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Den letzten beißt das Schwein

Roman von Michael Bresser, erschienen bei emons

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noch mal auf Vaters nicht vorhandene Tränendrüse. Ich hatte<br />

nämlich gestern kurz über den Kaninchenmord nachgedacht<br />

und war zu der Erkenntnis gelangt, <strong>das</strong>s eine Internetrecherche<br />

über weitere Langohrtötungen in dieser Gegend ein geschmeidiger<br />

Einstieg in den Fall wäre. Mittlerweile gab es zu jedem<br />

Thema irgendwas im World Wide Web, und falls es sich bei<br />

dem Karnickelmörder um einen Serientäter handelte, musste<br />

es schon mit dem Teufel zugehen, wenn ich nichts finden<br />

würde.<br />

»Du hast bereits mein Go, also spar dir die Mühe. Was macht<br />

Isolde?«<br />

»Sie hat sich bestens eingelebt und möchte am liebsten –«<br />

»Ich muss los.« Meine Mutter lag ihm offensichtlich noch<br />

mehr am Herzen als sein Stammhalter. »Bis dann, der Gegner<br />

wartet, danach die Ärzte.«<br />

»Viel Glück«, sagte ich noch, dann war’s vorbei mit der<br />

deutsch-spanischen Verbindung.<br />

Ich linste auf die Armbanduhr: halb neun. Schichtbeginn.<br />

Nach einem kurzen Anruf wusste mein Arbeitgeber, <strong>das</strong>s ich<br />

später kommen würde. Das Fest der Lieferung meines funkelnagelneuen<br />

Eos und Laptops wollte ich mir nicht entgehen lassen.<br />

Da Mutter sich mit einem Taxi nach Münster hatte kutschieren<br />

lassen, um eine Astrologin zu konsultieren, gehörte mein Kotten<br />

ausnahmsweise mir allein. Ich öffnete eine Schampusflasche und<br />

stieß mit mir auf meinen Vermögenszuwachs an.<br />

Anderthalb Stunden später klingelte es: Freddy Köhler. Der<br />

Juniorchef hatte vor wenigen Monaten seine Lehre als Kfz-<br />

Mechaniker beendet und durfte erste Erfahrungen im Verkauf<br />

sammeln. Mit seinem sommerbesprossten Gesicht und den<br />

fuchsroten Haaren erinnerte er stark an den jungen Boris Becker.<br />

Allerdings spielte er Handball in der Bezirksliga und nicht Tennis<br />

in Wimbledon.<br />

»Kann mich dein Vater nicht adoptieren? Mensch, wenn mein<br />

Alter so großzügig wäre.« Neid schimmerte in seinen Augen.<br />

»Du hast dir ein tolles Auto ausgesucht. Und der Golf soll zum<br />

Schrott?«<br />

Grinsend händigte ich ihm Papiere und Schlüssel aus. »Weg<br />

damit, aber flott.«<br />

Freddy drückte dem vor der Tür wartenden Azubi die Schlüssel<br />

in die Hand, und zwei Minuten später fuhr die Klapperkiste<br />

vom Hof und aus meinem Leben.<br />

»Nun zeig ihn mir schon, dann kannst du mir auch gleich die<br />

ganze Technik erklären. Aber wahrscheinlich muss man Informatik<br />

studiert haben, um mit dem Wagen zurechtzukommen,<br />

oder?«<br />

Freddy überlegte kurz: »Ich denke nicht. Ist kein Hexenwerk.<br />

Komm, wir haben <strong>das</strong> Schätzchen hinter dem Haus geparkt.«<br />

Ich schmiss eine Lederjacke über, dann stiefelten wir zur<br />

königlichen Kutsche. Als wir um die Ecke bogen, fielen mir<br />

fast die Augen aus dem Kopf.<br />

»Was ist <strong>das</strong> denn?« Meine Stimmung sank in Lichtgeschwindigkeit.<br />

»Dein neuer Capri. Ein echtes Sammlerstück. Die Sekretärin<br />

deines Vaters fragte nach einem besonderen Auto, und da haben<br />

wir sofort an den Ford gedacht. Ein echtes Schmuckstück<br />

von 1971.«<br />

»Da war ich noch nicht mal geboren«, stöhnte ich verzweifelt.<br />

»Zugegeben, einige Macken hat er schon. Manchmal läuft<br />

er in den Kurven nicht rund. Aber hundertachtzig Pferdchen<br />

unter der Haube plus Sportauspuff. Mann, <strong>das</strong> war damals ein<br />

echter Hingucker.«<br />

»Ich mag es nicht so protzig. Können wir den Wagen nicht<br />

tauschen, zum Beispiel gegen den Eos?« Ich sah mich im Geiste<br />

an jeder Kreuzung mit dem adac telefonieren.<br />

»Ausgeschlossen. Du solltest stolz sein, solch einen Oldtimer<br />

fahren zu dürfen. Die Sekretärin deines Vaters hat mir<br />

unmissverständlich zu erkennen gegeben, <strong>das</strong>s der Deal nur<br />

für den Capri gilt. Der ist schließlich auch deutlich günstiger.<br />

Zumindest in der Anschaffung. Wegen der Tankkosten<br />

musst du dir natürlich was einfallen lassen, aber <strong>das</strong> machst<br />

du schon.« Er händigte mir Papiere und Schlüssel aus. »Viel<br />

Spaß damit!«<br />

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