ALLGÄU ALTERNATIV Sommerausgabe 2015
- "Auf ein Wort": Erdgas Schwaben Geschäftsführer Klaus Peter Dietmayer / - Altbau: Praktische Hilfe für den Hausbesitzer / - Regional Bauen: Individuelle Fertighäußer / - E-Mobilität Schwerpunkt Übersicht: Welches Pedelec passt zu mir? E-Mobilität auf dem Land: Studienergebnisse der Hochschule Biberach geben Aufschluss / 1 Million Elektrofahrzeuge bis 2020: Situationsanalyse mit Einschätzungen von Tobias Sirch und Peter Schneider / Energieaudit für größere Unternehmen wird Pflicht: eza! hilft bei der Umsetzung der gesetzl. Vorgaben / Energiesparen: Innovative Straßenbeleuchtung für Schloss Neuschwanstein installiert / Messe RENEXPO: Gebäudehülle im Mittelpunkt / Staat heizt mit: Zuschüsse für Erdwärmepumpen / Industrie 4.0: Chancen und Risiken der digitalen Vernetzung für Unternehmen / Windkraft: Grünes Licht für 122 mögliche Anlagen / Energiepioniere: Lorenz Schädler brachte die Wasserkraft nach Scheidegg
- "Auf ein Wort": Erdgas Schwaben Geschäftsführer Klaus Peter Dietmayer / - Altbau: Praktische Hilfe für den Hausbesitzer / - Regional Bauen: Individuelle Fertighäußer / - E-Mobilität Schwerpunkt Übersicht: Welches Pedelec passt zu mir? E-Mobilität auf dem Land: Studienergebnisse der Hochschule Biberach geben Aufschluss / 1 Million Elektrofahrzeuge bis 2020: Situationsanalyse mit Einschätzungen von Tobias Sirch und Peter Schneider / Energieaudit für größere Unternehmen wird Pflicht: eza! hilft bei der Umsetzung der gesetzl. Vorgaben / Energiesparen: Innovative Straßenbeleuchtung für Schloss Neuschwanstein installiert / Messe RENEXPO: Gebäudehülle im Mittelpunkt / Staat heizt mit: Zuschüsse für Erdwärmepumpen / Industrie 4.0: Chancen und Risiken der digitalen Vernetzung für Unternehmen / Windkraft: Grünes Licht für 122 mögliche Anlagen / Energiepioniere: Lorenz Schädler brachte die Wasserkraft nach Scheidegg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ausgabe 2/<strong>2015</strong><br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
Regionale Berichte zu Energiezukunft und Klimaschutz<br />
Schwerpunkt-Thema:<br />
E-Mobil – Chancen und Probleme<br />
im ländlichen Raum
Auf ein Wort<br />
Mut und Standfestigkeit!<br />
Unsere Gesellschaft steht vor großen Veränderungen,<br />
sei es der demografische Wandel,<br />
seien es die technischen Entwiklungen, der<br />
Klimawandel oder das sich ändernde Demokratieverständnis<br />
einer selbstbewussten Bürgerschaft. Diese<br />
Veränderungen werden auch einen Energieversorger<br />
nicht unverändert lassen. Die Menschen werden andere<br />
Bedürfnisse haben, und hierfür müssen wir Antworten,<br />
also Angebote entwickeln. Sonst werden dies<br />
die neuen Wettbewerber wie Google, Amazon oder<br />
Tesla tun.<br />
Eine Vereinigung von Erdgas Schwaben mit den-<br />
Stadtwerken Augsburg ermöglicht eine starke Zukunftsfähigkeit<br />
des Unternehmens für die Region.<br />
Eine sogenannte Machbarkeitsstudie wurde Anfang<br />
des Jahres abgeschlossen – sie zeigt, dass eine Fusion<br />
von Erdgas Schwaben und den Stadtwerken sinnvoll<br />
ist. Die Studie hat das mit harten, belastbaren Fakten<br />
untermauert. Die Anteilseigner können nun nach Faktenlage<br />
entscheiden. Auch die Kommunen in der Region<br />
profitieren von einem Zusammenschluss. Zur bestehenden<br />
vertrauensvollen Zusammenarbeit kommt<br />
eine stabile Stärkung der Region durch Investitionen<br />
und damit eine höhere Attraktivität für Fachkräfte.<br />
Die Arbeitsplätze werden zukunftsfähig. Insgesamt<br />
wird die Region im Wettbewerb der Regionen gestärkt.<br />
Bestes Beispiel: der Breitband-Glasfaserausbau<br />
für Kommunen.<br />
Die zukünftigen Ziele sind neben der Arbeitsplatzsicherung<br />
in den sieben Betriebsstellen in Schwaben<br />
und im Allgäu ganz sicher der Ausbau des Erdgasnetzes,<br />
die Erweiterung des Angebotes durch ein<br />
schnelles Breitband-Glasfasernetz und die Sicherung<br />
von langfristig stabilen Energiepreisen. Auch, wenn<br />
wir derzeit einen Schwerpunkt unserer Arbeit in<br />
Augsburg sehen: Das Allgäu war, ist und wird immer<br />
eine Kernregion für Erdgas Schwaben bleiben. Wir engagieren<br />
uns in der Netzerweiterung, investieren ganz<br />
wesentlich in KWK-Technik und vieles mehr. Das zurzeit<br />
herausragende Engagement finden Sie in Kaufbeuren<br />
– hier sanieren wir den Standort des historischen<br />
Gaswerkes in Millionenhöhe für einen attraktiven<br />
Neubau.<br />
Foto: Erdgas Schwaben<br />
Derzeit ein schwer beschäftigter Mann:<br />
Doppel-Geschäftsführer Klaus Peter Dietmayer<br />
Wir wollen Schwaben zu einer Leitregion in Sachen<br />
Energiewende und Energiezukunft machen: Der<br />
erste Schritt wurde mit dem höchst erfolgreichen<br />
Energiekongress im März getan. Durch die offene Beteiligungsplattform<br />
im Internet wurden so viele Beiträge<br />
eingebracht, dass wir heute noch an der Bewertung<br />
arbeiten. Ich hoffe, noch vor der Sommerpause<br />
erste Ergebnisse präsentieren zu können.<br />
Energiepolitik ist ein inzwischen leider hochemotionales<br />
Thema geworden. Fakt ist, dass wir schon<br />
1972 vom Club of Rome den Auftrag erhielten, uns<br />
um die Energieversorgung der Zukunft zu kümmern.<br />
Inzwischen ist zwar allen Beteiligten klar, wie zwingend<br />
der Auftrag ist, um unsere Gesellschaft enkeltauglich<br />
zu machen. Doch sachlicher ist die Suche<br />
nach Lösungen nicht geworden. Hier wünsche ich mir<br />
mehr Kompetenz in der Sache, Demut vor der Schöpfung<br />
und den kommenden Generationen und Mut,<br />
auch unbequeme Entscheidungen mit Standfestigkeit<br />
durch die Debatte zu tragen.<br />
Klaus Peter Dietmayer,<br />
Geschäftsführer Erdgas Schwaben<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
3
Inhalt<br />
Impressum<br />
Verlag und Herstellung:<br />
Verlag HEPHAISTOS<br />
EDITION <strong>ALLGÄU</strong><br />
Lachener Weg 2<br />
87509 Immenstadt-<br />
Werdenstein<br />
Tel. 08379/728616<br />
Fax 08379/728018<br />
info@heimat-allgaeu.info<br />
www.allgaeu-alternativ.de<br />
Herausgeber:<br />
Peter Elgaß<br />
Redaktion:<br />
Viola Elgaß (v.i.S.d.P.),<br />
Thomas Niehörster,<br />
Annette Müller<br />
Gekennzeichnete Beiträge<br />
stellen die Meinung des<br />
Ver fassers, nicht aber des<br />
Verlages dar.<br />
Layout:<br />
Bianca Elgaß,<br />
Ramona Klein,<br />
Dominik Ultes<br />
Anzeigen:<br />
Sven Abend (Ltg.), E-Mail:<br />
sven.abend@heimat-allgaeu.info<br />
Gültige Anzeigenpreisliste:<br />
1/<strong>2015</strong><br />
Bankverbindung Verlag:<br />
Raiffeisenbank Kempten-<br />
Oberallgäu, IBAN:<br />
DE97733699200007126999<br />
BIC: GENODEF1SFO<br />
Auf ein Wort Seite 3<br />
Altbau<br />
Kostenfalle bei der Sanierung Seite 6<br />
Bauen<br />
Individuelle Fertighäuser Seite 8<br />
Barrierefrei in Biberach Seite 12<br />
E-Mobil<br />
Volle Elektrokraft voraus Seite 14<br />
Länger mobil mit dem E-Rad Seite 17<br />
E-Power auch auf dem Land Seite 18<br />
Leitmarkt oder Schlusslicht Seite 20<br />
E-Mobil: Umfage<br />
Es wird noch etwas dauern! Seite 24<br />
E-Mobil<br />
Post kommt per E-Mobil Seite 25<br />
Verkehrsbund<br />
Das Allgäu rückt zusammen Seite 26<br />
Energieeffizienz<br />
Netzwerke vor Ort gewinnen Seite 27<br />
Energie<br />
Energieaudit wird Pflicht Seite 28<br />
Photovoltaik<br />
Eine Frau greift an Seite 30<br />
78<br />
Energiesparen<br />
Neuschwanstein Seite 32<br />
Meldungen<br />
Memminger Sonnenforscher Seite 34<br />
Neues AÜW-Kundencenter in Kempten Seite 34<br />
Ein Buch, das »elektrisiert« Seite 35<br />
Erstes nachhaltiges Kinderhotel Seite 35<br />
Dickes Lob für den Landkreis Oberallgäu Seite 35<br />
Klimafreundlicher Bergsport mit dem DAV Seite 36<br />
Kempten und Oberallgäu: Öko-Modellregion Seite 36<br />
Schmökern im Denkraum Seite 36<br />
Förderprogramm für Hausbesitzer Seite 37<br />
Besucher »stromern« nach München Seite 37<br />
Allgäuer Energieberatung Seite 38<br />
Ausstellung: Schule und Energie Seite 38<br />
Staatspreis für Herz & Lang Seite 38<br />
Spannender Energietag zur Festwoche Seite 39<br />
Preis für EnergiePLUS-Masterarbeit Seite 39<br />
Pflanzaktionen im Allgäu Seite 40<br />
Wohnpark mit moderner Lüftung Seite 41<br />
Holzige Termine Seite 41<br />
Wasserstoff<br />
Die Produktion verbessern Seite 42<br />
Die Natur macht es vor Seite 42<br />
Energie<br />
Die Renexpo in Augsburg Seite 44<br />
Energiesparen<br />
Green Factory Allgäu Seite 46<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
digital lesen?<br />
Einfach QR-Code scannen!<br />
Unsere Partnerzeitschrift<br />
im Bayerischen Oberland:<br />
oberland<strong>ALTERNATIV</strong><br />
4 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
44<br />
48<br />
Wasserkraft<br />
Grünes Licht vom Landrat Seite 48<br />
Digitalisierung<br />
Bad Hindelang ist dabei Seite 50<br />
Erdwärme<br />
Der Staat heizt mit Seite 52<br />
Industrie 4.0<br />
Aus Gliedern wird eine Kette Seite 53<br />
Windkraft<br />
Grünes Licht für Windräder Seite 56<br />
Bergfest auf hoher See Seite 58<br />
Mächler und Pioniere<br />
Im elektrischen Loch Seite 60<br />
Natur-Klima<br />
Hundert Prozent bis 2050 Seite 64<br />
68<br />
46<br />
Landschaftserhalt<br />
Ziegen für die Adelegg Seite 68<br />
Genetik<br />
Gute und böse Manipulation Seite 70<br />
Natur<br />
Artenvielfalt per Display Seite 74<br />
Eine kalte Kinderstube Seite 76<br />
Umwelt<br />
Die unwillkommenen Gäste Seite 78<br />
Redaktions- und Anzeigenschluss für die nächste<br />
Ausgabe ist der 2. Oktober <strong>2015</strong><br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> 5
Altbau<br />
Kostenfalle bei der Sanierung<br />
Praktische Hilfe für den Altbau-Hausbesitzer<br />
Fassadendämmung, neue Heizung, bessere Fenster: Nicht jede empfohlene und<br />
ge förderte Maßnahme zur energetischen Sanierung ist für jedes Gebäude sinnvoll.<br />
Ein interdisziplinäres Team der TU Darmstadt stellt die Energiepolitik auf den<br />
Prüfstand und arbeitet im Rahmen einer Studie an Empfehlungen, an denen sich<br />
Besitzer kleiner wie großer Immobilien orientieren können. Das Ziel: mit möglichst<br />
geringen Kosten einen möglichst großen Beitrag zum Klimaschutz zu erzielen.<br />
Foto: Kara/fotolia<br />
Sanierungen müssen sinnvoll<br />
und bezahlbar sein. Bei der<br />
Dacherneuerung kann<br />
man viele Fehler machen<br />
Auf Gebäude entfallen rund 40 Prozent des<br />
deutschen Endenergieverbrauchs und etwa<br />
ein Drittel der hierzulande verursachten<br />
CO2-Emissionen. Die energetische Sanierung des Gebäudebestandes<br />
ist somit der wichtigste Schritt auf<br />
dem Weg zum erfolgreichen Klimaschutz. Dennoch<br />
werden nur etwa 0,8 Prozent der Gebäude jährlich<br />
energetisch saniert und damit deutlich weniger als die<br />
2,2 Prozent, die nötig wären, um die CO2-Emissionen<br />
im Gebäudesektor schnell und bedeutend zu reduzieren.<br />
Die Ursache liegt im gegenwärtig verfolgten Ansatz<br />
der Politik. Er ist darauf ausgerichtet, bei jeder Gebäudesanierung<br />
das Maximum an Energieeinsparung<br />
zu erzielen. Damit allerdings sind sowohl Eigentümer<br />
als auch Nutzer häufig finanziell überfordert, sodass<br />
viele prinzipiell mögliche Sanierungen aus wirtschaftlichen<br />
Gründen ganz unterbleiben.<br />
Darüber hinaus stellen Eigentümer und Nutzer<br />
diejenigen Maßnahmen in Frage, die die Wohnqualität<br />
beeinträchtigen oder gar zu beträchtlichen Proble-<br />
6<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
men der Behaglichkeit oder des Raumklimas und zu<br />
Bauschäden wie zum Beispiel Schimmel führen können.<br />
Hier beschreitet die Studie der TU Darmstadt andere<br />
Wege: Sie lotet aus, wie mit dem zur Verfügung<br />
stehenden Budget ein bestmöglicher Beitrag zum Klimaschutz<br />
geleistet werden kann. Die Studie zielt konkret<br />
darauf ab, unter den für die Gebäudesanierung<br />
zur Verfügung stehenden Maßnahmen diejenigen auszuwählen,<br />
die besonders kosteneffizient und sinnvoll<br />
sind.<br />
Ganzheitliche Betrachtung<br />
Damit widmet sich das Team der Fachbereiche<br />
Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Fachgebiet<br />
Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre,<br />
sowie Bau- und Umwelt-Ingenieurwissenschaften,<br />
Institut für Massivbau, der Aufgabe, Instrumente zu<br />
entwickeln, um die energetische Sanierung in puncto<br />
Nachhaltigkeit neu zu bewerten. Erstmals betrachten<br />
die Wissenschaftler dafür die Gebäude, die möglichen<br />
Sanierungsmaßnahmen und deren Effekte in ihren<br />
Zusammenhängen und Wechselwirkungen, also als<br />
Ganzes.<br />
Bisher wurden in der Regel nur Endenergieverbrauch<br />
und Investitionskosten verglichen. In der Studie<br />
kamen nun auch Aspekte wie etwa Behaglichkeit im<br />
Wohnbereich, Energieverbrauch und Baumaterialien in<br />
Betracht. Den Wissenschaftlern ist vor allem an Transparenz<br />
gelegen. »Viele Eigentümer sanieren nicht, weil<br />
sie nicht wissen, welche Maßnahme in ihrem Fall am<br />
besten geeignet ist. Wir möchten ihnen aus diesem Dikkicht<br />
heraushelfen«, sagt Nikolas Müller, der für den<br />
Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften am<br />
Projekt mitarbeitete. »Was lässt sich im Gebäude an<br />
Energie einsparen, habe ich dann ein behagliches<br />
Wohnklima und was kostet das – das sind die Faktoren,<br />
die Eigentümer interessieren«, resümiert er.<br />
Echte Gebäude im Fokus<br />
So entwickelten die Forscher konkrete Empfehlungen<br />
für verschiedene Beispielimmobilien mit unterschiedlicher<br />
baulicher Ausstattung. In diesen<br />
»Roadmaps« lässt sich auf einen Blick ablesen, welche<br />
Maßnahmen in welcher Reihenfolge ausgeführt werden<br />
müssen und bei der Sanierung den Geldbeutel<br />
und die Umwelt gleichermaßen schonen. »Nicht jeder<br />
hat auf einen Schlag eine große Geldsumme zur Verfügung«,<br />
erklärt Müller. Die Studie ist umfassend, berücksichtigt<br />
Aspekte der Bausubstanz und Technik<br />
ebenso wie Betriebskosten, Investitionen und Wohnkomfort<br />
und ist daher als interdisziplinäres Projekt angelegt.<br />
»Einen Bauphysiker interessieren andere Dinge<br />
als einen Immobilienwirtschaftler«, sagt Müller.<br />
Die Politik ist gefordert<br />
Die Wissenschaftler stellten im Rahmen des Projektes<br />
auch politische Strategieansätze auf den Prüfstand.<br />
»Die besten Optionen, die wir in den Berechnungen<br />
herausgefiltert haben, entsprechen nicht unbedingt<br />
dem, was die Politik zurzeit fördert. In der<br />
Praxis treten die erwarteten Effekte bei der Energieeinsparung<br />
oft nicht ein oder reichen nicht, um die Sanierungsinvestitionen<br />
zu refinanzieren«, erklärt Müller.<br />
Auch seien die Normen, die für Förderungen herangezogen<br />
würden, nicht immer realitätsnah, oder sie<br />
legten verzerrende Werte zugrunde.<br />
Ferner stellen die Forscher einen weiteren Aspekt<br />
heraus: Die staatliche Förderung begünstigt oft ineffiziente<br />
Maßnahmen. Gibt es zum Beispiel schon eine<br />
dünne Fassadendämmung, müsste in die – vom Staat<br />
geforderte oder auch geförderte – verbesserte Dämmung<br />
deutlich mehr Geld investiert werden, um spürbar<br />
Energie einzusparen, als in einem noch gar nicht<br />
gedämmten Haus, bei dem dieselbe Investition dann<br />
deutlich stärkere Effekte brächte. Ineffizient ist das in<br />
diesem Fall sowohl für den Eigentümer der Immobilie<br />
als auch im Hinblick auf die staatliche Mittelvergabe.<br />
Neu: individuelle Konzepte<br />
Die Analysen zeigen auch, dass die Mindestanforderungen<br />
zur bauphysikalischen Behaglichkeit im<br />
Verhältnis zu den bislang geforderten und geförderten<br />
Lösungen bereits mit geringen Aufwendungen sowohl<br />
beim Material als auch bei den Kosten erreicht werden<br />
können. Nach Abschluss des Projektes empfehlen die<br />
Forscher, in Gesetzesverordnungen nicht mehr einzelne<br />
Maßnahmen nur unter dem Aspekt der Energieeinsparung<br />
singulär zu betrachten und zu fördern<br />
nach der pauschalen Devise: »Insbesondere Fassadendämmung<br />
ist das A und O«, sondern individuelle Sanierungskonzepte<br />
einzelner Gebäude unter Berücksichtigung<br />
der Endenergie- und CO2-Vermeidungskosten<br />
auf ihre Förderwürdigkeit hin zu bewerten.<br />
Darüber hinaus zeichnet sich weiterer Forschungsbedarf<br />
ab: Wie wirtschaftlich ist die energetische Gebäudesanierung<br />
in der Fläche? Und können künftig öffentliche<br />
Fördermittel zweckmäßiger verteilt werden?<br />
Wenn viele Menschen sich Sanierungen leisten können,<br />
wird auch ein großer Effekt fürs Klima erzielt, so<br />
die Überlegung.<br />
Ein Handbuch für die Praxis<br />
Die Wissenschaftler arbeiten derzeit an<br />
einem Handbuch zur energetischen Gebäude -<br />
sanierung. In dem Buch werden die Effekte<br />
energieeffizienter Maßnahmen in ihren Zu -<br />
sammenhängen nachvollziehbar hergeleitet<br />
und verständlich dargestellt. Mit dem Hand -<br />
buch wollen die Wissenschaftler einerseits<br />
dazu beitragen, die Diskussion um das Für<br />
und Wider energetischer Sanierungen zu<br />
versachlichen sowie andererseits Gebäude -<br />
eigentümern mit Handlungsleitfäden unter -<br />
stützen, die darstellen, wann und unter wel -<br />
chen Umständen welche Maßnahmen be -<br />
sonders sinnvoll sind. Das Buch zielt mit die -<br />
ser Doppelstrategie mittelfristig darauf ab,<br />
Grundlagen zu schaffen, auf deren Basis<br />
sowohl die Sanierungsquote als auch die<br />
Sanierungs effizienz gesteigert werden kann.<br />
Das Buch wird Ende <strong>2015</strong> erscheinen.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> wird dieses Handbuch<br />
vorstellen, sobald es verfügbar ist.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
7
Bauen<br />
Individuelle Fertighäuser<br />
Regionale Unternehmen wissen, wie<br />
Häuser aus dem Katalog sucht sich kein Mensch mehr aus, Fassaden mit<br />
fingerbreiten Fugen ernten bestenfalls ein mildes Lächeln. Nach Angaben des<br />
Deutschen Holzfertigbau-Verbandes e.V. (DHV) sind die Ansprüche ans Bauen<br />
und Wohnen mit der Zeit enorm gestiegen. Lediglich ein Dach über dem Kopf<br />
ist längst nicht mehr alleiniges Ziel der Bauherren und ihrer Familien.<br />
Mit Herz, Hand und Sachverstand:<br />
Fertighausanbieter im Allgäu sind erfolgreiche<br />
Holzbaubetriebe, die über<br />
tra di tio nelles handwerkliches Können ebenso verfügen<br />
wie über modernste Technik. Hier bleibt nichts<br />
dem Zufall überlassen – beispielsweise wird die<br />
Holzfeuchte mehrmals gemessen. »Kreativität, Flexibilität,<br />
Schnelligkeit und Energieeffizienz sind Parameter,<br />
an denen sich moderne Hausbauunternehmen<br />
messen lassen müssen. Ebenso spielen die Qualität<br />
der Bauausführung und die gesundheitliche Unbedenklichkeit<br />
der verwendeten Materialien eine<br />
Schlüsselrolle«, betont Erwin Taglieber, Präsident des<br />
Deutschen Holzfertigbau-Verbandes e.V. (DHV). Er<br />
ist selbst Holzbauunternehmer und weiß, wovon er<br />
spricht. »Zur Individualität des Hausentwurfs«, sagt<br />
er, »gibt es bei Neubauvorhaben praktisch keine Alternative.«<br />
8<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Fotos: Holzhaus Buhmann und DHV<br />
Foto vorhergehende Seite:<br />
Moderne Gestaltung –<br />
ein Kinder garten im Passiv haus -<br />
standard mit architektonischem<br />
Anspruch.<br />
Foto links:<br />
Interessant gestalteter<br />
Materialmix im Fassaden -<br />
bereich gibt dem Anbau<br />
eine filigrane Note<br />
Großer Vorteil eines Holzhauses<br />
ist die Vorfertigung. Auf dem<br />
Foto ganz links ist ein Haus zu<br />
sehen, das von Holzbau<br />
Buhmann in einen fertigen<br />
Garten gesetzt würde, ohne<br />
dass die bestehende<br />
Bepflanzung Schaden nahm.<br />
Foto links: Die farbige Holz fas -<br />
sade schmiegt sich perfekt in<br />
die natürliche Umgebung<br />
(gebaut von Holzbau Buhmann,<br />
geplant von VitalArchitektur<br />
Martin Maurer)<br />
Andere Zeiten, andere Häuser<br />
Früher war das alles völlig anders: Im eigenen<br />
Haus zu wohnen, galt als Lebenstraum, für dessen<br />
Verwirklichung man lange eisern sparte. Oft dauerte<br />
es Monate, bis das Haus – meist Stein auf Stein in<br />
Handarbeit – errichtet war, zuweilen sogar länger.<br />
Nach dem Richtfest musste der Baukörper erst einmal<br />
austrocknen, bevor er verputzt, innen fertiggestellt<br />
und dann endlich bezogen werden konnte. Viel Zeit<br />
musste man als Bauherr also haben, einen guten Architekten<br />
und natürlich auch das Geld, um all die vielen<br />
Bauhandwerker zu bezahlen. Von den Nerven, die<br />
manchen Bauherrn das Projekt kostete, ganz zu<br />
In der Fertigung:<br />
eine moderne Abbinde-Anlage
Bauen<br />
Auf dem Montagetisch ist<br />
bereits die Form der<br />
Hausfassade erkennbar<br />
Kurzinfo<br />
Weitere Informationen über<br />
modernes Bauen und<br />
gesundes Wohnen in einem<br />
Fertighaus aus Holz gibt es<br />
beim DHV, Deutscher<br />
Holzfertigbau-Verband e.V.,<br />
Hellmuth-Hirth-Str. 7, 73760<br />
Ostfildern, www.d-h-v.de<br />
schweigen – die vielen Gewerke und Handwerker »im<br />
Zaum« zu halten, war eine Kunst, die nur wenige beherrschten<br />
– denn auf Erfahrungswerte konnte ja<br />
kaum ein Bauherr zurückblicken.<br />
Wachsende Nachfrage<br />
Doch schon damals war Zeit Geld – weshalb die<br />
Idee, ein standardisiertes Haus zu kaufen, rasch Anhänger<br />
fand. Einfach das passende Modell in einer der<br />
vielen Musterhaus-Siedlungen aussuchen und beim<br />
Versandhandel bestellen – mit Eingang links oder<br />
rechts, das Dach mit Fenster oder ohne, Garagenanbau<br />
oder Erker auf der Giebelseite – an Wahlmöglichkeiten<br />
gab es nicht allzu viele. Denn die Grundrisse<br />
waren samt und sonders vorgezeichnet. Das hat freilich<br />
kaum jemanden gestört, wenn es galt, der Familie<br />
zu einem bezahlbaren Dach über dem Kopf zu verhelfen.<br />
Genau diesen Zweck haben Fertighäuser aus dem<br />
Katalog erfüllt – damals, in den 1960er- und 1970erund<br />
auch noch in den frühen 1980er-Jahren. Heute<br />
dürften solche »Häuser von der Stange« kaum noch<br />
Käufer finden.<br />
Vorfertigung macht Vielfalt<br />
Beim Holzrahmen- und Holztafelbau bringt der<br />
Einsatz von Maschinentechnik große Vorteile mit sich:<br />
vom Präzisions- und Zeitgewinn im Zuschnitt und bei<br />
der Montage über die realisierbare Vielfalt der Entwürfe<br />
bis zur Beschleunigung des Durchlaufs großer<br />
Elemente. Alle Decken- und Wandanschlüsse sitzen<br />
so, dass sie beim Richten des Gebäudes exakt verbunden<br />
werden können. Der Aufbau des Hauses ist nur<br />
noch eine Sache weniger Tage. Nimmt man den kompletten<br />
Innenausbau mit hinzu – dauert es vom ersten<br />
Hammerschlag bis zum Einzug allenfalls ein Vierteljahr.<br />
Stetige Weiterentwicklung der Produktionstechnologie<br />
hat im Holzfertigbau einen Quantensprung<br />
bewirkt, der von der Einführung von Schmetterlingstischen<br />
zum Wenden großer Wände über CNC-gesteuerte<br />
Abbinde-Anlagen bis zum Einsatz vollautomatischer<br />
Industrieroboter reicht. Dämmstoffbahnen<br />
werden millimetergenau in die Gefache eingelegt,<br />
schwere Holzwerkstoffplatten keineswegs von Hand<br />
getragen, sondern von Greifarmen angesaugt, bevor<br />
sie von der einen Bearbeitungsstation zur nächsten<br />
durch die Halle schweben. Das alles ähnelt sehr der<br />
Herstellung moderner Autos: Kaum ein Anbieter<br />
käme mehr auf die Idee, Karosserieteile in Handarbeit<br />
mit Schrauben zu verbinden. Im Holzfertigbau ist das<br />
kaum anders; hier helfen zum Beispiel Druckluftnagler,<br />
Dämmplatten mit Edelstahlklammern im Holzrahmen<br />
zu verankern.<br />
Ansprüche sind gestiegen<br />
Das Ziel, nur ein Dach über dem Kopf zu haben,<br />
ist längst dem Wunsch nach gesundem Wohnen, Behaglichkeit<br />
und Energieeffizienz gewichen. Hübsch<br />
anzusehen soll das Haus natürlich sein, hochwertig,<br />
werthaltig und gut gedämmt auf alle Fälle. Genau wie<br />
10 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Ein Mitarbeiter der Holzbaufirma bei der Feuchtemessung<br />
die vielen wunderschönen Häuser, die die rund 160<br />
Mitgliedsunternehmen im Deutschen Holzfertigbau-<br />
Verband ganz nach Bauherrenwunsch entwerfen, wettergeschützt<br />
vorfertigen, exakt zum Bedarfszeitpunkt<br />
auf den jeweiligen Bauplatz liefern, dort fachgerecht<br />
montieren und mit viel Liebe zum Detail von innen<br />
und außen komplettieren. Handwerkliches Können<br />
und maschinelle Unterstützung gehen dabei Hand in<br />
Hand. Im Verbund ergeben sie ein Haus aus Holz von<br />
meisterlicher Qualität, das werthaltig und zukunfts -<br />
fähig ist. Eben ein Holzfertighaus, wie es sich in<br />
Deutschland immer mehr Bauherren wünschen: individuell<br />
geplant, meisterlich gebaut und doch erschwinglich.<br />
Im Allgäu hilft noch ein weiterer Aspekt dem<br />
Bauwilligen, sich für ein Holz-Fertighaus zu entscheiden:<br />
In kaum einer anderen Gegend in Deutschland<br />
gibt es so viele organisierte Fachbetriebe wie in unserer<br />
Region. allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> hat sie in einer<br />
Adressliste zusammengestellt (siehe Kasten). Weitere<br />
Kriterien kommen hinzu: Ökologisch sinnvoll ist es,<br />
dass die Werkstoffe möglichst kurze Lieferwege haben<br />
und auch die fertigen Bauelemente nicht über Hunderte<br />
von Kilometern per Tieflader angeliefert werden<br />
müssen.<br />
Ein weiterer Vorteil: Regionale Firmen sind bei<br />
Nachbesserungen und Sonderwünschen sofort greifbar.<br />
Die räumliche Nähe spart Wegekosten und bringt<br />
zusätzliche Sicherheit – denn lokaler Service ist in jedem<br />
Fall günstiger.<br />
Holzbau-Unternehmen im DHV in der Region<br />
Holzbau Buhmann GmbH & Co. KG<br />
Eisenbolz 15<br />
87480 Weitnau<br />
Tel.: 08375 92080<br />
info@holzbaubuhmann.de<br />
http://www.holzbaubuhmann.de<br />
M & M HolzHaus GmbH<br />
Füssener Straße 57<br />
87484 Nesselwang<br />
Tel.: 08361 92100<br />
info@mm-holzhaus.de<br />
http://www.mm-holzhaus.de<br />
Anton Ambros GmbH<br />
Hauptstraße 5<br />
87659 Hopferau<br />
Tel.: 08364 983430<br />
info@ambros-haus.de<br />
http://www.ambros-haus.de<br />
Bau-Fritz GmbH & Co. KG, seit 1896<br />
Alpenstraße 25<br />
87746 Erkheim<br />
Tel.: 08336 900-0<br />
Fax: 08336 900-222<br />
dfv@baufritz.net<br />
http://www.baufritz.de<br />
Weizenegger Objektbau GmbH<br />
Ziegelwiesenweg 1<br />
88410 Bad Wurzach<br />
Tel.: 07564 93470<br />
info@weizenegger.de<br />
http://www.weizenegger.de<br />
Holzbau Leiter-Witzemann GbR<br />
Liebenau<br />
Mühlenweg 4<br />
88074 Meckenbeuren<br />
Tel.: 07542 3810<br />
bernhard.leiter@t-online.de<br />
http://www.leiter-witzemann.de<br />
BUNZ bauart GmbH<br />
Biberacher Straße 37<br />
88477 Schwendi<br />
Tel.: 07353 980440<br />
info@bunz-bauart.de<br />
http://www.bunz-bauart.de<br />
Architekturpartner ist die Planungsgruppe PGR<br />
Blumenstraße 11<br />
86956 Schongau<br />
Tel.: 08861 8003<br />
orader@proligna.de<br />
http://www.proligna.de<br />
Fördermitglied ist die<br />
Fermacell GmbH<br />
Am alten Sportplatz 1<br />
87749 Hawangen<br />
jens.morscheid@xella.com<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
11
Bauen<br />
Barrierefrei in Biberach<br />
Ein Lehrgang für Fachplaner<br />
Barrierefreies Bauen ist eine zentrale Gestaltungsherausforderung für<br />
unsere Gesellschaft ebenso wie für Planungs- und Architekturbüros: Die<br />
gebaute Umwelt muss und kann die Anforderungen erfüllen, die – nicht<br />
nur durch den demografischen Wandel – in unserer Gesellschaft entstehen.<br />
Die Akademie der Hochschule Biberach bietet diesen Berufsgruppen<br />
erneut den Lehrgang »FachplanerIn Barrierefreies Bauen« an.<br />
Architektin Dr.-Ing. Sigrid Loch<br />
(oben) und Referentin Nadine<br />
Metlitzky (darunter) leiten den<br />
Lehrgang in Biberach<br />
Weitere<br />
Informationen<br />
http://www.akademiebiberach.de/barrierefrei<br />
http://www.hochschulebiberach.de<br />
Fotos: privat<br />
Die Zusammenarbeit der Hochschule Biberach<br />
mit dem Institut Fortbildung Bau der<br />
Architektenkammer Baden-Württemberg<br />
zeigt, dass Barrierefreiheit den Berufsalltag von Planern<br />
erreicht hat«, so Pascal Steinert, Mitglied der Geschäftsführung<br />
der Akademie der Hochschule<br />
Biberach. Denn die Anforderungen in der Praxis sind<br />
komplex: Was bedeutet barrierefreies Bauen tatsächlich?<br />
Was ist in der konkreten Planung zu berücksichtigen?<br />
Welche funktionalen und kreativen Spielräume<br />
kann der Planer nutzen? Wie funktionieren barrierefreie<br />
Baudetails? Und schließlich: Was kostet barrierefreies<br />
Bauen und wem nutzt es?<br />
Diese und weitere Fragen sollen im Lehrgang<br />
»Barrierefreies Bauen« beantwortet werden. Der Lehrgang,<br />
der nach dem erfolgreichen Start in diesem Jahr<br />
erneut vom 1. Oktober <strong>2015</strong> bis 28. Januar 2016 angeboten<br />
wird, bietet Planern und Architekten fundierte<br />
Grundlagen sowie spezifisches Fachwissen zum barrierefreien<br />
Bauen und eröffnet damit neue Handlungspotenziale<br />
für die Praxis.<br />
Der nächste Lehrgang greift auch aktuelle Diskussionen<br />
auf – etwa mit einem Expertenbeitrag zum<br />
Thema AAL-unterstützende Technik. Im Fokus stehen<br />
technische Assistenzsysteme, innovative Produkte und<br />
Dienstleistungen, die ein selbstbestimmtes Leben im<br />
Alter oder bei Behinderung unterstützen können.<br />
Die Akademie der Hochschule Biberach hat das<br />
Angebot zusammen mit zwei Expertinnen für barrierefreies<br />
Bauen entwickelt: Dr.-Ing. Sigrid Loch, Architektin,<br />
hat sich in Forschung und Lehre an der Universität<br />
Stuttgart sowie als Referentin im Bereich Fortund<br />
Weiterbildung auf anpassungsfähige Wohnkonzepte,<br />
barrierefreies und generationengerechtes Planen<br />
und Bauen spezialisiert. Lehraufträge und die Leitung<br />
zahlreicher Fortbildungsveranstaltungen u.a. für<br />
die Architektenkammer ergänzen ihre Arbeit. Ihre<br />
Kollegin, Dipl.-Ing. (FH) Nadine Metlitzky, hat das<br />
»Factus 2 Institut« mit Sitz in Nordhausen und Erfurt<br />
gegründet und bietet in freier Tätigkeit die Planung,<br />
Beratung und Begutachtung von Bauprojekten unter<br />
dem Aspekt der Barrierefreiheit an. Auch ein Fortbildungsprogramm<br />
für Planer und Architekten gehört<br />
zum Angebot des Instituts. Nadine Metlitzky gilt als<br />
Koryphäe auf diesem Gebiet, insbesondere im Bereich<br />
der Wissens-vermittlung.<br />
Anzeige<br />
Verpassen Sie nicht die nächste Ausgabe!<br />
Die Herbst-/Winterausgabe von allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> erscheint<br />
am 6. November <strong>2015</strong> bei unseren Leserinnen und Lesern.<br />
Bestellen Sie jetzt kostenlos und unverbindlich Ihr Exemplar.<br />
Fotos: RainerSturm/pixelio.de,<br />
Andreas Hermsdorf/pixelio.de<br />
Sie möchten die nächste Ausgabe von<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
kostenfrei zugeschickt bekommen?<br />
Dann rufen Sie uns jetzt an, Tel. +49 (0)8379 728016 oder senden Sie uns eine E-Mail an<br />
info@heimat-allgaeu.info mit dem Betreff »PROBEHEFT 3/<strong>2015</strong>«.
Anzeigen
E-Mobil<br />
Volle Elektrokraft voraus<br />
Welches Pedelec passt zu welchem Radler-Typ?<br />
Pedelecs sind voll im Trend. Die Umsätze der Hersteller haben sich in den letzten Jahren vervielfacht. Die<br />
Technik der Räder ist perfektioniert worden. Beim Kauf von E-Bikes sollte man nicht nur auf den Preis, sondern<br />
auch auf seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse achten. Eco-top-ten, die Plattform für ökologische<br />
Spitzenprodukte, hat Daten und Merkmale von Pedelecs in einer Kaufberatung zusammengestellt.<br />
Hersteller<br />
Modell<br />
Feldmeier<br />
FE05<br />
Stepless<br />
M1 Sport -<br />
technik<br />
GmbH & Co.<br />
Secede Sahel Com -<br />
pact Impulse<br />
8R/8<br />
Kalkhoff Kalkhoff Kalkhoff Kalkhoff Kalkhoff Prophete<br />
Tasman<br />
Impul se<br />
8R /8<br />
Pro Connect<br />
B10 Disc<br />
Agattu Impul -<br />
se 7R HS /<br />
7 HS<br />
Agattu<br />
B8 HS<br />
52555-<br />
0111<br />
Kaufpreis (€) 2.199 € 4.824 € 2.499 € 2.199 € 2.399 € 1.999 € 2.199 € 1.700 €<br />
Typ City-Pedelec Falt-Pedelec City-Pedelec City-Pedelec Touren- City-Pedelec City-Pedelec City-Pedelec<br />
Pedelec<br />
Stromkosten (€/Jahr) 4 5 6 6 6 6 6 6<br />
Gesamtkosten (€/Jahr) 349 602 404 361 381 341 361 291<br />
CO2-Emissionen 18 19 21 21 21 21 21 21<br />
(kg/CO2e/Jahr)<br />
Stromverbrauch (kWh/Jahr) 15 16 20 20 20 20 20 20<br />
Anzahl Ladezyklen 500 500 1100 1100 1100 1100 1100 500<br />
Rekuperation nein ja nein nein nein nein nein nein<br />
Anzahl Gänge stufenlos 10 8 8 10 7 8 7<br />
Position Motor Mitte Hinten Mitte Mitte Mitte Mitte Mitte Mitte<br />
Kosten Ersatzakku (€) 500 399 729 599 599 599 599 400<br />
Hersteller CUBE Bikes Feldmeier<br />
Riese & Riese & Riese & Riese & Riese &<br />
Müller Müller Müller Müller Müller<br />
ROSE<br />
Modell TOURING<br />
HYBRID<br />
FE06 Big<br />
Pack<br />
blueLABEL<br />
SWING city<br />
Avenue city<br />
rücktritt<br />
Culture city<br />
rücktritt<br />
Homage<br />
dualdrive<br />
blueLABEL<br />
WAVE city<br />
XTRA<br />
WATT-2<br />
rücktritt<br />
rücktritt<br />
Kaufpreis (€) 2.399 € 2.399 € 2.799 € 3.999 € 4.199 € 4.599 € 2.799 € 2.299 €<br />
Typ Touren-<br />
Pedelec<br />
Touren-<br />
Pedelec<br />
City-Pedelec City-Pedelec City-Pedelec Touren-<br />
Pedelec<br />
City-Pedelec City-<br />
Pedelec<br />
Stromkosten (€/Jahr) 6 6 6 6 6 6 6 6<br />
Gesamtkosten (€/Jahr) 398 391 436 556 576 618 436 390<br />
CO2-Emissionen 22 22 22 22 22 22 22 22<br />
(kg/CO2e/Jahr)<br />
Stromverbrauch (kWh/Jahr) 20 20 20 20 20 20 20 20<br />
Anzahl Ladezyklen 500 500 500 500 500 500 500 500-600<br />
Rekuperation nein nein nein nein nein nein nein nein<br />
Anzahl Gänge 10 stufenlos 8 8 8 27 8 8<br />
Position Motor Mitte Mitte Mitte Mitte Mitte Mitte Mitte Mitte<br />
Kosten Ersatzakku (€) 769 700 749 749 749 769 749 789<br />
14 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Pedelecs – umgangssprachlich fälschlicherweise<br />
häufig als E-Bikes bezeichnet – mit<br />
einer Tretunterstützung bis zu 25 Stundenkilometern<br />
und Motoren mit max. 250 Watt gelten<br />
rechtlich als Fahrräder. Das ist auch dann der Fall,<br />
wenn sie eine Anfahr- oder Schiebehilfe bis sechs<br />
Stundenkilometer haben. Daher gibt es kein<br />
Mindestalter für FahrerInne und es besteht keine Versicherungs-<br />
oder Führerscheinpflicht. Pedelecs brauchen<br />
seit August 2013 keinen Dynamo mehr und<br />
dürfen ihre Beleuchtung entweder per Dynamo oder<br />
mit Batterie/Akku betreiben (Nennleistung mindes -<br />
tens 3 Watt und Nennspannung 6 Volt).<br />
Eine besondere Klasse stellen die S-Pedelecs<br />
und E-Bikes dar. Sie gelten als Kleinkrafträder und<br />
brauchen ein Versicherungskennzeichen, so wie Mofas<br />
und Mopeds. Das Mindestalter der Fahrer liegt<br />
bei 15 Jahren, alleine schon deswegen, weil mindes -<br />
tens eine Mofa-Prüfbescheinigung vorgeschrieben<br />
ist.<br />
w<br />
Raleigh Raleigh Raleigh Raleigh SFM CUBE Bikes CUBE Bikes CUBE Bikes<br />
Dover<br />
Impulse 7<br />
HS / 7R HS<br />
Stoker<br />
Impulse 9<br />
Cardiff B8<br />
HS<br />
Leeds Impul -<br />
se Compact<br />
8 / 8R<br />
Saxonette<br />
Deluxe 250<br />
TRAVEL<br />
HYBRID<br />
ELLY CRUISE<br />
HYBRID<br />
DELHI<br />
HYBRID PRO<br />
1.999 € 1.999 € 2.199 € 2.499 € 1.799 € 2.199 € 2.399 € 2.799 €<br />
City-Pedelec Touren- City-Pedelec City-Pedelec City-Pedelec City-Pedelec City-Pedelec City-Pedelec<br />
Pedelec<br />
6 6 6 6 6 6 6 6<br />
341 341 361 404 321 378 398 438<br />
21 21 21 21 21 22 22 22<br />
20 20 20 20 20 20 20 20<br />
1100 1100 1100 1100 500 500 500 500<br />
nein nein nein nein nein nein nein nein<br />
7 9 8 8 8 7 7 stufenlos<br />
Mitte Mitte Mitte Mitte Vorne Mitte Mitte Mitte<br />
599 599 599 729 599 769 769 769<br />
ROSE ROSE ROSE ROSE ROSE Kalkhoff Raleigh Feldmeier<br />
XTRA<br />
WATT-3<br />
XTRA<br />
WATT-4<br />
XEON EL-3<br />
XTRA<br />
WATT-5<br />
XEON EL-2 Sahel Impul -<br />
se 8R / 8<br />
Leeds Impul -<br />
se 8R Lite<br />
HS<br />
FE02 Big<br />
Trip<br />
2.699 € 2.995 € 2.999 € 3.599 € 3.999 € 2.399 € 2.699 € 2.899 €<br />
Touren-<br />
Pedelec<br />
Touren-<br />
Pedelec<br />
Touren-<br />
Pedelec<br />
Touren-<br />
Pedelec<br />
Touren-<br />
Pedelec<br />
City-Pedelec City-Pedelec City-Pedelec<br />
6 6 6 6 6 6 6 8<br />
428 457 458 518 558 391 421 443<br />
22 22 22 22 22 22 22 27<br />
20 20 20 20 20 21 21 28<br />
500-600 500-600 500-600 500-600 500-600 500-600 1100 1100<br />
nein nein nein nein nein nein nein nein<br />
11 stufenlos 10 14 14 8 8 8<br />
Mitte Mitte Mitte Mitte Mitte Mitte Mitte Mitte<br />
769 769 769 769 769 699 699 699<br />
Stand Tabelle: April <strong>2015</strong><br />
Kaufpreis = Preis empfehl ung<br />
des Herstellers. Die Preise<br />
können für jedes Mo dell<br />
schwanken, je nach Ausstat -<br />
tungsgrad des Rades und<br />
Leistung des Akkus.<br />
Die jährlichen Gesamtkosten<br />
setzen sich aus den An schaf -<br />
fungskosten und den Kosten<br />
für einen Ersatzakku (anteilig<br />
entschprechend der Gesamt -<br />
lebensdauer),den jährlichen<br />
Stromkosten sowie den Kos ten<br />
für War tung und Repa ra tur<br />
zusammen.<br />
Grundlage für die Berech nung<br />
der jährlichen Strom kosten ist<br />
der Stromver brauch, der für<br />
50 Akku ladungen benötigt wird<br />
und dessen Höhe von der Akku-<br />
Kapazität des jeweiligen Ele k -<br />
tro fahrrads abhängt. Für eine<br />
Kilowatt stunde werden 0,296<br />
Euro angenommen (Ar beits -<br />
preis inkl. Grundpreis, eigene<br />
Erhebung März <strong>2015</strong>). Die<br />
Wartungskosten werden mit<br />
durchschnittlich 75 Euro pro<br />
Jahr ange nommen. Dies<br />
beinhaltet die jährliche War -<br />
tung bei einem Fachhändler<br />
und kleinere Reparaturen wie<br />
z.B. das Auswechseln der Kette<br />
oder Bremsbeläge (anteilig ent -<br />
sprechend der Gesamtlebens -<br />
dauer).<br />
Jährliche Emissionen an CO2-<br />
Äquivalenten: Hier wur den die<br />
CO2-Emissionen an hand des anfallenden<br />
Strom verbrauchs für<br />
50 Akku ladungen im Jahr be -<br />
rechnet. Für eine Kilo watt -<br />
stunde Strom werden in<br />
Deutschland klima relevante<br />
Emissionen in Höhe von<br />
durchschnitt lich 666g CO2-<br />
Äquivalenten frei<br />
(Quelle: EcoInvent 3.01).<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
15
E-Mobil<br />
Unser Vergleich legt den Fokus auf die Kategorie<br />
der Pedelecs, da sie verkehrsrechtlich als Fahrräder<br />
gelten und daher weder ein Mindestalter erfordern<br />
noch einer Versicherungs- oder Führerscheinpflicht<br />
unterliegen.<br />
Ein technischer Zusatz, der im Alltag sehr hilfreich<br />
sein kann, ist die Schiebe- oder Anfahrhilfe. Dabei<br />
handelt es sich um eine Motorunterstützung ohne<br />
Pedalbewegung bis sechs Stundenkilometer. Besonders<br />
gut beim Bergaufschieben, Anfahren an der Ampel<br />
oder, um das Rad aus dem Fahrradkeller zu holen.<br />
Normalerweise wird sie über einen Hebel in der Nähe<br />
des Schalthebels betätigt.<br />
Der Motor an einem Pedelec kann an drei verschiedenen<br />
Stellen platziert sein. Als Nabenmotor im<br />
Vorderrad (Frontantrieb) oder im Hinterrad (Heckantrieb)<br />
sowie als Mittelmotor im Bereich des Tretlagers.<br />
Je tiefer der Motor angebracht ist, desto besser ist<br />
das Fahrverhalten. Der Vorderradantrieb kann sich<br />
bei kräftigem Einsatz an den Pedalen und rutschiger<br />
Fahrbahn negativ auswirken. Das Vorderrad kann bei<br />
heftigen Lenkbewegungen ausbrechen. Grundsätzlich<br />
sollte man vor dem Kauf zumindest eine Probefahrt<br />
machen. Noch besser ist es, sich bei den vielen inzwischen<br />
etablierten Pedelec-Verleih-Stationen unterschiedliche<br />
Räder auszuleihen und ein eigenes Profil<br />
für das zukünftige Kaufobjekt zu erstellen. Kriterien<br />
könnten sein: hohe Leistungskraft auf Kurzstrecke,<br />
möglichst lange Schubhilfe im<br />
Eco-Modus auf der Langstrecke<br />
für ausgedehnte<br />
Rad-Touren oder Abstimmung<br />
der Bedürfnisse<br />
mit einem Partner, der mit<br />
einem Normal-Fahrrad unterwegs<br />
ist. In der Regel liegt<br />
die Reichweite bei 30 bis<br />
100 Kilometern. Die<br />
Foto: Volker Wille<br />
Reichweite ein und derselben Batterie kann stark variieren<br />
und hängt von mehreren Faktoren (Fahrweise,<br />
Topografie, Alter der Batterie, gewählte Unterstützungsart<br />
und sogar vom Reifenluftdruck) ab. Unterschiede<br />
gibt es auch bei der Kapazität der Akkus.<br />
Ein Ersatz-Akku für ein Pedelec kostet zwischen<br />
450 und 950 Euro. Die zu erwartende Lebensdauer<br />
moderner Akkus beträgt ca. 500-1000 Vollladezyklen.<br />
Bei einer durchschnittlichen Distanz von 50 Kilometern<br />
pro Akkuladung entsprechen 500 Zyklen ca.<br />
25.000 Kilometern. Falscher Umgang mit den Akkus<br />
kann jedoch zu einem schnelleren Verschleiß führen<br />
und die Lebensdauer deutlich verkürzen. EcoTopTen<br />
empfiehlt ausschließlich Lithium-Ionen-Akkus, da sie<br />
am effektivsten Energie speichern und dadurch leichter<br />
sind als z.B. NiMhd-Akkus. Batterien jeglicher Art<br />
verlieren über die Zeit hinweg jedoch auch einen Teil<br />
ihrer ursprünglichen Speicherkapazität. Hersteller geben<br />
für die Akkus daher oft nur eine Garantie von<br />
zwei Jahren. Bei sachgerechter Lagerung und Anwendung<br />
sind aber auch Lebenszeiten von mehr als fünf<br />
Jahren gut möglich.<br />
Der Akku sollte, wenn möglich, nach jeder Fahrt<br />
bei Zimmertemperatur wieder aufgeladen und gelagert<br />
werden. Besonders im Winter tun Sie Ihrem Akku<br />
einen Gefallen, wenn Sie ihn nicht bei Minustemperaturen<br />
draußen lagern. Das Fahren bei Temperaturen<br />
unter null hat keinen großen Einfluss auf die Leistung<br />
Ihres Elektrofahrrads. Akkus mit größerer Kapazität<br />
ermöglichen eine größere Reichweite, bedeuten allerdings<br />
auch etwas mehr Gewicht am E-Bike.<br />
Im Kennzeichen ist die Haftpflichtversicherung<br />
inklusive. Pedelecs, also E-Bikes bis 25 Stundenkilometer<br />
Motorunterstützung, sind in den meisten Fällen<br />
über die private Haftpflichtversicherung gedeckt. Eine<br />
Bestätigung durch Ihre Versicherung sollten Sie aber<br />
einholen, falls Elektrofahrräder in Ihrer Police nicht<br />
ausdrücklich erwähnt sind. Für Pedelecs mit Anfahrhilfe<br />
ist dies ganz besonders notwendig. Viele Versicherer<br />
nehmen Pedelecs mit Anfahrhilfe aber mit in die<br />
Privathaftpflicht auf, wenn sich die Anfahrhilfe bei spätestens<br />
6 Stundenkilometern abschaltet.<br />
Als Zugfahrzeuge für Kinderfahrradanhänger<br />
sind nur normale Fahrräder und Pedelecs zugelassen.<br />
Helm auf. Eine Helmpflicht besteht bei Elektrofahrrädern<br />
nicht, Fachleute raten jedoch, bei jeder<br />
Fahrradfahrt einen Helm zu benutzen – zu Ihrer eigenen<br />
Sicherheit.<br />
Pedelecs werden rechtlich wie Fahrräder behandelt<br />
und müssen, wenn ein Fahrradweg vorhanden ist,<br />
diesen auch benutzen. Außerdem dürfen sie auf Einbahnstraßen<br />
in die Gegenrichtung bewegt werden,<br />
wenn dies für Fahrräder gestattet ist. Ebenso dürfen<br />
Fußgängerzonen mit Freigabe für Räder sowie<br />
Waldwege mit Pedelecs befahren werden.<br />
16<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
E-Mobil<br />
Länger mobil mit dem E-Rad<br />
Spezial-Fahrzeug fürs Seniorenheim<br />
Seit 1992 entwickelt, konstruiert und baut die<br />
Firma Draisin in ihrer Werkstatt in Achern im<br />
Schwarzwald Spezial-Fahrräder und Sonder -<br />
lösungen für Behinderte und gebrechliche<br />
Personen. Dabei kommt auch moderne<br />
E-Technologie zum Einsatz. Mit den Fahr -<br />
zeugen von Draisin können auch Menschen an<br />
Ausflügen teilnehmen, die sonst nicht mehr<br />
mobil sind.<br />
Probefahrt: Bürgermeister<br />
Sebastian Seemüller,<br />
und Heimleiterin<br />
Diana Birghan-Wagner<br />
Fotos: Edition <strong>ALLGÄU</strong><br />
Vom Kinderfahrrad bis zum Behinderten-<br />
Fahrrad reicht das Angebot der Schwarzwälder<br />
Spezialisten. Viele der angebotenen<br />
Räder sind Einzelstücke. Erfahrung aus vielen Jahren<br />
mit Seniorenheimen und Behinderten-Betreuern ste -<br />
cken in den Fahrzeugen. Oft werden spezielle Anforderungen<br />
gestellt und erfüllt. So gibt es Tandems, bei<br />
denen der hintere Mitfahrer samt Rollstuhl auf die<br />
Konstruktion fährt und sicher befestigt wird. Für Mütter<br />
mit kleinen Kindern gibt es Fahrräder mit Kindersitz<br />
vor dem Lenker. Besonders beliebt ist das Rad, auf<br />
dem zwei Personen nebeneinander sitzen können.<br />
Die Schwarzwälder gehen bewusst auf den Kunden<br />
ein: »Die unterschiedlichen Komponenten und<br />
Anbauteile werden individuell mit unseren Kunden abgestimmt<br />
und in liebevoller Handarbeit verbaut. Hier<br />
setzen wir auf Marken-Qualität, die eine lange Lebensdauer<br />
verspricht. Ob Shimano-Schalttechnik oder<br />
Bremssysteme von Magura, ein Fahrrad von Draisin<br />
ist nur mit hochwertigen Ausstattungsmerkmalen ausgerüstet«,<br />
sagt Geschäftsführer Werner Müller.<br />
Draisin-Produkte werden europaweit von einem<br />
Fachhändler-Netz und Vermietstationen angeboten.<br />
Diese Draisin-Partner beraten die Kunden natürlich<br />
bei speziellen Anforderungen. So wie der Allgäuer Gebietsverkaufsleiter<br />
Lothar Hörmann, der dem Kreis-<br />
Seniorenheim in Mindelheim einen E-Zweisitzer<br />
übergeben hat. Dabei handelt es sich um ein motorisiertes<br />
Rad mit eingebautem Rollstuhl. Chauffiert von<br />
einem Mitarbeiter des Kreis-Seniorenwohnheims oder<br />
einem Angehörigen, können damit künftig auch Senioren,<br />
die nicht mehr so gut zu Fuß sind, einen Ausflug<br />
in die Umgebung machen. Türkheims Bürgermeis ter<br />
Sebastian Seemüller, Heimleiterin Diana Birghan-<br />
Wagner, Pflegedienstleiterin Stefanie Santa und Heimbeiratsmitglied<br />
Edeltraud Rehle freuten sich, dass<br />
Kommunen, Privatpersonen und Firmen den Kauf des<br />
Fahrzeuges mit ihren Spenden ermöglicht haben.<br />
Hier finden Sie<br />
Fachberater<br />
In unserem Verbreitungs ge -<br />
biet beraten folgende Fach ge -<br />
schäfte Kunden, die sich für<br />
Draisin-Produkte interes -<br />
sieren:<br />
Fahrrad Trübenbacher<br />
Türkheimerstraße 1a<br />
86825 Bad Wörishofen<br />
www.fahrradtruebenbacher.de<br />
Fahrrad Center Kempten<br />
Immenstädter Straße 62<br />
87435 Kempten<br />
www.fahrradcenter.zegfach<br />
haendler.de<br />
Fahrrad-Hauf<br />
Sonthofenerstrasse 53<br />
87509 Immenstadt<br />
www.hauf-immenstadt.de<br />
E-Bike Allgäu<br />
Handelspartner +<br />
Mietstation<br />
Bahnhofsplatz 1a<br />
87561 Oberstdorf<br />
www.e-bike-allgaeu.de<br />
Rad & Roller Center Heiss<br />
Werner-von-Braun-Straße 18<br />
87700 Memmingen<br />
Der Fahrer bestimmt Power<br />
und Geschwindigkeit.<br />
Die Begleitperson hat sicheren<br />
Halt in den Pedalen<br />
www.rad-heiss.de<br />
S`Radlgschäft Babenhausen<br />
Fürst-Fugger-Straße 1<br />
87727 Babenhausen<br />
www.sradlgschaeft.de<br />
Zweirad-Center-Durach<br />
GmbH<br />
Achenerweg 11<br />
Fahrradhändler<br />
88316 Isny im Allgäu<br />
www.fahrrad-durach.de<br />
Rolf Gölz Fahrräder<br />
Claude-Dornier-Straße 1<br />
88339 Bad Waldsee<br />
www.goelz-raeder.de<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
17
E-Mobil<br />
Das Team der Hochschule (v.l.):<br />
Prof. Dr. Verena Rath und die Studierenden<br />
Vera Gruber und Laura in het Panhuis<br />
E-Power auch auf dem Land<br />
Studienergebnisse der Hochschule Biberach<br />
Welche Rolle spielt Elektromobilität im Raum Oberschwaben – und welche<br />
Rolle könnte E-Mobility hier in der Zukunft spielen? Dieser Frage gingen<br />
die Studentinnen Laura in het Panhuis (Allensbach) und Vera Gruber (Bad<br />
Buchau) am Ende ihres Studiums der Energiewirtschaft an der Hochschule<br />
Biberach HBC nach. Die beiden gehören zum ersten Absolventenjahrgang<br />
des im Herbst 2011 gestarteten betriebswirtschaftlichen Bachelorstudienganges<br />
mit Spezialisierung auf die Energiebranche.<br />
Der Studiengang<br />
Energiewirtschaft<br />
(Bachelorstudium)<br />
• 48 Studierende/Jahr<br />
• Regelstudienzeit: 7 Semester<br />
• Abschluss: Bachelor of Arts<br />
• Studienbeginn:<br />
Wintersemester<br />
• Bewerbungsfrist: 15. Juli<br />
Hochschule Biberach<br />
Hochschule für angewandte<br />
Wissenschaften<br />
Karlstraße 11<br />
88400 Biberach<br />
http://www.hochschulebiberach.de<br />
Die 23-jährige Laura in het Panhuis wollte herausfinden,<br />
wie ihre Kommilitonen zur Elektromobilität<br />
stehen: Rund 500 Studierende<br />
aus unterschiedlichen Studiengängen und Semestern<br />
der HBC befragte sie dafür (Mobilität der Generation<br />
Y – eine empirische Befragung unter Studierenden der<br />
Hochschule Biberach mit dem Schwerpunkt Elektromobilität).<br />
Die gleichaltrige Vera Gruber widmete sich<br />
der Unternehmensseite und wollte von 20 Firmen in<br />
der Region wissen, wie aufgeschlossen Flottenmanager<br />
und Flottennutzer der Elektromobilität gegenüberstehen<br />
(Nutzung von alternativen Antrieben in betrieblichen<br />
Flotten – eine empirische Studie mit dem<br />
Schwerpunkt Elektromobilität im ländlichen Raum<br />
Oberschwaben). Oftmals wird das Thema Elektromobilität<br />
ausschließlich als Mobilität für die Großstadt untersucht,<br />
so die betreuende Professorin Dr. Verena<br />
Rath. Mit ihren Bachelor-Thesen leisten die Studentinnen<br />
einen Beitrag dazu, die Aufgeschlossenheit der<br />
Bürger und Unternehmen in der ländlich geprägten<br />
Region Oberschwaben zu untersuchen.<br />
Studenten wissen mehr<br />
Kürzlich haben die beiden Studentinnen ihre Abschlussarbeit<br />
verfasst, die Bachelor-Thesis, betreut von<br />
Professorin Dr. Verena Rath, selbst eine Expertin auf<br />
diesem Gebiet. Das Ergebnis der Arbeiten war –<br />
grundsätzlich betrachtet – gleichlautend: Interesse ja –<br />
hohe Kosten und mangelnde Reichweite stehen jedoch<br />
noch meist dagegen. Im Detail freilich bringen die Befragungen<br />
durchaus unterschiedliche Ergebnisse an<br />
den Tag: zum Beispiel, dass Studierende aufgrund ihres<br />
Studiums im Bereich der Erneuerbaren Energien mehr<br />
über das Potenzial der E-Mobility wissen als andere.<br />
Wobei das schmale Studenten-Budget in der Regel gegen<br />
die umweltfreundliche Anschaffung spricht. Auf<br />
18<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
der anderen Seite sind sehr viele Studierende auf ein<br />
eigenes Auto angewiesen; in der Regel kommen sie aus<br />
dem Umland von Biberach und fahren u.a. aufgrund<br />
der schlechten ÖPNV-Anbindungen mit dem Auto in<br />
die Stadt. Auch Bequemlichkeit mag hierfür im einen<br />
oder anderen Fall ein Grund sein, vermutet Verena<br />
Rath. Oder, dass Unternehmen, die einen ausreichend<br />
großen Fuhrpark haben, durchaus bereits Dienstwagen<br />
angeschafft haben, die E-betrieben funktionieren. Firmen<br />
in der Region, darauf weist Vera Gruber hin, sind<br />
sich auch ihrer Vorbildrolle bewusst, die sie einnehmen<br />
können, um den Blick der Menschen in der Region auf<br />
das Thema Elektro-Mobilität zu lenken. Denn auch das<br />
haben die Befragungen deutlich gemacht: Das Wissen<br />
über E-Mobility ist nicht ausreichend. Die Sichtbarkeit<br />
muss verbessert werden, sagt Laura in het Panhuis. Unternehmen<br />
könnten dies sogar imagefördernd einsetzen,<br />
ergänzt Vera Gruber.<br />
Eignung für Kurzstrecke<br />
Neue Geschäftsmodelle könnten hierfür die Lösung<br />
sein, schlagen die beiden Studentinnen vor. Denn<br />
auch eine ländliche Region halten sie für E-betriebene<br />
Fahrzeuge gut geeignet: Im Alltag werden oft Kurzstrecken<br />
gefahren, Elektrofahrzeuge können bequem<br />
in der Garage oder über die hauseigene PV-Anlage geladen<br />
werden, und in Haushalten mit mehreren Autos<br />
kann das E-Fahrzeug für kurze Fahrten genutzt werden<br />
– die geringere Reichweite spielt dann keine Rolle.<br />
Das Fahrverhalten auf dem Land passt zur Elektromobilität,<br />
fasst Vera Gruber zusammen. Welche Ideen<br />
wären denkbar? Autohäuser könnten E-Fahrzeuge als<br />
Ersatzwagen bereitstellen, Unternehmen könnten einen<br />
solchen Kleinwagen für Kurzstrecken anbieten<br />
und Familien könnten beim Zweitwagen auf Elektrofahrzeuge<br />
setzen oder entsprechende Angebote des<br />
ÖPNV nutzen, wenn dieser künftig auf gemischte<br />
Flotten setzt, etwa bei Anrufsammeltaxis, die spät<br />
abends Fahrgäste aus der Stadt zurück nach Hause<br />
bringen – skizzieren die angehenden Energiewirtinnen<br />
ihre Ideen.<br />
Anzeigen<br />
Hybrid vor E-Mobil?<br />
Dennoch gehen Laura in het Panhuis und Vera<br />
Gruber davon aus, dass es noch einige Zeit dauern<br />
wird, bis sich E-Mobility durchsetzt. Sie vermuten, dass<br />
zunächst Hybrid-Fahrzeuge verstärkt auf den Markt<br />
kommen. Am Potenzial der Technik E-Mobility aber<br />
haben sie keinen Zweifel. Die intensive Beschäftigung<br />
mit dem Thema Elektromobilität hat sie zu Expertinnen<br />
gemacht. Vera Gruber will nach ihrem Studium,<br />
das sie Ende März abgeschlossen hat, den Einstieg in<br />
diesem Berufsfeld suchen. Laura in het Panhuis hat<br />
sich auf weiterführende Master-Studiengänge beworben.<br />
Ob auch in diesem Studium die Elektromobilität<br />
eine Rolle spielt, wird sich zeigen.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
19
E-Mobil<br />
Leitmarkt oder Schlusslicht<br />
Läuft uns die Konkurrenz davon?<br />
Bis 2020 sollen nach dem Plan der Bundesregierung eine Million Elektrofahrzeuge auf<br />
deutschen Straßen sein. Kurz vor Halbzeit sind wir weit davon entfernt. Verliert Deutschland<br />
den Anschluss an die Elektromobilität? Eine Betrachtung von Michael Valentine-Urbschat.<br />
Im Auftrag der Nationalen<br />
Platt form Elektromobilität (NPE)<br />
wur de eine Hochlaufkurve zur<br />
Er reichung des Eine-Million-<br />
Elektro auto-Ziels der Bundesre -<br />
gie rung erarbeitet. Im Jahr<br />
2011 be fanden sich Plan und<br />
Ist-Absatz zahl noch in perfekter<br />
Harmo nie. Doch seitdem<br />
entwickeln sich beide Werte<br />
dramatisch auseinander<br />
Knappe fünf Jahre nach Verkündung des<br />
ehrgeizigen 2020-Ziels zeigt es sich, dass<br />
Deutschland bereits hinterherläuft. Nicht<br />
nur hinter dem eigenen Eine-Million-Ziel, das von der<br />
Bundesregierung 2010 ausgegeben wurde, sondern<br />
auch im Vergleich zu anderen Ländern.<br />
In den Jahren 2011 bis 2014 wurden in Deutschland<br />
statt der geplanten 100.000 nur circa 28.000 reine<br />
Electric Vehicles (EVs) und Plug-in-Hybride(PHEV)<br />
verkauft.<br />
In diesem Jahr müssten nach Plan fast 100.000<br />
weitere Elektrofahrzeuge hinzukommen – aktuell sind<br />
kaum mehr als 20.000 Fahrzeuge zu erwarten. Das Ziel<br />
von einer Million EVs und PHEVs bis 2020 ist eigentlich<br />
nicht mehr zu erreichen. Dabei machen es uns<br />
Trendsetter wie Kalifornien und Norwegen vor, wie es<br />
gehen könnte. Dort liegen die Entwicklungen weit über<br />
den angestrebten Zielwerten der Bundesregierung.<br />
Das Fahrzeugangebot wird größer<br />
Am mangelnden Angebot und der Reichweite<br />
der Elektroautos, wie es immer von vielen Beteiligten<br />
und Journalisten in Deutschland vorgebracht wird,<br />
kann es eigentlich nicht liegen – denn die meisten<br />
Elektrofahrzeuge werden von den Herstellern weltweit<br />
angeboten, stehen also in Deutschland genauso zur<br />
Verfügung wie in Kalifornien oder Norwegen.<br />
Außerdem müsste die begrenzte Reichweite der<br />
Fahrzeuge den EV-Käufern in diesen beiden Ländern<br />
eigentlich viel größere Probleme bereiten. Den Amerikanern,<br />
weil sie täglich deutlich längere durchschnittliche<br />
Fahrstrecken zurücklegen, und den Norwegern,<br />
weil sie aufgrund der kalten Winter besonders<br />
unter den Reichweitenverlusten der EVs bei niedrigen<br />
Temperaturen leiden. Aber das scheint den dortigen<br />
Markterfolgen keinen Abbruch zu tun.<br />
Deutschland hinkt hinterher<br />
Bei genauerem Hinsehen kann man nur einen<br />
wirklichen Unterschied zu erfolgreichen Märkten wie<br />
Kalifornien und Norwegen ausmachen: die fehlende öffentliche<br />
Förderung, sowohl bei der Anschaffung als<br />
auch beim Infrastrukturaufbau. In Deutschland beschränkt<br />
sich die Förderung bisher ausschließlich auf<br />
Pilotprojekte, begleitende Forschung und verstärkte Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Doch das reicht ganz offensichtlich<br />
nicht.<br />
Die Hoffnung der Bundesregierung, dass die Breite<br />
der Autokäufer von alleine auf die neue Antriebstechnologie<br />
schwenkt, hat sich zerschlagen. Dafür sind die<br />
München ist das rote Schlusslicht. Die auf massiven<br />
Förderprogrammen beruhenden Erfolge in Elektro-<br />
Hochburgen wie Oslo und LA zeigen, was in den letzten<br />
Jahren in München schon möglich gewesen wäre
konventionellen Fahrzeuge einfach zu gut, die Aufpreise<br />
der ersten EVs zu gravierend, die öffentliche Infrastruktur<br />
zu mangelhaft, der »innere Schweinehund« der potenziellen<br />
Käufer zu groß und die Bereitschaft der etablierten<br />
Auto-Hersteller, die neue Technologie mit massiven<br />
Mitteln in den Markt zu drücken, aus verständlichen<br />
Gründen zu wenig ausgeprägt. Wer kannibalisiert<br />
schon gerne eine erfolgreiche Produktpalette konventioneller<br />
Fahrzeuge früher, als es unbedingt sein muss?<br />
Wer schlachtet ohne Not eine Cash Cow?<br />
Vom Winde verweht<br />
Es ist müßig, im Nachhinein über den Erfolg<br />
oder Misserfolg der deutschen Förderprogramme zu<br />
philosophieren. Dennoch stimmt es traurig, wenn<br />
man sich überlegt, was man mit den öffentlichen und<br />
privaten Mitteln von fast 800 Millionen Euro aus dem<br />
Konjunkturpaket II und den seit 2011 installierten<br />
Schaufensterprojekten hätte machen können, um den<br />
Markt in Deutschland in Schwung zu bringen.<br />
Nur eine einfache Beispielrechnung: Wir hätten<br />
alternativ jedem der bis heute eingeplanten 100.000<br />
EV-Käufer eine Kaufförderung von 5000 Euro in die<br />
Hand drücken, die Innenstädte unserer zehn größten<br />
Metropolregionen mit jeweils mindestens 1000 Ladesäulen<br />
– zu einem Preis von 10.000 Euro pro Ladesäule<br />
inklusive Installationskosten – bestücken und immer<br />
noch 200 Miollionen Euro in eine zielgerichtete<br />
Begleitforschung stecken können.<br />
Und hätten heute mit großer Wahrscheinlichkeit<br />
eine Dynamik und Aufbruchstimmung im Markt, die<br />
»elektrisierend« wäre. Eine Dynamik, die private Unternehmen<br />
ganz sicher motivieren würde, freiwillig weitere,<br />
eigene Mittel in den Hochlauf des Marktes zu investieren,<br />
um an diesem Markterfolg zu partizipieren.<br />
Stattdessen sind die öffentlichen Mittel in viele<br />
sicherlich gut gemeinte Pilotprojekte zu den verschiedensten<br />
Forschungsthemen geflossen, ohne dass die<br />
Öffentlichkeit wirklich viel davon mitbekommen hat.<br />
Es macht sich eine spürbare Enttäuschung breit, und<br />
Autohändler berichten von einer eher sinkenden<br />
Nachfrage nach E-Fahrzeugen.<br />
Verlieren wir damit endgültig den Anschluss an<br />
die führenden Leitmärkte dieser Welt?<br />
Bringt das EmoG die Wende?<br />
Wird das gerade verabschiedete Elektromobilitätsgesetz<br />
(EmoG) der Bundesregierung und dem<br />
deutschen »Leitmarkt« endlich zum Durchbruch verhelfen?<br />
Nein, ganz sicher nicht. Dafür ist es zu kurz<br />
gesprungen, weil es eine Kaufförderung außer Acht<br />
lässt und nur den rechtlichen Rahmen für mögliche<br />
Fördermaßnahmen setzt, die dann noch auf kommunaler<br />
Ebene umgesetzt werden müssen.<br />
Aber es ist ein Startsignal, um Regionen auf die<br />
Sprünge zu helfen, statt immer nur nach Berlin zu<br />
schielen. Denn das Konzept der Metropolregionen ist<br />
möglicherweise der Schlüssel zur Trendwende im<br />
Straßenverkehr. Fürsprecher wie Prof. Benjamin Barber<br />
aus den USA sehen Lokalregierungen sogar in der<br />
Führungsrolle zur Lösung vieler anstehender Menschheitsprobleme<br />
– nicht nur beim Klimaschutz. Man<br />
traut ihnen mehr Marktnähe und Umsetzungskraft zu,<br />
denn sie kennen ihre Einwohner, Rahmenbedingungen<br />
und Zielgruppen ganz genau.<br />
Es bedarf mehr Förderung<br />
Die Stadtverwaltung der Weltstadt mit Herz hat<br />
erkannt, dass die Elektromobilität enorme Chancen<br />
für ihre Metropolregion bietet. Denn der konventionelle,<br />
straßengebundene Verkehr stellt auch hier eines<br />
der Kernprobleme dar – sowohl bei der Feinstaubbelastung<br />
der Bürger als auch beim Erreichen der selbst<br />
gesteckten Klimaschutzziele. Noch immer liegen die<br />
Feinstaubbelastungen an besonders verkehrsreichen<br />
Straßen über den in der EU zulässigen Höchstwerten.<br />
Und eine CO2-Halbierung bis 2030, die sich der<br />
Münchner Stadtrat als Ziel gesetzt hat, ist ohne einen<br />
signifikanten Beitrag des Straßenverkehrs nicht zu erreichen.<br />
Auch, wenn die Umstellung auf rein elektrische<br />
Antriebe das permanente Stau- und Parkplatzproblem<br />
im Innenstadtbereich nicht verschwinden<br />
lässt, wäre doch die Schadstoff- und Lärmbelastung<br />
der Anwohner erheblich reduziert – und die Lebensqualität<br />
in München noch mal deutlich gesteigert.<br />
Aber der bis heute erzielte Absatz von weniger als<br />
1500 EVs und PHEVs in der bayerischen Metropolregion<br />
ist bis dato kaum besser als der bundesdeutsche<br />
Durchschnitt. Um das Eine-Million-Ziel der Bundesregierung<br />
zu unterstützen, müssten 2020 alleine in<br />
München 50.000 Elektroautos fahren. Und um einen<br />
signifikanten Beitrag zur Feinstaubreduzierung und<br />
zur CO2-Halbierung in der Stadt zu leisten, sollten bis<br />
2030 mindestens 25 Prozent des Münchner Fahrzeugbestandes<br />
und damit circa 300.000 Fahrzeuge auf elektrischen<br />
Antrieb umgestellt sein. Bei aktuell weniger<br />
als 1000 verkauften Elektroautos pro Jahr in der Region<br />
sind diese Ziele völlig utopisch.<br />
Das könnte sich nur ändern, wenn die Metropolregion<br />
München ein eigenes, auf ihre Kernzielgruppen<br />
abgestimmtes, massives Förderprogramm auf den Weg<br />
bringt, das den lokalen Elektroauto-Markt richtig ins<br />
Rollen bringt. Und zwar schnell. Ein erstes Förderprogramm<br />
befindet sich aktuell in den Endzügen seiner<br />
Entstehung. Doch hat es das Kaliber, um die Trendwende<br />
im Münchner Straßenverkehr einzuläuten? Nein, in<br />
der aktuellen Fassung ganz sicherlich nicht. Dafür<br />
springt es zu kurz und nicht zielgerichtet genug.<br />
Im Fokus stehen aktuell Kaufanreize in Höhe von<br />
2500 bis 4000 Euro für gewerbliche Fahrzeughalter,<br />
ein erstes Beschaffungsprogramm für die kommunale<br />
Flotte und die Installation von bis zu 200 Ladesäulen<br />
ohne eine exklusive Reservierung der dazugehörigen<br />
Parkflächen. Damit sind wichtige Themen wie EV-<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
21
E-Mobil<br />
Der mit Abstand größte<br />
Ver ur sacher von CO2-Emissionen<br />
im Münchner Straßenverkehr<br />
sind die Mehr-Auto-Haushalte.<br />
Ge paart mit einer oft<br />
geeigneten Wohn- und Parkplatzsituation,<br />
müs sen sie zur<br />
Kernzielgruppe jedes<br />
EV-Förderprogramms werden<br />
Sonderparkplätze in attraktiven Innenstadtlagen, der<br />
kostenfreie Strombezug an den öffentlichen Ladesäulen<br />
oder eine generelle Parkgebührenbefreiung –<br />
Kernerfolgsfaktoren zum Beispiel für den EV-Markthochlauf<br />
in Oslo – nicht Bestandteil des ersten Förderprogramms.<br />
Es fehlt an der Basisarbeit<br />
Die Krux beginnt schon in der Analysephase.<br />
Wie verteilen sich heute die Kraftstoffverbräuche bzw.<br />
Schadstoffemissionen auf die einzelnen Fahrzeug- und<br />
Nutzergruppen innerhalb der Metropolregion München?<br />
Und welche dieser Gruppen sollte sich aufgrund<br />
ihrer Mobilitätsanforderungen und betriebswirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen mit einer Umstellung<br />
auf EVs am leichtesten tun? Nur auf Basis dieser<br />
Erkenntnisse lässt sich eigentlich ein fokussiertes und<br />
damit erfolgversprechendes Förderprogramm erstellen.<br />
Doch diese Basisarbeit scheint bisher zu fehlen –<br />
oder ist aufgrund fehlenden statistischen Materials<br />
schlicht nicht darstellbar.<br />
Im Zuge unserer umfangreichen Recherchen für<br />
einen Roman waren wir zumindest in der Lage, ein<br />
erstes, klares Bild zur Aufteilung des jährlichen Kraftstoffverbrauchs<br />
im Münchner Straßenverkehr zu ermitteln.<br />
Mit sehr interessanten Erkenntnissen. Die Privathaushalte<br />
mit mehr als einem Pkw vor der Tür stehen<br />
für nahezu 40 Prozent aller Münchner CO2-Emissionen<br />
aus dem Straßenverkehr. Die größte Einzelgruppe und<br />
eine sehr interessante Zielgruppe alleine deswegen, weil<br />
sie mit ihren Zweitwagen natürlich grundsätzlich am<br />
wenigsten Probleme mit der Umstellung auf ein EV haben<br />
sollte – und in den meisten Fällen auch noch über<br />
einen eigenen Parkplatz oder eine Garage für das sichere<br />
und bequeme Zuhauseladen verfügt. Dagegen werden<br />
sich Ein-Auto-Haushalte, die größtenteils in Apartmentanlagen<br />
ohne eigenen Parkplatz wohnen, anfangs<br />
deutlich schwerer mit der Umstellung tun. Da helfen<br />
auch keine 200 oder 2000 Laternenladesäulen.<br />
Der Pkw-basierte Wirtschaftsverkehr ist im Vergleich<br />
dazu eine deutlich kleinere Zielgruppe, die zudem<br />
noch harten betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
beim Betrieb ihres Fuhrparks unterworfen<br />
ist. Hier stehen Preis und permanente Verfügbarkeit<br />
im Vordergrund, was einen schnellen und breiten Umstieg<br />
auf EVs sehr schwierig macht. Ausgenommen<br />
sind eigentlich nur gewerbliche Flotten mit täglich wiederkehrenden,<br />
klar definierten Routen, die heute bereits<br />
problemlos mit den realen EV-Reichweiten von<br />
kaum über 100 Kilometer zurechtkommen, und die<br />
höheren Anschaffungskosten durch hohe jährliche Ki-<br />
22 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
lometerleistung kompensieren können. Somit fällt das<br />
Augenmerk auf die Linienbusse, die immerhin für fast<br />
5% der straßenbasierten CO2-Emissionen in München<br />
stehen. Das Angebot an rein elektrisch betriebenen Bussen<br />
hat im Gegensatz zu Lkw in den letzten beiden Jahren<br />
stark zugenommen.<br />
Linienbusse und Zweitwagen<br />
Damit ergeben sich zwei ganz klare Zielgruppen,<br />
auf die sich ein Förderprogramm in der Münchner Region<br />
in den nächsten Jahren fokussieren sollte: die privaten<br />
Zweitwagenbesitzer und die Linienbusse.<br />
Die Umstellung der MVG-Busflotte mit mehr als<br />
500 Fahrzeugen hat die Stadt komplett in der eigenen<br />
Hand. Bei der Gruppe der Zweitwagenbesitzer muss die<br />
Stadtverwaltung dagegen alle Register eines Anreizsys -<br />
tems ziehen, um diese Leute kurzfristig zur massiven<br />
Umstellung auf EVs zu bewegen. Im Vordergrund sollten<br />
dabei Privilegien stehen, die täglich zu spüren sind:<br />
exklusive Parkplätze an attraktiven Orten, kombiniert<br />
mit kostenloser Aufladung, eine generelle Befreiung<br />
von Parkgebühren und, wenn möglich, die Freigabe von<br />
Sonderwegen. Kombiniert mit einer einmaligen Förderung<br />
beim Kauf des EVs und einer Heimladestation<br />
sollte dies, ähnlich wie in Oslo, zu einer massiven<br />
Trendwende beim Kaufverhalten führen. Und sobald<br />
ein Großteil der Münchner Autofahrer die vielen Vorteile<br />
des EV-Fahrens am eigenen Leib erlebt hat, ist dieser<br />
Trend auch kaum mehr umzudrehen. Unabhängig<br />
davon, ob die Förderung dann noch Bestand hat. Es<br />
geht vielmehr um eine massive Initialzündung.<br />
Die Wirksamkeit eines solchen Förderprogramms<br />
kann dabei sehr leicht gemessen werden:<br />
Schafft die Region München ihre Hochlaufkurve auf<br />
50.000 EVs bis 2020 oder nicht?<br />
Wer soll das bezahlen?<br />
Damit steht nur noch die Frage nach der Finanzierbarkeit<br />
eines solchen Programms im Raum. Eine<br />
Stadt wie München, die in den letzten Jahren konstant<br />
Überschüsse erwirtschaftet hat, sollte sich ein derartig<br />
zukunftsorientiertes Programm leisten können. Besonders,<br />
seitdem die EU beim Thema Feinstaub mit<br />
Strafzahlungen droht und die Elektromobilität die einzig<br />
verbliebene Maßnahme zu sein scheint.<br />
Alternativ gibt es aber auch mehrere Gegenfinanzierungsmodelle,<br />
von denen eines unbedingt auf den<br />
Tisch gebracht werden sollte: Nämlich eine innerstädtische<br />
Einfahr-Maut für verbrennungsmotorbasierte<br />
Fahrzeuge – so, wie sie seit Jahren zum Beispiel in<br />
London existiert. Die tägliche Einfahrgebühr von zehn<br />
Pfund führt heute in der englischen Hauptstadt nicht<br />
nur zu Einnahmen von täglich mehr als einer Million<br />
Pfund, die in ein massives Förderprogramm für EVs<br />
investiert werden, sondern auch zu einer nennenswerten<br />
Reduzierung des Innenstadtverkehrs. Dabei macht<br />
modernste Technik heute die Umsetzung deutlich<br />
leichter und effizienter. Auch, wenn eine solche Maut<br />
natürlich immer ein sehr emotionales Thema ist.<br />
Warten auf den großen Wurf<br />
Viel Zeit bleibt nicht mehr. Der große Wurf muss<br />
jetzt gelingen, wenn Deutschland den Anschluss nicht<br />
verlieren will. Führende Unternehmen beginnen bereits,<br />
sich woandershin zu orientieren. Es gibt genügend<br />
Länder und Metropolen, die die Leitmarkt-Rolle<br />
sofort mit Handkuss übernehmen würden – heute ja<br />
eigentlich schon übernommen haben. Dazu darf es auf<br />
Dauer nicht kommen. Sonst werden wir in Deutschland<br />
die Rolle als »Leit-Anbieter-Markt« verlieren.<br />
Leitmarkt Metropolregion München<br />
Kernelemente, die zwingender Bestandteil eines massiven<br />
lokalen Förderprogramms zur Elektromobilität sein müssen:<br />
1. Umstellung aller Linienbusse auf rein elek trischen<br />
Betrieb: Ab sofort werden nur noch E-Busse beschafft,<br />
bis die komplette Flotte von ca. 1500 Linienbussen in<br />
der Region zu 100 Prozent emissionsfrei fahren<br />
2. Umwidmung von mindestens 1000 hochattraktiven<br />
Parkplätzen innerhalb des mitt leren Rings (davon min -<br />
destens 30 Prozent innerhalb des Altstadtrings) zu<br />
exklusiven EV-Parkplätzen mit Ladesäulen zum bar -<br />
rierefreien und kostenlosen Strombezug (bis min -<br />
destens 31.12.2017)<br />
3. Grundsätzliche Befreiung aller Elektrofahr zeuge von<br />
Park gebühren in der gesamten Region (bis mindestens<br />
31.12.2017)<br />
4. Kaufförderung in Höhe von 5000 Euro für private und<br />
gewerbliche Käufer von Elektrofahrzeugen (für bis zu<br />
10.000 Fahrzeuge oder mindestens bis Ende 2017)<br />
5. Kaufförderung für Heimladesysteme in Höhe von 50<br />
Prozent der Anschaffungs- und Installationskosten (bis<br />
max. 1000 Euro) für bis zu 10.000 Systeme (oder min -<br />
destens bis Ende 2017)<br />
6. Verbot aller benzinbetriebenen Zweiräder innerhalb der<br />
Stadtgrenzen ab 1.1.2018<br />
7. Prüfung einer Einfahr-Maut für Nicht-E-Fahrzeuge: Ver -<br />
gabe eines fundierten Prüfungs auftrages zur Technik<br />
und Umsetzung eines modernen Einfahr-Maut-Systems<br />
(für eine mögliche Einführung ab 1.1.2018) als Basis für<br />
eine Entscheidung im Jahr 2016<br />
8. Absatz-Monitoring: Etablierung eines detaillierten, öffentlich<br />
zugänglichen Monitoring-Systems für den EV-Absatzerfolg<br />
innerhalb der Metropolregion (auf Monatsbasis)<br />
mit Start spätestens im September <strong>2015</strong><br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
23
Umfrage<br />
Es wird noch etwas dauern!<br />
So schätzen Allgäuer Händler E-Mobilität ein<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> hat sich bei regionalen Händlern umgehört, wie die Akzeptanz für E-Mobile ist<br />
und welche Argumente dafür und dagegen sprechen. Außerdem wollten wir wissen, wie die Händler<br />
die Situation in Deutschland sehen – im Vergleich zu anderen Ländern<br />
Tobias Sirch,<br />
Renault-Händler im Allgäu<br />
Dass die Deutschen im Vergleich zu den anderen<br />
europäischen Ländern nachhängen, liegt zum großen<br />
Teil an den deutschen Autoherstellern, die andere Interessen<br />
haben. Auch die Presse rückt oftmals die E-<br />
Mobilität nicht in das richtige Licht. Sicherlich würde<br />
ein finanzieller Anreiz der Regierung den Absatz von<br />
Elektroautos deutlich puschen.<br />
Wir bei Sirch bieten fünf verschiedene rein elektrisch<br />
betriebene Modelle an und haben daher die<br />
Möglichkeit, für unsere Kunden das Passende zu finden.<br />
Durch die Reichweiten von mittlerweile bis zu<br />
240 Kilometern und Ladezeiten von unter einer Stunde<br />
an einer öffentlichen Ladesäule werden alle Stre -<br />
cken im Kurzstreckenverkehr abgedeckt. Mit einem<br />
Anschaffungspreis von aktuell nur 16.500 Euro für einen<br />
Renault Zoe mit einer hohen Serienausstattung<br />
kann der E-Flitzer auch preislich leicht mit einem<br />
Fahrzeug mit Verbrennungsmotor in der Klasse mithalten.<br />
Wenn Interessenten zu uns kommen, fahren<br />
sie meistens mit einem E-Fahrzeug nach Hause.<br />
Wir vermarkten bereits im fünften Jahr erfolgreich<br />
E-Mobile und waren das erste Autohaus weit über<br />
das Allgäu hinaus, das für die Reparatur von Elektrofahrzeugen<br />
zertifiziert war. Das umfangreiche Fachwissen<br />
und die jahrelange Erfahrung sind bei der Beratung<br />
ausschlaggebend. Es ist natürlich noch ein gewisser<br />
Aufklärungsbedarf bei den herkömmlichen Autofahrern<br />
da. Wir haben bereits eine Vielzahl von Privatpersonen,<br />
Unternehmen und Kommunen auf die neue Art<br />
der Fortbewegung umgestellt, wenn es so weiterläuft,<br />
sehen wir das Ziel bis 2020 als erreichbar.<br />
Peter Schneider,<br />
Renault-Händler, Sonthofen<br />
Warum Deutschland eventuell den Anschluss<br />
verpasst: Ich denke das Hauptproblem liegt derzeit<br />
noch bei den relativ hohen Anschaffungskosten und<br />
der noch zu geringen Reichweite. Meiner Meinung<br />
nach hätte es für Deutschland schon längst eine attraktive<br />
»Kaufprämie« geben müssen, um die Interessenten<br />
zu bestärken – sowohl von »Wollen« als auch vom<br />
finanziellen Aspekt her. Leider gibt es in ländlichen<br />
Regionen noch kein flächendeckendes Netz von Ladesäulen.<br />
Hauptthema bei unseren Kunden ist aber immer<br />
noch die Reichweite. Wenn wir uns E-Fahrzeuge bis<br />
jetzt ansehen, haben wir im Sommer (moderate Temperaturen)<br />
eine Reichweite von 150 bis 200 Kilometern,<br />
im Winter bei Minustemperaturen sinkt die<br />
Reichweite um etwa die Hälfte. Da fragt uns der Kunde:<br />
»Was soll ich mit 70 Kilometern Reichweite anfangen?«<br />
In Städten wie beispielsweise Kempten mag das<br />
besser funktionieren.<br />
Meine persönliche Meinung ist, dass die E-Mobilität<br />
mit Sicherheit sehr stark kommen wird, aber<br />
es wird noch ein paar Jahre dauern. Rein vom Fahrgefühl<br />
fehlt es schon heute an nichts! Eher im Gegenteil.<br />
Fotos: Redaktion, Sirch<br />
24<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
E-Mobil<br />
Post kommt per E-Mobil<br />
Sechs neue Mobilitätspartner im Allgäu<br />
Seit rund einem Jahr läuft die heiße Testphase im Projekt Schaufenster<br />
Elektromobilität E-Lieferungen im Allgäu. Das Forscherteam der Hochschule<br />
Kempten freut sich nun über sechs weitere regionale Mobilitätspartner aus<br />
dem Wirtschafts- und Lieferverkehr, die seit Kurzem acht Elektrofahrzeuge der<br />
Hochschule in ihren Einsatzbereichen testen.<br />
Die Rückmeldungen unserer Mitarbeiter sind<br />
durchaus positiv. Sie waren begeistert, dass<br />
wir uns dem Projekt angeschlossen haben«,<br />
berichtet Michael Lulei, Leiter der allgäumail GmbH,<br />
bei einem internen Austausch an der Hochschule<br />
Kempten von seinen ersten Erfahrungen im praktischen<br />
Gebrauch. Neben diesem Dienstleister konnte<br />
die Hochschule mittlerweile auch den ASB Regionalverband<br />
Allgäu e.V., die Bäckerei Reitberger GmbH,<br />
die Diakonie Kempten, stadtflitzer Carsharing sowie<br />
den Taxidienst Schaber für das Projekt E-Lieferungen<br />
im Allgäu gewinnen.<br />
Die Elektrofahrzeuge aus dem Bestand der Hochschule<br />
Kempten ergänzen oder ersetzen einen Teil der<br />
bestehenden Fahrzeugflotten in den Allgäuer Unternehmen<br />
und Organisationen.<br />
Der Wirtschafts- und Lieferverkehr stellt einen<br />
vielversprechenden Einsatzbereich für die Elektromobilität<br />
dar. Die Fahrzeuge sind für feste Strecken innerhalb<br />
ihrer Reichweite eingeplant und den ganzen Tag<br />
über im Einsatz, wodurch die gefahrene Kilometerleistung<br />
wesentlich höher ist als im privaten Bereich. Die<br />
Fotos: Hochschule Kempten, Deutsche Post DHL<br />
Nutzung stellt damit nicht nur einen nachhaltigen Ansatz<br />
von Mobilität dar, der von Mitarbeitern und Kunden<br />
der Unternehmen geschätzt wird, sie kann für die<br />
Firmen auch wirtschaftlich interessant sein.<br />
E-Fahrzeuge vor der Tür der Hochschule in Kempten<br />
Oben: Zusteller mit einem<br />
Streetscooter der Deutschen<br />
Post DHL und Briefzustellerin<br />
mit einem E-Bike.
Verkehrsverbund<br />
Das Allgäu rückt zusammen<br />
Einheitliche Tarife im Nahverkehr<br />
Zehn regionale Verkehrsunternehmen machen auf Initiative des Oberallgäuer Landrats<br />
Anton Klotz und Kemptens Oberbürgermeister Thomas Kiechle einen wichtigen Schritt zu<br />
einem attraktiven öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für das Allgäu. Im Vordergrund<br />
stehen dabei einheitliche Tarife, bessere Information und ein flächendeckendes Angebot.<br />
Foto: Archiv<br />
Kemptens Oberbürgermeister<br />
Thomas Kiechle und Landrat<br />
Toni Klotz enthüllen in<br />
Gegenwart von Vertretern<br />
der ÖPNV-Unternehmen<br />
das neue MONA-Logo<br />
Im öffentlichen Nahverkehr im Allgäu wurden<br />
punktuell in den letzten Jahren recht gute Angebote<br />
geschaffen. Derzeit werden pro Jahr rund 21<br />
Millionen Fahrgäste im Oberallgäu, Ostallgäu und den<br />
beiden kreisfreien Städten Kaufbeuren und Kempten<br />
befördert. Was bisher nicht gelungen ist: Es gibt keine<br />
ausreichende Verbindung des öffentlichen Nahverkehrs<br />
über die Landkreisgrenzen hinaus. Es fehlen<br />
auch eine zentrale Anlaufstelle für den öffentlichen<br />
Personennahverkehr und umfassende Fahrgastinformation.<br />
Eine einheitliche Tarifstruktur sucht man vergeblich.<br />
Es gibt nach wie vor große Potenziale für die<br />
Verbesserung im Allgäu und darüber hinaus. Der Bedarf<br />
ist da, die »Zielgruppen« warten darauf: Allgäuer<br />
Pendler, die über die Landkreisgrenzen hinaus den<br />
ÖPNV für den täglichen Arbeitsweg nutzen. Touristen,<br />
die mit dem ÖPNV unkompliziert zu attraktiven Zielen<br />
im ganzen Allgäu kommen oder ihn für grenzüberschreitende<br />
Aktivitäten nutzen. »Die Verbesserung der<br />
Verkehrsinfrastruktur und des regionsübergreifenden<br />
ÖPNV-Angebotes ist von zentraler Bedeutung für die<br />
Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Allgäus«,<br />
sagt Allgäu-GmbH-Geschäftsführer Klaus Fischer. Wer<br />
in Oberstaufen mit öffentlichen Verkehrsmitteln einen<br />
Besuch der Königsschlösser bei Füssen plant, muss<br />
etwa den gleichen Aufwand betreiben wie jemand, der<br />
von Paris nach Moskau reisen will.<br />
Landrat Klotz aus dem Oberallgäu ist sich sicher:<br />
»Die Gründung der Gesellschaft MONA ist ein weiterer<br />
Meilenstein auf dem Weg zu einem attraktiven<br />
Nahverkehrsangebot auf Schiene und Straße. Eine<br />
Aufgabe von MONA muss sein, in enger Zusammenarbeit<br />
aller Verkehrsunternehmen auf Straße und<br />
Schiene eine einheitliche Tarifstruktur zu schaffen.<br />
Diese neue Struktur ist die Grundlage für die weitere<br />
Harmonisierung bestehender und für die Entwicklung<br />
neuer Tarifangebote. Darüber hinaus gilt es, unter<br />
Nutzung der modernen Techniken die Fahrgastinformation<br />
zu vereinheitlichen und auszubauen.«<br />
Seit 2009 beschäftigen sich Experten und Arbeitsgruppen<br />
unter Federführung der Allgäu GmbH<br />
mit dem Thema »Verkehrskonzept Allgäu«. Ende<br />
2014 war es dann soweit: Auf Initiative des Landkreises<br />
Oberallgäu und der Stadt Kempten gründeten die<br />
Mitglieder der Verkehrsgemeinschaft Kempten eine<br />
neue Organisationsform, die Mobilitätsgesellschaft für<br />
den Nahverkehr im Allgäu, kurz MONA GmbH. Gesellschafter<br />
sind bisher die Busunternehmen Berchtold,<br />
Gromer, Haslach, KVB Kempten (Stadtbus), Morent,<br />
Pfahler, RBA, RVA, Schattmeier und Schweighart.<br />
Weitere sollen schon bald folgen. Die genannten<br />
Unternehmen sind übrigens alle gleichberechtigt in<br />
der neuen GmbH, obwohl sie von recht unterschiedlicher<br />
Größe und Gesellschaftsform sind.<br />
Mit der MONA GmbH ist nun die Basis geschaffen<br />
worden, aus der ein Verkehrsverbund im Allgäu entstehen<br />
soll. Aufgaben der MONA sind Kooperationen mit<br />
allen Verkehrsbetrieben, Landkreisen und Städten im<br />
Allgäu, die Bereitstellung einer ganzheitlichen Informationsplattform<br />
und Tarifstruktur. Das klar formulierte<br />
Ziel: Verbesserung der Mobilität in der Region Allgäu<br />
durch Stärkung des regionalen ÖPNV. Beispielgebend<br />
könnte die Region Bregenz sein, die schon seit rund 20<br />
Jahren Verbindungen in Vorarlberg vernetzt hat.<br />
Kemptens Oberbürgermeister Thomas Kiechle:<br />
»MONA schafft die strukturellen, organisatorischen<br />
und personellen Voraussetzungen für die Weiterentwicklung<br />
des ÖPNV in Kempten und im Landkreis<br />
Oberallgäu.« Das versteht Kiechle als Nahziel.<br />
Mit dem Slogan »MONA – bringt mich weiter«<br />
startete die Führung von MONA. Ziel: Sichtbare Ergebnisse<br />
und Angebote für die Fahrgäste sowie eine<br />
erste Informationskampagne im Allgäu noch in diesem<br />
Jahr. Die Geschäftsleitung in der Aufbauphase<br />
wird von Martin Haslach (Haslach Bus), Herbert<br />
Beck (KVB) und Peter Gerke (Schweighart) übernommen.<br />
Als Kontrollinstanz wurde ein Aufsichtsrat<br />
eingerichtet, bestehend aus Oberbürgermeister Thomas<br />
Kiechle (Vorsitz), Landrat Anton Klotz, Helmut<br />
Berchtold (stellv. Vorsitz), Hans Haslach und Klaus<br />
Wittmann.
Energieeffizienz<br />
Netzwerke vor Ort gewinnen<br />
Allgäuer Kommunen wurden ausgezeichnet<br />
Kommunen im Alpenraum auf die<br />
Auswirkungen vorzubereiten und<br />
zugleich die Effekte mit einer<br />
nachhaltigen Energieplanung<br />
abzuschwächen, so lautete das Ziel<br />
des europäischen Projektes<br />
»SEAP_Alps« (Substainable<br />
Energy Action Plans). Mit einer<br />
Abschluss konferenz im bayerischen<br />
Umweltministerium endete<br />
jetzt die dreijährige Projektphase.<br />
Dabei wurden auch 15 der<br />
insgesamt 60 Pilotkommunen –<br />
darunter Kempten, Sonthofen,<br />
Wertach und Wiggensbach – für<br />
ihr Engagement ausgezeichnet.<br />
Foto: Bayerisches Umweltministerium<br />
Im Rahmen der SEAP_Alps-Abschlusskonferenz unter zeich nete Kemptens Klima schutz manager<br />
Thomas Weiß unter den Augen von Ministerial diri gen tin Dr. Mo nika Kratzer (rechts) und Chrysoula<br />
Argyriou von der Generaldirektion Ener gie der Europäischen Union den »Konvent der Bürger meis ter<br />
für lokale und nachhaltige Energie«<br />
Auch im Allgäu macht sich der Klimawandel<br />
immer stärker bemerkbar. Wertach und<br />
Kempten nahmen zudem die Konferenz zum<br />
Anlass, dem »Konvent der Bürgermeister für lokale<br />
und nachhaltige Energie« beizutreten und verpflichten<br />
sich damit freiwillig zur Steigerung der Energieeffizienz<br />
und Nutzung nachhaltiger Energiequellen.<br />
Selbst auferlegtes Ziel der Unterzeichner des Konvents<br />
ist es, die energiepolitischen Vorgaben der Europäischen<br />
Union – Reduzierung der CO2-Emissionen um<br />
20 Prozent bis zum Jahr 2020 – noch zu übertreffen.<br />
Helfen sollen dabei Energiekonzepte und Aktionspläne,<br />
die mithilfe örtlicher Energieteams erarbeitet<br />
und umgesetzt werden. Ein gelungenes Beispiel dafür<br />
sei Wertach, so Dr. Hans-Jörg Barth vom Energieund<br />
Umweltzentrum Allgäu (eza!), der Wertach im<br />
SEAP_Alps-Projekt begleitete. Unter anderem versorgen<br />
zwei neue Heiznetze, die mit Pellets betrieben<br />
werden, rund 80 Häuser, darunter alle kommunalen<br />
Gebäude, CO2-neutral mit Wärme. Im Rahmen des<br />
kommunalen Energiemanagements wurde die Anlagetechnik<br />
in den gemeindeeigenen Liegenschaften optimiert.<br />
»Uns ist es gelungen, den CO2-Ausstoß um<br />
1200 Tonnen zu senken«, stellt Bürgermeister Eberhard<br />
Jehle fest.<br />
Ob Vertreter aus der Verwaltung, von Unternehmen,<br />
der Land- und Forstwirtschaft und den Vereinen<br />
oder lokale Experten – es ist enorm wichtig, die Akteure<br />
vor Ort in die Klimaschutzaktivitäten einzubeziehen,<br />
lautete eine der Erkenntnisse, die Barth aus dem<br />
SEAP_Alps-Projekt gezogen hat. Und: Beim Thema<br />
Anpassung an den Klimawandel bestünden große Informationsdefizite.<br />
Barth nennt das Beispiel Hochwasserschutz:<br />
»Oft fehlt das Verständnis dafür, dass nicht<br />
im Überflutungsbereich eines 100-jährigen Hochwassers<br />
gebaut werden soll. Das Problem ist abstrakt, da das<br />
mögliche Schadensereignis in der Zukunft liegt.«<br />
Länderübergreifende Erfahrungen zu sammeln<br />
und weiterzugeben, war eines der Ziele des SEAP_<br />
Alps-Projektes, das vom European Regional Development<br />
Fund im Rahmen des Alpine-Space-Programms<br />
der EU gefördert wurde. Tatsächlich lasse sich vieles<br />
übertragen, hat Barth festgestellt. »Es muss ja nicht jeder<br />
das Rad neu erfinden.«<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
27
Energie<br />
Energieaudit wird Pflicht<br />
Aufgabe für größere Unternehmen<br />
Foto oben: In vielen<br />
Betrieben schlum mern<br />
große Einsparpoten ziale, die<br />
beim Energie au dit offen -<br />
gelegt werden – auch im<br />
Bereich Heizungs technik<br />
Größere Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern und mitunter auch Kommunalunternehmen<br />
müssen bis 5. Dezember <strong>2015</strong> ein Energieaudit durchgeführt haben.<br />
Viele der von der Neuerung betroffenen Firmen wissen von der Verpflichtung noch gar<br />
nichts, so die Einschätzung des Energie- und Umweltzentrums Allgäu (eza!). Neben<br />
der Aufklärungsarbeit leistet eza! Hilfe bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben.<br />
Die Erfassung der Energie -<br />
verbräuche ist der erste<br />
Schritt bei der Durch füh -<br />
rung des Energie audits,<br />
das ab jetzt für größere<br />
Unter nehmen Pflicht ist<br />
Im März hatte der Bundesrat den Gesetzentwurf zur<br />
Einführung der Energieaudit-Pflicht für größere<br />
Unternehmen gebilligt. Ziel ist es, Einsparpotenziale<br />
in den Unternehmen festzustellen und zu nutzen. Mit<br />
den neuen Vorgaben setzt Deutschland einen Teil der<br />
EU-Energieeffizienzrichtlinien um. Die Unternehmen<br />
sollen auf diese Weise einen Beitrag zur Senkung der<br />
CO2-Emissionen und damit zur Erfüllung der europäischen<br />
Klimaschutzziele leisten. Bis 2020 soll nämlich die<br />
Energieeffizienz um 20 Prozent gesteigert werden.<br />
Obwohl also das Gesetz schon vor ein paar Monaten<br />
verabschiedet worden ist, hat so mancher Un-<br />
Fotos: eza!<br />
28
Anzeige<br />
ternehmer noch gar nicht mitbekommen, dass ihn die<br />
Energieaudit-Pflicht betrifft. Unter die Pflicht fallen<br />
alle Unternehmen – egal, ob aus dem produzierenden<br />
Gewerbe, dem Handel oder Dienstleistungssektor –<br />
mit mehr als 250 Mitarbeitern, einem Umsatz von<br />
mehr als 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme<br />
von über 43 Millionen Euro. Auch Kommunalunternehmen<br />
mit einer Beteiligung von Körperschaften des<br />
öffentlichen Rechts von mehr als 25 Prozent müssen<br />
künftig alle vier Jahr ein Energieaudit durchführen.<br />
Weil die Firmenkonstrukte und Verflechtungen<br />
mit Tochterunternehmen und Beteiligungen bisweilen<br />
kompliziert sind, empfiehlt Felix Geyer von eza!, als<br />
erstes mithilfe des Steuerberaters abzuklären, ob die<br />
Energieaudit-Pflicht überhaupt besteht. »Falls ja, ist<br />
das alles halb so wild«, beschwichtigt der Leiter des<br />
Bereiches Energiemanagement bei eza! Zuerst werde<br />
eine Energiedatenanalyse erstellt. Wie groß ist der<br />
Energieverbrauch, welche Energieträger werden eingesetzt,<br />
gibt es Bedarfsspitzen? So lauten dabei die Fragen.<br />
Im nächsten Schritt gilt es dann, Verbesserungsmöglichkeiten<br />
herauszuarbeiten und diese auf ihre<br />
Wirtschaftlichkeit hin zu bewerten.<br />
Das Energie- und Umweltzentrum Allgäu führt<br />
auf Wunsch das Energieaudit durch und verfügt über<br />
reichlich Erfahrung auf diesem Gebiet. Denn schon<br />
vor der Einführung des neuen Gesetzes hatten sich<br />
zahlreiche Firmen für ein Energieaudit entschieden –<br />
aus Eigeninteresse. Weil das Energieaudit Voraussetzung<br />
für die Befreiung von der EEG-Umlage für Betriebe<br />
aus energieintensiven Branchen war oder Steuerrückerstattungen<br />
– Stichwort »Spitzenausgleich« –<br />
versprach. Aber auch, fügt Geyer hinzu, weil die Firmen<br />
erkannt haben, dass das Auditverfahren interessante<br />
Einsparungsmöglichkeiten zutage fördert. »Besonders<br />
in den Bereichen Beleuchtung, Druckluft,<br />
Lüftung, Klimatisierung und Motoren schlummern<br />
häufig große Effizienzpotenziale«, haben Geyer und<br />
seine Kollegen bei ihrer täglichen Arbeit festgestellt.<br />
Alternativ zur Auditierung leistet eza! Hilfe zur<br />
Selbsthilfe. Um die neuen gesetzlichen Vorgaben zu<br />
erfüllen, können Firmen nämlich auch mit Unterstützung<br />
von eza!-Experten den kostenlosen und bewährten<br />
Online-Leitfaden »mod.EEM« nutzen. Die Abkürzung<br />
»mod.EEM« steht für »modulares Energie-Effizienz-Modell«<br />
und führt die Unternehmen mit<br />
Checklisten, Tabellenvorlagen und umfassenden Informationen<br />
zum Thema Energieeffizienz durch das<br />
Audit oder sogar zum Energiemanagementsystem.<br />
Egal, für welchen Weg sich ein Unternehmen<br />
entscheide, Energiesparen lohne sich auf jeden Fall,<br />
betont Geyer. »Mit einem Energieaudit oder Energiemanagementsystem«,<br />
so der eza!-Fachmann, »haben<br />
Unternehmen den Energieverbrauch und damit auch<br />
die Energiekosten dauerhaft im Griff und können sich<br />
damit sorgenfreier um ihr Kerngeschäft kümmern.«<br />
Kurzinfo<br />
Weitere Infos bietet eza! unter<br />
Telefon 0831/960286-50 oder www.eza.eu<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
29
Photovoltaik<br />
Eine Frau greift an<br />
Geballte Kompetenz in Sachen PV<br />
Sylvia Höhentinger führt im oberbayerischen Raubling eine vom<br />
Beratungsunternehmen Optimale Qualitätsmanagement Systeme (OQS),<br />
Frankfurt/Main, geprüfte und von der Deutschen Landwirtschafts-<br />
Gesellschaft (DLG), Frankfurt/Main, zertifizierte Reinigungsfirma<br />
für Photovoltaik-(PV)-Anlagen. Die gelernte Thermografin ist<br />
darüber hinaus vom TÜV zertifizierte PV-Gutachterin und lässt<br />
Installationsfehlern, Hot-Spots, Moosen und Flechten keine Chance.<br />
Fotos: Solarreinigung Höhentinger<br />
Seit vier Jahren ist Sylvia Höhentinger (Foto<br />
links) in der Solarbranche tätig. Sie blickt zurück<br />
auf 30.000 kW gereinigte PV-Fläche,<br />
mehr als 700 thermografierte Anlagen und eine Weiterbildung<br />
zur Gutachterin, die sie im November 2014<br />
beim TÜV Rheinland erfolgreich abgeschlossen hat.<br />
Dabei hat sie die Weiterbildung eigentlich nur gemacht,<br />
um ihr Profil abzurunden. Als Schwerpunkte<br />
ihrer Arbeit nennt sie nach wie vor die Reinigung von<br />
PV-Anlagen sowie – zunehmend – die professionelle<br />
Thermografie solcher Anlagen zur Fehleranalyse.<br />
Nicht selten wird nämlich der Anruf eines Anlagenbetreibers<br />
beim Reinigungsbetrieb durch einen<br />
Leistungsabfall des PV-Generators ausgelöst. »In diesen<br />
Fällen hilft mir der Gutachter sehr«, erzählt sie.<br />
»Meistens ist es gar nicht der Schmutz auf der Anlage,<br />
der den Leistungsabfall verursacht, sondern ein Fehler<br />
in der Anlage.« Die Herausforderung besteht in solchen<br />
Fällen darin, das gesamte PV-System zu erfassen<br />
und beim Besuchstermin zu beurteilen: Welche Leis -<br />
tungseinbußen kommen von der Verschmutzung,<br />
welche sind auf Komponenten oder Installationsfehler<br />
zurückzuführen?<br />
»Maximal 15 Prozent Leistungsverlust können<br />
normalerweise einer Verschmutzung zugeschrieben<br />
werden«, so die Erfahrung von Sylvia Höhentinger.<br />
»Ausnahmen bestätigen zwar die Regel, aber bei einer<br />
Minderleistung von über 20 Prozent kann man davon<br />
ausgehen, dass der Fehler in der Anlage selbst zu finden<br />
ist.«<br />
In solchen Fällen steht die Reinigung der Anlage<br />
an erster Stelle. »Es macht keinen Sinn, eine Anlage<br />
zu thermografieren, deren Leistung durch starke Verschmutzung<br />
reduziert wird«, erklärt sie. »Der Dreck<br />
muss als erstes runter und der Generator wieder die<br />
Möglichkeit haben, das volle Sonnenlicht aufzunehmen<br />
und in Strom umzuwandeln.« Erst dann folgen<br />
die Thermografie und die weitere Prüfung der gesamten<br />
Anlage.<br />
30<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Know-how aus Erfahrung<br />
Nach über 700 Thermografien kann sich die Expertin<br />
anhand der Thermografie-Aufnahmen schnell<br />
einen Überblick über die Leistung der Module und<br />
Strings verschaffen. Ist das geklärt, überprüft sie Kabel<br />
und Wechselrichter.<br />
Bringt die Anlage nach Reinigung und Prüfung<br />
der Komponenten nicht die zu erwartende Leistung,<br />
holt Sylvia Höhentinger, wenn möglich, den Installateur<br />
der Anlage dazu. Allein auf eine Kennlinienmessung<br />
will sie sich nicht verlassen, denn »damit bleiben<br />
die Module als Einzelkomponenten außen vor, und ich<br />
habe nur ein Ergebnis für die Strings«. Um eine ordentliche<br />
Aussage über die Leistung der Module treffen<br />
zu können, braucht sie eine Thermografie.<br />
Immer wieder trifft die Gutachterin auf Anlagenbetreiber,<br />
die überzeugt sind, PV-Anlagen seien völlig<br />
ohne Wartung und Pflege zu betreiben. Das bringt die<br />
bodenständige Oberbayerin dann regelmäßig zum<br />
verständnislosen Kopfschütteln: »Bei PV handelt es<br />
sich um elektrische Anlagen, die meist auf dem Dach<br />
installiert sind; unten im Gebäude werden elektrische<br />
Geräte mindestens einmal im Jahr geprüft, gereinigt<br />
und gewartet – auf dem Dach soll dann alles anders<br />
sein und die elektrische Anlage 20 Jahre wartungsfrei<br />
laufen?« Aber Sylvia Höhentinger ist hartnäckig und<br />
erklärt ihr Business überzeugend. In den vier Jahren,<br />
in denen sie ihr PV-Reinigungsgeschäft betreibt, hat<br />
sie bereits viele Stammkunden gewonnen.<br />
Vermitteln statt streiten<br />
Professionell: Ein festes Team aus<br />
freien Mitarbeitern übernimmt<br />
das Reinigen der PV-Anlagen. Der<br />
Unterschied ist deutlich sichtbar<br />
Als Reinigungsunternehmerin gerufen, entdeckt<br />
Sylvia Höhentinger bei Anlagen gelegentlich recht<br />
offensichtliche Installationsmängel. Die Anlagen -<br />
betreiber wollen sie dann gerne in ihrer Eigenschaft<br />
als Gutachterin zu einer Stellungnahme bewegen. Damit<br />
ist sie sehr zurückhaltend, denn die gutachterliche<br />
Arbeit ist nicht ihr Schwerpunkt, sondern Ergänzung.<br />
Sie setzt ganz auf Kommunikation und Vermittlung<br />
statt auf Konfrontation. »Rechtsstreitigkeiten sind<br />
langwierig, teuer und nervenaufreibend«, weiß sie und<br />
bietet sich im Falle von Installationsmängeln als Mediator<br />
zwischen Installateur und Anlagenbetreiber an<br />
mit dem Ziel, die Parteien zum Gespräch zusammenzuführen<br />
und eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten.<br />
Auf die Frage, wie sie ihre Arbeit als Vermittler<br />
zwischen Installateur und Anlagenbetreiber angeht,<br />
erklärt sie: »Mein Auftraggeber ist immer der Anlagenbetreiber,<br />
seine Rechte und Interessen vertrete<br />
ich.« Manchmal existiert der Installationsbetrieb ja<br />
auch gar nicht mehr.<br />
Die Expertin sieht ihre Aufgabe in erster Linie<br />
darin, ihre Auftraggeber in allen Bereichen und<br />
Möglichkeiten der Instandsetzung bis zu Details bei<br />
Komponenten und Leistungsgarantien für Module zu<br />
beraten. »Die wenigsten Betreiber wissen zum Beispiel,<br />
dass eine Garantielaufzeit auch ausgesetzt werden<br />
kann.«<br />
Bei der PV-Reinigung arbeitet Sylvia Höhentinger<br />
mit einem festen Team aus freien Mitarbeitern. Die<br />
Beratung der Kunden übernimmt sie aber ausschließlich<br />
allein. »Die kann ich nicht delegieren, die Kunden<br />
wollen mich als Ansprechpartner und ihre Probleme<br />
mit mir besprechen. Auch bei der Reinigung bin ich<br />
meist wenigstens kurz dabei, weil das meine Kunden<br />
so wollen.« Ihre Kunden sind vor allem Gewerbe -<br />
betriebe und landwirtschaftliche Unternehmen in<br />
Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ihr Geschäft<br />
hat sich gut entwickelt in den vergangenen Jahren.<br />
Im Dreiklang gefragt<br />
Bei immer mehr Anlagen aus der Boomzeit der<br />
Photovoltaik zeigen sich mittlerweile Installations -<br />
fehler in Form von Leistungsverlusten. Da ist Sylvia<br />
Höhentinger im Dreiklang als Gutachterin, Reinigungsexpertin<br />
und Thermografin gefragt. »Dass Photovoltaikanlagen<br />
nicht gereinigt und gewartet werden<br />
müssen, hat sich inzwischen zunehmend als Fehl -<br />
einschätzung herausgestellt«, so die Erfahrung der<br />
Expertin. Insbesondere hält sie es für »kompletten<br />
Blödsinn, dass Schmutz von Modulen durch Schnee,<br />
Regen und einen hohen Selbstreinigungseffekt einfach<br />
abrutscht«, denn: »Bei einem Auto ist auch jedem klar,<br />
dass es gewaschen werden muss, wenn der Schmutz<br />
runter soll.«<br />
Nach ihrer Erfahrung verschmutzen alle Oberflächen<br />
irgendwann in irgendeiner Form. Manche weniger,<br />
andere mehr – »aber in jedem Fall hilft nur noch<br />
reinigen«. Sylvia Höhentinger weiß, wovon sie spricht:<br />
Vor ihrem Sprung in die Selbstständigkeit mit der Reinigung<br />
und Wartung von Photovoltaikanlagen war sie<br />
im professionellen Reinigungsgeschäft tätig. »Wer fünf<br />
Jahre seine Anlage nicht reinigt und Bewuchs auf den<br />
Modulen hat, der hat zu lange gewartet«, sagt sie und<br />
empfiehlt: »Solche Anlagen sollten mindestens alle<br />
zwei Jahre gereinigt werden.«<br />
mgo<br />
Gibt Sicherheit: das<br />
Prüfsiegel von OQS<br />
Nähere Info<br />
und Kontakt<br />
Solarreinigung<br />
Höhentinger GbR<br />
Grünthalstraße 21<br />
83064 Raubling<br />
Tel. +49 (0)8035 9684290<br />
Fax +49 (0)8035 9684292<br />
anfrage@solar-reinigung.info<br />
www.solar-reinigung.info<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
31
Energiesparen<br />
Advertorial<br />
Neuschwanstein<br />
setzt auf innovative solare Straßenbeleuchtung<br />
Vierzig solare Designleuchten des Herstellers<br />
Photinus beleuchten seit Jahresbeginn die von<br />
Besuchern stark frequentierte Schlossauffahrt.<br />
Neuschwanstein gehört zu den meistbesuchten<br />
Schlössern und Burgen Europas. Jährlich besuchen<br />
rund 1,5 Millionen Menschen »die Burg<br />
vomMärchenkönig Ludwig II«. Im Sommer werden<br />
im Durchschnitt täglich mehr als 6000 Besucher<br />
durch die Räume des Schlosses geführt. Zur<br />
Beleuchtung und Wegesicherung der Schloss -<br />
auffahrt bei Nacht wurden im Winter 2014/<strong>2015</strong><br />
insgesamt vierzig Solarleuchten aufgestellt.<br />
Ausführendes Unternehmen war die in Buchenberg<br />
bei Kempten ansässige Olaf Hoyer<br />
GmbH. Der im Allgäu und über dessen Grenzen<br />
hinaus bekannte Regionalpartner für Schraubfundamente<br />
sowie Dienstleister für Spreng-, Betonbohrund<br />
-sägearbeiten ist seit 2011 Kompetenzpartner für<br />
die Solarlampen des österreichischen Herstellers Photinus.<br />
Die Olaf Hoyer GmbH setzte sich in einer Ausschreibung<br />
des Staatlichen Bauamtes Kempten mit der<br />
Solarleuchte Photinus merkur300 gegen den Wett -<br />
bewerb anderer Anbieter solarer Straßen- und Wegebeleuchtung<br />
durch. Innovation, gepaart mit<br />
zurückhaltendem, aber dennoch sehr ansprechendem<br />
Design und bester Lichtqualität: Das gewonnene Projekt<br />
bestätigt, dass moderne Technik und Denkmalschutz<br />
zusammenpassen. Insgesamt wurden vierzig<br />
netzunabhängige Solarlampen zwischen Ticket-Center<br />
Hohenschwangau und Schloss Neuschwanstein entlang<br />
der 1,5 km langen Schlossauffahrt aufgestellt.<br />
32<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Fotos: Franca Hoyer, Olaf Hoyer<br />
Die Mitarbeiter der Buchen -<br />
berger Firma Hoyer bei der<br />
Montage der Solarleuchten<br />
Linke Seite: Moderne Lichtgestaltung direkt vor dem Schloss Neuschwanstein und an der Auffahrt zum Schloss: die Solarleuchte Photinus merkur300<br />
Die Solarleuchte merkur300 überzeugte den Auftraggeber<br />
durch das für eine Straßenlampe auf Solarbasis<br />
außergewöhnliche und moderne Design. Durch<br />
den kubischen Aluminium-Aufbau mit 16 Photinus-<br />
High-Performance-Photovoltaik-Modulen wird gezielt,<br />
besonders in Schlechtwetterregionen mit Schnee<br />
und Nebel, auch über den diffusen Lichtanteil ausreichend<br />
Energie erzeugt. Die senkrecht angeordneten<br />
Module verhindern zudem Schneeablagerungen im<br />
Winter, was gerade bei der im alpinen Bereich gelegenen<br />
Neuschwansteinstraße von größter Bedeutung ist.<br />
Das intelligente Lichtmanagement der Solarleuchte<br />
gewährleistet auch bei Schlechtwetter-Perioden eine<br />
sichere Beleuchtung über mehrere Nächte hinweg. Die<br />
im Mastfuß frostsicher integrierte Batterie wird am<br />
Tag über die Photovoltaikmodule geladen. Mit Beginn<br />
der Dämmerung wird diese Sonnenenergie dann zum<br />
effizienten Betrieb des LED-Lichtkopfes genutzt.<br />
Die Fundamentierung der Solarleuchten erfolgte<br />
mit den umweltfreundlichen KRINNER-Schraubfundamenten,<br />
die von der Olaf Hoyer GmbH als KRIN-<br />
NER-Regionalpartner ebenfalls seit 2007 vertrieben<br />
und montiert werden. Diese umweltfreundliche, minimalinvasive<br />
Fundamentierung wurde vom Bauherrn<br />
ausdrücklich gewünscht, damit die Leuchten<br />
entlang der Schlossauffahrt zum Beispiel bei Baumfällarbeiten<br />
einfach demontiert beziehungsweise bei<br />
Bedarf auch problemlos versetzt werden können.<br />
Mit den Leuchten hat sich die Bayerische Schlösserverwaltung<br />
für ein mehrfach erprobtes und kostensparendes<br />
System zur Beleuchtung von Wegen, Parkplätzen<br />
und öffentlichen Anlagen entschieden. Das autarke<br />
solare LED-Licht ist eine Antwort im Zeitalter der<br />
Energiewende und vereint eine große Anzahl von Vorteilen<br />
wie beispielsweise freie und kostenlose Energie,<br />
flexible Verfügbarkeit ohne Stromnetzanschluss, ökonomischer<br />
Betrieb, insektenneutrales Licht, intelligente<br />
Lichtsteuerung sowie null CO2-Ausstoß. Moderne<br />
Technik und Denkmalschutz: Das Projekt wird über die<br />
Grenzen hinweg Zeichen setzen. Sylvia Novak<br />
Die mit Solarleuchten belichtete<br />
Schlossauffahrt bei Nacht<br />
Kontakt<br />
OLAF HOYER GmbH<br />
Ludwig-Geiger-Straße 24<br />
D-87474 Buchenberg<br />
Tel. 08378 9402-11<br />
E-Mail: info@olafhoyer.de<br />
www.olafhoyer.de<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
33
Meldungen<br />
Memminger Sonnenforscher sind ausgerüstet<br />
Info<br />
Mehr Infos zur LEW-<br />
Bildungsinitiative »3malE –<br />
Bildung mit Energie« gibt es<br />
unter www.lew-3malE.de<br />
Dilara, Jennifer und Melissa<br />
öffnen ein Entdecker-Paket<br />
und machen sich<br />
mit dem Inhalt vertraut<br />
Wie kann die Sonne einen Propeller<br />
antreiben? Dieser und anderen<br />
Fragen rund um das Zukunftsthema<br />
Energie können die Kinder der<br />
Foto: Birk/Pressestelle Stadt Memmingen<br />
Kindertagesstätte Westermannstraße<br />
nun selbst nachgehen. Josef Nersinger,<br />
Kommunalbetreuer der<br />
Stadt Memmingen von der Lechwerke<br />
AG (LEW), übergab fünf Solar-Experimentiersets<br />
an die Kindergartenleiterin<br />
Andrea Walzer.<br />
Die Pakete enthalten unter anderem<br />
Lampen- und Solar-Module sowie<br />
Holzstäbe mit integrierten Solarmotoren.<br />
So können die jungen<br />
Forscher sicher experimentieren<br />
und spielerisch die Zusammenhänge<br />
zwischen Sonne und Strom verstehen.<br />
Das Entdecker-Programm<br />
ist ein Angebot der LEW-Bildungsinitiative<br />
»3malE – Bildung mit<br />
Energie« und gilt für alle Vorschuleinrichtungen<br />
im Netzgebiet der<br />
LEW. Es soll die Jüngsten auf unterhaltsame<br />
Weise für das Zukunftsthema<br />
Energie begeistern. Gleichzeitig<br />
wendet sich das Programm<br />
an Erzieher: Die enthaltenen Fortbildungspakete<br />
bieten Anregungen<br />
zur kindgerechten Vermittlung von<br />
Energiethemen.<br />
ve<br />
Neues AÜW-Kundencenter in Kempten<br />
Das Allgäuer Überlandwerk hat einen<br />
neuen Draht zu seinen Kunden:<br />
Im Frühjahr eröffnete ein Kundencenter<br />
am Kemptener Rathausplatz.<br />
Durch den Standort mitten in der<br />
Stadt ist es für Interessierte gut zu erreichen.<br />
Alle Dienstleistungen aus<br />
der Palette des AÜW werden hier<br />
angeboten, ob es nun um Fragen zur<br />
aktuellen Stromrechnung geht, um<br />
neue Stromprodukte oder um eine<br />
kostenfreie Energieberatung. ve<br />
Neues AÜW-Kundencenter<br />
am Rathausplatz in Kempten<br />
Info<br />
Das neue AÜW-Kundencenter<br />
am Rathausplatz Nr. 14 in<br />
Kempten ist montags bis<br />
freitags von 8 bis 16 Uhr<br />
geöffnet: www.auew.de<br />
Foto: AÜW<br />
34<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Meldungen<br />
Ein Buch, das »elektrisiert«<br />
Der Kampf um die letzten noch unerschlossenen<br />
Ölreserven hat begonnen.<br />
In aller Härte. Ohne Rücksicht<br />
auf Mensch und Natur. Eric<br />
Brinneau, Experte der International<br />
Energy Agency für die Reduzierung<br />
der CO2-Emissionen im Straßenverkehr,<br />
erhält einen heiklen Auftrag<br />
von seinem Chef: Er soll ein<br />
Geheimtreffen mit der deutschen<br />
Kanzlerin vorbereiten. Unwetter in<br />
Deutschland und eine schleppende<br />
Energiewende zwingen sie zum<br />
Handeln. Der Klimawandel muss<br />
aufgehalten werden. Eric und sein<br />
Team sollen eine Lösung entwi -<br />
ckeln. Eine Aufgabe, die nicht nur<br />
sein Leben verändern wird. Da<br />
kristallisiert sich überraschend ein<br />
Ausweg heraus. Doch mächtige<br />
Gegner aus Industrie und Politik<br />
schrecken vor nichts zurück. Zu<br />
hoch sind die Einsätze.<br />
Vier Haupthandlungsstränge führen<br />
durch diesen Roman – bis zum<br />
ersten Höhepunkt: dem Geheimtreffen<br />
mit der deutschen Kanzlerin<br />
in Paris. Über 600 Seiten umfasst die<br />
packende Geschichte. Dieses Buch<br />
wurde von den Autoren Michael<br />
und Nancy Valentine-Urbschat frei<br />
erfunden. Allerdings vor einem<br />
sehr realen Hintergrund. Denn der<br />
Klimawandel, die Energiezukunft<br />
und die Mobilität sind für sie keine<br />
Fremdworte. Über das Buch schreiben<br />
sie selbst: »Mit unserem Debut-<br />
Roman ‚Elektrisiert‘ hoffen wir, zur<br />
Diskussion und Lösung dieses Themas<br />
beitragen zu können, indem<br />
wir einer breiteren Leserschaft die<br />
prekäre Ausgangssituation, die sehr<br />
unterschiedlichen Sichtweisen und<br />
Zwänge der beteiligten Spieler, aber<br />
auch mögliche Lösungsansätze vor<br />
Augen führen. Das alles haben wir<br />
versucht, in eine möglichst spannende<br />
Geschichte zu packen – wir<br />
wollen Sie als interessierten Leser ja<br />
auf keinen Fall verlieren auf diesem<br />
etwas umfangreicheren Exkurs.«<br />
Michael Valentine-Urbschat, Mit-<br />
Autor dieses Buches, hat den Fachbeitrag<br />
»Leitmarkt oder Schlusslicht«<br />
über die Entwicklung des<br />
deutschen E-Mobil-Marktes auf<br />
Seite 20 geschrieben.<br />
Info<br />
geb. Ausgabe, 608 Seiten,<br />
Euro 28,95 (Teil 1 als ebook<br />
zu Euro 1,99), über:<br />
www.valentine-urbschat.com<br />
Erstes nachhaltiges Kinderhotel<br />
Die Zertifizierungsstelle des Deutschen<br />
Instituts für Nachhaltigkeit<br />
und Ökonomie vergab an das Kinderhotel<br />
Oberjoch bei Bad Hindelang<br />
– und somit erstmals an ein<br />
Kinderhotel in Europa – das internationale<br />
Prüfsiegel für »gesicherte<br />
Nachhaltigkeit«. Damit bescheinigte<br />
das Institut dem Hotel eine<br />
umfassende Nachhaltigkeitsprüfung<br />
in den Bereichen Ökologie,<br />
Ökonomie und Sozialkompetenz.<br />
Ein Expertenteam nahm die Bereiche<br />
Produkt-, Service- und Bera-<br />
tungsqualität unter die Lupe. Ferner<br />
bewertete das Institut positiv<br />
die wirtschaftliche Zukunftsausrichtung,<br />
das Hotel-Management<br />
sowie die ökologische und soziale<br />
Verantwortung. Dass das Kinderhotel<br />
Oberjoch für seine Nachhaltigkeit<br />
ausgezeichnet wurde, sei ein<br />
großartiger Erfolg, gratuliert Bad<br />
Hindelangs Bürgermeister Adalbert<br />
Martin: So gingen das Ökomodell<br />
Hindelang und das Konzept<br />
des dort größten Hotels Hand<br />
in Hand.<br />
ve<br />
Foto: Kinderhotel Oberjoch<br />
Erfolgreicher Saisonstart für das Kinderhotel Oberjoch: Neben dem Nach hal -<br />
tigkeits-Siegel verzeichneten die Betreiber noch einen neuen Übernachtungs -<br />
rekord von 51.000 Besuchern zwischen Weihnachten und Ostern<br />
Dickes Lob für den Landkreis Oberallgäu<br />
Rainer Feldmann verfügt über<br />
reichlich Erfahrung – als Referent,<br />
aber auch als Sachverständiger für<br />
Gebäudeeffizienz im Auftrag der<br />
KfW-Bankengruppe. Umso mehr<br />
war der deutschlandweit bekannte<br />
Experte überrascht von den sehr<br />
guten Vorkenntnissen der Teilnehmer<br />
am eza!-Fachseminar »Expertenwissen<br />
für KfW-Sachverständi-<br />
ge«. Man habe sofort gemerkt,<br />
»dass die Teilnehmer voll im Geschäft<br />
stecken«. Am 30. September<br />
wird das Seminar mit Rainer Feldmann<br />
nochmals angeboten. Es sind<br />
noch Plätze frei.<br />
Ein dickes Lob gab es von Feldmann<br />
auch für den Landkreis Oberallgäu,<br />
der Hausbesitzer bei der energetischen<br />
Gebäudesanierung mit bis zu<br />
4000 Euro für die Baubegleitung unterstützt<br />
– zusätzlich zur KfW-Förderung.<br />
»Ich bin schwer beeindruckt«,<br />
so Feldmann. »Ein besseres<br />
Angebot kann man einem Bauherrn<br />
nicht machen.« Was für potenzielle<br />
Kunden von Planern, Architekten<br />
und Handwerksfirmen interessant<br />
sein dürfte: Es ist noch Geld im<br />
Landkreis-Fördertopf für <strong>2015</strong>.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
35
Meldungen<br />
Klimafreundlicher Bergsport mit dem DAV<br />
Info<br />
www.alpenverein.de/Natur-<br />
Umwelt/Mobilitaet<br />
Ein neues Projekt möchte Bergsportlerinnen<br />
und Bergsportlern<br />
helfen, ihre Touren klimafreundlich<br />
zu gestalten. Der Alpenverein bietet<br />
dafür im Internet einen neuen Bereich<br />
»Klimafreundlicher Bergsport«<br />
an, in dem Tipps und Infos<br />
zu klimaneutralen Aktivitäten in<br />
den Bergen zusammengestellt sind.<br />
Dort finden sich bereits zahlreiche<br />
Touren, die gut mit öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln erreichbar sind.<br />
Dieses Angebot wird stetig erweitert,<br />
um der gestiegenen Nachfrage<br />
Rechnung zu tragen. Im Rahmen<br />
des Projektes möchte der DAV einen<br />
Denkanstoß für alternative Anreisemöglichkeiten<br />
geben. Außerdem<br />
wird in Kürze eine interaktive<br />
Karte lokale, regionale und internationale<br />
Bus- und Bahnfahrpläne im<br />
Alpenraum zusammenfassen. Dieser<br />
Service soll die Aktiven bei der<br />
Suche nach günstigen Angeboten<br />
für die öffentlichen Verkehrsmittel<br />
unterstützen.<br />
Das Projekt, das diese und viele<br />
weitere Maßnahmen auf den Weg<br />
bringt, wurde Ende 2013 ins Leben<br />
gerufen. Das dreijährige Projekt<br />
zielt darauf ab, Sensibilität für das<br />
Thema zu schaffen und den CO2-<br />
Fußabdruck der Bergsportlerinnen<br />
und Bergsportler und des DAV<br />
durch wirkungsvolle Maßnahmen<br />
zu verkleinern.<br />
Kempten und Oberallgäu: Öko-Modellregion<br />
Foto: Stadt Kempten<br />
Die Stadt Kempten und der Landkreis<br />
Oberallgäu sind »Staatlich<br />
anerkannte Öko-Modellregion«.<br />
Im Vorjahr hatte die Region sich<br />
beim gleichnamigen Wettbewerb<br />
des bayerischen Landwirtschaftsministeriums<br />
beworben. Nun erhielten<br />
Oberbürgermeister Thomas<br />
Kiechle und Landrat Anton<br />
Klotz aus den Händen des bayerischen<br />
Landwirtschaftsministers<br />
Helmut Brunner die Auszeichnungsurkunde.<br />
Die Stadt Kempten<br />
Die Offiziellen bei der Auszeichnung<br />
zur Okö-Modellregion<br />
und der Landkreis Oberallgäu sind<br />
somit die erste »Öko-Modellregion«.<br />
Als solche haben sich beide<br />
dazu verpflichtet, den Ökolandbau<br />
in der Region zu fördern. Für Stadt<br />
und Landkreis stehen dabei vor allem<br />
der Ausbau der lokalen Logis -<br />
tikketten, die Erschließung weiterer<br />
Absatzmärkte für regional erzeugte<br />
Biolebensmittel sowie die<br />
damit verbundene Bewusstseinsbildung<br />
im Vordergrund. Um diese<br />
Ziele zu erreichen, fördert das<br />
bayerische Landwirtschaftsminis -<br />
terium die Stelle eines Projektmanagers<br />
für die »Öko-Modellregion«<br />
Kempten-Oberallgäu. ve<br />
Schmökern im Denkraum<br />
Info<br />
Das Wissensmagazin wird an<br />
Haushalte in Liechten stein,<br />
Buchs und Vorarl berg verteilt.<br />
Eine elektron i sche Version<br />
steht unter<br />
www.uni.li/publikationen als<br />
PDF und im ISSUU Blätter -<br />
modus zum Download zur<br />
Verfügung.<br />
Seit Mai ist die zweite Ausgabe des<br />
Wissensmagazins »Denkraum« für<br />
die Region Alpenrheintal-Bodensee<br />
erhältlich. Die Zeitschrift informiert<br />
verständlich über Forschung<br />
und Innovationsimpulse der Universität<br />
Liechtenstein für Wirtschaft<br />
und Gesellschaft. Die aktuelle<br />
Ausgabe widmet sich dem Thema<br />
»Wert schaffen«: Welchen Beitrag<br />
können Unternehmer zur gemeinsamen<br />
Wertschöpfung in Ge-<br />
sellschaft und Wirtschaft leisten?<br />
Wie wirken sich Unternehmenswerte<br />
auf die Wertschöpfung aus?<br />
Welche Chancen hat die Region im<br />
Wettbewerb um Nachwuchstalente<br />
gegenüber Metropolen? Diesen<br />
und weiteren Fragen widmet sich<br />
das Wissenschaftsmagazin, das<br />
auch als Inspiration für andere Regionen<br />
dienen kann.<br />
ve<br />
Das Cover der neuen Ausgabe<br />
von »Denkraum«<br />
Foto: Universität Liechtenstein<br />
36<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Meldungen<br />
Förderprogramm für Hausbesitzer<br />
Jetzt heißt es schnell sein: Bayern<br />
unterstützt seine Bürger bei energetischen<br />
Maßnahmen im Gebäude<br />
mit dem 10.000-Häuser-Programm.<br />
Ab dem 15. September gibt<br />
es zusätzliche Förderung von insgesamt<br />
90 Millionen Euro für private<br />
Hausbesitzer, die entweder Sanierungen<br />
ihrer Immobilie vornehmen<br />
oder in die Jahre gekommene<br />
Heizungen austauschen.<br />
Zielgruppe sind Eigentümer und<br />
Bauherren selbstgenutzter Ein- und<br />
Zweifamilienhäuser. Die Förderung<br />
beträgt 1000 bis 18.000 Euro. Der<br />
sogenante »EnergieBonusBayern«<br />
ist kombinierbar mit den Programmen<br />
des Bundes (KfW/BAFA). Die<br />
Laufzeit des Programmes ist bis<br />
2018 geplant.<br />
Allerdings heißt es für Eigenheimbesitzer<br />
trotzdem schnell handeln.<br />
Denn die Zuschüsse des Freistaates<br />
werden nach dem Windhund-Prinzip<br />
vergeben. Das heißt, wer zuerst<br />
kommt, mahlt zuerst.<br />
Berichten verschiedener Fachleute<br />
zufolge ist die Beantragung der Zuschüsse<br />
leichter, wenn ein Energieberater<br />
hinzugezogen wird. Vom<br />
Energie- und Umweltzentrum Allgäu<br />
(eza!) wird diese Beratung bereits<br />
angeboten.<br />
Info<br />
www.energiebonus.bayern<br />
www.energieatlas.bayern.de/<br />
buerger/10000_haeuser_pro<br />
gramm.html<br />
Besucher »stromern« nach München<br />
Das Thema Elektromobilität gewinnt<br />
in Tourismus-Regionen an<br />
Bedeutung. Auf der Sonderschau<br />
»Elektromobilität in der Hotel- und<br />
Touristikbranche« zeigt die eCar-<br />
Tec Munich <strong>2015</strong> deshalb innovative<br />
Mobilitätskonzepte speziell für<br />
das Gästegewerbe. Auch wird der<br />
eCarTec Award <strong>2015</strong> verliehen:<br />
Entwicklungen und nachhaltige<br />
Konzepte im Bereich Elektro- und<br />
Hybrid-Mobilität können bis Juli<br />
eingereicht werden. Der »eCarTec<br />
Award Winner« wird sein Produkt<br />
auf der Messe einem internationalen<br />
Fachpublikum präsentieren. ve<br />
Die eCarTec Munich ist die weltweit<br />
größte Geschäftsmesse im Bereich<br />
Elektro- und Hybrid-Mobilität<br />
Info<br />
eCarTec Munich, Termin: 20. bis<br />
22. Oktober; Bewerbungsschluss<br />
eCarTec Award <strong>2015</strong>: 31. Juli<br />
Die Anmeldeunterlagen stehen<br />
unter www.ecartec.com zum<br />
Download bereit.<br />
Foto: eCarTec Munich <strong>2015</strong><br />
Anzeige<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
37
Meldungen<br />
Info<br />
Efficiency Consulting GmbH, Albertgasse<br />
35, A-1080 Vienna,<br />
Tel. +43 (0)660/6582649,<br />
E-Mail: prem@efficiencyconsulting.at<br />
Energy Consulting Allgäu<br />
GmbH, Heisinger Straße 12,<br />
87437 Kempten/Allgäu, Tel.<br />
+49 (0)831/5758-121, Fax:<br />
+49 (0)831/5758-124,<br />
www.energy-consultingallgaeu.de<br />
Allgäuer Energieberatung über erste Grenze hinweg<br />
Seit einigen Monaten wird die innovative<br />
Energieeffizienzberatung<br />
Mar ke »Energy Consulting<br />
Allgäu«auch in Österreich angeboten.<br />
In Wien gründeten Richard<br />
Prem und Matthias Voigtmann, Geschäftsführer<br />
der Energy Consulting<br />
Allgäu GmbH, die Efficiency Consulting<br />
GmbH. Deren Schwerpunkte<br />
sind wie im Allgäu die Unternehmensberatung<br />
und Unterstützung<br />
bei der Einführung von Energie- und<br />
Materialeffizienzsystemen für Firmen.<br />
Auch Energieaudits und Schulungen<br />
werden angeboten. Die Partnerfirmen<br />
Energy Consulting Allgäu<br />
mit Sitz in Kempten und Efficiency<br />
Consulting in Wien arbeiten eng zusammen<br />
und unterstützen sich gegenseitig<br />
mit ihren Experten. ve<br />
Richard Prem und Matthias Voigtmann<br />
sind Geschäftsführer der Efficiency Consulting<br />
GmbH in Wien<br />
Fotos: privat<br />
Die Wanderausstellung<br />
fasziniert Alt und Jung<br />
Ausstellung: Schule und Energie<br />
Eine Wanderausstellung von Erdgas<br />
Schwaben tourt derzeit durch<br />
verschiedene Schulen im Allgäu<br />
und in Schwaben. In Marktoberdorf,<br />
Immenstadt und Füssen war<br />
die interaktive Ausstellung bereits.<br />
In der Mittelschule in Krumbach<br />
wird sie demnächst aufgebaut. Den<br />
Ausstellungsgestaltern des heimi-<br />
Foto: allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
schen Energieversorgers geht es bei<br />
dieser kompakten Präsentation in<br />
erster Linie nicht um Eigenwerbung,<br />
sondern um Aufklärung über<br />
Energie und das Wecken von Schüler-Interessen<br />
für Energieproduktion,<br />
Energieverwendung und Energiesparen.<br />
Die Ausstellung von<br />
Erdgas Schwaben zeigt, wie sich die<br />
Energieversorgung in Bayerisch<br />
Schwaben entwickelt hat: von den<br />
Anfängen vor über 100 Jahren bis<br />
zu den modernen Technologien der<br />
heutigen Zeit. In der Ausstellung<br />
erfahren Kinder und Jugendliche,<br />
was man mit Erdgas alles machen<br />
kann: z.B. heizen, kochen, grillen,<br />
Wäsche trocknen und sogar Auto<br />
fahren. Bestandteil der Wanderausstellung<br />
»Energie: gestern – heute –<br />
morgen« ist ein Quiz. Auf Bildschirmen<br />
werden Fragen eingeblendet,<br />
die Antworten können per<br />
Touch screen gegeben werden. An<br />
jeder Station erfahren die Schülerinnen<br />
und Schüler etwas über<br />
Energie: Wie haben die Urgroßeltern<br />
geheizt? Woher kommt heute<br />
unser Erdgas? Woraus werden wir<br />
in Zukunft Strom erzeugen?<br />
Die nächste Station der Ausstellung<br />
ist vom 6. bis 17. Juli die Mittelschule<br />
Krumbach, Talstraße 70, 86381<br />
Krumbach. Eröffnungsabend am 7.<br />
Juli um 18 Uhr. Öffnungszeiten:<br />
Montag bis Freitag, 8 bis 13 Uhr.<br />
Staatspreis für Herz & Lang<br />
Info<br />
Der Staatspreis Architek tur<br />
und Nachhaltigkeit wird im Rah -<br />
men von klimaaktiv, der Ini tia ti -<br />
ve für aktiven Klima schutz, vom<br />
Bundes minis ter ium für Landund<br />
Forst wirt schaft, Umwelt<br />
und Wasser wirtschaft<br />
(BMLFUW) ausgeschrieben.<br />
Bauherren: BIG Bundes im mo -<br />
biliengesellschaft mbH,<br />
Bundesministerium für Jus tiz<br />
Architektur: ARGE Dieter<br />
Mathoi Architekten & DIN A4<br />
Architektur<br />
Fachplanung: Energie effi zien tes<br />
Bauen Herz & Lang GmbH<br />
Auszeichnung für die Allgäuer<br />
Bauplaner der Herz & Lang GmbH:<br />
Sie zählen zu den fünf Preisträgern,<br />
die Anfang des Jahres in Wien vom<br />
Ministerium für ein lebenswertes<br />
Österreich den Staatspreis für Architektur<br />
und Nachhaltigkeit erhalten<br />
haben.<br />
Das Justizzentrum Korneuburg ist<br />
weltweit das erste Gerichtsgebäude<br />
mit Vollzugsanstalt, das als Passivhaus<br />
geplant und umgesetzt wurde.<br />
Es setzt in dieser Größenordnung<br />
und Nutzungsart, in Baugestaltung<br />
und energetischer Performance<br />
nachhaltige Maßstäbe.<br />
Foto: privat<br />
Österreichische Gebäude für nachhaltige<br />
und qualitätsvolle Bauweise<br />
bringen anspruchsvolle Architektur<br />
und Umwelt in Einklang.<br />
»Das Zusammenspiel von innovativen<br />
und energieeffizienten Lösungen<br />
sowie höchster architektonischer<br />
Qualität leistet einen wichtigen<br />
Beitrag für ein lebenswertes<br />
Österreich«, sagte Bundesminister<br />
Andrä Rupprechter anlässlich der<br />
Verleihung.<br />
Fünf besonders engagierte Projekte<br />
wurden am 13. Januar im ORF<br />
RadioKulturhaus ausgezeichnet.<br />
»Alle Prämierten stellten unter Beweis,<br />
dass anspruchsvolle Architektur,<br />
ressourcenschonende Bauweise,<br />
Energieeffizienz und ein<br />
Baustil im Einklang mit Umwelt<br />
und Natur keine Widersprüche<br />
sind«, unterstrich der Minister.<br />
www.klimaaktiv.at/staatspreis.html<br />
Dieter Herz freut sich über einen<br />
Staatspreis im Nachbarland Österreich<br />
38<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Meldungen<br />
Spannender Energietag zur Festwoche<br />
Der Allgäuer Energietag im Rahmen<br />
der Allgäuer Festwoche ist inzwischen<br />
zu einer festen Einrichtung<br />
geworden. Dieses Jahr findet<br />
er am Donnerstag, 13. August, im<br />
Kornhaus in Kempten statt (ab 10<br />
Uhr). »Pflicht zum Energieaudit –<br />
sinnloser Zwang oder nützliche<br />
Hilfe?«lautet ein Schwerpunktthema,<br />
das von Volkmar Schäfer bestritten<br />
wird. Er berichtet aus der<br />
Arbeit seines Ingenieurunternehmens<br />
mit dem Tätigkeitsschwerpunkt<br />
Energieaudit. In seinem Vortrag<br />
bringt er praktische Erfahrungen<br />
aus Unternehmen unterschiedlicher<br />
Größe ein, vom kleinen und<br />
mittelständischen Unternehmen bis<br />
hin zum namhaften Großunterneh-<br />
men. Ein Erlebnis der besonderen<br />
Art verspricht der Auftritt von<br />
Martin Buchholz – seines Zeichens<br />
deutscher Meister im Science Slam<br />
im Jahr 2010. Auch über den Slam<br />
hinaus ist er als Redner mit populärwissenschaftlichen<br />
Vorträgen<br />
aus dem Bereich Energiewandlung<br />
und deren Grenzen im gesamten<br />
deutschsprachigen Raum tätig.<br />
Buchholz vermittelt Wissen(schaft)<br />
mitreißend und witzig wie kein<br />
Zweiter in Deutschland und regt<br />
zum Nachdenken an – allein schon<br />
mit der Eingangsfrage seines Beitrags<br />
beim Allgäuer Energietag:<br />
»Energie – wie verschwendet man<br />
etwas, das nicht weniger werden<br />
kann?«.<br />
Der gebürtige Bochumer begann<br />
2002 seine Arbeit am Institut für<br />
Thermodynamik der TU Braunschweig,<br />
an dem er heute noch Vorlesungen<br />
in den Fächern Thermodynamik<br />
sowie Wärme- und Stoffübertragung<br />
hält. 2010 holte sich<br />
Buchholz den Deutschen Meistertitel<br />
im Science Slam. Die FAZ hat<br />
einmal geschrieben: »...in zehn Minuten<br />
Entropie erklären, das muss<br />
Buchholz erst mal einer nachmachen.«<br />
Die Teilnahme am Allgäuer Energietag<br />
ist kostenlos. Anmeldungen<br />
beim Veranstalter eza! sind erwünscht.<br />
Telefon 0831 960286-0,<br />
Fax 0831 960286-90, E-Mail:<br />
info@eza-allgaeu.de<br />
Preis für EnergiePLUS-Masterarbeit<br />
Für seine Master-Thesis hat der Biberacher<br />
Student Christian Kley<br />
den ersten Preis der Bälz-Stiftung<br />
Berlin erhalten. Kley studierte an<br />
der Hochschule Biberach Energieund<br />
Gebäudesysteme. In seiner abschließenden<br />
Masterarbeit be-<br />
schäftigte er sich mit dem Thema<br />
Aktivhäuser: Basis der Masterthesis<br />
war ein bereits realisiertes, bewohntes<br />
und einem wissenschaftlichen<br />
Monitoring unterzogenes<br />
Einfamilienhaus, das mithilfe einer<br />
Photovoltaikanlage mehr Energie<br />
erzeugt, als es verbraucht. Für das<br />
Netto-Energie-Plus-Gebäude testete<br />
Kley mit Hilfe eines Gebäudeund<br />
Anlagenmodells zwei Energie-<br />
PLUS-Konzepte. Ziel ist es, eine<br />
hohe Eigenstromnutzung zu erreichen.<br />
ve<br />
Christian Kley (Mitte) mit dem<br />
be treuenden Professor Dr.-Ing.<br />
Roland Koenigsdorff sowie Dr.-Ing.<br />
Martin Becker, Mitglied der Jury<br />
Foto: HBC<br />
Anzeige<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
39
Meldungen<br />
Pflanzaktionen im Allgäu<br />
Immer mehr Städte und Gemeinden<br />
bemühen sich um eine »Verblümung«von<br />
freien Rasenflächen.<br />
Vom Tulpenweg bis zum Verteilen<br />
von Samentütchen – die Bewohner<br />
werden bei den Projekten eigebunden<br />
und gestalten mit. Die bepflanzten<br />
Flächen sind nicht nur<br />
schön anzusehen: Hier wächst der<br />
Lebensraum für Biene und Co. –<br />
und das menschliche Bewusstsein<br />
für die Schönheit der Natur.<br />
Kempten:<br />
Weg der Bäume<br />
Mit Begeisterung pflanzten die<br />
Schüler der Klasse 3A der Konrad-<br />
Adenauer-Grundschule in Kempten-Lenzfried<br />
zusammen mit Bürgermeister<br />
Josef Mayr am Weg der<br />
Bäume auf der Ludwigshöhe in<br />
Kempten einen Feldahorn. Seit<br />
2004 wird am Weg der Bäume auf<br />
Initiative der Kemptener Agenda<br />
der jeweilige »Baum des Jahres«gepflanzt.<br />
Meist wird versucht, den<br />
Pflanztag auf den »Tag des Baumes«zu<br />
legen, der am 25. April gefeiert<br />
wird.<br />
Lindau: »Unser Landkreis<br />
blüht auf«<br />
In den letzten Jahren sind viele Rasenflächen<br />
im Landkreis Lindau zu<br />
blühenden Wiesen geworden. Mehr<br />
blühende Flächen sollen im priva-<br />
ten und kommunalen Bereich entstehen<br />
und so dem Artenschwund<br />
und mangelnden Nahrungsangebot<br />
für Insekten entgegenwirken. Denn<br />
in Wildblumenwiesen herrscht eine<br />
große Vielfalt an Pflanzen, Insekten<br />
und anderen Tieren. 18 Landkreisgemeinden<br />
beteiligen sich heuer an<br />
der Aktion sowie 22 Seniorenheime<br />
und Kindergärten.<br />
Kempten: Versuchsreihe<br />
mit torffreier Blumenerde<br />
Die auszubildenden Gärtner an den<br />
Beruflichen Schulen Kempten III in<br />
Kempten führen einen Pflanzversuch<br />
mit der torffreien Blumenund<br />
Pflanzerde der Allgäuer Moor -<br />
allianz durch. Dazu setzten sie die<br />
Hälfte der Jungpflanzen in die torffreie<br />
Erde, die andere Hälfte in herkömmliche<br />
Substrate. Über die Saison<br />
hinweg beobachten die Auszubildenden<br />
ihre Versuchspflanzen<br />
und sammeln Ergebnisse. Diese<br />
werden sie im September präsentieren.<br />
Unter dem Motto »global denken<br />
– regional handeln«hat die Allgäuer<br />
Moorallianz die Allgäuer<br />
torffreie Blumen- und Pflanzerde<br />
gemeinsam mit unterschiedlichen<br />
Partnern entwickelt.<br />
Bunte Wildblumen<br />
für Memmingen<br />
»Unsere Stadt blüht auf«heißt die<br />
Gemeinschaftsaktion der Sparkasse<br />
Memmingen-Lindau-Mindelheim<br />
und der Stadt Memmingen, bei der<br />
dieses Jahr bereits zum dritten Mal<br />
kostenlos Tütchen mit Wildblumensamen<br />
verteilt werden: Ob<br />
Mohn, Schlüsselblumen, Margeriten<br />
oder Schafgarben, es ist immer<br />
mit einer kleinen Überraschung<br />
verbunden, welche Blumen später<br />
im Beet wachsen. Die Sommerblumen-Mischung<br />
ist kostenlos in allen<br />
Memminger Sparkassen-Filialen<br />
erhältlich.<br />
Bad Wörishofen: Tulpenpfad<br />
und Blumenweg<br />
Lockte im Frühjahr in Bad Wörishofen<br />
noch der »Tulpenpfad«alle Duftund<br />
Blumenfreunde in die Innenstadt,<br />
so sind es nun die Sommerblumen,<br />
die Bad Wörishofen verschönern.<br />
Der in diesem Jahr eröffnete<br />
Blumenweg führt vom Luitpold-<br />
Leusser-Platz über die Ka -<br />
threinerstraße beim Wasserrad in<br />
die Kneippstraße, vorbei am Kurhaus<br />
und Denkmalplatz sowie der<br />
Ludwig-Geromiller-Straße bis zum<br />
Ende der Kneippstraße. Er ist einen<br />
Kilometer lang und hat 40 Info-Stationen<br />
mit entsprechenden Tafeln.<br />
In den Sommermonaten bis in den<br />
Herbst wachsen in den Beeten Begonien,<br />
Fuchsien und Dahlien, daneben<br />
Kartoffelblumen und Salbei<br />
oder auch exotische Pflanzen wie<br />
Palmen, Blumenrohr und Bananenpflanzen.<br />
Insgesamt wurden 32.500<br />
Blumen in 130 Arten und Sorten<br />
von der Stadtgärtnerei Bad Wörishofen<br />
für den neuen Blumenweg gepflanzt.<br />
Der Blumenweg Bad Wörishofen<br />
blüht bis Mitte Oktober. Dann<br />
werden die Blumenzwiebeln gelegt<br />
und Herbstpflanzung aufgebracht.<br />
Fotos: Stadt Kempten, Landratsamt Lindau, Julia Mayer/Pressestelle Stadt Memmingen, Kur- und Tourismusbetrieb Bad Wörishofen<br />
40<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Meldungen<br />
Wohnpark mit moderner Lüftung<br />
Anzeigen<br />
Foto: LTM<br />
An der Fassade des Gebäudes sind die<br />
Außenhauben der Thermo-Lüfter zu<br />
erkennen. Jede Wohnung wird durch<br />
mehrere Geräte rund um die Uhr mit<br />
wohltemperierter Frischluft versorgt.<br />
Auf dem Gelände nahe dem Wasserkraftwerk<br />
Keselstraße in Kempten<br />
wurden in der alten Baumwollfabrik<br />
23 moderne Neubau-Wohnungen<br />
mit Blick auf die nahe gelegene Iller<br />
bezugsfertig. Bei allen Wohnungen<br />
mit an Bord ist eine kontrollierte<br />
Wohnungslüftung. In den fünf Geschossen<br />
entstanden 2- bis 4-Zimmer-Wohnungen<br />
mit Wohnflächen<br />
von knapp 60 bis gut 120 Quadratmetern.<br />
Die Ausstattung der Wohnungen<br />
ist – wie bei solchen Mehrgeschosswohnbauten<br />
üblich – von<br />
gutem Standard. Das Gebäude wurde<br />
als KfW-Effizienzhaus 70 ausgeführt,<br />
also in einem etwas besseren<br />
Energiestandard, als es der Gesetzgeber<br />
verlangt. Auffallend ist jedoch<br />
ein anderer Aspekt, der in der Baubeschreibung<br />
nur am Rande Erwähnung<br />
findet: »Die Be- und Entlüftung<br />
der Wohnräume erfolgt über<br />
ein dezentrales Frischluftsystem mit<br />
hoher Wärmerückgewinnung«.<br />
Bei dem Projekt sind die dezentralen<br />
Lüftungsgeräte »Thermo-Lüfter«<br />
des deutschen Herstellers LTM<br />
im Einsatz. Insgesamt 80 wurden<br />
Thermo-Lüfter 1230 eingebaut.<br />
Jede Wohnung ist autark: Über eine<br />
Zentralsteuerung je Wohneinheit<br />
können die Lüftungsgeräte eigenständig<br />
und unabhängig von den<br />
anderen Bewohnern geregelt werden.<br />
Die Entscheidung für LTM fiel<br />
erst im Planungsprozess. Zunächst<br />
war eine zentrale Lüftungsanlage in<br />
Erwägung gezogen worden; die Erfahrungen<br />
des Planungsbüros<br />
Claudia Echtler aus Kaufbeuren<br />
und des Bauunternehmens Paul<br />
Bau und Putz aus Mauerstetten<br />
sprachen aber dagegen. Die LTM-<br />
Lüfter werden direkt in der Außenwand<br />
platziert und erfordern keinerlei<br />
Luftkanäle.<br />
Die Erfahrungen der Bewohner<br />
sind gut: Neben der ständig guten<br />
Raumluft fällt der Thermo-Lüfter<br />
vor allem dadurch auf, dass er nicht<br />
auffällt; das Gerät arbeitet nämlich<br />
besonders leise.<br />
allgäu <strong>ALTERNATIV</strong><br />
Reservieren Sie jetzt Ihren<br />
Werbe auftritt für die<br />
Herbst/Winter ausgabe <strong>2015</strong>!<br />
Redaktions- und Anzeigen -<br />
schluss ist der 02.10.<strong>2015</strong><br />
Anzeigen-Kontakt:<br />
Sven Abend,<br />
Tel. +49 (0)8379 728616<br />
Holzige Festwochen-Termine<br />
Foto: allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
Am 24. Juli eröffnet die Ausstellung<br />
»Bauen mit Holz in Bayerisch-<br />
Schwaben«in der Kunsthalle in<br />
Kempten. Zur Eröffnung wird sich<br />
der Verein »Holzforum Allgäu«in<br />
seiner ganzen Bandbreite vorstellen.<br />
Im Anschluss referiert Prof.<br />
Referent Prof. Dr. Stefan Winter<br />
Stefan Winter zum Thema »Zukunft<br />
Holzbau«. Bis zum 16. August<br />
ist die Ausstellung anschließend<br />
zu besichtigen.<br />
Am Mittwoch, den 12. August, findet<br />
eine Fachtagung des Holz -<br />
forums im Kemptener Kornhaus<br />
statt. Zwischen 10 und 12 Uhr referieren<br />
Prof. Hermann Kaufmann<br />
vom Lehrstuhl Holzbau der TU<br />
München und DI Rüdiger Lex, Geschäftsführer<br />
von proHolz Tirol,<br />
zum Thema »Leben und Arbeiten<br />
mit Holz im Allgäu«. Im Anschluss<br />
bekommen alle Teilnehmer der Tagung<br />
eine Eintrittskarte zum Besuch<br />
der Allgäuer Festwoche. ve<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
41
Wasserstoff<br />
Die Produktion verbessern<br />
Effekte zur Effizienzsteigerung entdeckt<br />
Wasserstoff gilt als wichtiger Energieträger der Zukunft. Ein Ansatz für seine Gewinnung ist die<br />
Photokatalytische Wasserspaltung. Dabei wird mithilfe von Licht Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff<br />
und Sauerstoff gespalten. Seit Jahren arbeitet Peter Schmeller aus Bad Hindelang an diesem Thema.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> hat ihn mit dem folgenden wissenschaftlichen Bericht des Leibniz-Instituts konfrontiert.<br />
Demonstration: Mit einer<br />
Schau-Anlage zeigt Peter<br />
Schmeller, wie Wasserstoff<br />
erzeugt wird. Die Gas flam -<br />
me beweist, dass es gut<br />
funktioniert<br />
Fotos: Susanne Elgaß<br />
Wissenschaftler des Leibniz-Institutes für<br />
Photonische Technologien (IPHT)<br />
haben entdeckt, dass bei einer Anregung<br />
mit grünem Licht Elektronen direkt vom lichtabsorbierenden<br />
Zentrum zum Ort der Spaltung transferiert<br />
werden. Je schneller die Elektronen übertragen werden,<br />
desto effizienter kann Licht für die Wasserspaltung<br />
genutzt werden. Welche Schritte bei der<br />
Wasserspaltung nach Absorption des Lichts stattfinden,<br />
wird in molekularen Photokatalysatoren beobachtet.<br />
Das Verständnis der einzelnen Schritte zur<br />
Wasserspaltung ist wichtig, um die Wasserspaltung für<br />
die industrielle Verwertung nutzbar zu machen. Besonderes<br />
Augenmerk der IPHT-Wissenschaftler liegt<br />
auf dem Transfer der Elektronen vom lichtabsorbierenden<br />
Zentrum zum Ort der Spaltung. Der Elektronentransfer<br />
läuft in einem Zeitfenster von einem<br />
millionsten Teil einer millionsten Sekunde ab. Die<br />
Prozesse auf dieser Zeitskala konnten mit bisherigen<br />
Methoden nicht genau untersucht werden.<br />
In Kooperation mit Wissenschaftlern der Universität<br />
Mailand haben IPHT-Wissenschaftler dieses<br />
Zeitfenster mit 20 Femtosekunden Zeitauflösung beobachtet.<br />
Sie stellten fest, dass bei Anregung mit grünem<br />
Licht die Elektronen vom lichtabsorbierenden<br />
Zentrum direkt zum Ort der Spaltung transferiert<br />
werden. Bei Anregung mit Licht anderer Wellenlängen<br />
dagegen dauert es 1000-mal länger. Dies erhöht die<br />
Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von effizienzmindernden<br />
Nebenprozessen. Die Beobachtung kohärenter<br />
Schwingungsdynamik, die exklusiv unter Anregung<br />
mit grünem Licht auftritt, illustriert die Effizienz<br />
des Prozesses. Ermöglicht wurden die Messungen<br />
durch die Unterstützung des LaserLab Europe.<br />
Die Natur macht es vor<br />
Peter Schmeller: Verfahren gibt es genug<br />
Verfahren, die mittels Photokatalytischer Wasserspaltung Wasserstoff erzeugen, sind schon lange bekannt<br />
und werden auch von Organismen genutzt (z.B. einem bestimmten Schmetterling). Es gibt etwa 36 bekannte<br />
Verfahren, Wasserstoff zu erzeugen. Es gibt aber sicher noch 100 Verfahren, die noch nicht bekannt sind.<br />
Peter Schmeller:<br />
»Keine grundlegend neuen<br />
Erkenntnisse«<br />
In Neuseeland läuft ein Pilotprojekt, bei dem Bakterien<br />
mit Sonnenlicht Wasserstoff erzeugen. Dieser<br />
Wasserstoff wird in Brennstoffzellen in Strom<br />
umgewandelt. In Saudi Arabien wird in einem Klärwerk<br />
mit Sonne und Bakterien Wasserstoff erzeugt.<br />
Mit dem daraus erzeugten Strom wird die gesamte<br />
Anlage betrieben und dazu noch ein großer Schulkomplex<br />
mit Energie versorgt.<br />
Die Effizienz ist bei der Wasserstoff-Erzeugung<br />
ein relativer Begriff, der nur dann eine Rolle spielt,<br />
wenn ich z.B. aus Strom Wasserstoff und aus Wasserstoff<br />
wieder Strom herstellen möchte (Verluste). Bei<br />
einem Fahrzeug ist so etwas wichtig, damit der »Tank«<br />
klein und die Reichweite groß wird.<br />
Wasserstoff ist ja nur Energieträger oder ein wichtiges<br />
Element für Prozesse wie z.B. die Reinigung von<br />
Erdöl. Der größte Anteil des weltweit benötigten Wasserstoffs<br />
wird mit Erdgas als Primärenergie hergestellt.<br />
Wasserstoff ist keine Primärenergiequelle, sondern<br />
ein umweltfreundlicher Energieträger (-speicher).<br />
Trotzdem könnte Wasserstoff (wenn er beispielweise<br />
aus Biomasse erzeugt wird) den Gesamtenergiebedarf<br />
der Welt abdecken, ohne dass dadurch irgendjemand<br />
hungern müsste. Viele Antworten findet man unter<br />
http://www.bio-wasserstoff.de/<br />
Das darf keinesfalls mit dem Irrsinn der heutigen<br />
Biogasanlagen verwechselt werden. Ich könnte im Allgäu<br />
problemlos ein Haus mit Biowasserstoff und einer<br />
kleinen Photovoltaik-Anlage autonom betreiben,<br />
wenn man mir die Chance geben würde. Es ist keine<br />
Frage der verfügbaren Techniken – die sind vorhanden.<br />
Peter Schmeller<br />
42<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Energie<br />
Fotos: Renexpo/Messe Augsburg<br />
Die Renexpo in Augsburg<br />
Gebäudehülle steht im Mittelpunkt<br />
Die Energiefachmesse Renexpo vom 1. bis 4. Oktober, ist die wichtigste<br />
Messe für den Energiemarkt und im Bereich energieeffizientes Bauen im<br />
süddeutschen Raum. Hochkarätige Fachtagungen, innovative Produkte<br />
und Vorträge ausstellender Firmen zeigen die aktuelle und zukünftige Ent -<br />
wicklung der Energieversorgung und wesentliche Einsparpotenziale auf.<br />
Wer steht dahinter?<br />
Messe Augsburg ASMV GmbH:<br />
Die Messe Augsburg als drittgrößter Messe -<br />
platz in Bayern ist ein Wirtschaftsmotor mit<br />
Aus strahlung weit über die Grenzen Bayerisch-<br />
Schwabens hinaus. Augsburg punktet mit ei -<br />
nem gut erreichbaren Messegelände, per sön -<br />
lichem Service und dem Charme der zweit -<br />
ältes ten Stadt Deutschlands. Die Messe ist<br />
Full-Service-Partner für Messen und Events:<br />
Zwölf Hallen mit 48.000 Quadrat metern<br />
Brutto fläche, 10.000 Quadratmeter Frei ge -<br />
lände, ein Tagungscenter, vier Eingangs be -<br />
reiche, beste Verkehrsanbindung sowie 2.400<br />
Parkplätze in der Nähe bie ten eine Viel zahl an<br />
individuell planbaren Ver anstal tungs möglich -<br />
keiten. Info unter: www.messeaugsburg.de<br />
Die Akademie für nachhaltige Gebäudetech -<br />
nologie Karlsruhe-Mosbach e.V. beschäftigt<br />
sich mit der Ressourceneffizienz von Gebäu -<br />
de technologien, insbesondere mit Glas-, Fen s -<br />
ter-, Türen-, Sonnenschutz- und Fassaden -<br />
tech nologien. Akademievorsitzender Prof.<br />
Dr. h.c. Klaus Layer ist gelernter Tisch ler- und<br />
Gla sermeister, zertifizierter Thermo graf, und<br />
zusätzlich öffentlich bestellter und ver-eidigter<br />
Sachverständiger der Handwerks kammer<br />
Mannheim sowie Bauphysiker, Ener gieberater<br />
und Dozent für Konstruktionslehre und<br />
angewandte Bauphysik an der dualen<br />
Hochschule Baden-Württemberg, Campus<br />
Mosbach.<br />
Weitere Informationen<br />
unter www.akademie-ngt.de<br />
Die Renexpo ist als Bayerns Energiefachmesse<br />
die Plattform der Energiewende für Politik,<br />
Industrie, Handel und Handwerk, aber auch<br />
für interessierte zukünftige Anwender. Die Schwerpunkte<br />
liegen dabei auf rationeller Energiegewinnung,<br />
intelligenter Energieverteilung, effizienter Energieverwendung<br />
sowie der optimalen Energiespeicherung bei<br />
Strom und Wärme.<br />
Erstmals wird in diesem Jahr ein eigener Bereich<br />
speziell für Fachaussteller und Sponsoren in Halle 7 direkt<br />
angrenzend an das Tagungscenter vorgesehen. Auf<br />
interessiertes Publikum treffen die Aussteller in Halle<br />
5 und im Freigelände. Sowohl Privat- wie auch Fachbesucher<br />
erwarten praktikable Lösungen zum Anschauen<br />
und Anfassen. Ob E-Mobil und Energiespeicher<br />
mit Lademöglichkeiten im und ums Gebäude, von<br />
Solarthermie über Photovoltaik bis zur Wärmeversorgung<br />
durch Scheitholz, Hackschnitzel oder Pellets mit<br />
Wärmespeicher reicht das umfassende Angebot.<br />
Die Gebäudehülle ist weitaus mehr als eine bloße<br />
Außenwand, sie ist die Membran des Hauses: Energieverluste<br />
soll sie möglichst gering halten, gleichzeitig<br />
aber das Gebäude mit Licht, Wärme, Frischluft oder<br />
sogar mit Strom versorgen.<br />
Neu ist die 1. Fachtagung »GHI – Gebäudehülle<br />
innovativ«. Sie macht Ressourceneffizienz erlebbar.<br />
Ausführlich widmet sich die Fachtagung mit Ausstel-<br />
44<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Energie in allen Varianten: Das Angebot an den Ständen ist breit gestreut<br />
Der drittgrößte Messeplatz in Bayern: die Messe in Augsburg<br />
lerangebot und Kongresskomponenten allen Facetten<br />
der energieeffizienten Gebäudehülle. Dahinter stehen<br />
als Kooperationspartner als Messe Augsburg, die<br />
Hinte Expo & Conference und die Akademie für<br />
nachhaltige Gebäudetechnologie Karlsruhe-Mosbach<br />
e.V.<br />
»Das Forum passt perfekt zur Renexpo. Speziell<br />
die Bereiche Wärmedämmung, Lüftung, Fenster und<br />
Fassade ergänzen die Renexpo-Kernthemen Energiegewinnung,<br />
intelligente Energieverteilung, effiziente<br />
Energieverwendung und Energiespeicherung, da sie<br />
sich mit der Energieeffizienz der Gebäude – im Speziellen<br />
der Gebäudehülle – auseinandersetzen. Und<br />
diese ist ein wichtiger Faktor für alle Zielgruppen der<br />
Renexpo und ein weiterer Schritt zur Positionierung<br />
des Messeplatzes Augsburg«, sagt Gerhard Reiter, Geschäftsführer<br />
der Messe Augsburg.<br />
Fachbetrieben, Herstellern, Architekten und<br />
Bauherren bietet die 1. Fachtagung »GHI – Gebäudehülle<br />
innovativ« die einmalige Möglichkeit, sich über<br />
neueste Entwicklungen und Techniken im Bereich der<br />
Glas-, Fenster-, Fassaden- und Sonnenschutzsysteme,<br />
über Bauanschlüsse, Anlagetechnik oder Architektur<br />
der Gebäudehülle zu informieren.<br />
Anzeige<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
45
Energie sparen<br />
Auszubildende in der<br />
Green Factory Allgäu<br />
Fotos: Jensen media/Alois Müller, AT-Fachverlag<br />
Vorfertigung in der<br />
Green Factory Allgäu.<br />
Green Factory Allgäu<br />
Ein gutes Beispiel für ganz Europa<br />
Eine große Auszeichnung gab es kürzlich für die Green<br />
Factory Allgäu in Ungerhausen im Unterallgäu: Für das<br />
bahnbrechende Projekt der weltweit ersten nahezu energieautarken<br />
Produktions- und Ausbildungshalle erhielt die<br />
Alois Müller GmbH (Memmingen) auf der Fachmesse ISH<br />
in Frankfurt/Main den begehrten Marketingpreis des<br />
Sanitär-, Heizung- und Klimahandwerks (SHK).<br />
Die Alois Müller GmbH ist ein Spezialist für<br />
Heizung, Lüftung, Sanitär und Klimatechnik.<br />
Mit innovativen Ideen wie der Green Factory<br />
Allgäu sorgt das Unternehmen immer wieder für Aufsehen.<br />
Die Auszubildenden der Alois-Müller-Gruppe<br />
erlernen hier ihre Berufe in einer der modernsten und<br />
gleichzeitig energiesparendsten Ausbildungshallen des<br />
SHK-Handwerks überhaupt.<br />
Die 2800 Quadratmeter große und 2,5 Millionen<br />
Euro teure Halle ist die weltweit erste ihrer Art, die mit<br />
ihrer ebenfalls 2800 Quadratmeter großen Photovoltaikanlage<br />
nicht nur ganzjährig Heizung und Kühlung<br />
selbstständig betreiben kann, sondern die dank einer<br />
Leistung von 350 MWh auch zusätzlich fast den gesamten<br />
Strombedarf für den Betrieb der Produktionsmaschinen<br />
deckt. Energiekosten und der CO2-Ausstoß<br />
sinken damit auf Null. Außerhalb der Betriebszeiten<br />
speichert ein großer Pufferspeicher im Betonkern<br />
der Halle die gewonnene Energie, oder sie wird<br />
ins allgemeine Stromnetz eingespeist und vergütet.<br />
»Wir mussten wirklich viel Durchsetzungsvermögen<br />
beweisen, zum Beispiel, als es um die Kühlung<br />
unseres Laserroboters ging. Der Hersteller wollte partout<br />
eine zusätzliche Kühlmaschine installieren, aber<br />
wir haben darauf bestanden, die dafür nötige Energie<br />
aus unserem Heiz- und Kühlkreislauf der Halle zu<br />
verwenden, also unser Wasser aus dem Tiefenbrunnen.<br />
Allein durch diese Maßnahme sparen wir beim<br />
Betrieb des Roboters auf einen Schlag 80 Prozent der<br />
üblichen Energiekosten ein«, sagte Andreas Müller,<br />
Geschäftsführer der Alois Müller GmbH, als er den<br />
Marketingpreis in Frankfurt entgegennahm.<br />
Seit beinahe zwei Jahrzehnten wird der Marketingpreis<br />
für das deutsche SHK-Handwerk von einem<br />
Fellbacher Fachverlag und der »Initiative Marketingpreis«<br />
vergeben. Diese wird unterstützt von der Fachmesse<br />
ISH Frankfurt, der Deutschen Handwerks Zeitung<br />
sowie Bosch Thermotechnik Junkers Deutschland.<br />
Im Rahmen eines Galaabends ehrt die Fachjury<br />
jedes Jahr mittelständische Betriebe für außergewöhnliche<br />
Konzepte und innovative Ideen.<br />
Nicht nur die Fachjury, sondern auch namhafte<br />
Wissenschaftler sehen in der Green Factory Allgäu ein<br />
leuchtendes Beispiel für die gelebte Energiewende und<br />
ein einzigartiges Modellprojekt mit Vorbildcharakter<br />
für ganz Europa. »Mit Ihrer Halle verwirklichen Sie<br />
bereits Forderungen, die wir unter dem Gesichtspunkt<br />
der Energieflexibilität stellen. Sie können sich damit<br />
schnell und flexibel an kurzfristige Änderungen des<br />
Energiemarktes anpassen«, sagte beispielsweise der<br />
46<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Diplom-Wirtschaftsingenieur Emin Genc, Gruppenleiter<br />
Adaptive Produktionsorganisation beim Fraunhofer-Institut<br />
für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik<br />
(IWU) mit Sitz in Augsburg, bei einem Expertentreffen<br />
von Planern für die Technische Gebäudeausrüstung<br />
(TGA) in Ungerhausen.<br />
Die Green Factory Allgäu dient der Alois-Müller-Gruppe<br />
als Produktionshalle für die Vorfertigung<br />
von technischen Komponenten und Bauteilen bis hin<br />
zu schlüsselfertigen Container-Lösungen, die dann<br />
vor Ort auf der Baustelle nur noch im Plug-and-Play-<br />
Modus angeschlossen und in Betrieb genommen werden<br />
müssen. »Wenn wir in unserer Hightech-Halle in<br />
Ungerhausen Leitungen schweißen können, hat dies<br />
eine ganz andere Qualität, als wenn jemand die Leitungen<br />
vor Ort bei wechselnden Witterungs- und<br />
Temperaturbedingungen schweißen müsste«, erklärt<br />
Andreas Müller. Das Konzept der hohen Vorfertigungsleistung<br />
mit gut ausgebildeten Handwerkern<br />
kommt an, denn neben der Qualitätssteigerung profitieren<br />
die Auftraggeber auch von der höheren Projektsicherheit.<br />
In Ungerhausen produziert die zur Alois-Müller-<br />
Gruppe gehörende Müller Produktions GmbH in ers -<br />
ter Linie versorgungstechnische Anlagen, unter anderem<br />
PE-Bauteile für Geothermie wie Erdsonden-Anlagen<br />
oder Erdkollektoren, Rohrleitungssysteme aus<br />
Stahl und Edelstahl oder Gehäusekomponenten für<br />
Windkraftanlagen und Wärmepumpen. Im Bereich<br />
der Lüftungstechnik stellt Alois Müller unter anderem<br />
Lüftungskanäle, Luftauslasssysteme und Sonderkomponenten<br />
für Lüftungsanlagen her. Auch für die Kühlung<br />
von Werkzeugmaschinen bietet das Unternehmen<br />
aus Memmingen innovative Systeme an. Außerdem<br />
dient die Green Factory in Ungerhausen als Ausbildungshalle<br />
für den Nachwuchs in den Unternehmen<br />
der Müller-Gruppe.<br />
Bei der Preisverleihung, von<br />
links: Laudator Thorsten<br />
Schröder, Moderatorin Angelika<br />
Demmerschmidt, Andreas<br />
Müller und Stargast Markus<br />
Rehm<br />
Anzeige<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
47
Wasserkraft<br />
Grünes Licht vom Landrat<br />
Kraftwerk Älpele weiterhin umstritten<br />
Das Wasserkraftwerk Älpele im Hintersteiner Tal darf gebaut werden. Landrat Toni Klotz<br />
hat den Bauantrag der Planungsgesellschaft Kraftwerk Älpele mbH unterschrieben,<br />
nachdem auch der Kreistag Oberallgäu sich mehrheitlich dafür ausgesprochen hatte.<br />
Allerdings meldete auch das Umweltministerium in München Bedenken an. Das<br />
Kraftwerk ist weiterhin umstritten – es wurden bereits Klagen dagegen eingereicht.<br />
Die sogenannte »Eisenbreche«<br />
ist vom Bau des Kraftwerks<br />
nicht direkt betroffen<br />
Wir legen mit unserem neuen Wasserkraftwerk<br />
nachhaltig das Fundament zu<br />
einer ökologischen Stromversorgung für<br />
die nächsten Generationen«, sagt Engelbert Wille,<br />
Geschäftsführer der Planungsgesellschaft Kraftwerk<br />
Älpele mbH. Die Internationale Alpenschutzkommission<br />
Cipra hält dagegen: »Das Umweltministerium in<br />
München sieht die Pläne mit großer Skepsis, Naturschutzverbände<br />
und der Deutsche Alpenverein (DAV)<br />
sowieso.« Konkret geht es um ein Kraftwerk in einem<br />
bisher unberührten, urtümlichen Tal im Naturschutzgebiet<br />
Allgäuer Hochalpen. Die Ostrach fließt durch<br />
eine Klamm, die gleich fünffach geschützt ist: nationales<br />
und europäisches Schutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet,<br />
Naturdenkmal und Vogelschutzgebiet.«<br />
Zwist im eigenen Haus<br />
Landrat Toni Klotz hatte wegen des Bauantrages<br />
in seinem eigenen Hause Probleme. Seine Juristen und<br />
Berater im Landratsamt wollten den Antrag nicht unterschreiben.<br />
Sie hatten rechtliche Bedenken. Klotz<br />
nahm deshalb selbst den Füller in die Hand und segnete<br />
das Vorhaben persönlich ab. Er vertritt die Ansicht,<br />
dass die Energiewende nur geschafft wird, wenn<br />
alle Möglichkeiten vor Ort ergriffen werden. Damit tat<br />
der Oberallgäuer Landrat einen mutigen Schritt. Er erinnerte<br />
zuvor bei diversen Gelegenheitedaran, dass er<br />
nicht mit der zögerlichen Handlungweise der Politik<br />
in München und Berlin einverstanden ist. Er bekräftigte,<br />
dass er das selbstgesteckte Ziel des Kreistages, 70
Fakten zum geplanten Bürgerkraftwerk<br />
Leistung:<br />
ca. 4,4 MW<br />
Durchschnittliche Jahreserzeugung: ca. 9 Mio. kWh<br />
Nettofallhöhe:<br />
ca. 95 m<br />
Restwassermenge: 0,75-1,5 m 3 /s<br />
Jährliche Betriebstage:<br />
ca. 215 Tage<br />
Investitionssumme:<br />
ca. 10 – 11 Mio. € netto<br />
Landrat Toni Kotz<br />
Der Oberallgäuer Landrat Toni Klotz<br />
setzte sich über Bedenken seiner<br />
Juris ten und Naturschutzbeauftragten<br />
hinweg: »Alle regionalen Anstren g ungen<br />
für die Energiewende müssen<br />
unternommen werden.«<br />
Prozent der Energie bis 2022 durch erneuerbare Quellen<br />
zu erzeugen, noch nicht ganz aus den Augen verloren<br />
habe. Da inzwischen die regionale Windkraft<br />
durch die 10-H-Regelung von Ministerpräsident Horst<br />
Seehofer lahme Flügel bekommen hat, haben die ehrgeizigen<br />
Ziele im Oberallgäu einen herben Rückschlag<br />
erlitten.<br />
»Wir zerstören nichts«<br />
Den Vorwurf, Naturzerstörer zu sein, wollen die<br />
vier Gesellschafter Elektrizitätswerk Hindelang eG,<br />
Wald- und Weidegenossenschaft Bad Oberdorf, Marktgemeinde<br />
Bad Hindelang und Galtalpe Erzberg nicht<br />
auf sich sitzen lassen. Sie kontern: »Bei der Konzeption<br />
für das Bürgerkraftwerk Älpele stand im Fokus, dass<br />
sich das Wasserkraftwerk gut in die Landschaft integriert<br />
und die Planungen unter Naturschutzgesichtspunkten<br />
bestmöglich optimiert werden. So wird folgendes<br />
berücksichtigt: eine sehr hohe Restwassermenge,<br />
die immer in der Ostrach verbleibt; erdverlegte Rohrleitungen<br />
und Stromkabel ein nicht einsehbares Krafthaus<br />
und eine ebensolche Wasserfassung. Umfangreiche<br />
Gutachten belegen, dass die Eingriffe in das Naturschutzgebiet<br />
und somit die Lebensraumverluste für Flora<br />
und Fauna bei gesamtheitlicher Betrachtung gering<br />
sind. Teilweise erfolgen die Eingriffe auch nur temporär<br />
in der Bauphase. Nach Abschluss der Bauarbeiten werden<br />
diese Flächen wieder naturnah gestaltet. Zur Kompensation<br />
des geringen Lebensraumverlustes sind Ausgleichsmaßnahmen<br />
geplant, die um den Faktor 3 höher<br />
sind als die Anforderungen gemäß Natura 2000. Nachhaltige<br />
Auswirkungen auf das Schutzgut Landschaft<br />
und Erholung ergeben sich nicht, somit ist der Tourismus<br />
nicht beeinträchtigt.«<br />
Kein Konflikt vorhanden<br />
Fotos: Wolfgang B. Kleiner, Gästeinfo xxxx, Edition <strong>ALLGÄU</strong><br />
Weiter teilen die Planer mit: »Die Ergebnisse der<br />
Planung und der umfangreichen Bewertungen des neuen<br />
Wasserkraftwerkes in Bad Hindelang zeigen deutlich,<br />
dass es keinen Widerspruch zwischen der sauberen,<br />
CO2-freien Stromerzeugung im Hintersteiner Tal<br />
und dem vorhandenen Naturschutzgebiet geben muss.<br />
Ganz im Gegenteil, beide wichtigen Ziele – Erhalt der<br />
Natur und regenerative Stromversorgung – können gemeinsam<br />
und erfolgreich umgesetzt werden. So kann<br />
mit der geplanten jährlichen Stromerzeugung des Bürgerkraftwerkes<br />
von ca. neun Millionen Kilowattstunden<br />
ein erheblicher CO2-Ausstoß in die Umwelt von ca.<br />
4500 Tonnen vermieden werden, Jahr für Jahr. Dabei<br />
darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es in unmittelbarer<br />
Nähe zu dem geplanten Bürgerkraftwerk<br />
bereits zwei Wasserkraftwerke gibt (eines aus dem Jahr<br />
1923), die eindrucksvoll diesen Einklang belegen.«<br />
Andere Ziele wichtiger<br />
Gegen den Bau des Kraftwerkes im Hintersteiner<br />
Tal haben Umweltorganisationen, Verbände und auch<br />
Privatpersonen an verschiedenen Stellen Klage eingereicht,<br />
um dieses Naturjuwel zu schützen und zu verhindern,<br />
dass ein Präzedenz-Fall geschaffen wird. »Unsere<br />
erste Priorität muss es sein, den Energieverbrauch<br />
in unserer Gesellschaft zu verringern, Modelle umzusetzen<br />
wie die 2000-Watt-Gesellschaft in der Schweiz«,<br />
so Katharina Conradin, Präsidentin der CIPRA. Dazu<br />
gehören auch ein Baustopp für neue Wasserkraftwerke<br />
und die Optimierung bestehender Anlagen. »Die Alpenflüsse<br />
sind nicht erneuerbar«, so Conradin.<br />
Bild oben: Im Bereich der<br />
Alpwiesen soll eine verbesserte<br />
Bachlandschaft geschaffen<br />
werden.<br />
Links: Die Ostrach windet sich<br />
im Hintersteiner Tal durch<br />
eine enge Klamm<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
49
Digitalisierung<br />
Bad Hindelang ist dabei<br />
Wettbewerb Zukunftsstadt – Vision 2030+<br />
Die Marktgemeinde Bad Hindelang hat beim bundesweiten Wettbewerb<br />
»Zukunftsstadt« mitgemacht. Der Wettbewerb soll zeigen, wie Bürger<br />
und Forschung schon heute dazu beitragen können, Orte nachhaltig<br />
und lebenswert zu gestalten. Obwohl Bad Hindelang keine Stadt ist, war<br />
die Bewerbung erfolgreich. Die Marktgemeinde ist eine von 52 geförderten<br />
Kommunen in Deutschland, davon sind nur fünf in Bayern.<br />
Bürgermeister<br />
Adalbert Martin: »Die<br />
Chance schnell nutzen!«<br />
Bürger, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und<br />
Verwaltung entwickeln gemeinsam Visionen<br />
für die Zukunft ihrer Kommunen und erproben<br />
diese vor Ort: Es geht um sichere Energie, klima -<br />
angepasstes Bauen, bezahlbares Wohnen, um Arbeiten,<br />
Freizeit, Kultur, Bildung, Mobilität und vieles mehr.<br />
Unterstützt wird die Gemeinde durch die an den Universitäten<br />
Augsburg und Bayreuth ansässige Projektgruppe<br />
Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT.<br />
Die Digitalisierung verändert spätestens seit Zeiten<br />
des Internets die Gesellschaft. Trends rund um<br />
Smartphones, Tablets und Apps begeistern längst nicht<br />
mehr nur junge Zielgruppen. Aufgrund vorangegangener<br />
Initiativen gibt es in Bad Hindelang bereits erfolgreiche<br />
Digitalisierungsprojekte wie beispielsweise<br />
eine »virtuelle Pistenabfahrt« oder die Gästekarte Bad<br />
Hindelang Plus, die unterschiedliche Freizeitangebote<br />
und den öffentlichen Nahverkehr miteinander vernetzt.<br />
»Im Zuge der erfolgreichen Projektbewerbung<br />
wollen wir nun die Chancen der Digitalisierung für<br />
unsere Marktgemeinde weiter nutzen und ausbauen«,<br />
so Bürgermeister Adalbert Martin. »Durch die Vernetzung<br />
unterschiedlicher Lebensbereiche können digitale<br />
Lösungen uns dabei unterstützen, die Herausforderungen<br />
unserer Zeit anzugehen. Beispielsweise<br />
kann ich mir gut vorstellen, dass wir durch innovative<br />
digitale Angebote ein Alleinstellungsmerkmal für unsere<br />
Gemeinde schaffen und spannende Gesundheitsund<br />
Freizeitangebote für unsere Bürger und Besucher<br />
anbieten können. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit<br />
mit der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik<br />
des Fraunhofer FIT, die uns schon während der Bewerbung<br />
kreativ unterstützt und nun zu diesem Erfolg<br />
verholfen hat.«<br />
50<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Anzeige<br />
Fotos: Wolfgang B. Kleiner, Dominik Ultes<br />
Bad Hindelang wurde im Wettbewerb »Zukunfts stadt«<br />
ausgewählt. In der Allgäuer Marktgemeinde gibt es bereits<br />
erfolgreiche Digitalisierungsprojekte. Unser Bild zeigt auf der<br />
linken Seite Benjamin Bichler und Andrea Kircher von Bad<br />
Hindelang Tourismus<br />
Neben Bad Hindelang entwickeln 51 weitere ausgewählte<br />
Städte, Gemeinden und Landkreise gemeinsam<br />
mit Bürgern, Wissenschaft, lokaler Politik, Wirtschaft<br />
und Verwaltung eine ganzheitliche und nachhaltige<br />
Vision 2030+ für ihre Kommune. In Bad Hindelang<br />
haben sich bereits Partner gemeldet: das Elektrizitätswerk<br />
Hindelang eG, der Tourismusbeirat Bad Hindelang<br />
und das Hotel Prinz-Luitpold-Bad. Weitere Projektpartner<br />
werden noch hinzugezogen. »Die Entwicklung<br />
einer digitalen Zukunftsvision für Bad Hindelang<br />
wird sich strikt an den Bedürfnissen und Wünschen der<br />
Bevölkerung orientieren«, so Prof. Dr. Gilbert Fridgen<br />
von der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik an der<br />
Universität Bayreuth. »Im Rahmen des Projektes werden<br />
wir daher viel Wert auf einen interaktiven Austausch<br />
mit den Bürgern legen. Dazu wird es neben einer<br />
Projektwebsite, mehreren Workshops und einer Bürgerbefragung<br />
auch einen Ideenwettbewerb geben, mit<br />
dem wir auf viele kreative Ideen aus der Bevölkerung<br />
hoffen. Wir freuen uns, Bad Hindelang bei der Durchführung<br />
des Projektes zu unterstützen.«<br />
Zukunftsstadt in drei Stufen<br />
Bundesweit konnten sich bis zum 27. März <strong>2015</strong> Städte,<br />
Gemeinden und Landkreise mit einem Konzept für die<br />
Ent wicklung einer nach hal tigen Vision 2030+ bewerben.<br />
52 Kommunen wurden jetzt von einer unabhängigen Ex -<br />
pertenjury aus 168 Bewerbungen ausgewählt Aus dem<br />
Allgäu ist nur Bad Hindelang dabei, sonst aus Bayern Graf -<br />
ing, Rottal/Inn, Er langen und Freyung. In der ersten<br />
Phase des Wettbe werbes während des Wissen schafts -<br />
jahres <strong>2015</strong> – Zukunftsstadt werden die Kom munen im<br />
Bürgerbeteiligungsprozess eine Vision mit dem Zeit hori -<br />
zont 2030+ für ihre Kommune entwickeln und Hand -<br />
lungs- be ziehungsweise Umsetzungsvorschläge erar bei -<br />
ten. 1,75 Millionen Euro stellt das BMBF dafür insgesamt<br />
bereit. In der zweiten Phase ab 2016 prüfen bis zu 20<br />
ausgewählte Kommunen diese Vorstellungen wissen -<br />
schaftl ich und erarbeiten ein umsetzungsreifes Konzept.<br />
In der dritten Phase ab 2018 werden bis zu acht ausge -<br />
wählte Kom mun en erste innovative Ideen in sogenann ten<br />
»Rea llaboren« in die Praxis umsetzen. Der Wett be werb<br />
»Zukunftsstadt« startet im Rah men des Wissen -<br />
schaftsjahres <strong>2015</strong> – Zu kunftsstadt, einer gemeinsamen<br />
Ini tiative des Bundes mini s teriums für Bildung und For -<br />
schung (BMBF) mit Wissenschaft im Dialog (WiD).<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
51
Erdwärme<br />
Fotos und Grafik: Bundesverband Wärmepumpe<br />
Der Staat heizt mit<br />
Investitionszuschüsse für Erdwärmepumpe<br />
Die populäre Idee eines Steuerbonus für Dämmer und Heizungssanierer ist<br />
gescheitert, gleichwohl muss die Energiewende endlich auch im Wärmemarkt<br />
ankommen. Von vielen unbemerkt hat die Bundesregierung im Schatten der<br />
Steuerdebatte mit der Novellierung des Marktanreizprogramms (MAP) ein<br />
großzügiges Förderprogramm für regenerative Heizungen aufgelegt.<br />
Generationenübergreifende<br />
Energiequelle: Eine Erdsonde<br />
hat eine Lebensdauer von über<br />
Qualität ist oberstes Gebot:<br />
Um Fördergelder zu erhalten,<br />
benötigen die Bohrunterneh men<br />
eine spezielle Qualifikation.<br />
Unten: Die schematische<br />
Darstellung des Erdwärme -<br />
kreislaufs<br />
Wer seine Heizung auf regenerative Energien<br />
umstellt, erhält seit dem 1. April<br />
deutlich höhere Investitionszuschüsse<br />
vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle<br />
(BAFA). Erneuerbare Heizungsanlagen wie Pellets, Solarthermie<br />
und Wärmepumpen sollen in den Fokus<br />
der Sanierer rücken. Eine effiziente Erdwärmepumpe,<br />
die vom ausgewiesenen Fachmann installiert wurde,<br />
wird mit 4500 Euro Investitionszuschuss gefördert,<br />
Luftwärmepumpen erhalten bis zu 1500 Euro. Diese<br />
Basisförderung kann zusätzlich mit diversen Varianten<br />
kombiniert werden, beispielsweise mit dem Kombinationsbonus<br />
bei gleichzeitiger Errichtung einer weiteren<br />
regenerativen Heizung (+500 Euro) oder dem<br />
Lastmanagement-Bonus mit SG Ready Label (+500<br />
Euro). Für Optimierungsmaßnahmen wie einem<br />
Heizkörpertausch bekommen Sanierer nochmals 2250<br />
Euro extra. Schlussendlich kann der tatkräftige Sanierer<br />
bis zu 9500 Euro erhalten.<br />
Auch für den Neubau<br />
Sogar im Neubau können Wärmepumpen, Solarthermie<br />
und Pellets gefördert werden mit dem sogenannten<br />
Innovationsbonus. Denn auch hier dominieren<br />
nach wie vor die fossilen Heizungen. Das Förderprogramm<br />
verfolgt dabei die Maxime »Qualität vor<br />
Schnellschuss«. So müssen Bohrunternehmen über<br />
eine spezielle Zertifizierung verfügen und eine verschuldensunabhängige<br />
Versicherung für eventuelle<br />
Schäden abschließen. Auch der von Energieexperten<br />
empfohlene Heizungscheck nach dem ersten Betriebsjahr<br />
wird gefördert.<br />
52 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Industrie 4.0<br />
Aus Gliedern wird eine Kette<br />
Chancen und Risiken digitaler Vernetzung<br />
Was heißt Industrie 4.0? Wie unterscheidet sich diese Weiterentwicklung vorheriger Entwicklungsschritte<br />
in der industriellen Produktion? Vereinfacht gesagt: Maschinen und Produktionsanlagen werden durch<br />
moderne Informationstechnik (IT) verbunden. Die Verknüpfung bietet ein erhebliches Potenzial, um Arbeitsabläufe<br />
zu verschlanken und flexible Strukturen zu schaffen. Auch bei Bosch in Immenstadt und Blaichach<br />
und in größeren Allgäuer Maschinenbau-Unternehmen hat Industrie 4.0 längst Einzug gehalten.<br />
Im Bereich der Montage werden die Arbeitstätigkeiten<br />
je nach Montagefortschritt visualisiert –<br />
große Kontroll-Einrichtungen (Andon-Boards)<br />
zeigen schematisch den Grad des Fortschritts. Dies<br />
hilft den Mitarbeitern, mehr Disziplin bis hin zu<br />
selbststeuernden Regelkreisen zu entwickeln. Die Digitalisierung<br />
und Integration von Checklisten in den<br />
Montageprozess bringt einen Anstieg an Qualität und<br />
das Ausweiten von Standards mit sich. Nicht mehr der<br />
einzelne Mitarbeiter und »seine« Maschine, seine<br />
Drehbank oder sein Produktionsautomat stellen eine<br />
Einheit dar, sondern ganze Fertigungs-Stränge. Es ergibt<br />
sich eine komplette Produktionsüberwachung<br />
über die gesamte Wertschöpfungskette.<br />
Zurück zur Werkbank<br />
Die Schlagwörter heißen: Digitale Visualisierung<br />
und »Shopfloor-Management«. Sie sollen nachhaltigen<br />
Erfolg schaffen. In den letzten Jahren haben sich<br />
die Führungskräfte nicht selten zu weit von der Werkbank<br />
in Richtung Schreibtisch bewegt. Statt um Verwaltung<br />
und Bürokratie sollen sich die Facharbeiter<br />
und ihre Meister und Ingenieure wieder verstärkt um<br />
die Produktion kümmern.<br />
Am Info-Punkt (BDE-Terminal) werden verschiedene<br />
Prozesse bereits vom Mitarbeiter aktiv eingegeben.<br />
Er erhält an diesem Info-Punkt sofort Rückmeldungen:<br />
System läuft, die Produkte sind qualitativ perfekt, Stückzahlen<br />
werden eingehalten, die Vorgänge greifen ineinander.<br />
Es ist noch gar nicht so lange her, dass zwischen<br />
den Maschinen Auffangbehälter standen, weil ein Teil<br />
der Fertigungskette zu schnell lief – Überproduktion<br />
musste gepuffert werden. An anderer Stelle ging ein<br />
Werkzeug kaputt. Die Maschine fiel aus, die nächsten<br />
Fertigungsschritte mussten gestoppt werden.<br />
Der Monitor zeigt alles<br />
Bei Industrie 4.0 sorgt die Vernetzung für den<br />
synchronen Lauf der Produktion. Auf den Monitoren<br />
werden in Echtzeit Daten übertragen, somit findet<br />
auch eine aktuelle Störungsmeldung statt. Die Daten<br />
erscheinen und werden verständlich visualisiert. Es<br />
entsteht ein realistisches Abbild der Produktionssysteme<br />
auf dem Monitor.<br />
Mithilfe der Ausweitung auf weitere Bereiche des<br />
Betriebes sollen Kapazitätsengpässe direkt den folgenden<br />
Abteilungen gemeldet werden. Ziel ist es, von der<br />
Zulieferung bis zum fertigen Produkt, ja sogar bis zum<br />
Foto oben: Industrie 4.0 ist<br />
ein Schwerpunkt der Deutschen<br />
Messe in Hanover<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
53
Industrie 4.0<br />
Die »Helfer« im<br />
Produktionsablauf<br />
werden immer präziser<br />
Verkauf und zum Marketing für das Produkt eine geschlossene<br />
IT-Kette zu bilden. Sprach man bisher von<br />
Just-in-time-Logistik, um die manuelle Lagerhaltung<br />
möglichst gering zu halten, geht man bei Industrie 4.0<br />
davon aus, dass von der Zulieferung über die internen<br />
Produktionsstränge bis zur Auslieferung keine Reibungspunkte<br />
mehr zu verzeichnen sind.<br />
Eine flexible und echtzeitnahe Produktionsplanung<br />
wird zunehmend auf die Marktnachfrage automatisch<br />
reagieren, Simulationen über die<br />
gesamte Wertschöpfungskette bilden und<br />
daraus die Ableitung von Kapazitäten darstellen.<br />
Dies fordert eine zunehmend<br />
strengere Kommunikation und bringt<br />
zahlreiche Berücksichtigungen von Abhängigkeiten<br />
und Wechselwirkungen im System mit sich. Die<br />
Leitmesse für Automation, Produktionsprozesse und<br />
Industrie 4.0 ist die Deutsche Messe in Hannover.<br />
Dort werden die neuesten Entwicklungen gezeigt und<br />
verkauft.<br />
Die grünen Teile passen<br />
Industrie 4.0 geht aber auch an einem einzelnen<br />
Arbeitsplatz, wenn es keine Produktionsketten gibt, sondern<br />
nur einen Montage-Mitarbeiter und ein Produkt,<br />
das er vollständig alleine herstellt bzw. aus technischen<br />
Gründen bewusst nicht in den Produktionskreislauf<br />
einbezogen ist. Jeder, der in einer Fabrikhalle arbeitet,<br />
kennt das Problem: Ein Werker hat verschiedene in<br />
Kisten gelagerte Werkstücke vor sich und setzt diese von<br />
Hand zusammen. Dabei kann es schnell passieren, dass<br />
er den Überblick verliert und das Produkt fehlerhaft<br />
montiert. Um hier entgegenzuwirken, hat die Firma<br />
Schnaithmann aus dem schwäbischen Remshalden ein<br />
neuartiges Montageassistenzsystem mit Visualisierungsfunktion<br />
entwickelt. Ein Pick-by-light-System zeigt dem<br />
Werker mit grünem Licht an, welches Bauteil als nächs -<br />
tes montiert werden muss. Die Kisten, in die er nicht<br />
greifen darf, werden rot angeleuchtet. Das Put-to-light-<br />
System zeigt dem Monteur die Verbauposition an. Eine<br />
räumliche Bauteilerkennung überprüft, ob das Werkstück<br />
richtig verbaut wurde. Parallel zum Montageprozess<br />
werden In-situ-Projektionen auf der Arbeitsfläche<br />
abgebildet, die mit Videos eine weitere Hilfestellung zur<br />
richtigen Montage bieten. Die Produktion verläuft effizienter<br />
und ist weniger fehleranfällig. Besonders geeignet<br />
ist dieses System zum Beispiel für Behindertenwerkstätten,<br />
die mit der Anwendung verschiedene Produkte<br />
gleichzeitig herstellen können.<br />
Industrie 4.0 ersetzt Menschen?<br />
Industrie 4.0 wird sehr schnell vor allem die Arbeitsplätze<br />
in den größeren technischen Betrieben verändern.<br />
Autohersteller, Maschinenbauer, Montagewerke<br />
und IT-Betriebe werden die ersten sein, die von Industrie<br />
4.0 erfasst werden. Die Anfänge laufen schon<br />
erfolgreich. Wie bei vielen anderen »Vorgänger-Ent-<br />
Excellence + Innovation = Zukunft<br />
Bosch gewinnt Wettbewerb »Land der Ideen«<br />
Das Bosch-Werk in Immenstadt/Blaichach ist mit über 3000 Mitarbeitern der größte indus -<br />
trielle Arbeitgeber im Allgäu und fertigt elektronische Bremssysteme (ABS und ESP ® ), Ein spritz -<br />
komponenten, Turbolader und Sensoren für die Antriebstechnik. Die Allgäuer Boschler sind mit allen<br />
anderen acht Schwesterwerken (bald sollen es elf sein) weltweit vernetzt. 75 Produktions -<br />
maschinen sind bereits miteinander vernetzt. Die Kontrolle übernehmen Mitarbeiter mit Tablet-<br />
Rechnern, oder sie informieren sich über die großen Bildschirme, die in der Halle installiert sind.<br />
Innerhalb des Konzerns sind die beiden Standorte Blaichach und Immenstadt in Sachen In dus trie<br />
4.0 die Leitbetriebe. Die Werkleitung will mit Excellence und Innovation in die Zukunft gehen.<br />
Im Bereich Excellence will Bosch Geschichte schreiben und wesentlich daran beteiligt sein, ein<br />
Produktionswerk der Zukunft zu entwickeln. Voraussetzungen für ein zukunftsfähiges Werk sind<br />
schlanke Prozesse in allen Bereichen. Innovationen entstehen in einem Umfeld der Offenheit und<br />
der Bereitschaft, Neues auszuprobieren. In der Bosch-Ideenschmiede haben Ideenträger die<br />
Möglichkeit, mit breitem Technologieportfolio völlig neue Ansätze zu entwickeln. Wenn Rah men -<br />
bedingungen stimmen und internationales Know-how an einem Ort gebündelt wird, will Bosch<br />
mit der ISEC-Organisation (International Simultaneous Engineering Organization) den Grund stein<br />
für den Markterfolg neuer Produkte legen.<br />
Zukunft schafft das Management bei Bosch, indem möglichst alle Mitarbeiter am gleichen<br />
Strang ziehen. Wichtig dabei: Mut, Offenheit, Verlässlichkeit und Wertschätzung. Die Bosch -<br />
werke in Immenstadt und Blaichach wurden damit Sieger beim Wettbewerb »Deutsch land -<br />
Land der Ideen«<br />
Fotos: Steve Juvertson, Deutsche Messe
wicklungen« ist diese Evolution nicht aufzuhalten. Und<br />
wie bei vielen Modernisierungsschritten davor gibt es<br />
Zweifel an der Weiterentwicklung der Produktion.<br />
Kritiker sprechen davon, dass der Trend zur Digitalisierung<br />
der Arbeitsplätze die Mitarbeiter wieder<br />
zu »Leibeigenen« der Maschinenbesitzer macht. Unbestritten<br />
ist, dass in geschlossenen digitalisierten<br />
Kreisläufen bei Weitem nicht mehr so viele Werker gebraucht<br />
werden wie in den Prozessen vor Industrie 4.0.<br />
Der Havard-Ökonom Richard Freeman aus New<br />
York glaubt, die Lösung gefunden zu haben, wie Mitarbeiter<br />
und die Firmen »zusammenkommen« können.<br />
Damit auch die Arbeitnehmer von den neuesten<br />
Technologien in den Betrieben profitieren können,<br />
müssten sie deren Miteigentümer werden. Ansonsten<br />
drohen diese Technologien nicht nur einfache Arbeitsplätze<br />
durch Roboter zu ersetzen, sondern auch hochqualifizierte<br />
Mitarbeiter. Bei einer Beteiligung der Mitarbeiter<br />
wächst die Akzeptanz für den Einsatz der Roboter<br />
und die geschlossenen IT-Produktionsketten.<br />
Mensch und Maschine würden sich ergänzen. Davon<br />
würden auch die Unternehmen profitieren, davon ist<br />
Freeman überzeugt.<br />
Schon die nahe Zukunft wird zeigen, ob er damit<br />
recht hat oder ob Industrie 4.0 umgetauft werden<br />
muss in die 4. Industrierevolution.<br />
Wieso Industrie 4.0?<br />
Die erste industrielle Revolution brachte die<br />
Nutzung der Wasserkraft und danach die<br />
Dampfmaschine.<br />
Die zweite industrielle Revolution leitete<br />
Henry Ford ein. Die Massenfertigung am<br />
Fließband wurde eingeführt, und die<br />
elektrische Energie hielt Einzug.<br />
Blick in die Messehalle der<br />
Deutschen Messe in Hannover<br />
Die dritte industrielle Revolution wurde<br />
durch den Einsatz der digitalen Medien<br />
eingeleitet. Die Elektronik brachte weitere<br />
Automatisierung in der Produktion.<br />
In der vierten industriellen Revolution<br />
entsteht die »intelligente Fabrik«. Ihr Ziel:<br />
Vernetzung der Medien, Integration der<br />
Kundenbedürfnisse in die Vorstufe und die<br />
Produktionsprozesse.<br />
Wenige Menschen und viele<br />
Roboter in der Automation:<br />
Industrie 4.0 im Einsatz bei<br />
Tesla in den USA
Windkraft<br />
Grünes Licht für Windräder<br />
Bund Naturschutz: 122 Anlagen möglich<br />
So konsequent wie der Bund Naturschutz<br />
in Schwaben neue Wasserkraftwerke ablehnt,<br />
so vehement fordert er den Ausbau<br />
der Windenergie. In der Planungsregion<br />
Donau Iller, zu der neben den Landkreisen<br />
Neu-Ulm und Günzburg auch das<br />
Unterallgäu gehört, wurden 23 Vorrang-<br />
Ge biete untersucht. Der Bund Naturschutz<br />
hat davon 16 positiv bewertet.<br />
Zwischen 78 und 122 neue Windräder<br />
könnten darauf gebaut werden.<br />
Thomas Frey, der Regionalreferent des Bund<br />
Naturschutz in Schwaben, fordert: »Die fundierte<br />
Arbeit des Regionalverbandes würde<br />
eine für Mensch und Natur verträgliche Nutzung der<br />
Windenergie in der Region Donau-Iller ermöglichen.<br />
Die Bundesregierung und der bayerische Ministerpräsident<br />
Horst Seehofer sollen die politischen Rahmenbedingungen<br />
so setzen, dass diese gute Planung<br />
umgesetzt werden kann. Die 10H-Regelung von Seehofer<br />
hebelt die Planung derzeit komplett aus.«<br />
In seiner Stellungnahme an den regionalen Planungsverband<br />
Donau-Iller ließ der Bund Naturschutz<br />
die sogenannte »10H-Regel« außer Acht, die bedeutet,<br />
dass die nächste Siedlung von einem 150 Meter hohen<br />
Windrad mindestens 1500 Meter entfernt sein muss.<br />
Nur drei Vorranggebiete wurden vom Bund Naturschutz<br />
abgelehnt. Die Bewertung wurde nach vier<br />
Hauptfaktoren durchgeführt: 1. ökologische Energieerzeugung<br />
und Klimaschutz, 2. Natur- und Artenschutz,<br />
3. Schutz des Landschaftsbildes und 4. Immissionsschutz.<br />
Der Schutz des Rotmilans und des Schwarzstorches<br />
steht beim Bund Naturschutz im Vordergrund.<br />
Aber nur bei drei vorgesehenen Standorten war dieser<br />
Schutzfaktor so gravierend, dass eine Ablehnung ausgesprochen<br />
wurde. Bei vier weiteren Standorten sind<br />
noch weitere Nachforschungen erforderlich. 16 Vorranggebiete<br />
fanden die Zustimmung des Bundes. Allerdings<br />
sind an der einen oder anderen Stelle Ausgleichsmaßnahmen<br />
nötig. Beispielsweise Wiederherstellung<br />
von Grünlandflächen und Kleegrasflächen<br />
weit ab von Windrädern, die als Lebensraum vom<br />
Rotmilan bevorzugt werden. So würde der Greifvogel<br />
von den gefährlichen Windrad-Flügeln ferngehalten.<br />
56 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Im Unterallgäu könnten sich deutlich mehr Windkraft -<br />
anlagen drehen, ginge es nach dem Bund Naturschutz<br />
Neun der 23 Prüfflächen in der Planungsregion<br />
Donau-Iller liegen im Landkreis Unterallgäu. Fünf<br />
Flächen sind nach Meinung des Bund Naturschutz<br />
ohne Einschränkung für 18 bis 30 Windkraftwerke<br />
nutzbar. Drei sollten noch eingehender untersucht<br />
werden, eine Fläche wurde negativ bewertet.<br />
Fotos: Archiv allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
Die Bewertung der<br />
Vorranggebiete im Einzelnen<br />
Kirchhaslach-Waltenhausen: Windräder<br />
möglich. Die schnelle Aufforstung der<br />
Rodungs flächen minimiert die Konflikte mit<br />
dem Rot milan.<br />
Breitenbrunn: Windräder möglich. Aufgrund<br />
der Rotmilan-Vorkommen sollte der Wald -<br />
rand nicht mit Windrädern bestückt werden.<br />
Das Gebiet könnte deshalb nach Osten hin<br />
erweitert werden.<br />
Arlesried: Windräder uneingeschränkt mög -<br />
lich.<br />
Tussenhausen-Mattsies: Windräder<br />
möglich. Die Rodungsflächen sollten schnell<br />
wieder aufgeforstet werden.<br />
Stadtwald Mindelheim: Windräder möglich.<br />
Auch hier wird schnelle Aufforstung<br />
erwartet.<br />
Holzerwald Markt Rettenbach: Windräder<br />
möglich – Abstand zum FFH-Gebiet ist nach<br />
Meinung der Fachleute ausreichend.<br />
Dirlewang Rosskopf: Keine Windräder mög -<br />
lich. Landschaftsbild würde leiden, es sind<br />
biotopkartierte Waldbereiche vorhanden. Im<br />
Suchraum findet man reich strukturierte,<br />
teilweise sehr alte Laubgehölze, die land -<br />
schafts prägend sind.<br />
Amberg/Wertach: Weitere Prüfung er for -<br />
derlich. Hohe Rotmilan-Dichte und Jagd -<br />
gebiet des schützenswerten Vogels.<br />
Babenhausen-Allmannshorn: Reduzierung<br />
des Vorranggebietes. Waldrand sollte frei<br />
bleiben. Beengende Wirkung auf den Ort<br />
Unterschön egg.<br />
Der Bund Naturschutz empfiehlt dem<br />
Planungs verband Donau-Iller, das<br />
bestehende Vorranggebiet Ollazried in den<br />
neuen Regionalplan zu übernehmen.<br />
In der zweiten Allgäuer Planungsregion 17, die<br />
die Landkreise Oberallgäu, Westallgäu und<br />
Ostallgäu umfasst, besteht seit See hofers<br />
10H-Regelung in der Untersuchung der Vor -<br />
ranggebiete Stillstand, so der Planung s ver -<br />
bands-Vorsitzende Stefan Bosse. Lediglich im<br />
Bereich des Lechs sind derzeit Windräder<br />
denk bar. Das Flugfunkfeuer Kempten – das<br />
angeblich im Umkreis von 15 Kilometern<br />
keine Windräder verträgt – hat sämtliche<br />
Unter suchungen der Vorranggebiete auf Eis<br />
gelegt. Allerdings wurde die Bannmeile rund<br />
um die Flugfunkfeuer in anderen<br />
Bundesländern be reits gekippt. Beim<br />
Planungsverband wartet man ab, wie die<br />
Klagen einiger Anlieger aus gehen.<br />
Anzeige<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
57
Windkraft<br />
40 Windkraftanlagen im<br />
Wind park Borkum sind bereits<br />
gebaut<br />
Bergfest auf hoher See<br />
Windpark Borkum mit AÜW-Beteiligung<br />
»Mit der Beteiligung am Trianel Windpark Borkum setzen die Allgäuer Überlandwerke (AÜW)<br />
einmal mehr auf erneuerbare Energien und investieren in eine ökologisch verträgliche<br />
Energiezukunft« heißt es in einer Pressemitteilung derAÜW. Über die Hälfte der Anlagen<br />
des Trianel Windparks Borkum rund 45 Kilometer vor der gleichnamigen Nordseeinsel sind<br />
am Netz. Er gilt als erster rein kommunaler Windpark in Europa.<br />
Diese Karte zeigt die Lage des<br />
Windparks in der Nordsee und<br />
seine Anbindung an die<br />
Umspannwerke an der Küste<br />
Rund 45 Kilometer von der Küste der Insel<br />
Borkum entfernt wird der Windpark derzeit<br />
auf einer Fläche von 56 Quadratkilometern<br />
errichtet. 80 Windkraftanlagen – Windräder Areva<br />
Wind M5000 – werden dafür in zwei Bauabschnitten<br />
von je 40 Anlagen im Meeresboden verankert. Der<br />
erste Bauabschnitt ist abgeschlossen. Die Wassertiefe<br />
Fotos: AÜW und Trianel<br />
in diesem Areal beträgt zwischen 28 und 33 Meter.<br />
Der Windenergieanlagen-Hersteller bietet mit dem<br />
M5000 das weltweit erste Windrad der Fünf-Megawatt-Klasse,<br />
das ausschließlich für den Offshore-Einsatz<br />
entwickelt wurde.<br />
Ein kurzer Blick in die Beteiligungen: Trianel<br />
wurde 1999 als Gemeinschaftsunternehmen von Stadtwerken,<br />
kommunalen und regionalen Versorgungsunternehmen<br />
gegründet, um eine gemeinsame Beschaffung<br />
auf den liberalisierten deutschen und europäischen<br />
Energiemärkten zu organisieren und Synergien<br />
zu erschließen. Der Sitz von Trianel ist in Aachen. Die<br />
fünf größten Eigentümer der Gesellschaft sind die<br />
Ewmr – Energie- und Wasserversorgung Mittleres<br />
Ruhrgebiet GmbH (24,69 Prozent Beteiligung), die<br />
Stadtwerke Aachen AG (11,97), RhönEnergie Fulda<br />
GmbH (7,50), Stadtwerke Bonn GmbH (5,85), Stadtwerke<br />
Lübeck Holding GmbH (5,16). Insgesamt sind<br />
54 Unternehmen an der Trianel GmbH beteiligt.<br />
Die Allgäuer Überlandwerke sind mit 1,74 Prozent<br />
Beteiligung der zwölftgrößte unter den 54 Partnern.<br />
Auch die Stadtwerke Lindau (0,97 Prozent) befinden<br />
sich in der Liste der Teilhaber (Stand Februar<br />
2014). Ein Part der Gesellschaft ist die Trianel Windkraftwerk<br />
Borkum GmbH & Co. KG, die federführend<br />
den Windpark vor Borkum verwirklicht. An ihr sind<br />
wiederum insgesamt 33 Stadtwerke und regionale
Energieversorger als Gesellschafter an dem bislang<br />
größten Windpark in der deutschen Nordsee beteiligt.<br />
Der Anteil des AÜW an dieser Gesellschaft beträgt 2,2<br />
Prozent. Damit ist der Trianel Windpark Borkum auch<br />
der erste kommunale Offshore-Windpark Europas<br />
und unabhängig von den großen Energiekonzernen.<br />
»Die Netzanbindung läuft stabil, und auch der<br />
Frühjahrssturm Niklas hat keine Schäden verursacht«,<br />
berichtet Klaus Horstick, Geschäftsführer des Trianel<br />
Windkraftwerks. Seit Februar <strong>2015</strong> liefert der Windpark<br />
Strom.<br />
Bei der Inbetriebnahme der einzelnen Anlagen<br />
ist das Wetter ein wichtiger Faktor und entscheidet<br />
darüber, ob die Techniker auf See arbeiten können.<br />
»Bei relativ ruhigem Seewetter mit Wellenhöhen von<br />
unter 1,50 Metern können die Techniker gut arbeiten.<br />
Bei niedrigem Wellengang werden laufend neue Anlagen<br />
ans Netz genommen«, erklärt Horstick.<br />
Da bei den ersten Anlagen bereits die vorgeschriebene<br />
»500-Stunden-Wartung« im Gang ist, sind<br />
nicht alle Anlagen am Netz. Bei der »500-Stunden-<br />
Wartung« wird die Anlage stillgelegt und vollständig<br />
überprüft. Die Prüfungen umfassen beispielsweise die<br />
Rotorarretierung, die Rotorbremsbeläge, das Getriebe,<br />
die Hydraulik des Gondelkranes und alle weiteren Anlagenteile.<br />
Jede Schraube wird hierbei angefasst und<br />
nachgezogen. Insgesamt befinden sich über 110 Wartungspositionen<br />
im Wartungshandbuch.<br />
Im Internetauftritt wirbt die Windkraft Borkum:<br />
»Gemeinsam wollen wir umweltfreundlichen Strom<br />
aus Windkraft erzeugen. Dadurch leisten wir einen<br />
wichtigen Beitrag zum Ausbau der Energie-Erzeugung<br />
aus erneuerbaren Energien und fördern den Wettbewerb.<br />
Mit Ökostrom aus dem eigenen Kraftwerk werden<br />
wir unabhängiger von den vier großen Energiekonzernen<br />
und können unseren Kunden klimafreundlichen<br />
Strom zu fairen Preisen anbieten.« Das<br />
ist auch das Ziel der AÜW.<br />
Eine von 40 Anlagen in der<br />
Nordsee trägt das Logo der<br />
Allgäuer Überlandwerke<br />
Anzeigen<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
59
Mächler und Pioniere<br />
Im elektrischen Loch<br />
Wie das Licht nach Scheidegg kam<br />
In Scheidegg stand eines der ersten Elektrizitätswerke in Bayern. Das ist ein<br />
sehr frühes Beispiel für die beginnende Energieversorgung in Bayern durch<br />
Wasserkraft, vorangetrieben von der Idee eines einzigen Mannes. Wie alle<br />
Pioniere wurde Lorenz Rädler mit seiner Kraftwerks-Idee aber erst einmal<br />
skeptisch bis ablehnend behandelt.<br />
Foto unten: die Scheidegger<br />
Wasserfälle, heute ein Natur -<br />
denkmal und zu Zeiten von<br />
Lorenz Rädler eine Energie -<br />
quelle (Foto daneben)<br />
Wenn man am Rickenbach und am Hammerbach<br />
entlanggeht, findet man immer<br />
wieder Mauerreste von ehemaligen<br />
Mühlen und Sägewerken. Die Wasserkraft wurde hier<br />
jahrhundertelang genutzt. Bis vor über 100 Jahren<br />
reihten sich zahlreiche Mühlen und Sägen entlang des<br />
Ufers. Zu einer Zeit, als man die Wasserkraft nur direkt<br />
durch Wasserräder vor Ort nutzen konnte, waren<br />
hier viele Handwerker angesiedelt. Oberhalb liegt die<br />
Gretenmühle; der Mahlstein, der bei den Scheidegger<br />
Wasserfällen zu sehen ist, stammt von der Fürstenmühle;<br />
es gab eine Seilerei, eine Schmiede, eine Knochenstampfmühle,<br />
eine Säge am Rickenbach und eine<br />
in Bieslings. Als es möglich wurde, die Energie des<br />
Wassers in Elektrizität umzuwandeln und über weite<br />
Strecken zu transportieren, wanderten die Gewerbe in
Foto:: Archiv allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> und Gemeindearchiv Scheidegg<br />
die nahegelegenen Ortschaften ab. Auch die Industrie<br />
konnte sich rascher weiterentwickeln. Die Mühlen<br />
wurden verlassen, verfielen, brannten ab oder wurden<br />
vom Hochwasser mitgerissen.<br />
Lorenz Rädler (1833-1904) war ein Pionier für<br />
die Umsetzung der Wasserkraft in elektrischen Strom.<br />
Auf der Weltausstellung in Frankfurt, die er 1891 besuchte,<br />
hatte er die Möglichkeiten des elektrischen<br />
Stromes kennengelernt. Dort holte er sich die Idee, am<br />
Rickenbach nahe seinem Heimatort Lindenberg ein<br />
Elektrizitätswerk zu errichten. Lorenz Rädler erwarb<br />
das Anwesen Fürstenmühle bei den Scheidegger Wasserfällen,<br />
wo bis dahin eine Seilerei, eine Knochenstampfmühle<br />
und eine Schleifmühle von einem Wasserrad<br />
angetrieben wurden. Gegen große Ängste und<br />
Widerstände seiner Zeitgenossen nutzte er schon seit<br />
1893 den Strom, den er hier gewann, für die elektrische<br />
Straßenbeleuchtung von Scheidegg und Lindenberg.<br />
Am 25. August 1893 wurde das Wasserkraftwerk<br />
in Betrieb genommen. Elektrisches Licht erleuchtete<br />
erstmals im Hause des Lorenz Rädler in Lindenberg<br />
in der Hauptstraße 72 und in den Gasthäusern Zum<br />
Hirschen und Zum Löwen. Ab September 1893 wurden<br />
die Straßen Scheideggs mit sieben Lampen beleuchtet.<br />
Teile der Bevölkerung hatten Angst vor dem<br />
Strom und seinen Leitungen. Es gab strenge Auflagen<br />
für die Überlandleitungen, zum Beispiel beim Überführen<br />
über Straßen. Jeder Standort der Strommasten<br />
musste von einem Vertreter des königlichen Bauamtes<br />
überprüft und bewilligt werden.<br />
Diese Pioniertat von Lorenz Rädler im Allgäu ist<br />
nicht zu unterschätzen, besonders, weil der Strom einschneidende<br />
Änderungen der handwerklichen und<br />
industriellen Struktur mit sich brachte. Die ersten<br />
stromerzeugenden Wasserkraftwerke waren meist<br />
Selbstversorgeranlagen. Es waren Fabriken oder Gewerbeunternehmen,<br />
die ihre bestehenden mechanischen<br />
Anlagen nun mit indirektem Antrieb versahen.<br />
Aber die Folge war, dass die produzierenden Unternehmen<br />
seit jener Zeit nicht mehr ortsgebunden an<br />
den Wasserläufen angesiedelt werden mussten, sondern<br />
in die Städte abwandern konnten, da der Strom<br />
ja dorthin transportiert werden konnte. Die Elektrizität<br />
machte auch unabhängig vom Wechsel der Jahreszeiten<br />
und vom Lauf der Sonne.<br />
Was hatte Lorenz Rädler in Frankfurt gesehen?<br />
Was hatte ihn so fasziniert? Ein zeitgenössischer Bericht<br />
macht es deutlich: »Die elektrische Fernleitung<br />
und Verteilung des elektrischen Stroms wurde auf dieser<br />
Ausstellung (Frankfurter Elektrizitätsausstellung<br />
von 1891) in einer Vollkommenheit vorgeführt, wie sie<br />
früher nur in das Reich der frommen Wünsche gehörte,<br />
und neue Systeme des elektrischen Stromes, wie sie<br />
früher nicht geahnt werden konnten, zeigten sich in ihrer<br />
nützlichen Verwendung. Ferner wurden die Elektrizität<br />
erzeugenden Maschinen in einer Größe vorgeführt,<br />
wie sie auf früheren Ausstellungen noch nicht<br />
gesehen worden waren und durch welche ermöglicht<br />
wird, große Städte und weit umgrenzte Bezirke von einer<br />
Zentralstation aus zu beleuchten und durch den<br />
elektrischen Strom mit Betriebskraft zu versehen.«<br />
Eines der ältesten Wasser kraft -<br />
werke in Österrreich: Das<br />
E-Werk von Friedrich Wilhelm<br />
Schindler in Andelsbuch produ -<br />
ziert noch heute Strom<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
61
Mächler und Pioniere<br />
Der Wasserspeicher des Kraftwerks Andelsbuch<br />
Lorenz Rädler<br />
Friedrich Wilhelm Schindler<br />
Strom heute:<br />
VKW und Illwerke<br />
Die VKW ist ein Unternehmen von illwerke<br />
vkw. Die Unternehmen Vorarlberger Illwerke<br />
AG und Vorarlberger Kraftwerke AG sind seit<br />
Anfang 2001 gesellschaftsrechtlich verbun -<br />
den. Durch Einbringung der ursprünglich vom<br />
Land Vorarlberg gehaltenen Aktienanteile an<br />
der VKW in die Illwerke sind die Illwerke nun -<br />
mehr zu rund 98,05 Prozent am Grundkapi -<br />
tal der VKW beteiligt, die restlichen rund zwei<br />
Prozent befinden sich im Streubesitz. Die Zentrale<br />
Bregenz befindet sich in der Wei dach -<br />
straße in Bregenz. Wichtige Organisa -<br />
tionseinheiten sowie die Vorarlberger Ener -<br />
Kaum aus Frankfurt zurückgekehrt, machte sich<br />
Rädler ans Werk. Am Rickenbach entstand sein Wasserkraftwerk.<br />
In Scheidegg und Lindenberg gab es<br />
Stromabnehmer, besonders in der Lindenberger<br />
Indus trie. Die anfangs eingebaute Gleichstrom-Dynamomaschine<br />
musste bald gegen einen Wechselstromgenerator<br />
ausgetauscht werden. Für diesen lieferte der<br />
Rickenbach aber zu wenig Wasser. Deshalb wurde<br />
1898 eine Lokomobile (Dampfmaschine, die zusätzlich<br />
Strom erzeugt) zugeschaltet. Auf alten Bildern<br />
sieht man daher immer einen hohen Kamin im Hintergrund<br />
des Kraftwerkes. Diese 300 Zentner schwere<br />
Dampfmaschine wurde schon vier Jahre später (1902)<br />
in das neu errichtete Elektrizitätsgebäude in der Prinz-<br />
Ludwig-Straße in Lindenberg gebracht (dieses Gebäude<br />
wurde 1985 abgerissen).<br />
Kurz nach der Jahrhundertwende wurde in Andelsbuch<br />
in Vorarlberg ein großes Wasserkraftwerk<br />
geplant. Die Firma Jenny und Schindler, die Vorgängerfirma<br />
der Vorarlberger Kraftwerke (VKW), kaufte<br />
auf der Suche nach Kunden kleinere Kraftwerke auf.<br />
So auch nach längeren Verhandlungen in Scheidegg<br />
das Wasserkraftwerk Rädler. Lorenz Rädler war 1904<br />
gestorben, und sein Nachfolger Hugo Rädler freute<br />
sich über die Kooperationsmöglichkeit. 1909 wurde<br />
der gesamte Besitz an Jenny und Schindler verkauft.<br />
Die waren aber nicht am Werk, sondern an der Vergrößerung<br />
ihres Netzes interessiert.<br />
gienetze GmbH – ein weiteres Unternehmen<br />
von illwerke vkw – sind dort untergebracht.<br />
Zu dem befinden sich dort die Kraft werke<br />
»Rie den-Alt« (1914–2004), »Rieden-Neu« (ab<br />
2005) und die Um spann anlage Rieden.<br />
Das Arbeitsgebiet von illwerke vkw bietet zahlreiche<br />
attraktive Ausflugsziele. Auch Besicht i -<br />
gungen von Kraftwerksanlagen sind möglich.<br />
Schulen, Universitäten, Unternehmen und<br />
Ver eine nützen dieses Angebot, das ab einer<br />
Gruppengröße von zehn Personen bei Vor -<br />
anmeldung an Werktagen ganz jährig gebucht<br />
werden kann. Die Führungen sind kosten los.<br />
Informieren Sie sich über die Mög lichkeiten,<br />
Energie zu erleben: www.illwerkevkw-welten.at<br />
In Vorarlberg gab es mit Friedrich Wilhelm<br />
Schindler ebenfalls einen Pionier. Der hatte bei der<br />
Elektrizitätsausstellung 1881 in Paris schon die elektrische<br />
Energie mit den vor allem Anwendungsformen<br />
kennengelernt. Ihn faszinierte besonders die<br />
Kohlefadenglühbirne von Thomas Edison. Am 26. Januar<br />
1908 wurde das damals größte Wasserkraftwerk<br />
der k.k-Monarchie in Andelsbuch in Betrieb genommen.<br />
Was danach kam, ist schnell erzählt: Gegen die<br />
produzierten Strommengen aus Andelsbuch kam die<br />
kleine Turbine am Rickenbach nicht an. 1927 wurden<br />
die Anlagen ausgebaut und das Werk eingestellt. Vier<br />
Jahre später (1931) wurde das Grundstück dann von<br />
der Scheidegger Gemeinde gekauft.<br />
Heute sind die Scheidegger Wasserfälle ein beliebtes<br />
Ausflugsziel. 2004 wurden sie von der bayerischen<br />
Landesregierung in die Liste »Bayerns schönster<br />
Geotop« aufgenommen. Zur Demonstration der mechanischen<br />
Kraft des Wassers wurde 2007 eine mechanische<br />
Widderanlage errichtet. 2009 wurden eine<br />
Schauturbine aufgestellt, diverse Wasserspiele und ein<br />
Kinderkarussell eröffnet. All das wird durch Wasserkraft<br />
angetrieben.<br />
Während die Natur bei den Scheidegger Wasserfällen<br />
wieder Einzug hielt und ein touristischer »Hotspot«<br />
entstand, blieb das Wasserkraftwerk in Andelsbuch<br />
am Netz. Eingebettet in die umliegenden Wälder<br />
und Wiesen, versteckt sich das Wasserkraftjuwel noch<br />
heute im Ortsteil Bersbuch. Das Kraftwerk Andelsbuch<br />
gehört mittlerweile zu den ältesten Kraftwerken<br />
Österreichs, die noch in Betrieb sind. Die Anlage, etwas<br />
abseits der Bregenzerach gelegen, bezieht das<br />
Wasser zur Energieerzeugung aus einem Staubecken.<br />
Von dort aus fließen die Wassermassen auf die<br />
Francis-Turbinen des Krafthauses und treiben die fünf<br />
Maschinensätze an. Jedes Jahr liefert das Kraftwerk<br />
heute noch rund 50,5 Millionen Kilowattstunden<br />
Strom – damit lässt sich der jährliche Strombedarf von<br />
10.000 Haushalten decken.<br />
Das im Jugendstil errichtete Gebäude zieht nach<br />
wie vor Gäste wie Einheimische an. Nie wieder wurden<br />
in der folgenden Technik-Geschichte solch architektonisch<br />
faszinierende Industriegebäude errichtet.<br />
Früher spielte eben über die Funktion hinaus auch die<br />
Ästhetik noch eine tragende Rolle.<br />
62 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Natur-Klima<br />
Hundert Prozent bis 2050<br />
»Klima schützen – Kempten handelt«<br />
Mit dem »Masterplan 100 Prozent Klimaschutz bis 2050 hat der<br />
Stadtrat der Allgäu-Metropole das lokale Masterplankonzept und die<br />
langfristige Klimaschutz-Strategie der Stadt Kempten bis zum<br />
Jahr 2050 beschlossen. Die Handlungs schwerpunkte des Klimaschutz-<br />
Masterplankonzeptes liegen in den Bereichen Stadtplanung, Mobilität,<br />
Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung.<br />
Die Stadt Kempten (Foto oben)<br />
im Allgäu will Vorbild im Klima -<br />
schutz sein. Car-Sharing mit den<br />
Stadtflitzern (Foto linke Seite)<br />
ist schon heute im Angebot<br />
Das wissenschaftliche Konzept entstand in<br />
einem etwa anderthalbjährigen Prozess unter<br />
der Federführung des Klimaschutzmanagers<br />
der Stadt Kempten, Thomas Weiß, gemeinsam mit dem<br />
Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!). Die quantitative<br />
Grundlage bildet eine aktualisierte Bilanz der<br />
Energie- und Treibhausgas-Emission. Darauf aufbauend<br />
wurden Zukunftsszenarien für den Zeitraum bis<br />
zum Jahr 2050 erarbeitet, die aufzeigen, wie die Ziele<br />
des Masterplanprojektes in Kempten erreicht werden<br />
können. Die übergreifenden Ziele sind die Halbierung<br />
des derzeitigen Energieverbrauchs sowie eine drastische<br />
Absenkung klimaschädigender Treibhausgas- und CO2-<br />
Emissionen um bis zu 95 Prozent. Bemerkenswert ist,<br />
dass bereits das Konzeptpapier kein solches mehr ist.<br />
Denn es wurde nicht gedruckt, sondern einfach ins Internet<br />
gestellt. Hätte Thomas Weiß den Plan 20.000-mal<br />
drucken lassen, wären bei 64 Seiten 15.003 Kilogramm<br />
CO2 angefallen. Das Klimaschutzmanagement Kempten,<br />
das derzeit mit einer Vollzeitstelle (Thomas Weiß)<br />
besetzt ist, hat in einem eigenen »Visionskapitel« am<br />
Anfang des Planes beschrieben, wie die zu einer Klimaschutzstadt<br />
umgebaute Allgäu-Metropole im Jahr 2050<br />
aussehen wird und wie sich das Leben im Jahr 2050 in<br />
Kempten gestalten könnte.<br />
Das Herzstück des Plans<br />
Herzstück des Masterplankonzeptes ist das Kapitel<br />
»Leit- und Schlüsselprojekte«. Darin findet sich<br />
eine umfangreiche Klimaschutz-Projektliste, die unter<br />
Beteiligung des Energieteams der Stadt Kempten, der<br />
im Stadtrat vertretenen Fraktionen sowie der Teilnehmer<br />
am ersten Kemptener »Klimaschutz-Bürgerforum«<br />
entwickelt wurde. Die dort gesammelten Klimaschutz-Ideen<br />
wurden in Leitprojekten zusammengefasst,<br />
von denen der Umweltausschuss insgesamt zehn<br />
als sogenannte Schlüsselprojekte ausgewählt hat, deren<br />
Umsetzung erforderlich ist, um die hochgesteckten<br />
Ziele des Masterplans in Kempten umzusetzen. Ein<br />
weitgehendes Überwachen der Fortschritte soll die mit<br />
der Umsetzung der verschiedenen Klimaschutzprojekte<br />
erreichten Energie- und Emissionseinsparungen<br />
zählbar und sichtbar machen und gleichzeitig der<br />
Qualitätssicherung dienen.<br />
Die ersten vier konkreten Projekte aus dem Konzept<br />
sind bereits in Arbeit:<br />
• Pilotprojekt Energieeffizienz im Einzelhandel und<br />
Auswahl eines Stadtquartiers, in dem eine umfassende<br />
energetische Sanierung durchgeführt wird<br />
• Planung und Errichtung eines Fahrrad-Parkhauses<br />
64<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
• Umgestaltung des Masterplankonzeptes zu einer<br />
Bürgerbroschüre, die jetzt bereits vorliegt<br />
• Projekt zur Steigerung der Energieeffizienz in privaten<br />
Haushalten<br />
Das Pilotprojekt im Einzelhandel läuft derzeit in<br />
der Bahnhofsstraße zwischen Forum und Freudenberg.<br />
Alle Geschäfte in diesen Bereich wurden besucht, die<br />
Analyse ist gemacht, die Ergebnisse werden demnächst<br />
vorgestellt. Ob und wie die Einzelhändler sich an die<br />
Umsetzung machen, kann vom Klimaschutz-Manager<br />
nur beobachtet werden. Eine Vorschrift dazu gibt es<br />
nicht. Allerdings hofft Thomas Weiß, dass dieses Pilotprojekt<br />
so große Öffentlichkeitswirkung entfaltet, dass<br />
das Konzept sich über das ganze Stadtgebiet ausweitet<br />
– es gibt schließlich den Anreiz der Einsparpotenziale.<br />
»Zukünftig weniger Geld auszugeben – das muss doch<br />
interessant sein«, so der Klimamanager.<br />
Das Fahrrad-Parkhaus ist weiterhin im Plan für<br />
die Stiftstadt Ost, wurde aber zugunsten anderer Projekte<br />
zunächst zurückgestellt. In Sachen Energie-Effizienz<br />
in privaten Haushalten dagegen ist man in<br />
Kempten schon einen Schritt weiter. Der Stromspar-<br />
Check der Diakonie ist laut Weiß ein voller Erfolg. Zusammen<br />
mit dem Landkreis Oberallgäu wird kontinuierlich<br />
an diesem Thema weitergearbeitet.<br />
Der Masterplan stellt in vier Kapiteln vor, was jeder<br />
einzelne Kemptener tun kann, um das Ziel 2050 zu erreichen.<br />
Konsum, Mobilität, Wohnen und Energieversorgung<br />
sind die Bereiche, die näher beschrieben werden.<br />
In allen vier Bereichen wird der Bürger aufgeklärt,<br />
wie der Stand der Dinge ganz allgemein in Deutschland,<br />
Europa und der Welt ist. Aber immer wieder wird auf<br />
die spezielle Situation in der Stadt eingegangen.<br />
Einkauf und Konsum<br />
Es wird allgemein darauf hingewiesen, dass in<br />
Zukunft bei Einkauf und Konsum mehr als bisher persönliche<br />
Dinge getauscht, geteilt oder ausgeliehen werden<br />
sollen. Speziell für Kempten informiert der Plan,<br />
dass überflüssig gewordene Elektrogeräte in Kempten<br />
in Second-Hand-Läden verkauft werden können.<br />
Gleiches gilt für Möbel, die im Kaufhaus Allerhand zu<br />
günstigen Konditionen neue Besitzer suchen. Im Repair-Cafe<br />
im Kempodium stehen Experten in den verschiedensten<br />
Fachrichtungen bereit, Dinge zu retten,<br />
die zum Wegwerfen viel zu schade sind.<br />
Zum Konsum gehört die Ernährung. Der Leitfaden<br />
der Stadt Kempten empfiehlt: »Am besten regional, saisonal,<br />
bio und fair.« Logisch, dass an dieser Stelle der<br />
Hinweis auf den Kemptener Wochenmarkt steht. Aber<br />
auch der Tipp, sich über die Interessengemeinschaft »Essbare<br />
Stadt Kempten« oder die Aktion »Foodsharing«<br />
über weitere nachhaltige Möglichkeiten zu informieren.<br />
Mobilität und Verkehr<br />
35.090 Pkw gibt es augenblicklich in Kempten.<br />
Das bedeutet, dass pro Einwohner 0,53 Autos zugelassen<br />
sind. Derzeit verbrauchen die Fahrzeuge im Stadtgebiet<br />
288.165 Quadratmeter Stellfläche – also etwa so<br />
viel wie 40 Fußballfelder. Das Ziel 2050: 0,31 Pkw/Einwohner.<br />
Kempten will dabei eine deutliche Umgestaltung<br />
des Verkehrs in Richtung E-Mobil, Carsharing<br />
und Klimafreundlichkeit in den Unternehmen. Der<br />
Masterplan weist an dieser Stelle auf die Möglichkeit<br />
hin, in der Stadt schon heute über www.stadtflitzercarsharing.de<br />
E-Autos zu mieten.<br />
Abschreiben<br />
oder neu erfinden?<br />
Oberbürgermeister Thomas Kiechle sagt in<br />
seinem Vorwort zum Klimaschutz-Master -<br />
plan: »Diese Bürgerbroschüre möchte Sie<br />
motivieren, sich mit den aufgezeigten The -<br />
men auseinanderzusetzen, für den Klima -<br />
schutz und für mehr Lebensqualität aktiv zu<br />
werden.« Damit spricht er vor allem seine<br />
Kemptener Bürger an. Dass die vorbildliche<br />
Klimaschutz-Arbeit der Stadt Kempten aber<br />
im Internet mit dem Copyright-Schutz ver -<br />
sehen ist, finden wir bedauerlich. Eig ent lich<br />
sollte die Vorarbeit vom Klima schutz-Team<br />
Bereits heute haben<br />
Bürgerinnen und Bürger in<br />
Kempten die Möglichkeit,<br />
sich »Stadtflitzer« im<br />
Carsharing auszuleihen<br />
um Thomas Weiß zumindest für alle Allgäuer<br />
Kommunen Vorbild sein und zur<br />
Nachahmung empfohlen wer den – ins -<br />
besondere, weil das Projekt vom Bundes -<br />
mini s terium für Umwelt gefördert wurde.<br />
Wir von allgäu<strong>ALTERNATIV</strong> gehen aber<br />
davon aus, dass der Rechts schutz nicht zu<br />
eng gemeint ist. Wir versto ßen mit diesem<br />
Bericht gerne etwas da ge gen. Denn der<br />
Klimawandel macht weder vor den Toren<br />
Kemptens noch vor den Allgäu-Por talen halt.<br />
So großartige Ziele, wie Kemp ten sie sich<br />
vorgenommen hat, erreichen wir nur<br />
gemeinsam. Und manchmal ist »ab -<br />
schreiben« besser als »neu erfinden«.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
65
Natur-Klima<br />
Schwimmbäder tragen beim Energiesparen intensiv zu einem guten Gesamtergebnis bei.<br />
Das Cambomare, Kemptens attraktives Bad, ist vorbildlich in den Klimaschutz eingebunden<br />
Bereits im Kindergarten werden die Jüngsten mit einfachen Versuchen und Spielen auf den<br />
Klimaschutz vorbereitet (Foto oben). Klimaschutz-Manager Thomas Weiß (Foto unten, ste hend)<br />
bespricht mit Oberbürgermeister Thomas Kiechle den Internet-Auftritt des Masterplanes<br />
Den Umbau des Stadtverkehrs geht Kempten mit<br />
einer groß angelegten Bürgerbeteiligung an. Etwa 80 interessierte<br />
Bürgerinnen und Bürger sowie zahlreiche<br />
Verantwortliche aus Verwaltung und Politik kamen am<br />
19. Mai in den Saal des Kornhauses zur Auftaktveranstaltung<br />
für die Erarbeitung des Mobilitätskonzeptes<br />
2030. Das Verkehrsplanungsbüro ModusConsult und<br />
das Büro »Urbanes Wohnen« begleiten dieses Beteiligungsverfahren.<br />
Bis Januar 2016 sollen die Bürger viermal<br />
zusammenkommen. An diesem ersten Abend markierten<br />
die Teilnehmer auf einem großen Luftbild der<br />
Stadt ihren Wohnort. Die beiden Büros und die Stadtverwaltung<br />
setzen beim Umbau des Stadtverkehrs auf<br />
das Detailwissen der Bürgerinnen und Bürger. Keiner<br />
kennt die Situation in seinem Viertel besser als der<br />
Mensch, der dort wohnt. An fünf regionalen Tischen<br />
brachten die Teilnehmer ihre Alltagsexpertise in die Bestandsaufnahme<br />
ein. Auf insgesamt ca. 250 Kärtchen<br />
wurden die Probleme und Notwendigkeiten notiert und<br />
jeweils mit einem Fähnchen im Stadtplan verortet.<br />
Wohnen, Strom & Wärme<br />
Mehr noch als der Verkehr belasten Wärme und<br />
Stromverbrauch die deutsche Umweltbilanz. In Kempten<br />
werden heute pro Einwohner 1152 kWh Strom<br />
und 5983 kWh für Wärmeerzeugung verbraucht. 2050<br />
sollen diese Werte auf 740 kWh Strom und 1700 kWh<br />
für Heizung sinken. Nicht unerwähnt bleibt im Masterplan,<br />
dass Kempten bereits heute 23 Prozent der<br />
Wärme aus Holz, Altholz und energetischer Abfallverwertung<br />
bezieht. Ziel des Masterplans ist es, die Fernwärmenetze<br />
weiter auszubauen, die kostenfreie Energieberatung<br />
durch eza!, die Diakonie und weitere Partner<br />
für einkommensschwache Haushalte durch geschulte<br />
Stromsparhelfer zu unterstützen.<br />
Die Energiewerkstatt Kindergarten, die Energiewerkstatt<br />
Schule, das Programm Fifty-Fifty und die<br />
Azubi-Klimaschutzgruppe führen den Nachwuchs gezielt<br />
an die Aufgaben des Energiesparens und des Klimaschutzes<br />
heran. Bereits voll im Gang ist die Umrüstung<br />
der Straßenbeleuchtung auf stromsparende<br />
LEDs. Von 2009 bis heute konnte der Verbrauch um<br />
38 Prozent gesenkt werden – mehr als eine Million Kilowattstunden<br />
wurden eingespart. Die Stadt geht bei<br />
ihren eigenen Gebäuden mit einem ausgeklügelten<br />
Management voran. Von 2000 bis 2013 wurden die<br />
kommunalen Emissionen bereits um 60 Prozent reduziert.<br />
Beratung von Unternehmen und Handel sollen<br />
auch in diesem Bereich erhebliche Einsparungen möglich<br />
machen.<br />
Ein ganz großes Feld, um messbare Erfolge zu generieren,<br />
ist der Wohnungsbau. Altbausanierung und<br />
energieeffiziente Neubauten tragen dazu bei, die gesteckten<br />
2050er-Ziele zu erreichen. Die Altbautage, die<br />
jährlich in der Hochschule Kempten stattfinden, werden<br />
im Masterplan als Info-Plattform genannt: »Etwa<br />
10.000 Besucher nutzen das Angebot, sich bei 80 Aus-
Fotos: Peter Elgaß, Cambomare, Dr. Hans Jörg Barth (eza!), Stadt Kempten<br />
Oben: sympathische Werbung für ein vorbildliches<br />
Klimaschutz-Langzeitprojekt. Die beiden Fotos rechts wurden bei der<br />
ersten Veranstaltung zum Mobilitätskonzept aufgenommen.<br />
80 Bürger kamen und beteiligten sich intensiv<br />
stellern über Bau- und Sanierungsthemen praktisch<br />
und theoretisch zu informieren.«<br />
Erneuerbare Energien<br />
Bundesweit, so die Information des Kemptener<br />
Konzeptes, ist es das Ziel, von Kohle, Erdöl und Erdgas<br />
wegzukommen und die klimafreundlichen Energiequellen<br />
Wind, Wasser, Sonne und Biomasse möglichst sinnvoll<br />
zu fördern. Kempten will bis 2050 seinen Strom-Mix<br />
zu 95 Prozent aus erneuerbaren Quellen gewinnen.<br />
Wichtig zum Erreichen dieses Ziels ist es, den Jahresverbrauch<br />
der Stadt von derzeit über 1.800.000 MWh auf<br />
700.000 MWh mehr als zu halbieren. Mit den Allgäuer<br />
Überlandwerken (AÜW), die zu 82 Prozent der Stadt<br />
gehören, hat Kempten in Sachen Wasserkraft gegenüber<br />
vielen anderen Kommunen, die auf die »großen Vier«<br />
im Strommarkt angewiesen sind, heute schon die Nase<br />
vorne. Technische Ausbauten und Verbesserungen bestehender<br />
Anlagen sind aber noch möglich.<br />
Die Solarenergie ist laut Masterplan auf einem<br />
guten Weg. Der Bürger-Solarpark Ursulasried ist ein<br />
Vorzeigeprojekt und das Solarkataster-Allgäu die Voraussetzung<br />
für weiteren gezielten Zubau an Solaranlagen.<br />
Weniger bedeutsam für die lokale Versorgung<br />
sind in der Allgäu-Metropole Wind und Biogas. Von<br />
regionaler Bedeutung aber ist der in der Stadt angesiedelte<br />
Zweckverband Abfallwirtschaft Kempten, der<br />
immerhin 1400 Haushalte über seine Biomüll- und<br />
Grüngut-Vergärungsanlage in Kempten mit Strom<br />
versorgt. Alle Biogasanlagen der Stadt sorgen aber nur<br />
für zwei Prozent des notwendigen Stroms. Als Stadt<br />
verfügt Kempten nicht über große landwirtschaftliche<br />
Flächen. Biogas wird also nur die Nummer vier bei<br />
den Alternativen bleiben. Ähnlich verhält es sich in<br />
Sachen Windenergie. Hier führt der Masterplan aus:<br />
»Windkraft gehört im Allgäu zu einem ausgewogenen<br />
Strom-Mix. Der Wind bläst vor unserer Haustür. Laut<br />
der vom AÜW in Auftrag gegebenen Studie (PEESA)<br />
sogar mit einem Potenzial von 140 Windkraftanlagen.<br />
Wegen der festgelegten Ausschlussgebiete kann derzeit<br />
nur ein kleiner Teil der Anlagen realisiert werden.«<br />
Info:<br />
Klimaschutzmanager Tho mas Weiß ist<br />
An sprech par tner bei der Stadt<br />
Kempten für alle Fragen rund ums<br />
Thema Klimaschutz. Telefon: 0831<br />
2525-8123; E-Mail:<br />
klimaschutz@kempten.de<br />
Im Internet ist das Konzept zu finden unter:<br />
www.kempten.de/de/media/masterplankonzeptklimaschutz2050-kempten1213.pdf<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
67
Landschaftserhalt<br />
Weidende Ziegen sollen dafür sorgen, dass die<br />
Adelegg als Kulturlandschaft erhalten bleibt<br />
Ziegen für die Adelegg<br />
Natur- und Kulturlandschaft erhalten<br />
Die Adelegg ist ein ganz besonderer Lebensraum – für Mensch, Fauna und Flora. Das Tal ist aber<br />
einem grundlegenden Wandel unterworfen, weil die Landwirtschaft sich stark verändert, sich in der<br />
kleinräumigen Voralpenlandschaft nicht mehr lohnt. Eine Stiftung und die Öffentlichkeit setzen sich<br />
dafür ein, dass die Kulturlandschaft erhalten bleibt – die Ziegenhaltung spielt dabei eine große Rolle.<br />
Umweltministerin Ulrike Scharf<br />
stand Schülerinnen und<br />
Schülern bei der Feierstunde<br />
als Interviewpartnerin<br />
zur Verfügung<br />
Die Adelegg im Dreieck zwischen Isny, Leutkirch<br />
und Buchenberg ist eine weitgehend bewaldete<br />
Mittelgebirgslandschaft im westlichen<br />
Landkreis Oberallgäu (und im östlichen Landkreis Ravensburg,<br />
(Baden-Württemberg). Die Adelegg mit dem<br />
Glasmacherdorf Kreuzthal im Zentrum ist knapp 150<br />
Quadratkilometer groß. Ein besonderes Kennzeichen<br />
sind blütenreiche Magerrasen, Extensivwiesen und<br />
-weiden in noch vergleichsweise hoher Dichte als Zeugen<br />
einer jahrhundertealten Kulturlandschaft. Es handelt<br />
sich meist um sehr steile und klimatisch ungünstige<br />
Höhenlagen, die kaum mit Maschinen bearbeitet werden<br />
können.<br />
Die unrentablen Bewirtschaftungsbedingungen<br />
und der Strukturwandel in der Landwirtschaft haben<br />
Fotos: Sepp Bauer, ,Leona Post, Redaktion<br />
dazu geführt, dass die landwirtschaftliche Nutzung in<br />
den letzten Jahrzehnten auf immer mehr Flächen aufgegeben<br />
und die Bergwiesen aufgeforstet wurden. Bei<br />
den verbliebenen Flächen ist teilweise eine stark fortschreitende<br />
Verkrautung und Verbuschung festzustellen.<br />
Auch hier würde über kurz oder lang wieder Wald<br />
entstehen. Die Folge wäre der Verlust einer bedeutenden<br />
Kulturlandschaft, zahlreiche gefährdete Offenlandarten<br />
würden verschwinden, und die Attraktivität<br />
der abwechslungsreichen Landschaft für Bewohner<br />
und Erholungsuchende würde verloren gehen.<br />
Um die vielfältige, aber wirtschaftlich eher unrentable<br />
Kulturlandschaft der Adelegg langfristig zu<br />
erhalten, hat sich die Adelegg-Stiftung gegründet und<br />
sich zum Ziel gesetzt, den Biotopverbund für Magerund<br />
Trockenstandorte langfristig zu sichern und zu<br />
entwickeln, die Flächennutzung nach naturschutzfachlichen<br />
Kriterien zu optimieren und begleitend<br />
Maßnahmen zur Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit<br />
umzusetzen. Die Adelegg-Stiftung als Projektträger<br />
hat dazu einen Landschaftspflegehof mit einer<br />
Heubergehalle errichtet, der an einen Milchziegenhalter<br />
verpachtet wird. Der Ziegenhalter verpflichtet sich,<br />
aus der Bewirtschaftung fallende Wiesen und Weiden<br />
zu pachten und deren extensive Beweidung mit Rindern<br />
und Ziegen zu übernehmen. Die Intensität wird<br />
über ein naturschutzfachlich ausgerichtetes Beweidungskonzept<br />
gesteuert. Künftig soll die Ziegenmilch<br />
in der am Landschaftspflegehof geplanten Käserei zu<br />
hochwertigen regionalen Produkten verarbeitet und<br />
vermarktet werden.<br />
Im Projektgebiet kommt eine Vielzahl wertvoller<br />
Lebensräume vor. Dazu zählen farbenprächtige Berg-
Ende Juni wurde der Landschaftspflegehof<br />
mit Heubergehalle eingeweiht<br />
Extensive Landwirtschaft prägt heute das Bild<br />
der Allgäuer Vorgebirgs-Landschaft<br />
Mähwiesen, Silikat-Magerrasen (sogenannte Borstgrasrasen),<br />
extensive Bergweiden und sehr kleinflächig<br />
auch Kalk-Magerrasen. Oftmals sind sie mit<br />
Quellaustritten, Tümpeln und kleinen Vermoorungen<br />
durchsetzt und an den Rändern mit naturnahen Laubwäldern<br />
und Gehölzen verzahnt.<br />
Das vielfältige Lebensraummosaik bietet zahlreichen<br />
Pflanzen- und Tierarten einen Lebensraum –<br />
über 110 typische und bedrohte Arten kommen hier<br />
vor. Zu den floristischen Kostbarkeiten zählen Kleines<br />
Knabenkraut, Arnika, Silberdistel und Schwalbenwurz-Enzian.<br />
Die blütenreichen Bestände sind für Insekten<br />
ein wahrer Genuss. Schmetterlinge wie Brauner<br />
Feuerfalter, Silberfleck-Perlmuttfalter und Hauhechel-<br />
Bläuling finden hier Nektar und Eiablagepflanzen.<br />
Bundesweit nur in der Adelegg nachgewiesen wurde<br />
der Nachtfalter mit dem sonderbaren Namen »Gebirgs-Zwerg-Sackträger«.<br />
Typisch für die mageren und<br />
trockenen Standorte sind Heidegrashüpfer, Warzenbeißer<br />
und Feldgrille. Eine Württemberger Rarität ist<br />
das Vorkommen der Alpinen Gebirgsschrecke.<br />
An Quellen findet man die Gestreifte Quelljungfer,<br />
kleine Vernässungen und Tümpel auf den Weiden<br />
werden von der europaweit bedrohten Gelbbauchunke<br />
zum Laichen genutzt.<br />
In einem ersten Projektschritt wurde Ende Juni<br />
der Landschaftspflegehof eingeweiht. Dazu kam Umweltministerin<br />
Ulrike Scharf höchstpersönlich, um<br />
dem Projekt Adelegg Gewicht zu verleihen. Sie überbrachte<br />
dem neuen Projektleiter Oliver Post einen<br />
Scheck über 130.000 Euro, eine Förderung aus dem<br />
Bayerischen Naturschutzfond und der Glücksspirale.<br />
Da die Adelegg in Bayern und Baden-Württemberg<br />
grenzübergreifend liegt, kamen auch aus Stuttgart<br />
36.000 Euro aus der Stiftung Naturschutz Baden-<br />
Württemberg. Die Umsetzung des BayernNetzNatur-<br />
Projektes wird weiterhin ermöglicht durch eine Förderung<br />
des Stallgebäudes (35 Prozent) und der geplanten<br />
Ziegenmilch-Käserei (25 Prozent) durch das Bayerische<br />
Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft<br />
und Forsten. Weitere Förderung der extensiven<br />
Flächenbewirtschaftung und der Landschaftspflegemaßnahmen<br />
wird durch Mittel der Landschaftspflegerichtlinie<br />
in Baden-Württemberg und der Agrarumweltmaßnahmen<br />
und Landschaftspflege- und Naturpark-Richtlinie<br />
in Bayern ermöglicht.<br />
Informationen<br />
zu BayernNetzNatur<br />
Am Anfang stand 1986 das Bayerische<br />
Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP).<br />
Nachdem der bayerische Landtag 1998 die<br />
»Schaffung eines landesweiten Biotopver -<br />
bundes« im Bayerischen Naturschutzgesetz<br />
verankert hatte, wurde aus den ABSP-Pro -<br />
jekten das BayernNetzNatur. Die Staats re -<br />
gierung beschloss, die Anzahl der<br />
BayernNetz Natur-Projekte von damals 150<br />
auf 300 zu verdoppeln. Aktuell existieren 392<br />
Bayern NetzNatur-Projekte, die zur Erhaltung<br />
der bayerischen Naturvielfalt beitragen. Die<br />
Grundprinzipien von BayernNetzNatur sind<br />
Freiwilligkeit und Kooperation.<br />
»Freiwilligkeit« bedeutet, dass auf hoheitliche<br />
Maßnahmen (z.B. die Ausweisung von Schutz -<br />
gebieten) verzichtet wird. Der Freistaat<br />
Bayern unterstützt BayernNetzNatur viel -<br />
mehr im Rahmen verschiedener Förder -<br />
programme, z.B. des Vertragsnaturschutz -<br />
programms oder der Landschaftspflege- und<br />
Naturparkrichtlinien. Auch Gelder des Baye -<br />
rischen Naturschutzfonds stehen für die Um -<br />
setzung von BayernNetzNatur zur Verfügung.<br />
»Kooperation« steht für die Zusammenarbeit<br />
Kreuzthaler Bürgerstiftung<br />
KulturLandschaft Adelegg<br />
Die Kreuzthaler Bürgerstiftung KulturLand -<br />
schaft Adelegg will als Träger, Initiator und För -<br />
derer von Projekten und Initiativen auf tre ten,<br />
die zum Erhalt der Schön heit dieser histo -<br />
rischen Kulturlandschaft beitra gen. Neben der<br />
Bedeutung der Adelegg als Er holungsraum<br />
und dem Schutz seltener Pflan zen und Tiere,<br />
die hier ihre Rückzugs ge biete haben, geht es<br />
den Stiftern vor allem um die Bewahrung<br />
eines landschaftlichen Juwels – um den Erhalt<br />
ihrer wunderschönen Heimat.<br />
Die Stiftung will ihre Ziele nach Möglichkeit<br />
durch Hilfe zur Selbsthilfe verwirklichen. Sie<br />
will regionale Kreisläufe anstoßen, nach bar -<br />
schaftliche, regionale und kulturelle Bezie -<br />
aller relevanten Akteure vor Ort. Dazu ge hör e<br />
z.B. Landnutzer, Grundeigentümer, Kom -<br />
munen, Verbände und Behörden, aber auch<br />
interessierte Bürgerinnen und Bürger.<br />
Dahinter steht die Überzeugung, dass sich<br />
Naturschutzprojekte nur dann erfolgreich<br />
umsetzen lassen, wenn alle relevanten Institutionen<br />
»an einem Strang ziehen«.<br />
Für BayernNetzNatur-Projekte gelten fo lgen -<br />
de formalen Kriterien:<br />
• Eine wenigstens überregionale Bedeutung<br />
für den Arten- und Biotopschutz, zumindest<br />
auf Teilflächen.<br />
• Eine Projektgebietsgröße von mindestens<br />
einem Quadratkilometer.<br />
• Mindestens ein Projektträger muss die Verantwortung<br />
für das Projekt übernehmen. Er<br />
kümmert sich um die Abwicklung des<br />
Projekts und übernimmt in der Regel den<br />
Eigenanteil bei der Finanzierung.<br />
• Untere und höhere Naturschutzbehörde<br />
bescheinigen dem Projekt formlos, dass es<br />
sich um ein Projekt im Sinne des<br />
Naturschutzes handelt.<br />
www.naturvielfalt.bayern.de/strategie<br />
www.bayernnetznatur.de<br />
hungs netze knüpfen und soziales und gesell -<br />
schaft liches Engagement fördern. Sie lädt alle<br />
Bürgerinnen und Bürger und Unter nehmen<br />
der Region ein, sich ent sprech end ihren<br />
Möglichkeiten, Fähigkeiten und Inter essen<br />
materiell und ideell für die Ziele der Kreuz -<br />
thaler Bürgerstiftung KulturLandschaft<br />
Adelegg zu engagieren. Die Stiftung wurde im<br />
Frühjahr 2011 von 46 Kreuzthaler Gründungs -<br />
stiftern mit dem notwendigen Grund stockver -<br />
mögen von 50.000 Euro ins Leben gerufen.<br />
Der Stiftung gehören derzeit über 50 Einzel -<br />
personen vor allem aus der Adelegg an. Der<br />
Landkreis Oberallgäu und die Kommunen Isny,<br />
Leutkirch, Kempten und Buchenberg sind<br />
dabei. Firmen, Verbände und Einzel personen<br />
sind bereits als Spender auf ge tre ten. Die<br />
Laufzeit des Adelegg-Projektes ist bis Ende<br />
2017 vorgesehen.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
69
Genetik<br />
Gute und böse Manipulation<br />
Zwischen Sojabohne und Vaterschaftstest<br />
Solange es um den medizinischen Fortschritt geht, hat kaum jemand etwas<br />
gegen Gentechnik. Was auf unseren Tellern landet, soll dagegen frei sein von<br />
verändertem Erbgut. Der Fachjournalist Roland Knauer gibt Einblicke in die<br />
Debatte zwischen Wissenschaftlern und ihren Kritikern<br />
Die Schlagzeilen waren eindeutig: »Ja, gentechnisch<br />
veränderte Organismen sind giftig«<br />
titelte die französische Zeitung Nouvel<br />
Observateur am 20. September 2012. In der ZDF-<br />
Nachrichtensendung »Heute« hieß es am gleichen Tag<br />
zum selben Thema »Höheres Krebsrisiko durch Gen-<br />
Mais«, etliche Medien in Europa brachten ähnliche<br />
Berichte. Ein Wissenschaftler der Universität Caen<br />
hatte eine Studie veröffentlicht, nach der gentechnisch<br />
veränderter Mais in Ratten Krebs verursache. Zwar<br />
warfen die allermeisten Fachkollegen dem Forscher<br />
rasch schwerwiegende wissenschaftliche Fehler vor.<br />
Das aber machte weit weniger Schlagzeilen. Vielleicht,<br />
weil die Gentechnik in der Öffentlichkeit und in den<br />
Medien selbst unter Generalverdacht steht?<br />
Nicht auf dem Bauernhof<br />
Immerhin sorgen sich nach einer im Januar <strong>2015</strong><br />
von der Nationalen Akademie der Wissenschaften<br />
Leopoldina und dem Institut für Demoskopie Allensbach<br />
veröffentlichten Umfrage 82 Prozent der über 16-<br />
Jährigen in Deutschland über den Einsatz der Gentechnik<br />
in der Landwirtschaft. Nur zehn Prozent verbinden<br />
damit Hoffnungen. In der gleichen Umfrage<br />
behaupten allerdings gerade einmal sieben Prozent,<br />
sich ganz gut mit der Gentechnik in der Landwirtschaft<br />
auszukennen, während 56 Prozent unumwunden<br />
zugeben, darüber kaum etwas zu wissen.<br />
Was ist das also überhaupt, Gentechnik? Weshalb<br />
lehnen in Deutschland viele Menschen diese Methode<br />
ab, wenn sie auf Mais, Soja und andere Nutzpflanzen<br />
angewendet wird? Zugleich ist die Gentechnik aus vielen<br />
anderen Lebensbereichen nicht mehr wegzudenken<br />
– vom Vaterschaftstest bis zu gentechnisch erzeugten<br />
Impfstoffen. Kriminalbeamte halten den genetischen<br />
Fingerabdruck längst für genauso unverzichtbar<br />
wie Ärzte genetische Diagnosen. Die Gentechnik arbeitet<br />
mit dem Erbgut, also mit der Grundlage allen<br />
Lebens: Mit gerade einmal vier Bausteinen liefert das<br />
Erbgut die Konstruktionspläne für alle Organismen<br />
auf der Erde. Die Reihenfolge dieser in langen Strängen<br />
angeordneten Bausteine wird nach einem festen<br />
Code in die Moleküle des Lebens übersetzt – und dieser<br />
Code ist in jedem bisher untersuchten Organismus<br />
der gleiche. Seit der Entstehung des Lebens, also seit<br />
dreieinhalb Milliarden Jahren, hat sich auf dieser relativ<br />
einfachen Grundlage eine riesige Vielfalt entwi -
ckelt, von winzigen Bakterien und anderen Einzellern<br />
über Moose, Algen, Gräser und Bäume bis zu Insekten,<br />
Würmern, Vögeln und Säugetieren.<br />
Die Auswahl ist groß<br />
Gentechniker können daher aus dem Vollen<br />
schöpfen und zum Beispiel Erbeigenschaften zwischen<br />
Organismen verschiedener Arten übertragen. Da der<br />
Code in allen Lebewesen gleich ist, sollte die Information<br />
intakt bleiben. Damit können die Forscher zum<br />
Beispiel Bakterien mit der Erbeigenschaft für menschliches<br />
Insulin ausrüsten. Die Mikroorganismen stellen<br />
dann dieses Hormon her, das anschließend als Medikament<br />
für Diabetes-Patienten eingesetzt werden<br />
kann. Genau das Gleiche macht die Natur: Sie tauscht<br />
Erbeigenschaften zwischen verschiedenen Bakterien,<br />
aber auch zwischen Bakterien und Pflanzen, Viren<br />
und Säugetieren sowie vielen anderen Organismen<br />
aus. 1978 holte der Gentechnologe Paul Berg von der<br />
Stanford Universität in Kalifornien diesen Vorgang ins<br />
Labor, als er ein Stück Erbgut von einem Kaninchen<br />
auf die Zellen eines Affen übertrug. Die Information<br />
funktionierte dort genau wie vorher: Die Affenzellen<br />
produzierten ein Eiweiß, das vorher nur die Kaninchenzellen<br />
bilden konnten. Eine neue Wissenschaft<br />
war entstanden, die Gentechnologie.<br />
Insulin dank Gentechnik<br />
Nicht einmal ein Jahrzehnt später begann diese<br />
Technik, im großen Maßstab Menschenleben zu retten.<br />
Bis dahin wurde Insulin für Diabetes-Patienten<br />
aus der Bauchspeicheldrüse von Rindern und Schweinen<br />
gewonnen. Immer wieder gab es Probleme, weil<br />
ein Baustein des Schweineinsulins vom menschlichen<br />
Fotos: Dominik Ultes, phokrates/fotolia, Syda Productions/fotolia<br />
Insulin abweicht, beim Rinderinsulin unterscheiden<br />
sich sogar drei Bausteine. Diese Unterschiede führten<br />
dazu, dass etliche Patienten – allein in Deutschland<br />
leiden mehr als eine halbe Million Menschen an Diabetes<br />
vom Typ I – dieses Insulin aus dem Schlachthof<br />
nicht vertrugen. Dabei waren sie darauf angewiesen,<br />
weil ihr Körper das Hormon nicht mehr produzierte.<br />
Gentechniker haben bereits 1979 die Erbinformation<br />
für das menschliche Insulin auf Bakterien und Hefezellen<br />
übertragen, die das Hormon dann auch produzierten.<br />
1987 erhielt dieses Humaninsulin erstmals die<br />
Zulassung als Medikament.<br />
Weitere Erfolgsgeschichten folgten bald: 1991<br />
kam das menschliche Wachstumshormon Somatotro-<br />
Foto linke Seite und oben:<br />
Mais und Sonnenblumen-<br />
Monokulturen stehen in der<br />
Kritik der Verbraucher und<br />
Verbände – Genmanipula -<br />
tion wird hier nicht<br />
gewünscht<br />
Gentechnik in der moder nen<br />
Medizin hingegen wird kaum<br />
beachtet und kritisiert
Genetik<br />
Medizinische Lebensretter<br />
Rund 8000 Blutern in Deutschland steht seit 1993<br />
ein gentechnisch hergestellter Blutgerinnungsfaktor<br />
zur Verfügung. Die seit 1994 zugelassene humane<br />
DNAse lässt 6000 bis 8000 Kinder leichter atmen, die<br />
an Mukoviszidose leiden. Erythropoetin hilft rund<br />
60.000 Patienten mit Nierenversagen – die Liste der<br />
gentechnisch erzeugten Substanzen wird nicht nur in<br />
der Medizin jedes Jahr länger. Diese Erfolge zählen so<br />
selbstverständlich zum Alltag, dass die Medien kaum<br />
noch darüber berichten.<br />
Ein großer Teppich von<br />
Begriffen dokumentiert: Die<br />
Gentechnik ist bereits<br />
vielfach verbreitet<br />
Der Autor<br />
Ständige Neugier beschreibt das Leben von<br />
Roland Knauer wohl seit seiner Geburt 1957.<br />
Ein Studium der Chemie weckte seine erste<br />
pin auf den Markt, durch das 100.000 Deutsche mit<br />
einer Unterproduktion dieser Substanz eine normale<br />
Körpergröße erreichen konnten. Vorher wurde der<br />
Wirkstoff aus den Körpern Verstorbener gewonnen;<br />
in wenigen Fällen ist dabei die Creutzfeldt-Jakob-<br />
Krankheit übertragen worden, die das Gehirn der Betroffenen<br />
zerstört.<br />
Neugier nach dem Abitur, die 1987 abge -<br />
schlossene Promotion führte ihn in die<br />
damals noch jungen Disziplinen der Moleku -<br />
larbiologie, Virologie und Immunbiologie, die er<br />
ausgiebig mit Biologie-Vorlesungen er gänzte.<br />
Danach blieb ihm eigentlich nur noch der<br />
Journalismus, um seine Neugier auch<br />
beruflich auf weitere Felder der Natur -<br />
wissenschaften auszudehnen und seine<br />
neuen Informationen auch postwendend an<br />
andere Neugierige weiterzugeben. Mehr<br />
über ihn und seine Arbeit lesen Sie unter<br />
www.naturejournalism.info<br />
Regeln sind noch unklar<br />
Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn die Gentechnik<br />
auf den Acker soll. Wenn das Erbgut von Mais<br />
oder Baumwolle verändert wird, damit die Pflanzen<br />
schädliche Insekten abwehren oder besser mit Unkrautvernichtungsmitteln<br />
klarkommen, laufen Umweltverbände<br />
wie Greenpeace und BUND dagegen<br />
Sturm. Sie befürchten unkalkulierbare Risiken. Die<br />
EU erlaubt den Anbau einiger gentechnisch veränderter<br />
Pflanzenarten. Allerdings sollen die Mitgliedsstaaten<br />
die Möglichkeit bekommen, per Ausstiegsklausel<br />
den Anbau zu verbieten. Ob es dafür in Deutschland<br />
eine bundesweite Regelung geben oder der Bund die<br />
Entscheidung den Ländern überlassen wird, ist noch<br />
nicht klar.<br />
Eine der zugelassenen Genpflanzen ist der Mais:<br />
So haben Gentechniker eine Erbinformation aus einem<br />
Bakterium in Maispflanzen eingebaut. Dadurch<br />
produziert der Mais einen Wirkstoff, der den Darm<br />
von Insekten zerstört, aber Säugetiere und Vögel nicht<br />
schädigt. Das hilft im Kampf gegen einen Schädling<br />
namens Maiszünsler, der zu den Insekten gehört. Allerdings<br />
steckt im Mais jetzt die Erbinformation eines<br />
Bakteriums, die dort nicht hingehört. »Die Versprechen,<br />
mit gentechnisch veränderten Pflanzen höhere<br />
Erträge und weniger Chemie auf dem Acker zu haben,<br />
haben sich nicht erfüllt«, sagt Martha Mertens, Sprecherin<br />
des Arbeitskreises Gentechnik im BUND. Es<br />
würden erheblich mehr Herbizide eingesetzt, die Artenvielfalt<br />
im Agrarraum werde weiter reduziert. Mertens:<br />
»Schließlich gefährden sie auch die Gesundheit,<br />
denn neben den geplanten neuen Eigenschaften können<br />
unerwartete Effekte auftreten, die die Sicherheit<br />
der daraus hergestellten Produkte beeinträchtigen.«<br />
Vorteile durch Gentechnik?<br />
Reinhard Pröls kennt diese Argumente. Er<br />
forscht an der Technischen Universität München zu<br />
Pflanzenkrankheiten. Ein ähnliches Misstrauen, sagt<br />
er, habe es anfangs auch gegen Gentechnik in der Medizin<br />
gegeben: »Schon aus ethischen Gründen aber<br />
setzten sich die neuen Produkte mit der Zeit durch,<br />
weil die Patienten eindeutige Vorteile hatten.«<br />
Solche Vorteile gebe es auch bei gentechnisch<br />
veränderten Pflanzen. »Wenden Züchter biotechnolo-<br />
72 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
gische Verfahren an, können sie zum Beispiel erheblich<br />
schneller und zielgerichteter als mit herkömmlichen<br />
Methoden neue Sorten entwickeln«, sagt Pröls.<br />
Auch sparen die Bauern Arbeit, wenn sie zum Beispiel<br />
keine Insektenvernichtungsmittel ausbringen müssen,<br />
weil eine gentechnisch veränderte Sorte sich selbst gegen<br />
solche Schädlinge wehrt. Der Käufer im Supermarkt<br />
aber sieht von diesen Vorteilen wenig. Umweltschutzorganisationen<br />
wenden ein, dass die gentechnisch<br />
veränderten Sorten durchaus Risiken bergen<br />
können. Sie übersehen dabei jedoch, dass genau diese<br />
Artgrenzen auch in der Natur offensichtlich gar nicht<br />
so selten überschritten werden. So stammen rund acht<br />
Prozent des Erbguts eines Menschen ursprünglich aus<br />
einer Virus-Gruppe, zu der zum Beispiel der AIDS-<br />
Erreger HIV gehört.<br />
Ein falsches Weltbild?<br />
An Pflanzen mit gentechnisch eingebauter<br />
Schädlingsabwehr tauchen nach einiger Zeit oft<br />
Schädlinge auf, denen der Wirkstoff nichts mehr ausmacht.<br />
»Das passiert aber nicht nur bei gentechnisch<br />
veränderten Pflanzen, sondern auch beim Einsatz in<br />
der konventionellen Landwirtschaft«, sagt Reinhard<br />
Pröls. Weshalb aber wird dann die grüne Gentechnik<br />
so heftig abgelehnt? Im Rahmen eines größeren Projektes<br />
zu diesem Thema kam dem Forscher der Verdacht,<br />
dass unterschiedliche Weltbilder ein Grund dafür<br />
sein könnten: »Viele Menschen stellen sich eine intakte<br />
Natur vor, die sie bewahren wollen«, fasst Pröls<br />
das Weltbild vieler Kritiker zusammen. Naturwissenschaftler<br />
aber wissen, dass ein Bauer, der mit dem<br />
Pferdegespann seinen Acker bestellt, keineswegs natürlich<br />
arbeitet: Dort sollte eigentlich ein Urwald<br />
wachsen, den die ersten Bauern bereits vor etlichen<br />
Jahrtausenden gerodet haben. Und auch das Erbgut<br />
der Gerste, die Reinhard Pröls erforscht, hat sich in<br />
diesen Jahrtausenden erheblich verändert, in denen<br />
Bauern aus Wildgräsern der Natur das heutige Getreide<br />
gezüchtet haben. »Seit er die Landwirtschaft erfunden<br />
hat, greift der Mensch massiv in die Natur ein«,<br />
sagt Reinhard Pröls. Die Gentechnik bringt also nichts<br />
grundlegend Neues.<br />
Farbenlehre der Gene<br />
Gentechnik wird heute in verschiedenen Be -<br />
reichen kommerziell angewendet, die sich oft<br />
überschneiden. Zur Unterscheidung dienen<br />
Farben, mit denen die Bereiche begrifflich<br />
voneinander abgegrenzt werden:<br />
Rote Gentechnik umfasst den gesamten me -<br />
dizinischen und pharmazeutischen Be reich,<br />
die Farbe bezieht sich auf das Blut des Men -<br />
schen. Angewendet wird die Gentechnik pra k -<br />
tisch im gesamten Spektrum der Medizin bis<br />
hin zu Heil methoden. Vor allem werden viele<br />
Medi kamente und Impfstoffe mit den Metho -<br />
den der Gentechnik hergestellt, auch basie -<br />
ren immer mehr Diagnose-Instrumente auf<br />
dieser Tech nik. Weil die Patienten sehr deut -<br />
lich profitieren, hat die rote Gentech nologie<br />
meist ein positives Image.<br />
Grüne Gentechnik bezieht sich auf die grüne<br />
Farbe der Pflanzen, die verändert und ge züch -<br />
tet werden. Meist handelt es sich um Nutz -<br />
pflanzen, oft ist der Vorteil zumindest in hoch -<br />
entwickelten Gesellschaften für den Ver -<br />
brauch er nicht oder kaum sichtbar. Wohl deshalb<br />
wird dieser Bereich besonders heftig diskutiert,<br />
bei großen Teilen der Bevölkerung hat<br />
Ein gelbes Meer, soweit das<br />
Auge reicht. Rapspflanzen<br />
sind auf Ölhaltigkeit gezüch -<br />
tet – daraus wird meist<br />
Bio-Kraftstoff hergestellt<br />
die grüne Gentechnik ein schlechtes Image.<br />
Weiße Gentechnik ist der Begriff für In dus trie -<br />
prozesse, die gentechnisch ver än derte Enzy -<br />
me, Zellen oder Mikroorganismen bei der Pro -<br />
duktion von Industriechemikalien oder Medi ka -<br />
menten wie etwa Insulin ein setzen. Dieser Be -<br />
reich wird in der Öffentlichkeit kaum dis kutiert.<br />
Blaue Gentechnik nutzt die Erbeigenschaften<br />
von Mikroorganismen, die unter extremen Bedingungen<br />
wie hohem Druck und hohen Tem -<br />
peraturen leben, zum Beispiel am Meeres -<br />
grund an Unterwasser-Vulkanen. Die be -<br />
sonders widerstandsfähigen Proteine sollen<br />
Industrieprozesse verbessern, die oft unter<br />
ähnlich harten Bedingungen ablaufen.<br />
Graue Gentechnik hat mit der Reinigung von<br />
Wasser, Böden und Luft zu tun. So gibt es<br />
zum Beispiel eine gentechnisch veränderte<br />
Pappel, die Schwermetalle und Pestizide<br />
auf nehmen kann und so zur Sanierung von<br />
Alt lasten in Böden beitragen kann. Genau wie<br />
die blaue Gentechnik wird auch die graue in<br />
der öffentlichen Meinung eher positiv einge -<br />
schätzt.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
73
Natur<br />
Artenvielfalt per Display<br />
Smartphone-App zum Download<br />
Wissenschaftler am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum<br />
in Frankfurt haben gemeinsam mit Kollegen von<br />
der Yale-Universität und weiteren Institutionen die Smartphone-App<br />
»Map of Life« entwickelt. Die Anwendung erlaubt es, mit dem Mobiltelefon<br />
Arten zu erkennen, die Umgebung auf Tier- oder Pflanzen -<br />
arten zu überprüfen sowie eigene Beobachtungen zu dokumentieren<br />
und zu teilen. Die App kann kostenlos heruntergeladen werden.<br />
Die Senckenberg Gesellschaft<br />
Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an<br />
Lebensformen zu erforschen und zu ver -<br />
stehen, um sie als Lebensgrundlage für zu -<br />
künftige Generationen erhalten und nachhal -<br />
tig nutzen zu können – dafür arbeitet die Sen -<br />
ckenberg Gesellschaft für Naturforschung<br />
seit nunmehr fast 200 Jahren. Diese inte -<br />
grative »Geobiodiversitätsforschung« sowie<br />
die Vermittlung von Forschung und Wissen -<br />
schaft sind ihre Aufgaben. Drei Naturmuseen<br />
in Frankfurt, Görlitz und Dres den zeigen die<br />
Vielfalt des Lebens und die Ent wicklung der<br />
Erde über Jahrmillionen.<br />
Die Senckenberg Gesellschaft für Naturfor -<br />
schung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemein -<br />
schaft. Das Senckenberg Naturmuseum in<br />
Frank furt am Main wird von der Stadt Frank -<br />
furt am Main sowie vielen weiteren Partnern<br />
ge fördert. Mehr Informationen unter<br />
www.senckenberg.de<br />
Genau 112 Schmetterlinge, 173 Vögel und 60<br />
Säugetiere – das sind unter anderem die<br />
»Arten in meiner Umgebung«, wenn man in<br />
Frankfurt die Smartphone-App »Map of Life« befragt.<br />
Zu jeder der Tier- und Pflanzenarten gibt es einen<br />
Steckbrief mit Informationen zur Verbreitung, zum<br />
Aussehen sowie Fotos. »Mit der heute neu erschienenen<br />
App kann man sich die Tiere in seiner unmittelbaren<br />
Umgebung anzeigen und erläutern lassen – und<br />
das weltweit«, erklärt Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese,<br />
Direktorin am Senckenberg Biodiversität und Klima<br />
Forschungszentrum in Frankfurt, und ergänzt: »Ein<br />
Eichhörnchen erkennt wahrscheinlich jeder, die Unterscheidung<br />
einer Wald- von einer Feldspitzmaus ist<br />
schon schwieriger.«<br />
Die von der Universität Yale in Zusammenarbeit<br />
mit Senckenberg und weiteren Institutionen entwi -<br />
ckelte App ist nicht nur ein digitales Nachschlagewerk.<br />
Böhning-Gaese hierzu: »Jeder Nutzer kann seine Tierbeobachtungen<br />
direkt dokumentieren und leistet so<br />
einen wichtigen Beitrag zur Erfassung der Artenvielfalt.«<br />
Aktuell sind bereits über 31.000 Arten in der App<br />
dokumentiert. In der hinter der Anwendung stehenden<br />
Datenbank des »Map of Life«-Projektes sind es<br />
knapp eine Millionen erfasste Arten. »Es gibt aber<br />
nach wie vor große ‚weiße Flecken‘ auf der Weltkarte.<br />
Langfristig wollen wir Informationen über die Verbreitung<br />
aller bekannten Tier- und Pflanzenarten bündeln<br />
und visualisieren. Das wird uns zeigen, wie viel<br />
oder wie wenig wir über ihr Vorkommen überhaupt<br />
schon wissen«, so Böhning-Gaese.<br />
Darüber hinaus lassen sich anhand der »Map of<br />
Life« Hotspots der biologischen Vielfalt und der Bedrohung<br />
von Arten besser identifizieren. Damit können<br />
zum Beispiel im Naturschutz und Naturmanagement<br />
leichter Prioritäten gesetzt werden. »Die Welt<br />
verändert sich schnell, und Arten verschwinden, bevor<br />
wir überhaupt wussten, wo es sie gab, welche Rolle sie<br />
spielten und wie wir sie hätten schützen können. Unser<br />
Wissen ist auf zu wenige Gebiete und Arten beschränkt.<br />
Weltweit Arten zu erkennen und zu dokumentieren<br />
birgt ein großes Potenzial für eine geografisch<br />
und taxonomisch vollständige Erfassung der Artenvielfalt«,<br />
fasst Dr. Walter Jetz, Professor an der Universität<br />
Yale und Leiter des »Map of Life«-Teams, zusammen.<br />
Die kostenlose App ist in sechs Sprachen für<br />
Apple- und Android-Smartphones verfügbar unter<br />
https://mol.org/mobile<br />
74 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Anzeigen<br />
Für all das, was Sie nicht<br />
mit einer Anzeige sagen können ...<br />
... gibt es die individuellen Firmenporträts<br />
und Unternehmensberichte von<br />
Das garantieren wir Ihnen:<br />
- individuelle Vorstellung Ihres Unternehmens<br />
- hochwertiger Journalismus von einem unserer Redakteure<br />
- dargestellt im professionellen Grafiklayout der Fachzeitschrift<br />
- die Veröffentlichung erfolgt nach einer finalen Abstimmung mit Ihnen<br />
- über 30.000 Kontakte im Allgäu und in Oberschwaben<br />
Die nächste Ausgabe erscheint am 6. November <strong>2015</strong>.<br />
Redaktions- und Anzeigenschluss ist am 2. Oktober.<br />
Wir freuen uns auf Ihre unverbindliche Anfrage und beraten Sie gerne:<br />
Sven Christian Abend, Tel. 08379/728616<br />
E-Mail: sven.abend@heimat-allgaeu.info<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
Regionale Berichte zu Energiezukunft und Klimaschutz<br />
allgäu <strong>ALTERNATIV</strong><br />
jetzt auch<br />
online lesen!<br />
www.allgaeu-alternativ.de<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
75
Natur<br />
Eine kalte Kinderstube<br />
Allgäutypische Stauden aus Kimratshofen<br />
Das raue Klima des Allgäus ist die Kinderstube<br />
der Pflanzen von Ulrike Bosch und<br />
Peter Koch. Ihre Stauden-Gärtnerei liegt<br />
auf knapp 800 Metern Höhe in Kimratshofen.<br />
Anders als die Gärtnereien, die es in<br />
beinahe jedem Ort gibt, sind Stauden-<br />
Gärtnereien rar gesät. So kommen die<br />
Käufer sogar aus München ins Allgäu.<br />
Bioland-Richtlinien eingehalten<br />
Vorwitzig strecken die Allgäu-<br />
Stauden-Gewächse ihre Blüten -<br />
köpfe aus den Anzuchtkisten<br />
Das Sortiment umfasst rund 1300 Arten und<br />
Sorten. Außer Stauden sind Gräser, Farne und<br />
eine Vielzahl Kräuter dabei. Zudem eine Auswahl<br />
robuster Rosen. In der großen »Säuglingsstation«<br />
im Gewächshaus wachsen die über Aussaat, Teilung,<br />
Stecklinge oder durch Wurzelschnitt gewonnenen<br />
Pflänzchen heran. Die Gewächshäuser sind nicht beheizt.<br />
Im Winter herrschen hier zeitweise bis zu zweistellige<br />
Minusgrade. Daher sind die »Allgäu«-Stauden<br />
alles andere als verhätschelt und an raue Bedingungen<br />
gewöhnt. Nach den ersten Wochen im Gewächshaus<br />
müssen pro Jahr rund 80.000 Zöglinge zur Abhärtung<br />
ins Freiland umziehen. Die Betreiber der Stauden-Gärtnerei,<br />
Ulrike Bosch (44) und Peter Koch (51), legen<br />
größten Wert darauf, dass ihre Pflanzen überwiegend<br />
aus eigener Anzucht stammen. Denn nur so können sie<br />
die Qualität ihres Sortiments im Griff behalten.<br />
Auch, wenn anders als bei den Kräutern die Stauden<br />
nicht auf dem Teller landen, wird konsequent<br />
nach Bioland-Richtlinien produziert. Gedüngt wird<br />
ausschließlich mit organischen Substanzen. (Wühl-)<br />
Mäusen rücken die Gärtner mit Lebend-Fallen und<br />
Katzen (Pech gehabt!) auf den Leib. Die große Vielfalt<br />
des Sortiments kommt der ökologischen Produktion<br />
zugute, da die unterschiedlichsten Pflanzen Seite an<br />
Seite stehen und somit wesentlich weniger anfällig für<br />
Schädlinge sind als in Monokulturen. Die Produktion<br />
nach Bioland-Richtlinien hat zudem der Vielfalt der<br />
Insekten- und Schmetterlingswelt gut getan, da diese<br />
oft auf spezielle Pflanzen geprägt sind, die sie in einer<br />
Agrarlandschaft nicht mehr finden.<br />
Handschäufelchen als Werkzeug<br />
Peter Koch ist Gärtner von der Pike auf: »Ich wurde<br />
mit einem Schäufelchen in der Hand geboren«,<br />
meint er mit einem Grinsen. Als gelernter Gärtner und<br />
Gartenbautechniker stehen »seine« Pflanzen immer im<br />
Mittelpunkt seines Schaffens. Dabei sieht man ihm<br />
nicht an, dass er ausgerechnet die zarten Pflanzen liebt<br />
und ihm besonders Veilchen ans Herz gewachsen sind.<br />
76<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Über das Veilchen und dessen Geschichte kann Koch<br />
begeisternde Vorträge halten. Ulrike Bosch, eine studierte<br />
Landschaftsplanerin, ist mehr für die »Stimmigkeit«<br />
eines Staudengartens verantwortlich. Sie berät<br />
Kunden, wie Pflanzen miteinander harmonieren und<br />
sich gegenseitig zur Geltung bringen können. Da nicht<br />
jeder ihrer Kunden einen »grünen Daumen« hat oder<br />
einen stimmungsvollen Garten kreieren kann, oder keinen<br />
hohen Aufwand dafür betreiben möchte, stellt sie<br />
zueinander passende Sortimente von Stauden wie den<br />
»romantischen Blütentraum« zusammen. Andere Sortiments-Zusammenstellungen<br />
eignen sich besonders<br />
gut für alte Gemäuer oder stehen wirkungsvoll im Kontrast<br />
zu moderner Architektur.<br />
Viola – Lieblingstochter<br />
Das Veilchen ist Peter Koch ans Herz gewachsen.<br />
Seine fantastische Farbenvielfalt während der kalten<br />
Jahreszeit macht es zu einer der beliebtesten Rabattenstauden.<br />
Die bescheidenen Stauden blühen und duften<br />
mit vornehmer Zurückhaltung im Frühjahr, sobald<br />
die Sonne die ersten kleinen Böschungen und Gehölzränder<br />
erwärmt hat. Bis zum Ersten Weltkrieg waren<br />
Veilchen als Schnittblumen weitverbreitet. Großkulturen<br />
gab es vor allem England, aber auch in Deutschland<br />
wurden sie als Treibveilchen unter Glas kultiviert.<br />
Für Parfümeriezwecke und für die Konditorei (kandierte<br />
Veilchen) wurden Veilchen ebenfalls verwendet,<br />
nach Einführung synthetischer Veilchenduftstoffe ist<br />
diese Nutzung praktisch bedeutungslos geworden.<br />
Heute wird der kommerzielle Anbau nur noch in geringem<br />
Umfang in der Umgebung von Toulouse betrieben.<br />
Darüber hinaus sind sie in den beiden Städten<br />
Parma und Toulouse von hoher folkloristisch-touristischer<br />
Bedeutung.<br />
Wer auf Kunden wartet, wartet oft lange<br />
Kunden, die speziell an Stauden oder einem Staudengarten<br />
interessiert sind, machen sich zwar gerne<br />
auf den Weg nach Kimratshofen, das in einer wunderschönen<br />
Wandergegend liegt, aber allein davon lässt<br />
sich weder wirtschaften noch leben. So packen Ulrike<br />
Bosch und Peter Koch von April bis Oktober ein gerade<br />
jahreszeitlich aktuelles Sortiment ihrer »Zöglinge«<br />
zusammen, um sie auf Gartenmärkten zu verkaufen.<br />
Auf rund 20 Märkten und Gartentagen sind sie<br />
bei jedem »Wind und Wetter« von Isny bis Lindau<br />
und von Bregenz bis Maikammer in der Pfalz präsent.<br />
Mit einem viermal pro Jahr erscheinenden »Staudenblitz«<br />
machen die Gärtner ihre Kunden auf Trendthemen<br />
und Pflanztermine aufmerksam. Beliebt sind<br />
bei den Kunden »Komplettlösungen«. Im Frühjahr beginnt<br />
es mit einem Veilchenset oder »Sonnenhungrigen<br />
Stauden-Zwergen«, gefolgt vielleicht von einem<br />
farbenfrohen Primelsortiment. Über den Sommer erfreuen<br />
dann Wiesenstauden – entweder als »genügsame«<br />
oder »anspruchsvolle Gesellen«. Ulrike Koch<br />
stellt auf Wunsch spezielle Sortimente für die unterschiedlichsten<br />
Ansprüche zusammen. Rund 100 Postsendungen<br />
an online-Kunden verlassen täglich die<br />
Gärtnerei. Liebevoll verpackt in Papier und Bio-Stroh.<br />
Thomas Niehörster<br />
Fotos: Thomas Niehörster<br />
Ulrike Bosch und Peter Koch<br />
(Foto unten) bei der Arbeit in<br />
ihrer Gärtnerei in Kimratshofen<br />
AllgäuStauden<br />
Mittelberg 3<br />
87452 Altusried-Kimratshofen<br />
mobil 01578/7830559<br />
Büro/Postadresse:<br />
AllgäuStauden<br />
Schmidsfelden 6<br />
88299 Leutkirch<br />
Telefon 07567/9887404<br />
info@allgaeustauden.de<br />
www.allgaeustauden.de<br />
Was ist was? Blume, Staude, Strauch.<br />
Der Unterschied ist nicht im mer leicht zu erklären, da wie<br />
die Tulpe auch Staude und Strauch Blüten haben (können),<br />
die über wiegend der Fortpflanzung dienen. Bei der »Blume«<br />
geht man zumeist von einer ein jähr igen Pflanze wie z.B.<br />
einer Tu lpe aus, die allein dazu dient, abgeschnitten und zu<br />
einem Strauß gebunden zu werden. Die Stauden hin gegen<br />
sind mehrjährige ausdauernde Pflan zen, deren oberirdische<br />
Pflanzenteile im Gegen satz zu Bäumen und Sträuchern<br />
nicht verholzen. Stauden (Pfingstrose) überdauern meh rere<br />
Jahre und blühen und fruchten in jedem Jahr erneut.<br />
Sträucher (Forsythie) sind Pflanzen, die bodendeckend oder<br />
aufrecht wachsen und verholzen.<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
77
Umwelt<br />
Die unwillkommenen Gäste<br />
Fremde Einwanderer in unserem Ökosystem<br />
Die Schnappschildkröte<br />
ist in den Gewässern<br />
Nordamerikas zuhause.<br />
Als »Lotti aus dem Allgäu«<br />
geisterte eine solche<br />
Alligatorschildkröte in den<br />
letzten Jahren durch die<br />
internationale Medien<br />
Seit 1. Januar <strong>2015</strong> gilt in allen EU-Staaten eine neue Verordnung über invasive<br />
gebietsfremde Arten (Neophyten). Damit will die Europäische Union gegen einen<br />
der Faktoren aktiv vorgehen, die die Artenvielfalt und damit Ökosystemleistungen<br />
bedrohen. Die auf Verordnung hat weitreichende Auswirkungen auf die Arbeit der<br />
Behörden sowie auf den Handel mit Tieren und Pflanzen.<br />
Sie können sich noch erinnern: Im August<br />
2013 wurde ein achtjähriger Bub beim Baden<br />
im Oggenrieder Weiher im Ostallgäu angeblich<br />
von einer Schnappschildkröte gebissen. Seine<br />
Achillessehne wurde dabei zweifach durchtrennt. Die<br />
Boulevardpresse stürzte sich damals auf das Thema.<br />
Das Phantom-Tier bekam den Namen Lotti. Das<br />
Ostallgäu war in aller Munde. Es wurde vergeblich mit<br />
Ködern und Lebendfallen nach dem Tier gesucht. Im<br />
Juni 2014 will dann eine Frau das Tier im benachbarten<br />
Klosterteich von Irsee gesehen haben. Wir können<br />
darauf warten, ob auch dieses Jahr wieder mysteriöse<br />
Berichte über Lotti auftauchen.<br />
Fakt ist, dass auch bei uns im Allgäu immer wieder<br />
Tiere und Pflanzen gefunden werden, die hier eigentlich<br />
nicht heimisch sind. Lotti ist eine Alligatorschildkröte,<br />
die in den Sümpfen Nordamerikas zu Hause<br />
ist. Bei uns wird sie von Tierliebhabern privat eingeführt,<br />
gezüchtet und gehalten. Es gibt immer wieder<br />
Berichte, dass solche bis zu einem halben Meter großen<br />
Schildkröten von ihren Haltern ausgesetzt werden, weil<br />
sie nicht mehr in das heimische Aquarium passen.<br />
Die EU wird handeln<br />
In der Europäischen Union (EU) und den angrenzenden<br />
europäischen Ländern kommen über 12.000 ge-<br />
78<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
Ein erstaunliches Wachstum<br />
legt der Riesen-Bärenklau an<br />
den Tag. Er hat sich im Allgäu<br />
festgesetzt<br />
bietsfremde Arten vor, von denen geschätzte 10 bis 15<br />
Prozent als invasiv gelten. Das heißt, diese invasiven Arten<br />
verdrängen einheimische Arten, beeinträchtigen<br />
funktionierende Ökosysteme oder verursachen ökonomische<br />
Schäden. Das Allgäu stellt in dieser Hinsicht keine<br />
Insel der Glückseligen dar. Wie viele dieser 12.000<br />
Arten auch hier zu finden sind, ist nicht erforscht.<br />
Da es inzwischen sehr viele invasive gebietsfremde<br />
Arten gibt, muss die Politik Prioritäten setzen. Bis<br />
zum 2. Januar 2016 soll dazu die sogenannte »Unionsliste«<br />
erstellt werden für Arten, von denen länderübergreifende<br />
Gefahren ausgehen. Voraussetzung für die<br />
Aufnahme in diese Liste ist, dass die entsprechende<br />
Art in mindestens drei EU-Staaten als »invasiv gebietsfremd«<br />
eingestuft wird.<br />
europäische Länder vergleichsweise klein sind. Rein<br />
nationale Konzepte können deshalb nicht effektiv sein,<br />
da die Arten bekanntermaßen nicht an den Grenzen<br />
haltmachen.<br />
Invasion im Allgäu<br />
Die biologische Invasion betrifft auch das Allgäu<br />
– und es sind überwiegend nicht Tierarten, die sich<br />
hier breitmachen, sondern Pflanzen wie der Riesen-<br />
Bärenklau, der aus dem Kaukasus eingewandert ist<br />
und sich auch bei uns recht wohlfühlt. Er wird hier<br />
Zunehmend große Sorgen<br />
mach en sich Allgäuer Landwirte<br />
wegen der Ausbreitung von<br />
Jak obskreuzkraut, das für Vieh<br />
gefährlich werden kann. Auf der<br />
Wiese meiden die Tiere die<br />
giftige Pflanze, im Heu können<br />
sie das Kraut nicht mehr<br />
identifizieren<br />
Keine »Gleichbehandlung«<br />
Zwischen 2005 und 2008 haben Forscher eine<br />
Datenbank erstellt, die inzwischen detaillierte Informationen<br />
zu 12.122 Arten sowie 2440 Experten zu<br />
biologischen Invasionen in Europa enthält. Außerdem<br />
wurde auch eine Liste der 100 problematischsten Arten<br />
erstellt – inklusive Vorkommen und Risikobewertung.<br />
Die EU und ihre Mitgliedsländer stehen jetzt vor<br />
der Herausforderung, zu entscheiden, welche davon<br />
in die Unionsliste übernommen werden sollen. Dabei<br />
dürfen sie aber nicht bei einer reinen Risikobetrachtung<br />
stehenbleiben, sondern müssen auch den Nutzen<br />
von Arten und regionale Aspekte einbeziehen. Eine<br />
Art, die zum Beispiel in Norwegen ein Problem sein<br />
kann, muss dies im Süden Italiens nicht sein.<br />
»Es wird nicht leicht, sich auf einen europaweiten<br />
Nenner zu einigen und trotzdem die regionalen Bedingungen<br />
bei der Abschätzung der gesundheitlichen,<br />
ökonomischen und ökologischen Gefahren zu berücksichtigen«,<br />
schätzt der Biologe Dr. Stefan Klotz vom<br />
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) die<br />
Lage ein. In der europäischen Regelung sieht er trotzdem<br />
einen großen Schritt in die richtige Richtung, da<br />
Fotos: Klaus-Dieter Sonntag,fotoplusdesign.de/UFZ, André Künzelmann/UFZ, Archiv EDITION <strong>ALLGÄU</strong>, Udo Rose<br />
79
Umwelt<br />
Publikationen und Links<br />
Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 des Euro -<br />
päischen Parlaments über die Prä ven tion und<br />
das Management der Einbringung und Ausbreitung<br />
invasiver gebietsfremder Arten<br />
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/<br />
TXT/PDF/?uri=CELEX:32014R1143&from...<br />
http://ec.europa.eu/environment/nature/in<br />
vasivealien/index_en.htm<br />
Link im Internet: Datenbank des EU-<br />
Forschungsprojektes DAISIE (Delivering Alien<br />
Invasive Species Inventories for Europe):<br />
http://www.europe-aliens.org/ und http://<br />
easin.jrc.ec.europa.eu/ (Info in englischer<br />
Sprache). Informationen in deutscher<br />
Sprache zu den Forschungen des Helmholtz-<br />
Zentrums für Umweltforschung (UFZ) gibt es<br />
im Internet unter<br />
http:/www.ufz.de/index.php?de=16302<br />
wohl nicht mehr ausgerottet werden. Er ist in Gärten,<br />
Parks, an Straßenrändern, in Bach- und Flusstälern<br />
sowie auf Brachen anzutreffen und kann dort die heimische<br />
Vegetation verdrängen. Aufgrund seiner guten<br />
Aussamung wurde er schnell zu einer Plage und bildet<br />
in kürzester Zeit große Bestände, die sich nur sehr<br />
schwer entfernen lassen.<br />
In feuchten Allgäuer Wirtschaftswiesen, aber auch<br />
gelegentlich in Streuwiesen tritt in den letzten Jahren<br />
vermehrt das Wasserkreuzkraut auf. Neben dem Wasserkreuzkraut<br />
(auch Greiskraut genannt) wird die Zunahme<br />
von anderen Kreuzkräutern (Senecio-Arten),<br />
beispielsweise von Jakobskreuzkraut in etwas trockeneren<br />
Wiesen – auch in Viehweiden – festgestellt. In<br />
den Bergregionen des Allgäus wandert das Alpenkreuzkraut<br />
derzeit in etwas tiefere Lagen ein, und entlang<br />
von größeren Straßen breitet sich schrittweise auch<br />
das Schmalblättrige Kreuzkraut aus, ein aus Afrika eingewanderter<br />
Neophyt. Von Seiten der Landwirtschaft<br />
und des Naturschutzes wird dies mit gewisser Sorge beobachtet,<br />
da diese Pflanzen Giftstoffe enthalten, die sich<br />
auf die Nutztiere (Rinder, Pferde, Schafe) negativ auswirken<br />
können. Seit 2010 werden bei uns mit einem<br />
Fragebogen mit Bestimmungshilfe Grunddaten über<br />
das Vorkommen zu Kreuzkräutern erhoben. Damit<br />
können Verbreitungs-Schwerpunkte, insbesondere des<br />
Wasserkreuzkrautes, identifiziert und die Problemlagen<br />
eingegrenzt werden. Regulierungsansätze zur Verdrängung<br />
von Wasserkreuzkraut am Öschlesee gab es im<br />
Jahr 2013. Am Standort »Oberdorfer Moos« bei Martinszell<br />
werden mechanische Maßnahmen (Ausstechen<br />
und Mähregime) getestet. Weitere Informationen über<br />
das Kreuzkraut im Allgäu findet man im Internet unter<br />
http://www.lfu.bayern.de/natur/streuwiesen/kreuzkraeuter/index.htm<br />
Vorschriften einhalten<br />
Solche regionalen Initiativen machen aber nur<br />
Sinn, wenn sie im größeren Rahmen betrachtet werden.<br />
Im Gegensatz zu einer Richtlinie, die nur den<br />
Rahmen vorgibt und erst in nationales Recht umgesetzt<br />
werden muss, gilt die neue EU-Verordnung direkt<br />
seit Jahresbeginn in allen Mitgliedstaaten. Unmittelbare<br />
Rechtsfolgen ergeben sich aber erst, wenn die<br />
Unionsliste erarbeitet ist. »Die Unionsliste ist das<br />
Schlüsselelement der Verordnung. Sobald die Liste<br />
vorliegt, gelten für die dort gelisteten Arten umfassende<br />
Besitz- und Vermarktungsverbote. Außerdem ergeben<br />
sich für die Mitgliedsstaaten Verpflichtungen,<br />
nicht nur diese Verbote durchzusetzen, sondern auch<br />
weitergehende Management- und Beseitigungsmaßnahmen<br />
zu treffen, sofern dies mit angemessenem<br />
Aufwand möglich ist«, unterstreicht der Umweltjurist<br />
Prof. Wolfgang Köck vom UFZ Konsequenzen, die vor<br />
allem den kommerziellen Handel treffen werden. Für<br />
Privatpersonen mit Haustieren gilt eine Übergangsregelung.<br />
Sie dürfen ihr »fremdes« Haustier, auch wenn<br />
es auf der Unionsliste geführt wird, bis zum Tode behalten,<br />
sofern alles getan wird, um eine Fortpflanzung<br />
oder ein Entkommen auszuschließen.<br />
Wissenschaft im Boot<br />
Bereits jetzt hat sich die Beratung durch die Wissenschaft<br />
gelohnt: »Es war ursprünglich einmal ge-<br />
Die Beifuß-Ambrosie stammt<br />
ursprünglich aus Nordamerika<br />
und hat sich bereits in weiten<br />
Tei len Europas ausgebreitet.<br />
Ihre Pollen sind aggressive<br />
Allergie-Auslöser<br />
Fotos: Dakota L./Wikipedia, An0002/Wikipedia, Sage Ross/Wikipedia<br />
80 allgäu<strong>ALTERNATIV</strong>
plant, die Liste der Arten, die aktiv bekämpft werden<br />
sollen, durch politischen Willen auf 50 Arten zu beschränken«,<br />
berichtet Biologe Prof. Ingolf Kühn vom<br />
UFZ. »Nach Protesten aus der Wissenschaft sind diese<br />
Pläne dann aber wieder fallengelassen worden. Es ergibt<br />
einfach keinen Sinn, willkürlich eine Zahl festzulegen,<br />
bevor die Mitgliedsstaaten nicht ihre Informationen<br />
abgeliefert haben. Außerdem können sich Ökosysteme<br />
sehr dynamisch entwickeln. Wir müssen daher<br />
auch in Zukunft flexibel auf die aktuellen Entwicklungen<br />
reagieren können.«<br />
Vorsorge ist billiger<br />
Die neue Verordnung ist keine reine Bekämpfungsverordnung,<br />
sondern hat einen stark präventiven<br />
Charakter, da Arten, wenn sie sich erst einmal etabliert<br />
haben, kaum oder nur mit hohen Kosten noch zu bekämpfen<br />
sind. Daher sollen vorrangig Arten in die Liste<br />
aufgenommen werden, die noch nicht in der EU<br />
vorkommen oder erst am Anfang stehen, aber ein großes<br />
Gefahrenpotenzial besitzen. Beim berüchtigten<br />
Riesen-Bärenklau oder der allergieauslösenden Beifuß-Ambrosie<br />
rechnen Experten deshalb nicht damit,<br />
dass sie auf der Unionsliste landen, da sie bereits sehr<br />
verbreitet sind und die Kosten einfach zu hoch wären.<br />
»Aussichtsreiche Kandidaten« sind bisher mehrere Arten,<br />
die bereits in einer früheren Naturschutzverordnung<br />
enthalten waren und daher in der neuen Verordnung<br />
explizit genannt werden. Dazu zählen Schönhörnchen<br />
aus Asien sowie Grauhörnchen und Fuchshörnchen<br />
aus Amerika. Sie haben in England die heimischen<br />
Eichhörnchen schon fast verdrängt und sind<br />
auch bei uns auf dem Vormarsch. Die ursprünglich in<br />
Nordamerika beheimateten Schwarzkopfruderenten<br />
zählen in Europa zu den Gefangenschaftsflüchtlingen,<br />
Die Helmholtz-Forschung<br />
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung<br />
(UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ur -<br />
sachen und Folgen der weitreichenden Ver -<br />
änderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit<br />
Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den<br />
Folgen des Klimawandels und An passungs -<br />
möglichkeiten, Umwelt- und Bio tech nologien,<br />
Bioenergie, dem Verhalten von Chemi kalien in<br />
der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit,<br />
Modellierung und sozialwissenschaftlichen<br />
Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere For -<br />
schung dient der nachhaltigen Nutzung na tür -<br />
licher Ressourcen und hilft, diese Lebens -<br />
grund lagen unter dem Einfluss des globalen<br />
Wan dels langfristig zu sichern. Das UFZ be -<br />
schäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und<br />
Magdeburg mehr als 1100 Mitarbeiter. Es<br />
Die Grauhörnchen verdrängen<br />
die einheimischen Eichhörnchen<br />
aus ihren angestammten<br />
Revieren<br />
wird vom Bund sowie von Sachsen und<br />
Sachsen-Anhalt finanziert. http:/www.ufz.de/<br />
Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge<br />
zur Lösung großer und drängender Fragen<br />
von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirt -<br />
schaft durch wissenschaftliche Spitzenleistun -<br />
gen in sechs Forschungsbereichen: Energie,<br />
Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsse l tech -<br />
no logien, Struktur der Materie sowie Luft -<br />
fahrt, Raumfahrt und Verkehr. Die Helmholtz-<br />
Gemeinschaft ist mit 35.000 Mitarbeite -<br />
rinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungs -<br />
zent ren und einem Jahresbudget von rund<br />
3,8 Milliarden Euro die größte Wissen -<br />
schafts organisation Deutschlands. Ihre Arbeit<br />
steht in der Tradition des großen<br />
Naturforschers Hermann von Helmholtz<br />
(1821-1894). http:/www.helmholtz.de/<br />
allgäu<strong>ALTERNATIV</strong><br />
81
Der Große Höckerflohkrebs<br />
frisst eine Wasserassel<br />
Die Mahonie stammt aus dem<br />
Nordwesten der USA und kam<br />
als Zierstrauch nach Europa.<br />
Seitdem breitet sie sich<br />
invasionsartig aus<br />
die sich mittlerweile in Europa fest etabliert haben. Da<br />
sie sich stark mit den sehr seltenen einheimischen<br />
Weißkopfruderenten vermischen und diese langfristig<br />
zu verdrängen drohen, sind umfangreiche Maßnahmen<br />
eingeleitet worden, diese Art innerhalb Europas<br />
einzudämmen.<br />
Klein, aber oho!<br />
Nicht alle Eindringlinge in unsere heimische Natur<br />
sind gleich sichtbar. Der Große Höckerflohkrebs<br />
ist ein bis zu zwei Zentimeter großer Süßwasserkrebs,<br />
im englischsprachigen Raum auch als Killershrimp<br />
bezeichnet, der in den 1990er-Jahren über den Main-<br />
Donau-Kanal in den Rhein eingewandert ist und sich<br />
von dort aus schnell über ganz Europa verbreitet hat.<br />
Er stammt ursprünglich aus den Zuflüssen des<br />
Schwarzen Meeres. Über Donau und Bodensee kam<br />
er auch in unsere Region. Der Große Höckerflohkrebs<br />
ist ein Allesfresser und kann sich sowohl räuberisch<br />
ernähren als auch Algen oder vom Ufer eingetragenes<br />
Laub fressen. In Laborversuchen wurde von anderen<br />
Arbeitsgruppen beobachtet, dass er sich unter Laborbedingungen<br />
deutlich räuberischer verhält als Bachflohkrebse,<br />
seine einheimischen Verwandten. Wissenschaftler<br />
der Universität Koblenz-Landau untersuchen<br />
derzeit, wie sich das Eindringen des Großen Höckerflohkrebses<br />
auf das Okösystem unserer Fließgewässer<br />
und Seen auswirkt.<br />
Große Naturschutz-Aufgaben<br />
Auf die Naturschutzbehörden kommt also in den<br />
nächsten Jahren einiges an Arbeit zu: Sie müssen innerhalb<br />
von eineinhalb Jahren die Wege ermitteln, auf<br />
denen die geächteten Arten in die EU eingeschleppt<br />
werden, Aktionspläne aufstellen und ein Überwachungssystem<br />
etablieren. Gleichzeitig soll so der Informationsaustausch<br />
verbessert werden und eine Art<br />
»Frühwarnsystem« entstehen, damit noch nicht betroffene<br />
Regionen rechtzeitig reagieren können. Mit<br />
der neuen EU-Verordnung wird ein zentrales Element<br />
der 2011 verabschiedeten EU-Strategie zum Schutz<br />
der Biodiversität umgesetzt. Die Verordnung wird in<br />
den kommenden Jahren weitreichende Konsequenzen<br />
haben für Behörden und Händler bis hin zum Endverbraucher,<br />
denn sie setzt ehrgeizige Ziele zur Lösung<br />
von Problemen, die die zunehmende Globalisierung<br />
für die Natur mit sich bringt.