08.12.2012 Aufrufe

5 Neue Ansätze und Instrumente für die Praxis: der Arbeitszeit-TÜV

5 Neue Ansätze und Instrumente für die Praxis: der Arbeitszeit-TÜV

5 Neue Ansätze und Instrumente für die Praxis: der Arbeitszeit-TÜV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

2 <strong>Neue</strong> Zeiten in <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />

Für den Gedanken <strong>der</strong> Humanisierung <strong>der</strong> Arbeit durch kürzere<br />

<strong>Arbeitszeit</strong>en, mehr Zeitsouveränität <strong>für</strong> <strong>die</strong> Beschäftigten<br />

<strong>und</strong> weniger Schicht- <strong>und</strong> Wochenendarbeit scheint in<br />

<strong>der</strong> aktuellen arbeitszeitpolitischen Debatte kein Platz mehr<br />

zu sein. Bis vor einiger Zeit haben unter den Ökonomen, Politikern<br />

<strong>und</strong> Journalisten <strong>die</strong>jenigen <strong>die</strong> Meinungsführerschaft<br />

übernommen, <strong>die</strong> immer längere <strong>und</strong> flexiblere <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />

for<strong>der</strong>ten. Bis zum Beginn <strong>der</strong> aktuellen Krise beherrschten<br />

betriebswirtschaftliche Argumente nahezu unangefochten<br />

<strong>die</strong> Szene: »Länger, härter <strong>und</strong> flexibler Arbeiten« hieß <strong>die</strong><br />

Losung, <strong>die</strong> zum Allheilmittel <strong>für</strong> erfolgreiche Standortpolitik,<br />

<strong>für</strong> mehr Wachstum <strong>und</strong> Beschäftigung erklärt wurde.<br />

Alles an<strong>der</strong>e musste dahinter zurückstehen. Doch damit nicht<br />

genug: Diese For<strong>der</strong>ung bestimmte nicht nur <strong>die</strong> wissenschaftlichen<br />

Symposien, <strong>die</strong> Kommentarspalten <strong>der</strong> Zeitungen <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> sonntäglichen Talkshows, son<strong>der</strong>n auch mehr <strong>und</strong> mehr<br />

<strong>die</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>realität in den Betrieben. Ob <strong>die</strong> gegenwärtige<br />

Krise <strong>und</strong> <strong>die</strong> in vielen Betrieben eingeführte Kurzarbeit einen<br />

Gegentrend auslösen können, bleibt abzuwarten.<br />

Zur Zeit ist in vielen Betrieben eine gespaltene Entwicklung<br />

anzutreffen: Während viele Beschäftigte insbeson<strong>der</strong>e im<br />

Produktionsbereich von drastischer Kurzarbeit betroffen<br />

sind, wird in manch an<strong>der</strong>en Bereichen wie etwa Forschung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung <strong>die</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> weiterhin ausgeweitet. Erste<br />

Auswertungen <strong>der</strong> WSI-Betriebsräte-Befragung, <strong>die</strong> zwischen<br />

September 2008 <strong>und</strong> Januar 2009 durchgeführt wurde,<br />

zeigen: Für 37 Prozent <strong>der</strong> Betriebsräte ist es eine alltägliche<br />

Beobachtung, dass Beschäftigte mehr als neun St<strong>und</strong>en am<br />

Tag arbeiten – <strong>und</strong> damit deutlich länger als vertraglich vereinbart.<br />

Für immer mehr Arbeitnehmer/innen ist Stress ein<br />

Dauerzustand. In 84 Prozent <strong>der</strong> deutschen Betriebe gibt es<br />

Beschäftigte, <strong>die</strong> ständig unter hohem Zeit- <strong>und</strong> Leistungsdruck<br />

arbeiten. Hiervon betroffen sind nicht nur Einzelne,<br />

5<br />

➋ <strong>Neue</strong> Zeiten in <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />

son<strong>der</strong>n mit durchschnittlich 43 Prozent große Teile <strong>der</strong><br />

Belegschaft. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass <strong>die</strong> aktuelle<br />

Auftragslage <strong>der</strong> Unternehmen offenbar wenig Einfluss<br />

auf den Zeit- <strong>und</strong> Leistungsdruck hat: So schätzen Betriebsräte<br />

in Unternehmen mit vollen Auftragsbüchern wie auch<br />

in schlecht laufenden Betrieben den Anteil <strong>der</strong> unter hohen<br />

psychischen Belastungen arbeitenden Beschäftigten ähnlich<br />

hoch ein.<br />

Die spürbar gewachsenen Leistungsanfor<strong>der</strong>ungen führen<br />

in einigen Bereichen gleichzeitig zu einer Intensivierung <strong>und</strong><br />

Extensivierung von Arbeit. Beschäftigte dehnen ihre <strong>Arbeitszeit</strong><br />

aus, arbeiten also länger, um <strong>die</strong> höheren Leistungsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

zu bewältigen. In an<strong>der</strong>en Bereichen wird aktuell<br />

<strong>die</strong> <strong>Arbeitszeit</strong> gemäß <strong>der</strong> schlechten Auftragslage zum Teil<br />

drastisch reduziert, um Beschäftigung zu sichern.<br />

Die Bedeutung gewerkschaftlicher <strong>Arbeitszeit</strong>politik verliert<br />

in <strong>der</strong> Krise also keineswegs an Relevanz. Eher das Gegenteil<br />

dürfte <strong>der</strong> Fall sein: <strong>die</strong> beschäftigungspolitische Wirkung von<br />

kürzeren <strong>Arbeitszeit</strong>en ist zur Zeit etwa in Form von Kurzarbeit<br />

deutlich sichtbar. Ein wichtiges Anliegen muss es sein, auch<br />

in <strong>der</strong> Krise wichtige Aspekte wie Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> work-lifebalance<br />

nicht aus dem gewerkschaftlichen Fokus zu verlieren.<br />

Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> <strong>Arbeitszeit</strong>landschaft<br />

Die <strong>Arbeitszeit</strong>landschaft verän<strong>der</strong>t sich mit einer hohen Dynamik:<br />

Nach einer langen Periode in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik,<br />

in <strong>der</strong> <strong>die</strong> tariflichen <strong>und</strong> <strong>die</strong> tatsächlichen <strong>Arbeitszeit</strong>en<br />

immer kürzer wurden, stagniert <strong>die</strong> durchschnittliche<br />

tarifliche <strong>Arbeitszeit</strong> seit Mitte <strong>der</strong> neunziger Jahre bei etwas<br />

mehr als 37 St<strong>und</strong>en pro Woche. Die durchschnittliche tatsächliche<br />

Wochenarbeitszeit von Vollzeitkräften nahm ab Mitte <strong>der</strong><br />

neunziger Jahre in Westdeutschland erstmalig zu <strong>und</strong> liegt

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!