die Leute sagen. Die zerreißen sich ja sowieso immer das Maul, egal, was ich mache. Damals, als ich raufgezogen bin, haben die auch gemeint, dass ich das Sacherl gleich wieder verkaufen 24 gangart

ABTENAU werde, zusammen mit der Oma.“ Der „Kropfei“ trägt seine Gedanken auf der Zunge und sagt jedem, der es hören will, die Wahrheit ins Gesicht – dass es nämlich keine Wahrheit gibt und das Leben eine Baustelle ist. „Nur damit können die wenigsten umgehen. Und deshalb verbauen sie aus lauter Angst all das, was in ihnen in Bewegung und lebendig ist.“ Unverstellt ist er, der Werner – und in Bewegung. Und das war er immer schon. Als Industrieanlagenbauer in halb Europa unterwegs und auch jetzt noch, am Einberg, packt es ihn immer wieder und er geht hinunter auf Streifzug. Demontiert hier einen ganzen Dachstuhl kurz vor dem Abrisskommando, stolpert dort über eine Holzwollmaschine und staubt anderswo eine ganze Tischlerei ab. Immer die Gelegenheit beim Schopf packend. Und immer kurzfristig, seine Freiheit und Selbstbestimmung in die Waagschale werfend. Was da unten passiert, sind gut dotierte Auswärtsspiele, um hier heroben seine Freiheit leben zu können. Mit seinen Pferden und den paar Tieren, die sich um ihn versammelt haben. Bilder: Dr. Mathias Krimplstätter Das Äußere, das interessiert ihn nicht. Und deshalb wird der Kropfhof, genauso wie die 400 Jahre alte Tenne, die dazu gehört, wohl immer ein Projekt bleiben. Eine Baustelle – wie sein Leben. Aber das stört ihn nicht, solange der Rhythmus stimmt. „Abgerissen ist schnell was“, meint er, dem es darum geht, an der Substanz zu arbeiten. Den Kropfhof langsam und bedächtig zu sanieren – mit mondgeschlägertem Holz und von innen heraus. „Im Krebsgang“, wie er selbstironisch anfügt. Ob er ein Revoluzzer ist, fragen wir. „Nein, Revolutionen, die brauchen wir nicht,“ antwortet er entschieden. Was er sich stattdessen wünscht, ist, dass die Leute ab und an ihren Kopf einschalten und Eigenverantwortung übernehmen – „anstatt nachzuplappern, was andere sagen.“ Das wäre ein Riesenschritt. Ein Umdenken, so wie bei ihm. Aber er weiß schon, dass so etwas nicht von heute auf morgen geht. Dass das ein innerer Prozess ist, der Zeit braucht. Auch bei ihm hat es lange gedauert und dauert noch an: „Etwas richtig machen, ist gar nicht so leicht.“ Gehen. Sitzen. Liegen. Tragen. Schenken. KUNST und KULTUR. WAS WIR ALLES KÖNNEN! Kommod Classic Drei Jahrzehnte aufrecht gehen, aufrecht stehen. Eine geschätzte Qualität, eine oft vergessene Haltung. Größe 36 – 46 € 109,– Phönix Das meist verkaufte Modell der Kollektion ist der PHÖNIX – der Ganzjahresschuh läuft und läuft. Die Modellvielfalt und die vielen modischen Lederfarben können sich sehen lassen. Komm! Probier! Größen 35–48 € 155,– Hol dir das neue GEA-Album mit allen Produkten – GRATIS. PS:WALDVIERTLER ✓ kann man auch reparieren! SCHUHE MIT MEHRWERT 5441 Abtenau | Markt 113 Tel.: 06243-3644 office@wmsport2000.at FÜR EUCH DA: Mo. bis gangart Fr. 9-1225 und 14–18 Uhr Sa. 9–12 Uhr www.wmsport2000.at bezahlte Anzeige

DIE<br />

FREIHEIT,<br />

die ich meine ...<br />

Mit Werner Wallinger einmal um den<br />

Einberg herum<br />

Ein Beitrag von Wolfgang Tonninger<br />

Als Gott die Zeit<br />

schuf, schuf er<br />

viel davon.<br />

Keltische Weisheit<br />

Seine Sätze enden oft mit einem Undundund ... Das<br />

ist eine der Eigenarten des Werner Wallinger, wenn es<br />

zur Sache geht. Da kann es schon passieren, dass er<br />

einmal um die Welt herum muss, um auf den Punkt<br />

zu kommen.<br />

Wir sitzen bei ihm in der Küche und trinken Kaffee.<br />

Er mahlt ihn selber mit einer Handmühle, während er<br />

spricht. Dazwischen rührt er am Ofen sein Müsli an<br />

oder er sucht nach einem Zitat, das er in einem Buch<br />

gefunden hat. Bei soviel Offline-Multitasking wundert<br />

es nicht, dass er das Internet ablehnt. Auch Fernsehen<br />

gibt es hier keines. „Ich versuch mich, auf das Wesentliche<br />

zu konzentrieren“, meint er. Was das genau ist, darauf<br />

bleibt er die Antwort schuldig. Nicht absichtlich,<br />

eher zufällig. Weil alles mit jedem zusammenhängt<br />

und ihn die Gedanken weitertreiben. Das Eine das<br />

Andere ergibt. Wie es halt so ist im Leben.<br />

Aufgewachsen ist der Werner Wallinger im Wallingwinkl,<br />

gleich bei den Lammeröfen. Am Oberwallingerhof,<br />

um genau zu sein. Manfred Wallinger, der mir<br />

hier heroben am berüchtigten Einberg Begleitschutz<br />

gibt, nickt bedächtig, während er mit einem kleinen<br />

Löffel den Schnaps in seinen Tee schaufelt. Ihm<br />

scheint gar nicht aufzufallen, wie es hier in der Stube<br />

„wallert“. Was den Einberg so speziell macht, das<br />

ist nicht nur seine erhabene Lage – auf halbem Weg<br />

zur Postalm – das sind auch die Menschen, die sich<br />

hier angesiedelt haben. Sonderlinge, Revoluzzer – so<br />

beschreibt man sie gern, weiter unten im Dorf. Was es<br />

damit auf sich hat, frag ich den Werner: „Na ja, eigen<br />

sind sie schon, da heroben.“ Und ich sehe an seinem<br />

verschmitzten Lächeln, dass er „wir“ meint, wenn er<br />

„sie“ sagt.<br />

Vom Wallingwinkl hinauf auf den Einberg sind es in<br />

Wirklichkeit ein paar Kilometer. Für den Werner war<br />

es nicht mehr als ein großer Schritt. Die Initiation<br />

geschah, als er sechs Jahre alt war. Als sein<br />

Großvater den Buben auf die Seite nahm und<br />

meinte: „Und du, du wirst a Kropfei!“ Das hat sich<br />

in seinen Kopf gebrannt und wurde allmählich<br />

zur Bestimmung, der er sich nicht entziehen<br />

konnte. Auch wenn rundherum die Leute die<br />

Hände über den Kopf zusammenschlugen, als der<br />

knapp 20-Jährige beschloss, hier herauf auf den<br />

Kropfhof zu ziehen, in eine Wohngemeinschaft<br />

mit seiner Großmutter; ein Einberger zu werden,<br />

mit allem, was dazugehört.<br />

Den Dickschädel dazu hatte man ihm in die Wiege<br />

gelegt und das Brachiale, das ihm hier heroben<br />

das Überleben sichert, das kommt vom Vater:<br />

„Mein Vater, der Toff, war ein sensibler Mann,<br />

aber der konnte auch reinhauen. Der kannte kein<br />

Erbarmen, auch mit sich nicht. Wie ein Viech ist<br />

er hineingegangen in das Holz oder in den Stein:<br />

„Bua, ziag o!“ – hat er mir zugerufen und dann hat<br />

er Urlaute ausgestoßen und das Ding bewegt. Egal,<br />

ob es 50 Kilo wog oder eine Tonne. Das hat mich<br />

fasziniert als Kind und fasziniert mich heute noch.<br />

Dieser Zugang zu einer Kraft, die den meisten Menschen<br />

verborgen bleibt.“<br />

Und trotzdem: Wie ein sesshaft Gewordener wirkt<br />

er nicht. Und wie ein Bauer ebenso wenig – mit<br />

seinen langen Haaren und dem keltischen Sonnensymbol<br />

auf seinem T-Shirt. Werner lacht und<br />

wischt mit einer Handbewegung die Kategorien<br />

vom Tisch, die ich vor ihm aufstelle, um ihn aus<br />

der Reserve zu locken. „Das interessiert doch niemanden,<br />

was die Leute sagen. Die zerreißen sich ja<br />

sowieso immer das Maul, egal, was ich mache. Damals,<br />

als ich raufgezogen bin, haben die auch gemeint,<br />

dass ich das Sacherl gleich wieder verkaufen<br />

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