28.03.2016 Aufrufe

Herzschlag_29_03_16

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

31


<strong>Herzschlag</strong><br />

und Wermut<br />

M<br />

al wieder einer dieser Abende. Es war kurz vor zwölf. Ich hatte mich nicht<br />

in Schale geschmissen, trug aber Anzug. Schwarz mit Rollkragen. Die Leute<br />

meiden einen dann. Das war mir ganz recht. Die Leute mögen Anzüge nicht.<br />

Einer dieser Abende, man weiß einfach wie er ausgeht.<br />

Ich stand auf einer brüchigen Straße vor der Tür und klingelte. Rutschte zwischen<br />

den Steinen hin und her. Ich war nicht nervös. Dunkelheit auf der Straße.<br />

Ein paar Laternen. Flackerndes Licht. Irgendwo beim Prospect Park in Brookyln.<br />

Es war den Tag über sehr heiß gewesen. Ich hatte mich nicht wie viele andere an<br />

den Strand gelegt, sondern den Tag in meinem Wagen mit offenem Verdeck verbracht.<br />

Die Beine auf dem Armaturenbrett überkreuzt. Im Rücken dieser Vergnügungspark.<br />

Unter mir der Holzsteg und aus meinem Blickwinkel nichts als der<br />

Atlantik. Ich genoß diesen privaten Moment unweit des Strandes, wo wie gesagt<br />

die Anderen waren. Wer sagt, die Hölle, das sind die Anderen, der besorge sich<br />

einen Wagen und verbringe einen Tag mit sich selbst. Zumindest mir erscheint<br />

das als eine probate Lösung. In meiner Zeit in New York kam ich irgendwann zu<br />

dem Punkt, wo ich mich zwischen Essen und Trinken entscheiden musste und<br />

ich beschloss das restliche Geld an einem Tag in Flüssiges zu verpulvern.<br />

Es war noch immer heiß – relativ. Ich ließ mich davon nicht stören und hatte<br />

einen handlichen Sonnenschirm zwischen Oberarm und Brust geklemmt, als<br />

wäre ich von einem Speer getroffen. Ich klingelte noch einmal. Hörte wie jemand<br />

auf der anderen Seite an die Tür trat. Sah wie ein Oktupusauge durch den Türspion<br />

spähte. Hörte ein metallenes Geräusch, als der Blickschutz beiseite geschoben<br />

wurde und ein Bulldoggen Gesicht schaute durch das Bullauge von Fenster in der<br />

Tür der Bar und öffnete diese.<br />

Mir waren diese Klingelspiele, das Warten vor der Tür und dieser künstliche<br />

Respekt, schon immer albern. Nicht mal als Kind fand ich Klingelstreiche besonders<br />

witzig oder geistreich. Ich war wohl ein Kind ohne allzu viel Spaß im Leben<br />

– weiß aber nicht, ob ich das jetzt nur einbilde.<br />

Als ich in die Bar, wie gesagt kurz vor zwölf, kam, herrschte bereits ein reges<br />

32


Treiben. Ein Waits-Verschnitt kämpfte mit dem Klavier. Hier konnte niemand<br />

mehr sagen, dass Piano hätte getrunken. Ich zerteilte eine Schicht Rauch und ließ<br />

den Schirm in einem ausgebeulten Metallzylinder zurück. Der Blick ins Portmonee<br />

offerierte eine Aussicht in absolute Leere. Ich wusste was das heißt – ich<br />

musste später irgendwie halbwegs ungesehen die Zeche prellen.<br />

Was ich hier gut finde, man wird nicht angestarrt. Du kommst nicht in den<br />

Raum und die Gespräche versiegen und die Leute stieren auf dich. Nein wir sind<br />

hier nicht in der Provinz. Jeder ist hier so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass er<br />

gar keine Zeit hat irgendwie zu schauen, wer, was, wie und weshalb da die Tür<br />

reinkommt.<br />

Ich hatte mich an die Bar gestellt. Das war eine Sicherheitsmaßnahme. Ein Deckenventilator<br />

drehte unaufhörlich seine Runden und gab ein Quietschen von<br />

sich, das ich unter Gesprächsgeräuschen und Klaviergeklimmper nur schwer ausmachen<br />

konnte. Ich hatte mich an die Bar gestellt, obwohl ein Hocker neben mir<br />

frei war. Ich muss einfach wissen wann Schluss ist. Im Sitzen geht das nicht. Da<br />

säufst du und säufst, stehst auf und zack trifft dich der Schlag – du bist rotze voll.<br />

An der Bar stehen ist eine Vorsichtsmaßnahme. Ich weiß dann wie viel ich saufe.<br />

Zumal ich, um hier einfach abhauen zu können einigermaßen Herr meiner Beine<br />

sein sollte.<br />

Ich hatte meinen braunen Hut abgelegt. Oft mache ich auch noch meine Armbanduhr<br />

ab und lege sie mit meiner Brille auf den Tresen. Dazu war ich nicht in<br />

der Stimmung. Ich wollte mich nicht allzu heimisch fühlen, denke ich. In der Not<br />

frisst der Teufel Kaviar.<br />

Mir war diese Gruppe von mehreren Männern und einer Frau gleich aufgefallen.<br />

Eine Königin unter Dilettanten, dachte ich und bestellte einen Wermut. Rot.<br />

Öffnete den Knopf meines Jacketts. Ich dachte erst die Männer wären schwul –<br />

waren sie aber nicht. Schwule schauen irgendwann irgendwie zu mir rüber. Diese<br />

hatten von mir nicht die geringste Notiz genommen. Es machte mir nichts aus.<br />

Die Bienenkönigin massig umringt von drögen Drohnen, die sie nur für mich interessanter<br />

machten. Ich trank. Ich mochte das Zeug, weil es so süffig ist und wegen<br />

dem Namen. Baal, Belzebug, Balthasar, Behemoth, irgendetwas mit B. Diese<br />

Buchstaben das konnte nur Gutes verheißen.<br />

Ein Saxophonist kam dazu. Stellte sich neben das Klavier und den besoffenen<br />

Musiker und fing an zu spielen, ohne den Anderen anzuschauen.<br />

Ich weiß noch, ich stellte etwa gegen Mittag den Wagen auf den Holzsteg. Ließ<br />

die Karusselle bewusst hinter mir. Ich war nicht dort, um mich zu vergnügen. Ich<br />

öffnete das Verdeck und hörte ein paar Songs, die genauso wie die Insel hießen.<br />

33


Noch in den 40ern trennte die Insel von Brooklyn eine Meerenge. Las ich in einem<br />

Prospekt, das mir in den Wagen geweht war. Schließlich um eine Autobahn<br />

zu bauen einverleibte man Coney Island dem Rest. Irgendwann musste ich eingeschlafen<br />

sein. Ich hatte schon morgens mit dem Trinken angefangen. Dann den<br />

Wagen geliehen, hatte mich aus der unsäglichen Atmosphäre Manhattans schnell<br />

entfernt und ihn direkt ans Wasser gestellt. Zu zweit wäre es sicher romantisch<br />

geworden. Alleine war ich nur irgend zu besoffen um den Wagen auf gerader<br />

Spur zu halten. Ich nenne das D&D drink and drive. Die Sonne knallte mir ins<br />

Gesicht und ich schlief ein.<br />

Ich stand an der Bar. Wie zu guten alten Zeiten, als Bars noch keine Hocker<br />

hatten. Es ärgerte mich, dass es keinen Fernseher mit Sport gab, dem ich besinnungslos<br />

zuschauen und mich gleichgültig unter den Tisch trinken konnte. Es<br />

ärgerte mich, dass ich in so einer Hinterhof-Jazz-Bar war. Um mich irgend zu<br />

unterhalten, hatte den Plan gefasst mich erst mit den Drohnen anzufreunden um<br />

dann auf die Königin zu stürzen. Das dürfte nicht aussehen wie eine Attacke,<br />

weshalb ich, um mich zu beruhigen, noch einen Wermut bestellte. Zugegeben<br />

kein kongenialer, aber immerhin ein Plan.<br />

Rücklings hatte ich mich gegen die Bar gelehnt. Abgestützt auf dem Tresen ließ<br />

ich meine Hände baumeln. In der einen Hand das rote und klebrige Gesöff. Kann<br />

man wirklich nur mit Eis genießen. Mit der anderen drehte ich eine Zigarette, die<br />

ich aber noch nicht anzündete. Der Waits-Verschnitt spielte tatsächlich ein Lied<br />

seines augenscheinlichen Idols. Es war aber nicht Coney Island Baby, sondern<br />

irgendwas von Heartattack and Vine – ich wusste aber nicht genau was.<br />

Irgendwie kamen mir alle Menschen wie Hunde vor. Man ließ sich die Haare<br />

als Mann wieder im Gesicht stehen. So gab es langhaarige Hunde, kurzgeschorene<br />

Köter und kunstvoll melierte Kläffer. Und der Rest sah aus wie hochgezüchtete,<br />

aber zum Leben unbrauchbare Pudel. Männer die aussehen wie Frauen und<br />

Frauen als hätten sie gar kein Geschlecht. Man hat mir schon öfters gesagt, ich sei<br />

irgendwie kein besonders großer Menschenfreund.<br />

Neben mir betrank sich ein Paar oder zwei Fremde auf einem Date. Ich hörte<br />

Fetzen von: nur dieses Mal. Kein Wort zu ihr. Das bringt sowieso nichts. Dann<br />

verließen sie die Bar. Einer die Hand in der Gesäßtasche des Anderen und ich<br />

kam mir vor wie im Rodeo. Fehlte noch der Staub auf der Zunge, für ausreichend<br />

unangenehme Hitze sorgte das Klima hier. Die Gruppe mit den Männern und<br />

der Frau stand noch immer neben mir.<br />

Man hatte sich in diesen Räumlichkeiten angewöhnt einen Klavierspieler und<br />

manchmal einen Saxophonisten zu engagieren. In dieser Bar irgendwo in Brook-<br />

34


lyn. Irgendwo zwischen Prospect Part und Coney Island. Woher ich denn wusste,<br />

dass ich in der Nähe des Parks war? Oft bin ich schon den Weg zur Bibliothek<br />

gelaufen. Nicht dass ich irgendetwas in der Bibliothek in der Public Library am<br />

Grand Army Plaza an der Nordspitze des Parks, zu tun hätte. Was ich arbeite,<br />

kann ich auch überall sonst arbeiten. Auf den Ort kommt es nicht an. Manchmal<br />

aber da braucht es einen erhabenden Ort, damit ich mich selbst, nicht selbst erhaben,<br />

aber immerhin selbst weniger sinnlos empfinde. Meist auch die Tage an<br />

denen ich Anzug trage, obwohl ich das eigentlich nicht müsste. Aber mal ehrlich,<br />

was muss man schon? Oft verstehen Menschen das nicht. Warum ich mir solche<br />

Dinge aufbürde. Anzug tragen, in der Bibliothek sein, obwohl man auch draußen<br />

in der Sonne sitzen kann. Dabei verstehen sie nicht, das die Bürde das Leben ist<br />

und diese Dinge mir Auflasten eigentlich eine Entlasung sind.<br />

Nach kurzer Zeit war ich schon angefüllt von der Musik, dem Rauch und auch<br />

von dem Alkohol. Ich war etwas tiefer gesunken und saß beinahe rücklings an<br />

der Bar, was mir auf die Knie ging. Meine Augen formten sich zu Schlitzen, die<br />

wie Nebelscheinwerfer das Interior abtasteten. In jeder Pause des Musikers bestellte<br />

ich ein neues Glas und trank das Zeug in einem Schluck. Ein Schluck ist<br />

gut, aus dem Augenwinkel sah ich, dass die Flasche bald leer war. Weswegen ich<br />

dann doch einen Manhattan bestellte – besser früher als nie. Die Musik zerfloss<br />

in meinen Ohren. Mein roter Drink wurde schwarz in meinen Augen.<br />

Ich hatte kein Feuer dabei und fragte explizit nach Streichhölzern und zwar die<br />

Gruppe neben mir. Die Frau in der Mitte hatte welche und ich meine Eintrittskarte.<br />

Ich bestellte lautstark eine Runde Wermut für alle. Es wunderte mich, dass die<br />

Frau so oft zum Barkeeper schaute, machte mir aber nicht viel daraus.<br />

Die Bienenkönigin hatte Leder-Ballerina, die vorne an der Spitze belackt waren,<br />

an. Ihre Beine waren dünn, sehr dünn, man würde denken sie brechen bei<br />

jedem Schritt. Sie waren durchgedrückt und ihre Unterschenkel standen über<br />

wie zum Sprung bereit, wie die einer Antilope. Ihr Haar war aschblond. Die<br />

Pupillenknöpfe so groß, dass sie ihre Iris verschlangen. Die Lippen schmal und<br />

rot angemalt. Kein Lippenstift, sondern ein roter Stift, den sie in regelmassigen<br />

Abständen, wann immer sie von ihrem Glas genippt hatte, herausholte und den<br />

Strich nachzog. Einer der Männer, die ich als Drohnen bezeichnete hatte Motorradkleidung<br />

an. Er verhielt sich irgendwie anders als die Anderen. Es war seine<br />

Geste und Gebärde, ich wusste aber nicht was daran. Aber ich muss sagen Wermut<br />

trunken wie ich war, nahm ich an, dass musste ihr Freund sein. Vor dem<br />

musst du dich in Acht nehmen, dachte ich.<br />

Das Saxophon spielte ein ausgedehntes Solo und der Pianist hatte seinen Kopf<br />

35


auf dem schwarzen Lack abgelegt. Ich stob und stakte im süßen Wermut. Ich<br />

klebte wie eine Motte ein Nachtfalter in Melasse. Ich wand mich in zurückgelassener<br />

Asche alter Zigaretten. Ich tobte und wirbelte Staub auf. Sie lachte allgemein<br />

viel oder besonders über meine Scherze. Ich konnte an der Gruppe Männer<br />

nicht erkennen, dass ich irgendwie nicht willkommen war. Ich bestellte noch eine<br />

Runde roten Wermut für uns und wir stießen an. Als ich mit ihr anstoß, berührte<br />

ich vermeintlich versehentlich ihre Schulter. Tropfen rannen über ihre Finger.<br />

Das Rot ihrer Lippen vermengte sich mit dem auf ihrer Hand.<br />

Ich hätte mir einen Barwagen gewünscht, den ich durch die Bar schieben kann.<br />

So ein hölzernes Ding mit Glas oder Metallplatte auf Rädern mit Griff zum Schieben.<br />

An jedem Tisch ein Glas ausschenken, verschenken und heben. Den Wagen<br />

erst als Prestigeobjekt und später als Laufstütze benutzen.<br />

Die Bar, die Kneipe, die Spielunke ist sozusagen mein liebstes Sujet und eigenstes<br />

Habitat. Hier finde ich meine Nische, dort bin ich Raubfisch Barrakuda, da<br />

Schwarmfisch Hering und sonst immer Einsiedlerkrebs.<br />

Weiter hinten auf einem Rattan-Sessel, der mehr als etwas thronhaftes hatte,<br />

sondern leibhaftig wie ein königliches kolonial Abort aussah, saß eine Frau ausgeschnitten,<br />

wie aus dem Beckmann Triptychon, hängend wie gesagt in der unsäglichen<br />

Atmosphäre der Insel. Wie eine Collage entrissen einer vergangenen<br />

Zeit. Mir war weder nach Abfahrt, nach Ankunft – irgendwo ankommen noch<br />

nach einem Beginn zu mute. Hier will keiner das Unsichtbare sichtbar machen.<br />

Jeder Anfang wohnt ein Zauber inne, ist der Satz eines lebenslangen Träumers.<br />

Ich sage jedem Ende, wohnt der Zauber inne.<br />

Beckmann und seine Schüler kannten nur eine Sprache: Scotch. Die Frau auf<br />

dem Pfauensessel saß da und sah aus wie Gainsbourg aus diesem Film über Nymphomanen.<br />

Und würde sie Flüstern, es wäre als sei ihr Mund mit Honig verklebt,<br />

wenn sie spricht. Dieses Schmatzen. Kleben von Schleimhäuten an Zähne in Unterdruck<br />

in der Mundhöhle. Vakuum, liegt ihr wie ein Schokoladenplättchen, auf<br />

der Zunge. Besser als in der Brust. Mit jedem Satz spräche sie und was sie spricht<br />

ist gleich, den jeder Satz wäre um eine zweite Sprache vor und nach den Worten<br />

bereichert, dem Schmatzen. Dem Pressen von Luft durch jäh auftauchende<br />

Schleimhauttunnel ihres wulstigen Mundinnenraums. Der Wermut hatte ganze<br />

Arbeit geleistet.<br />

Am anderen Ende des Tresens saß ein langer Typ, der aussah als gehöre er zum<br />

Dunstkreis von Musikern, Produzenten und Co. Er war mir aufgefallen, weil ich<br />

ihm die Melancholie, mit welcher er in sein Glas schaute, abnahm. Den meisten<br />

Menschen, die irgendwie ihre traurige Ader haben, denen glaube ich das nicht.<br />

36


Denen will ich am liebsten sagen, reiß dich mal zusammen. Dem langen Typen<br />

am Ende des Tresen aber glaubte ich. Ich nahm ihm seinen Hundeblick gen Glasboden<br />

ab.<br />

Es gab eine Pause in der Musik und der Waits-Verschnitt von Pianosänger erwachte<br />

und kam zur Bar. Ich sagte ihm, was ich dachte. Wie auf den Live-Aufnahmen<br />

aus den Siebzigern – das war eine Art Kompliment. Er bestellte Whisky und<br />

ich war sicher das tat er nicht für seine Stimme und sprach nicht weiter mit mir.<br />

Die Gruppe der Drohnen und Bienenkönigin hatte sich an einer der wackligen<br />

Tische gesetzt, direkt vor dem Saxophonisten. So kann man auch Gespräche<br />

verhindern. Der Waits-Verschnitt ging rüber zum Langen und der sprang auf<br />

und ging in die Knie. Weil er so groß ist, fiel sein Kniefall nicht weiter auf. Unbeeindruckt<br />

setzte er sich wieder ans Klavier und die beiden spielten. Ich dachte<br />

mir: früher bargen alle Nächte ein Geheimnis. Waren irgend aufregend und so<br />

wieso ulkig, ein Kapitel für sich, aber der Zauber war abgefallen – schmeckte wie<br />

zu lange in Schnaps eingelegte Früchte, matt und geschmacklos. Aber das passte<br />

ja zu mir.<br />

Vom Barmann kann man sich eine Schale alter Oliven besorgen, was ich auch<br />

machte, knöpfte mein Jackett zu und nahm die Schüssel mit zum Tisch der Königin<br />

und bot ihr ein paar an. Man hatte kein Problem damit, dass ich mich setzte.<br />

Sie aß die Oliven genüsslich beinahe wie aus meiner Hand. Wobei uns ihre<br />

Horde schon argwöhnisch musterte, aber besonders der Barmann schaute mit<br />

Argusaugen auf uns. Das sah ich immer, wenn ich mich zu ihm umdrehte, was<br />

ich dann eher vermied. Ich schaute knapp an ihm vorbei, bestellte zwei Wermut<br />

und dachte die Sache wäre gegessen. Im Gegenteil nahm er sogar meine Bestellung<br />

äußerst widerwillig auf. Ich holte die beiden die Gläser. Nahm unterwegs<br />

einen Schluck. Es stört nicht weiter, dass der Saxophonist einen Takt schneller,<br />

als der Pianist spielte. Ich stellte beide Gläser auf den Tisch. Es waren solche mit<br />

dickem Glasboden. Das Geräusch ging in der Musik unter. Ich stand vor dem<br />

Tisch. Die Bienenkönigin schaute zu mir auf. Ich setzte mich und küsste sie und<br />

fasste sie an die Brust – aber nur an eine. Die Gruppe der Männer erschreckte<br />

sich, wusste nicht recht wie reagieren. In einer Mischung aus Wut und Hilflosigkeit<br />

standen sie um den Tisch, denn sie waren vor Schreck aufgesprungen. Der<br />

Mann in Motorradkleidung, den ich für meinen größten Widersacher hielt war<br />

zur Bar gerannt. Den Barkeeper im Schlepptau starrten sie uns an. Jetzt bloß keinen<br />

<strong>Herzschlag</strong> bekommen Männer, sagte ich. Bringt doch die Flasche Wermut<br />

mit und wir besprechen das – ganz in Ruhe.<br />

Mein Vorschlag stieß auf taube Ohren, was damit, wie gesagt, zusammenhän-<br />

37


gen könnte, dass man hier direkt vorm Saxophonisten saß. Die Bienenkönigin,<br />

die inzwischen ihre dünnen und gebrechlichen Beine, eingewickelt in Strumpfhosen,<br />

auf meine abgelegt hatte, stellte sich als Freundin des Barkeepers heraus.<br />

Was wohl die schlechteste Wahl gewesen ist. Es gab ein großes Gezeter, Geheule<br />

und Gejammer. Einen Mann, denke ich mir, hätte man sicher an Ort und Stelle<br />

mehr noch als die Leviten gelesen, mich eine Frau aber schmiss man nur aus der<br />

Bar.<br />

Als ich aus der Bar kam, war es bereits hell und ich spürte sofort, wie mein<br />

schwarzer Anzug sich aufwärmte. Das war angenehm. Ich setzte mich auf die<br />

Stufen vor der Bar, rauchte. Schaute auf den Wagen, den ich geliehen hatte. Holte<br />

aus meiner Jackettinnentasche die Flasche geklauten Wermut, trank und stand<br />

auf. Machte das Verdeck meines Wagens auf und dachte daran, dass ich den auch<br />

nicht bezahlen werde.<br />

38

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!