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Fotos Caecilia: Andreas Brandl (FOTO FLAUSEN)<br />
Aller Anfang ist<br />
UNGESCHMINKT<br />
Die Salzburger Künstlerin Caecilia im Portrait.<br />
Ein Beitrag von Wolfgang Tonninger<br />
Kleinkunst ist das Gegenteil von Großkunst,<br />
wenn es die gäbe, nicht aber von großer Kunst.<br />
Wovon die Rede ist? Von Worten (und Klängen)<br />
jenseits von Einordnungen wie Größe und Kleinheit.<br />
Weil Kunst entweder Kunst ist oder nicht<br />
ist; und im Normalfall ohne Attribute auskommt.<br />
Aber was ist schon normal?<br />
Wie Sigrid Likar, alias Caecilia, da auf die Bühne<br />
geht und den Raum einnimmt, jenseits von Bühne<br />
und Publikum, das ist schon eine kleine Kunst.<br />
Was heißt kleine Kunst? Es ist Kleinkunst in höchster<br />
Ausprägung. Ohne Schnickschnack und ziemlich<br />
ungeschminkt. Caecilia begleitet sich selbst<br />
mit Klavier und Naturstimmen und verzaubert die<br />
Welt um sie herum mit skurillen, anrührenden,<br />
stimmungsvollen und vor allem starken Geschichten.<br />
Sie erzählt und singt dabei vorwiegend in ihrer<br />
Mund-Art, würzt das Ganze mit Unerwartetem<br />
und entführt die Zuhörer, die bereit sind für diese<br />
Reise, in ihre ganz persönliche, bunte Welt.<br />
Diese Musik ist „kathartisch“, kultisch reinigend –<br />
wie ein prickelnder Wasserfall im Sommer, unter<br />
den man/frau sich stellt. Haben Sie dieses Bild? Spüren Sie<br />
den Schauer? Im doppelten Wortsinn? Die Erregung, den<br />
Schrecken, die Läuterung? Und ebenso reinigend sind die<br />
Texte. Kontrapunkte. Auf einer anderen Ebene gesetzt, in<br />
denen Sigrid Likar ihre Erfahrungen als Hebamme verarbeitet.<br />
Frauen sind durch die Geburt in etwas Großes geworfen –<br />
und diesem Großen im Kleinen, im Detail nachzuspüren, das<br />
ist Caecilias Kunst. Miniaturen – aus dem Leben gegriffen,<br />
unfrisiert, ungeschminkt.<br />
Kann ein Mann darüber schreiben? Und wie tut er das?<br />
Zugegeben, so eine Musik hätte ich noch vor ein paar Jahren<br />
nicht hören, nicht schätzen können. Warum? Weil sie nahe<br />
geht, keine Chance auf Abstand lässt. Heute erröte ich innerlich<br />
und lasse sie geschehen. Die Emotionen, die in der<br />
Öffentlichkeit unterdrückt werden und im Beruf oft noch als<br />
unangebracht gelten. Aber natürlich trotzdem da sind. Und<br />
viel größer unter der Oberfläche ihr Recht einfordern. Sie<br />
kennen das? Die Gespräche, die oberhalb der Tischplatte um<br />
die Sache kreisen und unterhalb der Tischplatte nur persönlichen<br />
Animositäten frönen?<br />
Caecilia bleibt unter dem Tisch bzw. dreht die Tischplatte<br />
ganz einfach um. Kümmert sich nicht um Angebrachtes und<br />
22 <strong>gangart</strong>