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FINE Das Weinmagazin - 01/2016

Für den Themenschwerpunkt der 32. Ausgabe beschäfftigten sich unsere FINE-Autoren mit Lynch-Bages Tasting Fünfundzwanzig Weine von Château Lynch-Bages Weitere Themen sind: Bourgogne Das weltberühmte Familienweingut Etienne Sauzet Slowenien Die erstaunliche Wiedergeburt eines alten Weinlandes Slowenien Das Weingut Santomas im slowenischen Istrien Slowenien Die Brda: Wiege der slowenischen Wein-Revolution Slowenien Das Weingut Batič im Vitava-Tal Slowenien Das Weingut Vino Graben im Anbaugebiet Posavje Slowenien Das Weingut Marof in der Region Prekmurje Slowenien Štajerska: Die slowenische Steiermark Wein & Speisen Jürgen Dollase bei Jörg Sackmann Champagne Die rosa Seele des Champagners Tasting Die besten Rosé-Champagner Das Große Dutzend Domaine de Chevalier, Léognan Neuseeland Die Winzerlegende Sir George Fistonich Neuseeland Der Pinot-Noir-Pionier Clive Paton und die Folgen Genießen Finger weg vom Spargelwein Frauen im Wein Eva Raps: Vom Büro in den Weinberg Die Pigott Kolumne Ontario ist in jeder Hinsicht cool Piemont Aufbruch im Alto Piemonte: Die Cantina Le Pianelle Cognac Collector’s Blend H250: Die Jubiläums-Editon von Hennessy Die Würtz Kolumne Naturwein: Hype oder zeitgeistiger Fehler? Wein und Zeit Die erste Bodenkarte Rheinhessens Rheinhessen Die wunderbare Weinwelt des Friedrich Groebe Das Bier danach Schaum – die Krone der Bierschöpfung Die besten Rosé-Champagner

Für den Themenschwerpunkt der 32. Ausgabe beschäfftigten sich unsere FINE-Autoren mit Lynch-Bages

Tasting Fünfundzwanzig Weine von Château Lynch-Bages

Weitere Themen sind:
Bourgogne Das weltberühmte Familienweingut Etienne Sauzet
Slowenien Die erstaunliche Wiedergeburt eines alten Weinlandes
Slowenien Das Weingut Santomas im slowenischen Istrien
Slowenien Die Brda: Wiege der slowenischen Wein-Revolution
Slowenien Das Weingut Batič im Vitava-Tal
Slowenien Das Weingut Vino Graben im Anbaugebiet Posavje
Slowenien Das Weingut Marof in der Region Prekmurje
Slowenien Štajerska: Die slowenische Steiermark
Wein & Speisen Jürgen Dollase bei Jörg Sackmann
Champagne Die rosa Seele des Champagners
Tasting Die besten Rosé-Champagner
Das Große Dutzend Domaine de Chevalier, Léognan
Neuseeland Die Winzerlegende Sir George Fistonich
Neuseeland Der Pinot-Noir-Pionier Clive Paton und die Folgen
Genießen Finger weg vom Spargelwein
Frauen im Wein Eva Raps: Vom Büro in den Weinberg
Die Pigott Kolumne Ontario ist in jeder Hinsicht cool
Piemont Aufbruch im Alto Piemonte: Die Cantina Le Pianelle
Cognac Collector’s Blend H250: Die Jubiläums-Editon von Hennessy
Die Würtz Kolumne Naturwein: Hype oder zeitgeistiger Fehler?
Wein und Zeit Die erste Bodenkarte Rheinhessens
Rheinhessen Die wunderbare Weinwelt des Friedrich Groebe
Das Bier danach Schaum – die Krone der Bierschöpfung
Die besten Rosé-Champagner

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DAS WEINMAGAZIN<br />

Jürgen Dollase bei Jörg Sackmann<br />

Stuart Pigott: Ontario ist cool<br />

Frauen im Wein: Eva Raps<br />

Piemont: Cantina Le Pianelle<br />

Neuseeland: Sir George Fistonich<br />

Bourgogne: Etienne Sauzet<br />

Champagne: Die besten Rosés<br />

Riesling von Friedrich Groebe<br />

Weinland Slowenien<br />

L Y N C H - B A G E S


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PITTI IMMAGINE UOMO


E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E D I E G R O S S E N W E I N E D E R W E L T<br />

DAS WEINMAGAZIN<br />

1/2<strong>01</strong>6<br />

INHALT<br />

24 Weinland Slowenien<br />

56 Die slowenische Steiermark<br />

68 Jürgen Dollase bei Jörg Sackmann 14 Bourgogne: Etienne Sauzet<br />

140 Rheinhessen: Friedrich Groebe<br />

62 Château Lynch-Bages<br />

92 Neuseeland: Sir George Fistonich 98 Neuseeland: Ata Rangi und die Folgen 110 Frauen im Wein: Eva Raps<br />

118 Piemont: Die Cantina Le Pianelle<br />

128 Cognac: Collector’s Blend H250<br />

134 Die erste Bodenkarte Rheinhessens<br />

78 Die rosa Seele des Champagners<br />

81 Die besten Rosé-Champagner<br />

9 <strong>FINE</strong> Editorial Thomas Schröder<br />

14 <strong>FINE</strong> Bourgogne <strong>Das</strong> weltberühmte Familienweingut Etienne Sauzet<br />

24 <strong>FINE</strong> Slowenien Die erstaunliche Wiedergeburt eines alten Weinlandes<br />

32 <strong>FINE</strong> Slowenien <strong>Das</strong> Weingut Santomas im slowenischen Istrien<br />

36 <strong>FINE</strong> Slowenien Die Brda: Wiege der slowenischen Wein-Revolution<br />

44 <strong>FINE</strong> Slowenien <strong>Das</strong> Weingut Batič im Vitava-Tal<br />

48 <strong>FINE</strong> Slowenien <strong>Das</strong> Weingut Vino Graben im Anbaugebiet Posavje<br />

52 <strong>FINE</strong> Slowenien <strong>Das</strong> Weingut Marof in der Region Prekmurje<br />

56 <strong>FINE</strong> Slowenien Štajerska: Die slowenische Steiermark<br />

62 <strong>FINE</strong> Tasting Fünfundzwanzig Weine von Château Lynch-Bages<br />

68 <strong>FINE</strong> Wein & Speisen Jürgen Dollase bei Jörg Sackmann<br />

78 <strong>FINE</strong> Champagne Die rosa Seele des Champagners<br />

81 <strong>FINE</strong> Tasting Die besten Rosé-Champagner<br />

86 <strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> Große Dutzend Domaine de Chevalier, Léognan<br />

92 <strong>FINE</strong> Neuseeland Die Winzerlegende Sir George Fistonich<br />

98 <strong>FINE</strong> Neuseeland Der Pinot-Noir-Pionier Clive Paton und die Folgen<br />

108 <strong>FINE</strong> Genießen Finger weg vom Spargelwein<br />

110 <strong>FINE</strong> Frauen im Wein Eva Raps: Vom Büro in den Weinberg<br />

116 <strong>FINE</strong> Die Pigott Kolumne Ontario ist in jeder Hinsicht cool<br />

118 <strong>FINE</strong> Piemont Aufbruch im Alto Piemonte: Die Cantina Le Pianelle<br />

128 <strong>FINE</strong> Cognac Collector’s Blend H250: Die Jubiläums-Editon von Hennessy<br />

132 <strong>FINE</strong> Die Würtz Kolumne Naturwein: Hype oder zeitgeistiger Fehler?<br />

134 <strong>FINE</strong> Wein und Zeit Die erste Bodenkarte Rheinhessens<br />

140 <strong>FINE</strong> Rheinhessen Die wunderbare Weinwelt des Friedrich Groebe<br />

150 <strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> Bier danach Schaum – die Krone der Bierschöpfung<br />

154 <strong>FINE</strong> Abgang Ralf Frenzel<br />

6 7<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6 <strong>FINE</strong> Inhalt


D I E G R O S S E N W E I N E D E R W E L T<br />

P2 ist die zweite Reifestufe – Deuxième Plénitude – eines<br />

Dom Pérignon. Nach 16 Jahren Reifung im Keller<br />

ist der Wein intensiv, lebendig und seine Energie<br />

befindet sich auf dem Höhepunkt.<br />

ENJOY RESPONSIBLY - WWW.MASSVOLL-GENIESSEN.DE<br />

Verehrte Leserin, lieber Leser,<br />

es klang schon recht kurios:<br />

»<strong>Das</strong> Problem unseres Weins«,<br />

so klagte der slowenische<br />

Winzer, »ist nicht, dass er ein<br />

schlechtes Image hat. <strong>Das</strong> größte Problem ist, dass er überhaupt keins<br />

hat«. Mein Stuttgarter Weinfreund und ich waren, als wir vor bald zwei<br />

Jahren eine Rundreise durch die Weinbaugebiete des frisch gebackenen<br />

EU-Landes unter nahmen, mehr als verblüfft, ein so bitteres Fazit zu<br />

hören. Denn alles, was wir bis dahin gesehen und erlebt hatten, zeigte<br />

ein blühendes Weinland mit erfolgreichen, selbstbewussten Winzern,<br />

bemerkenswerten, oft genug großen Weinen und eine geradezu überwältigende<br />

Gast freundschaft. Die beiden liebenswürdigen Herren, die<br />

uns hilfreich begleiteten, der wein- und landeskundige junge Medienmanager<br />

Rok Kvaternik und der ebenso beschlagene Professor Janez<br />

Bogataj, nickten hingegen bedauernd: »Wer nimmt denn außerhalb<br />

unserer Grenzen die Vielfalt, die Ernsthaftigkeit und die Qualität<br />

unserer Weine wahr?«<br />

Es ist ja richtig, dass rund die Hälfte des Weins im Lande selbst<br />

getrunken wird – die Slowenen sind gesellige Menschen mit einer<br />

ausgeprägten und herzhaften kulinarischen Kultur; und richtig ist<br />

auch, dass in der sozialistischen Ära des Landes als Teilrepublik von<br />

Titos Jugoslawien der Weinbau wie in allen anderen Ländern unter<br />

kommunis tischem Regime verkümmerte und die Qualität der Produktion<br />

verflachte. Wahr ist aber auch, dass in diesen dunklen Jahr zehnten<br />

nicht wenige Winzer mit Mut, Einfallsreichtum und bewunderungswürdiger<br />

Einsatzbereitschaft sich ihre Rückzugsräume schufen, selber<br />

Fasskeller in die Erde gruben, sie mit schönen Gewölben ausmauerten<br />

und so den Neuanfang nach 1991 erleichterten. Heute scheint es<br />

nur eine Frage der Zeit zu sein, dass sich der Charme der slowenischen<br />

Weine auch einer internationalen Öffentlichkeit erschließt.<br />

Viele Betriebe liefern schon heute erstklassige Weine, einige von ihnen<br />

haben mit Sicherheit das Zeug, sich auf der Weltweinkarte unter die<br />

bedeutenden Erzeuger zu plazieren. Fine-Autor Rainer Schäfer, der<br />

schon seit längerer Zeit die Entwicklung der Weine in dieser anmutigen<br />

Region beobachtet, ist mit unserem Fotografen Thilo Weimar<br />

durch die Reblandschaften an Drau, Save und Adria gereist. Beträchtlicher<br />

Erkenntnisgewinn für uns alle: Mit diesem uralten und wieder<br />

ganz jungen Weinland ist unbedingt zu rechnen!<br />

Hätte irgendjemand vor dreißig Jahren einen solchen Satz über<br />

Rheinhessen gewagt? Man hätte ihn wohl für einen Phantasten gehalten.<br />

Und doch gelang es, die Weine der Region, die in diesem Jahr ihr<br />

zweihundertjähriges Jubiläum feiern kann, aus der Bedeutungslosigkeit<br />

zu reißen und sie zu den aufregendsten Gewächsen Deutschlands<br />

zu machen. Eine Gruppe junger Winzer hatte einen Kreativsturm<br />

entfesselt, Rheinhessen zum Zentrum einer innovativen Weinszene<br />

gemacht und in ein Intensiv-Experimentallabor für neue, bis dahin<br />

nicht gekannte Rieslingstilistik verwandelt. Zu der Schar der Winzer,<br />

die heute Weltgeltung haben, zählt auf seine Weise auch der Westhofener<br />

Friedrich Groebe, dessen Geschichte unser Autor Till Ehrlich<br />

in diesem Heft erzählt. Wie tief der Wandel im Selbstverständnis wie<br />

im Ansehen der rheinhessischen Weinmacher längst wurzelt, mag ein<br />

Erlebnis belegen, das ich in den frühen achtziger Jahren hatte; seither<br />

wollte es mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Im Hinterland des Rheingaus<br />

wohnend, hatte ich mich einmal mit einem jungen Wein bauern<br />

im Rheinhessischen verabredet, der, von manchen seiner Kollegen<br />

bespöttelt und beargwöhnt, begonnen hatte, seine Weinberge unter<br />

großen Mühen biologisch zu bewirtschaften – damals nicht selten<br />

noch als esoterische Spinnerei abgetan. <strong>Das</strong> war ein beeindruckender<br />

Bursche mit sehr klaren und sympathischen Vorstellungen von der<br />

Zukunft seines kleinen Betriebs. Am Ende unseres Gesprächs fragte<br />

ich ihn, was er wohl erbitten würde, wenn er einen Wunsch frei hätte.<br />

Er sah mich versonnen an, lächelte und sagte: »Einmal im Leben wäre<br />

ich gern Winzer im Rheingau.«<br />

Jede Wette: <strong>Das</strong> würde in Rheinhessen heute keiner mehr sagen!<br />

Thomas Schröder<br />

Chefredakteur<br />

PS: Fine bloggt! Von nun an können Sie unter www.fine-blog.de jederzeit interessante News aus der Welt des Weins, der Kulinaristik und<br />

des gehobenen Lebensstils lesen. Dazu pointierte Ansichten und kraftvolle Debattenbeiträge unabhängiger Autorinnen und Autoren wie<br />

Angelika Ricard-Wolf, Dirk Würtz und anderer kompetenter Meinungs träger. Vor allem freuen wir uns auf ungefiltert lebendigen Austausch<br />

und an regende Diskussion mit Ihnen!<br />

<strong>FINE</strong><br />

Editorial<br />

9


Slowenien<br />

Die erstaunliche Wiedergeburt eines alten Weinlands<br />

Von Rainer Schäfer<br />

Fotos Thilo Weimar<br />

Podravje, das östlichste der drei Weinbaugebiete Sloweniens,<br />

grenzt an Österreich, Ungarn und Kroatien. Sein Name leitet<br />

sich von dem Fluss Drau ab, der hier Drava heißt.<br />

Slowenien? Auch gewöhnlich gut unterrichtete Winzer,<br />

Sommel iers und Weinhändler wirken elektrisiert und ratlos<br />

zugleich, wenn über dieses Weinland gesprochen wird:<br />

eine Art Zauber kasten mit dem vagen Ruf einer Wundertüte. <strong>Das</strong><br />

kleine Land mit rund zwei Millionen Einwohnern, das kaum die<br />

Ausmaße Hessens erreicht, liegt eingekeilt zwischen den großen<br />

deres Profil: Diese kulturelle Vielfalt zeichnet sich auch in seinen<br />

Weinen ab. Als Bindeglied zwischen dem Westen und den Staaten<br />

Ost europas verknüpft es auch die Möglichkeiten des Weinbaus<br />

hat Slowenien den trost losen Zustand im Weinbau überwunden:<br />

Im sozialistischen Jugoslawien war im Zeichen planwirtschaft licher<br />

Sollerfüllung viel Masse, aber kaum Klasse produziert worden. Nach<br />

Man habe zwar vernommen, dass sich dort Spannendes und sogar<br />

Nachbarn Italien, Österreich, Ungarn und Kroatien. Am Schnitt-<br />

beider Zonen: Neben autochthonen Rebsorten wie Rebula, Zelen<br />

der Unabhängigkeit Sloweniens 1991 schafften es die Engagierten<br />

Außergewöhnliches ereignen soll. Aber damit ist das allgemeine<br />

punkt unterschiedlicher Kulturen, zwischen Alpen, Mittelmeer<br />

oder Pinela werden selbstbewusst auch Sauvignon Blanc, Burgunder<br />

unter den Winzern schnell, das eingeübte Kaderdenken abzu legen<br />

Wissen häufig schon erschöpft: Slowenien gilt noch immer als<br />

und pannonischer Tiefebene, entwickelte Slowenien ein beson-<br />

und Riesling inter pretiert. Als erstes Land im früheren Jugoslawien<br />

und das Potential ihrer Lagen und Reben wiederzuentdecken.<br />

24 25<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6 <strong>FINE</strong> Slowenien


Miha Batič vom Weingut Ivan Batič in Šempas<br />

»Wein wird nicht<br />

gemacht, sondern von<br />

der Natur geboren«<br />

Von Rainer Schäfer<br />

Fotos Thilo Weimar<br />

Die Welt, sagt Miha Batič, befinde sich in Unordnung, der natürliche Kreislauf sei aus den Fugen geraten, »wir haben den Sinn dafür verloren,<br />

was wahr und was falsch ist.« Symptome dafür kann er viele aufzählen: Die zeigten sich in Klimawandel, Tierhaltung und Ernährung<br />

und gipfelten in der Gentechnik: »<strong>Das</strong>s man im Labor die Augenfarbe eines Kindes bestimmen kann, ist doch pervers.« Batič ist<br />

kein Philosoph, er ist Winzer: Im unteren Vipava-Tal versucht er, im Kleinen und mit seinen Mitteln einen Gegenentwurf zu schaffen.<br />

Am konsequentesten gelinge das mit der Biodynamie, die bei ihm viele Lebensbereiche beeinflusst: Er zitiert Rudolf Steiner nicht nur,<br />

wenn es darum geht, Kuhhörner im Weinberg auszubringen. Er ist auch nicht gekränkt, wenn man ihn einen Esoteriker nennt. Es sei nun<br />

mal so, versichert der Dreiunddreißigjährige, dass er »gute Energie fühlen und weitergeben« müsse. Aber er ist kein dogmatischer Eiferer,<br />

der andere bekehren will, gelassen trägt er seine Argumente vor.<br />

Miha Batič sitzt an einem ovalen Holztisch<br />

in seinem Weingut in Šempas. Mit den<br />

schulterlangen gelockten Haaren und<br />

einem Bärtchen, wie es Frank Zappa getragen hat,<br />

wirkt er wie ein Rockstar der 1970er Jahre, als viele<br />

Musiker von Flower-Power sangen und sich als Vermittler<br />

gesellschaftlicher Utopien verstanden. Während<br />

Batič erzählt, singt im Hintergrund zuerst<br />

Leonard Cohen, danach Bruce Springsteen, es sind<br />

Melodien, die den Soundtrack liefern zu seiner Vorstellung<br />

einer heileren Welt. Um das Weingut tobt<br />

die Bora, der Wind, der vor allem im Winter über<br />

den Karst und durch das Vipava-Tal jagt, Apfelbäume<br />

und Rebstöcke stemmen sich gegen den<br />

Sturm, sogar die Häuser scheinen sich im Schutz<br />

der Berghänge zu ducken. Šempas und das Weingut<br />

Batič liegen im Anbaugebiet Primorska im Westen<br />

Sloweniens, nur wenige Kilometer von der italienischen<br />

Grenze entfernt.<br />

Miha Batič führt das Weingut zusammen mit<br />

seinem Vater Ivan, 76, der sich langsam »in die Rolle<br />

des Assistenten« zurückziehen möchte. Sein Sohn<br />

setzt mittlerweile die Akzente, er gehört zur gefragten<br />

Szene der Naturwein-Erzeuger, die nach handwerklichen<br />

und meist biodynamischen Prinzipien<br />

arbeiten. Im vergangenen November zählte Miha<br />

Batič zu den achtzig Winzern aus aller Welt, die bei<br />

der Weinmesse »Raw Berlin« auftraten – mancher<br />

mit langem Bart und coolem Gestus. Ivan Batič<br />

dagegen stammt aus einer Generation, die, im Krieg<br />

aufgewachsen, pragmatisch handeln musste; der<br />

keine Zeit für esoterische Befindlichkeiten blieb.<br />

Schon mit sechzehn musste er den Bauernhof durch<br />

schwere Zeiten manövrieren, tüchtig und auch<br />

mit einer ordentlichen Portion Schlitzohrigkeit.<br />

»Er musste hart kämpfen, um durchzukommen«,<br />

sagt Miha Batič über seinen Vater, dabei klingt viel<br />

Respekt durch. Ivan Batič ist rustikaler im Auftreten,<br />

die künstlerische Attitüde seines Sohnes fehlt<br />

ihm: Seine Versuche, zuhause Trompete zu spielen,<br />

wurden von der Familie nicht geschätzt; er musste<br />

in die Weinberge ausweichen, wo er den Reben ein<br />

Ständchen blasen durfte.<br />

Während Ivan Batič die Tierhaltung aufgab<br />

und sich ganz auf den Weinbau konzentrierte, marschiert<br />

Miha wieder in die andere Richtung: Mit<br />

Schafen und Bienen möchte er den natürlichen<br />

Kreislauf auf dem Weingut verstärken: »Wenn du<br />

erntest, nimmst du dem Weinberg etwas weg«, sagt<br />

er, »das musst du ihm zurückgeben.« Auf der Terrasse<br />

stolziert einer seiner Pfauen auf und ab, die<br />

seine Weinberge vor Schlangen schützen sollen. Er<br />

hält sich einen kleinen Zoo, das sei der beste Weg<br />

für ihn, »um die Böden lebendiger zu machen«.<br />

Einundzwanzig Hektar Reben hat das Weingut<br />

im Ertrag, sie stehen im Umkreis von sieben Kilometern<br />

auf Mergelböden. Die Arbeiten im Weinberg<br />

richtet er nach dem Mondkalender aus, auf den<br />

Einsatz von Chemikalien verzichtet er vollständig.<br />

»<strong>Das</strong> sind wir der Natur schuldig«, sagt er. Gerne<br />

wird das fruchtbare Vipava-Tal in der heimischen<br />

Weinliteratur als Garten Eden gepriesen, es profitiert<br />

vom Aufeinandertreffen zweier Klimazonen:<br />

Die Adria schickt warme Winde, aus den Alpen rast<br />

die frische Bora durchs Tal. Dadurch, erklärt Miha<br />

Batič, könnten »besonders reine Aromen entstehen«<br />

– als ob die Bora jede unreine Geschmacksnote<br />

aus den Trauben fege.<br />

Die Region ist bekannt für kräftige Rotweine<br />

von Cabernet Franc, Cabernet<br />

Sauvignon, Merlot und Refošk. Aber<br />

hier haben sich auch die meisten autochthonen<br />

Reben Slowe niens erhalten wie die weißen Sorten<br />

Pinela, Klarnica und Zelen: der wird ein »edler<br />

Geist« und sogar aphro disierende Wirkung nachgesagt.<br />

Autochthon zu sein, ist aber keine Garantie<br />

für Güte: »<strong>Das</strong> können miserable Weine sein«,<br />

weiß Miha Batič, »wenn man nicht mit Herz und<br />

Leiden schaft rangeht.« Die Batičs haben ihre<br />

Reben so dicht gepflanzt wie kein anderer Winzer<br />

im Tal, rund zwölftausend Stöcke auf den Hektar.<br />

Sie müssen bis zu fünfzehn Meter tief wurzeln,<br />

um Nährstoffe und Wasser aufzu nehmen. »Der<br />

Wein wird dadurch vitaler und mineralischer«,<br />

sagt Miha Batič, darauf habe schon Rudolf Steiner<br />

hin gewiesen. Auch wenn er manches anders angeht<br />

44 45<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6 <strong>FINE</strong> Slowenien


Fine Tasting<br />

Château<br />

Von Kristine Bäder<br />

Fotos Guido Bittner<br />

Lynch-<br />

Bages<br />

Auf einer Kieskuppe oberhalb des Städtchens Pauillac, umgeben vom kleinen Ortsteil<br />

Bages, liegt das Weingut Lynch-Bages. Im Vergleich zu den Prachtbauten der großen<br />

Borde laiser Châteaus wirkt das Herrenhaus der Familie Cazes nahezu bescheiden. Jean-<br />

Michel Cazes lebt hier seit 1973. Damals entschloss er sich nach langem Zögern und vielen<br />

Zweifeln, sein Erbe auf Château Lynch-Bages anzutreten – eine Entscheidung, die dem<br />

Weingut zu enormem Aufschwung verhalf.<br />

Die Weine des Châteaus wachsen auf der<br />

berühmten Croupe de Bages. Ihre hellen<br />

Kiesel wirken zugleich als Wärmespeicher<br />

und als Drainage der sehr kargen Böden. Der darunterliegende<br />

Kalksteinsockel zwingt die Reben,<br />

tief zu wurzeln. In Ver bindung mit dem ausgleichenden<br />

Einfluss der nahen Gironde herrschen hier<br />

ideale Bedingungen für die klassischen Reb sorten<br />

des Bordelais: Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc,<br />

Merlot, Petit Verdot. Den Großteil seiner neunzig<br />

Hektar Weinberge hat Lynch-Bages mit diesen<br />

Sorten bepflanzt, knapp fünf Hektar sind jedoch<br />

weißen Rebsorten vorbehalten. Aus Sauvignon<br />

Blanc, Sémillon und Muscadelle wird ein Weißwein<br />

gekeltert, der zu den besten der Region zählt.<br />

Vor allem Cabernet Sauvignon entfaltet sich<br />

hier optimal. Die Weine des Pauillac gelten nicht<br />

umsonst als die typischsten des Bordelais. Sie betören<br />

mit Komplexität, Lagerfähigkeit, Körper und<br />

Eleganz. Ihre vielschichtige Aromatik reicht von<br />

reifen roten und dunklen Früchten über Unterholz,<br />

Leder und die feine Würze des Holzausbaus<br />

bis zu Tabak, Trüffel und rauchi gen Noten. Bei<br />

aller Opulenz zeigen sie eine feinkörnige Tanninstruktur,<br />

und mit zunehmendem Alter entwickeln<br />

sie eine einmalige Duftigkeit und Finesse.<br />

Mit seinem Eintritt hat Jean-Michel<br />

Cazes eine grundlegende Modernisierung<br />

angestoßen. Kellertechnik und<br />

Weinbergs management mit Satelliten zur Überwachung<br />

der Trauben sind auf neuestem Stand.<br />

Château Lynch-Bages wird heute in einem Atemzug<br />

mit so großen Namen wie Château Pichon<br />

Longueville Comtesse de Lalande und Château<br />

Pichon Longueville-Baron genannt. Mehr noch:<br />

In Jahrgängen wie 1990 wird den Crus von Lynch-<br />

Bages gar eine deutlich höhere Qualität bescheinigt<br />

als den Premiers Grands Crus Classés. Die<br />

Ein stufung als Cinquième Grand Cru Classé<br />

war schon 1855 eine grobe Unterschätzung, bis<br />

heute hat sich daran nichts geändert. Im Gegenteil:<br />

Seit 1973 hat Château Lynch-Bages deutlich<br />

be wiesen, dass es den besten Weinen der Appellation<br />

Pauillac auf Augenhöhe begegnet. Seine langlebigen<br />

und opulenten Weine sind auch in jungen<br />

Jahren schon recht zugänglich, ihre feine Struktur<br />

und ihre großartige Eleganz zeigen sie jedoch erst<br />

mit zunehmendem Alter. Die Probe mit fünfundzwanzig<br />

Jahrgängen bis 1966 hat das eindrucksvoll<br />

demonstriert. •<br />

62 63<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6 <strong>FINE</strong> Bordeaux


Exklusiv<br />

für Fine-Leser<br />

Ornellaia3<br />

Ornellaia, Le Serre Nuove, Le Volte –<br />

die drei Weine der Tenuta dell’Ornellaia<br />

direkt zu Ihnen nach Hause!<br />

Ohne Zweifel gehört Ornellaia zu den berühmtesten und bekanntesten Weinen Italiens.<br />

1981 gründete Lodovico Antinori in der Maremma an der toskanischen Küste das Weingut<br />

Ornellaia. Gemeinsam mit dem kalifornischen Weinmacher André Tchelistcheff<br />

machte er die dahin noch unbekannten Böden der Maremma für den Weinbau urbar. Der<br />

Kalifornier überzeugte den frisch gebackenen Weingutsbesitzer davon, auf die klassischen<br />

Rebsorten des Bordelais zu setzen. Lodovico Antinori pflanzte Cabernet Sauvignon, Merlot,<br />

Cabernet Franc und Petit Verdot und kelterte daraus 1984 den ersten Ornellaia. Der kam<br />

zwar nie in den Verkauf, doch schon die folgenden Jahrgänge 1985 und 1986 überzeugten<br />

die Kritiker in aller Welt.<br />

Jetzt bestellen<br />

unter<br />

www.fine-magazines.de<br />

oder Fax<br />

0611 5799-222<br />

Ornellaia ist heute in Besitz der Florentiner Adelsfamilie Frescobaldi. Mit viel Liebe zum<br />

Detail und einem einmaligen Verständnis für die Weinberge und die Qualität der Trauben<br />

vinifizieren der deutsche Weinmacher Axel Heinz und sein Team in jedem Jahr viele kleine<br />

Einzelparzellen, um daraus die besten Grundweine für den Ornellaia auszuwählen. Ebenso<br />

sorgfältig gehen sie beim Zweitwein Le Serre Nuove vor und auch der Dritte im Bunde, der<br />

Le Volte, erhält ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit. »Ornellaia kann es sich nicht erlauben,<br />

den Graben zwischen den günstigen und den großen Weinen zu weit zu machen«,<br />

sagt Weinmacher Axel Heinz.<br />

Regelmäßig erhält Ornellaia die höchsten Bewertungen der angesehensten Weinkritiker<br />

weltweit.<br />

Exklusives Angebot für Fine-Leser:<br />

Ornellaia, Le Serre Nuove und Le Volte<br />

zu einem einmaligen Preis!<br />

2<strong>01</strong>0 Ornellaia<br />

Der Ornellaia ist eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon,<br />

Merlot, Cabernet Franc sowie Petit Verdot und der<br />

authentische Ausdruck eines einzigartigen Terroirs.<br />

Die Trauben eines sonnigen und trockenen Jahrgangs<br />

wurden in Edelstahltanks ver goren und<br />

anschließend für 18 Monate in Barriques gereift.<br />

<strong>Das</strong> Ergebnis ist ein großzügiger Wein mit einem<br />

ver führerischen Aroma von reifen dunklen Früchten<br />

und einer würzi gen Nuance. Am Gaumen schmeichelt<br />

er mit weichen Tanninen und einer satten<br />

Frucht. Mit einer tollen Struktur und lang im Abgang.<br />

Holzkiste à 6 Flaschen<br />

€ 774,–<br />

2<strong>01</strong>3 Le Serre Nuove<br />

Dell’Ornellaia<br />

Le Serre Nuove dell’Ornellaia wird vorwiegend in<br />

den jüngeren Weinbergen des Weinguts geerntet.<br />

Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und<br />

Petit Verdot werden mit großer Sorgfalt vinifiziert<br />

und vereinen Großzügigkeit und Geschmackstiefe.<br />

Nach 15 Monaten im Barrique zeigt der Wein seine<br />

große Eleganz: fruchtig und mit feinen Röst aromen<br />

in der Nase, am Gaumen mit herrlich runden<br />

Tanninen und einer seidigen Textur.<br />

Karton à 6 Flaschen<br />

€ 234,–<br />

2<strong>01</strong>3 Le Volte<br />

Dell’Ornellaia<br />

Der Le Volte dell’Ornellaia ist ein Blend aus Merlot,<br />

Sangiovese und Cabernet Sauvignon. In ihm vereint<br />

sich ein mediterraner Charakter mit Fülle, Struktur<br />

und Komplexität. Der »Drittwein« von Ornellaia<br />

besticht durch komplexe Struktur, Kräuter duft und<br />

intensive Fruchtaromen. Am Gaumen fruchtig,<br />

geschmeidig und mit frische Säure. Alles wunderbar<br />

gerundet und mit einem langen, würzigen<br />

Nachhall.<br />

Karton à 6 Flaschen<br />

€ 90,–<br />

Alle Preise inklusive Mehrwertsteuer und zuzüglich<br />

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Wenn der<br />

Champagner eine<br />

rosa Seele hat<br />

Rosé-Champagner sind im Trend. Aus der kleinen<br />

Nische weniger Produzenten ist mittler weile ein<br />

Must-have für die gesamte Branche geworden. Gerade<br />

auch die Deutschen ver brauchen immer grössere<br />

Mengen der Prickler in Pink. Ist das nur eine Mode?<br />

Oder entsteht hier eine ernst zunehmende neue<br />

Stilistik für den edelsten Schaumwein der Welt?<br />

Von Stefan Pegatzky<br />

Fotos Guido Bittner<br />

Champagner ist das Wunder, wenn aus roten<br />

und grünen Trauben sprudelndes Gold<br />

wird. Zumindest dann, wenn die Weine<br />

aus Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier<br />

gekeltert werden, den drei wesentlichen Rebsorten<br />

der Champagne. Für den selteneren Blanc de Blanc<br />

reicht auch der Chardonnay als Solist. Aber der<br />

Regelfall besteht darin, separat ausgebaute Weine<br />

aus verschiedenen Trauben zu vermählen (Assemblage)<br />

und bei einer zweiten Gärung in der Flasche<br />

(Prise de mousse) in einen Schaumwein zu verwandeln.<br />

Dabei wird sorgfältig darauf geachtet,<br />

dass die Traubenschalen keine Farbstoffe an den<br />

Most abgeben, damit der Champagner goldgelb<br />

erstrahlen kann.<br />

<strong>Das</strong> ist die klassische Geschichte. Doch in<br />

der Region, die im Norden von den Ardennen<br />

und im Süden von Burgund begrenzt wird, gab<br />

es von jeher auch andere Traditionen und andere<br />

Erzeugnisse, auch wenn viele von ihnen heute vergessen<br />

sind. Eines der bestgehüteten Geheimnisse<br />

der Champagne ist etwa die Tatsache, dass zur<br />

Bereitung von Champagner nicht nur die klassischen<br />

Rebsorten Chardonnay, Pinot Noir und Pinot<br />

Meunier zugelassen sind, sondern auch Arbanne,<br />

Petit Meslier, Pinot Gris und Pinot Blanc, die auf<br />

etwa achtzig Hektar angebaut werden. Ebenfalls<br />

kaum bekannt ist, dass aus der Champagne einige<br />

klassisch ausgebaute Pinot Noirs kommen, rote<br />

Coteaux Champenois, die Weinkritiker Michel<br />

Bettane regelmäßig zu den größten Spätburgundern<br />

Frankreichs zählt. Oder dass im Champagne-Dorf<br />

Les Riceys winzige Mengen des nicht-schäumenden<br />

Rosé des Riceys AOC erzeugt werden. Und: Der<br />

weiße Champagner-Stillwein Sillery aus Pinot Noir<br />

und Fromenteau (Pinot Gris) genoss bis zum Ersten<br />

Weltkrieg europaweit hohes Ansehen.<br />

<strong>Das</strong> ist kaum verwunderlich, wurden doch in<br />

der Champagne bis Ende des 17. Jahrhunderts nur<br />

Stillweine ausgebaut. Es bedurfte zunächst einer<br />

Reihe grundlegender Innovationen bei der Weinbereitung,<br />

bis sich der schäumende Champagner-<br />

Typus durchzusetzen vermochte: etwa die Technik<br />

der Assemblage, die Meisterung der zweiten Gärung,<br />

die Erfindung des Rüttelpults, die Herstellung<br />

druckstabiler Flaschen. Brut als Geschmacksrichtung<br />

begann seinen Siegeszug erst nach 1869,<br />

nachdem Veuve Clicquot mit der Vermarktung entsprechender<br />

Partien begonnen hatte. Die Beschränkung<br />

der Rebsorten datiert auf ein Gesetz von 1919.<br />

Doch dabei ersetzte nicht jedes Mal der neue Stil<br />

den alten. Der Eigensinn der Winzer überdauerte<br />

vieles: Obwohl heute die Grundweine fast aller<br />

großen Häuser im Stahltank ausgebaut werden,<br />

schwören einige immer noch auf gebrauchte oder<br />

gar neue Holzfässer. Auch wenn in nahezu jedem<br />

Keller der Region nach der alkoholischen Gärung<br />

die Malo erfolgt, die Milchsäuregärung, in der die<br />

harte Apfelsäure in die weichere Weinsäure umgewandelt<br />

wird, gibt es Ausnahmen, die vor allem die<br />

Frische der Weine suchen. Und noch immer werden<br />

Demi-sec-Champagner oder gar reine Cuvées aus<br />

der Arbanne-Traube erzeugt.<br />

Im Zeichen önologischen Eigensinns steht auch<br />

die Geburt des Rosé-Champagners. Gerade<br />

in den Anfängen war die Farbe der Weine nie<br />

ganz eindeutig. Abgesehen von Tönungen wie der<br />

beliebten Zugabe von Holundersaft ließ sich eine<br />

natürliche Färbung gerade bei hundertprozentigem<br />

Pinot-Noir-Champagner in manchen Jahren<br />

kaum vermeiden: »Champagne taché«, fleckiger<br />

Champagner, nannte man das Ergebnis. Aber<br />

schon hundert Jahre zuvor wurde in der Region<br />

ein soge nannter Vin Gris erzeugt, ein Weißwein<br />

aus roten Trauben, der durch Mazeration, also<br />

die kurze Beigabe der Trauben schalen während<br />

der Gärung, einen zarten Rotschimmer erhält<br />

(Méthode saignée, von saigner: bluten). Nach<br />

der Erfindung der Schaumwein herstellung um<br />

1695 wurde im 18. Jahrhundert mit diesem Instrument<br />

weitergespielt. So berichtet der Abbé Noël-<br />

Antoine Pluche 1732 in seinem Werk Spectacles<br />

de la Nature, dass die Winzer der Champagne<br />

Meister in der Kunst geworden seien, »Weine mit<br />

oder ohne Schaum herzustellen und diese eine<br />

Farbe ganz nach Wunsch annehmen zu lassen: die<br />

der Kirsche oder des Rebhuhnauges, völlig Weiß<br />

oder ganz Rot«. Als »Rebhuhnauge«, Œuil de<br />

Perdrix, wurde leicht rosé getönter Champagner<br />

aus mazerierten Grund weinen bald über regional<br />

bekannt. So gibt es im Hause Dom Ruinart Aufzeichnungen<br />

von 1764 über eine Lieferung von<br />

sechzig Flaschen 1762er Œuil de Perdrix nach<br />

Deutschland. Die erste namentliche Erwähnung<br />

von Rosé-Champagner findet sich in Rechnungsbüchern<br />

des Hauses Clicquot von 1775, ein Brief<br />

aus Russland von 1815 preist den Rosé von Madame<br />

Clicquot als »Göttertrank.«<br />

Den Rosé-Champagner im modernen Sinn<br />

erschuf Veuve Clicquot 1818 durch die Zugabe<br />

von etwas Rotwein in die Assemblage der (farblosen)<br />

Champagner-Grundweine. Dieser Methode<br />

sind, bis auf ganz wenige Ausnahmen, die dem aufwendiger<br />

und teurer zu erzeugenden Rosé classique<br />

nach der Méthode saignée treu blieben, alle großen<br />

Erzeuger gefolgt; nur in der Menge und Art des<br />

zugefügten Weins – zwischen 5 und 20 Prozent Rotwein,<br />

entweder im Stahl oder im Holz aus gebaut,<br />

mit Betonung auf Pinot Noir oder Meunier − unterscheidet<br />

sie sich. Fast ebenso wichtig war eine ganz<br />

andere Innovation des Hauses Clicquot: die Erfindung<br />

des Rüttelpults. Zuvor war es nicht möglich<br />

gewesen, die abgestorbenen Hefezellen, die<br />

sich als dicker, trüber Satz auf dem Boden der Flasche<br />

ansammelten, zu entfernen. Die Folge war<br />

ein teilweise trübes Produkt, das hinter farbigen<br />

Gläsern versteckt werden und von dem ein großer<br />

Teil weggeschüttet werden musste. Durch die Lagerung<br />

der Flaschen im Rüttelpult mit dem Kopf<br />

nach unten konnte der Satz mit wenig Verlust entnommen<br />

werden (Degorgieren). Und plötzlich<br />

spielte die Farbe eine entscheidende Rolle. »Fast<br />

über Nacht«, heißt es in der Firmenchronik von<br />

Veuve Clicquot, »kamen durchsichtige Gläser in<br />

Mode und farbige waren passé. <strong>Das</strong> Beobachten der<br />

endlosen Perlenketten im Glas verhalf dem Champagner<br />

zu seiner neuen Beliebtheit«. Und natürlich<br />

die Wahr nehmung seiner goldgelben – oder<br />

auch rosa – Farbe.<br />

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert erlebte<br />

Rosé-Champagner immer wieder Auf- und<br />

Abschwünge – 1912 gab es in Paris sogar eine<br />

Mode-Kollektion »Clicquot-Rosé«, aber nach<br />

1945 blieb er jahrzehntelang ein Nischen produkt.<br />

Er repräsentierte eine fast frivole Dekadenz.<br />

Damit schien der Wein aus der Zeit gefallen, mit<br />

dem Rokoko und dem Versailles von Madame<br />

Pompadour und Marie Antoinette verbunden,<br />

die von der Französischen Revolution hinweggefegt<br />

worden waren. 1970 präsentierte Moët<br />

& Chandon seinen ersten Dom Pérignon Rosé<br />

in Persepolis für den Schah von Persien. Weiter<br />

weg vom Zeitgeist konnte man nicht sein. Ausgerechnet<br />

heute ist dieser Stil wieder en vogue.<br />

Die Zahlen sprechen für sich: Betrug der Anteil<br />

der Rosé- Produktion in der Champagne Ende des<br />

20. Jahrhunderts knapp drei Prozent, lag er 2<strong>01</strong>4<br />

bei mehr als zehn. Und welche Nation ist heute<br />

der führende Rosé- Champagner-Importeur? Nein,<br />

es ist nicht Japan, China oder Russland, sondern<br />

Deutschland. Allein zwischen 2006 und 2<strong>01</strong>4 stieg<br />

sein Anteil am Volumen von 5,7 Prozent auf den<br />

Rekordwert von 14,7: Eine Million vierhundertsiebzigtausend<br />

Flaschen. Und ein Ende scheint<br />

nicht abzusehen.<br />

78 79<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6 <strong>FINE</strong> Champagne


»Ohne<br />

Ata R angi<br />

wären wir<br />

nicht hier«<br />

Auf der Suche nach dem idealen<br />

Terroir sind die deutschen<br />

Winzer Karl Heinz Johner,<br />

Kai Schubert und Marion<br />

Deimling mit grossem<br />

Erfolg in die Fussstapfen<br />

des neuseeländischen Pinot-<br />

Noir-Enthusiasten und<br />

Wegbereiters Clive Paton<br />

getreten<br />

Von Rainer Schäfer<br />

Fotos Johannes Grau<br />

Seine dreiunddreißig Hektar bewirtschaftet das<br />

Weingut Ata Rangi biologisch. Die Wairarapa-<br />

Ebene wird gern mit Burgund verglichen, dem<br />

Heiligtum des Pinot Noir.<br />

98 99<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6 <strong>FINE</strong> Neuseeland


»Ein<br />

Aufbruch<br />

starkes<br />

im Alto Piemonte<br />

Signal«<br />

Seit gut zehn Jahren entstehen im Norden Piemonts wieder<br />

grosse Nebbiolos. Die Renaissance ist einer Generation von<br />

Winzern zu danken, die der versunkenen Weinbaukultur neues<br />

Leben einhaucht. Der Deutsche Dieter Heuskel ist mit dem<br />

Weingut Le Pianelle Teil dieses Neubeginns.<br />

Von Till Ehrlich<br />

Fotos Thilo Weimar<br />

Die DOC-Weine Bramaterra und Coste<br />

della Sesia kommen aus der Umgebung<br />

von Brusnengo. Die Cantina Le Pianelle<br />

liegt im historischen Zentrum des Dorfes.<br />

Es gab einmal eine Zeit, da kamen die schönsten piemontesischen<br />

Rotweine nicht aus Barolo und Barbaresco, sondern<br />

aus der Gegend um Gattinara und Ghemme im nördlichen<br />

Piemont, am Fuß der Viertausender des Monte-Rosa­ Massivs<br />

in den Alpen. Es ist gerade mal ein halbes Jahrhundert her,<br />

dass diese als Spanna bekannten trocknen Nebbiolos mit<br />

ihrer Eleganz und Duftigkeit mehr Ansehen genossen als<br />

Barolo und Barbaresco aus den Hügeln der Langhe im Süden.<br />

Doch dann geriet der Spanna in Vergessenheit, und die einst<br />

blühende Weinlandschaft verfiel: Weinberge wurden aufgegeben,<br />

die Wildnis holte sie sich zurück. Noch heute sieht man<br />

im Unterholz der Wälder Ruinen von Weinbergs mauern und<br />

-häuschen. Zwischen wild wuchernden Akazien und Eichen<br />

ragen geisterhaft verwitterte Rebpfähle und abgestorbene<br />

Rebstöcke auf, mannshoch, schwarz, wie Gestalten. Doch<br />

seit der Jahrtausend wende regt sich hier neues Leben, gibt<br />

es eine Generation von Winzern, die mühsam damit begonnen<br />

haben, verwahrloste Weinberge der Wildnis zu entreißen,<br />

neu anzulegen und aufzureben. Einer der Weinbau pioniere<br />

im Alto Piemonte ist ein Deutscher.<br />

118 119<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6 <strong>FINE</strong> Piemont


<strong>FINE</strong> TASTING<br />

Till Ehrlich verkostet je vier Rot- und Rosatoweine<br />

der Cantina Le Pianelle, Alto Piemonte, aus den Jahrgängen 2<strong>01</strong>0 bis 2<strong>01</strong>5<br />

SIE MÖGEN<br />

DEUTSCHE KÜCHE?<br />

WUNDERBAR,<br />

WIR AUCH.<br />

Aber kennen Sie auch das deutsche Küchenwunder?<br />

Rosato: Al Posto dei Fiori,<br />

Coste della Sesia DOC<br />

Neunzig Prozent Nebbiolo mit Vespolina und Croatina; alle Sorten in Edelstahltanks<br />

getrennt gemaischt, vergoren und ausgebaut; ein Fass Nebbiolo im<br />

gebrauchten Barrique gereift; anschließend assembliert und abgefüllt.<br />

2<strong>01</strong>4 Al Posto dei Fiori 91 P<br />

Helles Granatrot und eleganter Kräuterduft mit Finesse, Frische und Mineralität.<br />

Grandiose komplexe Fruchtfrische, an Champagner erinnernd – fein nervig,<br />

erdbeerig, lebhaft. Im Finale sehr elegant, sehr mineralisch. Gute Länge. Hat<br />

Potential – und nichts mit gewöhnlichem Rosé zu tun.<br />

2<strong>01</strong>3 Al Posto dei Fiori 92 P<br />

Intensives Lachsrot, charaktervolles Bukett, das an Süßkirsche und Limone<br />

erinnert. Auch im Geschmack komplex und edel: subtil balanciert mit sanfter<br />

Rotfrucht. Im Finale zitronig, dicht, anhaltend.<br />

2<strong>01</strong>2 Al Posto dei Fiori 91 P<br />

Zartes Lachsrot, Bergkräuterduft, Mineralität und Nuancen knackiger roter<br />

Früchte. Am Gaumen mundfüllende Saftigkeit – vital und kräuterig. Gute<br />

Mineralität und Länge.<br />

2<strong>01</strong>1 Al Posto dei Fiori 92 P<br />

Lachsrot, komplexer und kompletter Duft: reife Erdbeeren und minera lische<br />

Art. Am Gaumen geschmeidige Textur, dabei mundfüllend. Wunderbar gereifte<br />

Kirschnoten sind mit zartbittren Tanninen und feiner Frische verwoben. Im<br />

Finale edle Anmutung und gute Länge<br />

Rosso: Bramaterrra,<br />

Bramaterra DOC<br />

Achtzig Prozent Nebbiolo mit Vespolina und Croatina; spontan mit wilden<br />

Hefen in Holzbottichen vergoren und zwei Jahre in gebrauchten Barriques<br />

sowie 25- bis 28-Hektoliter-Lagerfässern ausgebaut. Anschließend abgefüllt<br />

und noch ein Jahr in der Flasche gereift.<br />

2<strong>01</strong>3 Bramaterrra, Bramaterra DOC 93 P<br />

Erst ab Oktober 2<strong>01</strong>6 verfügbar.<br />

Dunkles, transparentes Rubinrot, freundlicher Kirschduft mit pflaumigen und<br />

mineralischen Nuancen. Am Gaumen zunächst warme, würzige Aromen und<br />

schwarze Süßkirsche. Geschmeidig, charmant. Im Finale schlank, straff, muskulös.<br />

Schöne Länge, dabei leichtfüßig und spielerisch. Beachtliches Potential.<br />

2<strong>01</strong>2 Bramaterrra, Bramaterra DOC 92 P<br />

Dunkles, transparentes Rubinrot, zarter Rosenduft, Würze, Mineralität und<br />

Eleganz. Präsenter Geschmack mit mundfüllender Intensität, die sich im<br />

Finish deutlich verschlankt, fast fragil wirkt. Ein Kraftpaket, das leichtfüßig<br />

und schwerelos wirkt, mit Potential nach oben.<br />

2<strong>01</strong>1 Bramaterrra, Bramaterra DOC 93 P<br />

Dunkles, transparentes Rubinrot, betörender Kirschduft, etwas Punschpflaume<br />

und kräuterige Akzente. Mundfüllender Geschmack, der sich steigert, dabei<br />

feinnervig, konzentriert und harmonisch. Pflaumige Frucht im Finale: leichtfüßig,<br />

transparent, spielerisch. Potential.<br />

2<strong>01</strong>0 Bramaterrra, Bramaterra DOC 94 P<br />

Erster Jahrgang: nur 1.650 Flaschen und 102 Magnums erzeugt.<br />

Dunkles, transparentes Rubinrot, süßherbe Würze, getrocknete Alpen kräuter,<br />

reife Kirsche und Pflaume. Verführerischer Geschmack mit mundfüllender<br />

Intensität. Geschmeidig, rund, warm. Im Finale kühler, feinnervig, sublim.<br />

Dabei straff und schwerlos. Sehr fein und filigran gebaut. Harmonische<br />

Länge. •<br />

Deutsche Küche 2.0 | ISBN: 978-3-944628-85-1 | € 39,90 (D)<br />

<strong>Das</strong> begann vor 44 Jahren. Damals hat sich die<br />

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126 <strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6


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140 141<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6 <strong>FINE</strong> Rheinhessen


BERND FRITZ DAS BIER DANACH [20]<br />

Schaum –<br />

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die Krone der Bierschöpfung<br />

<strong>Das</strong> wohl schönste Kompliment, welches dem Schaum je gemacht wurde, ist zweifellos<br />

der Mythos von der schaumgeborenen Aphrodite, der Göttin der Liebe, des Reizes und<br />

der Anmut. Da wird selbst der größte Bier-Enthusiast nicht so kühn sein zu behaupten, es<br />

habe sich bei jener Götter generierenden Substanz um Bierschaum gehandelt; es sei denn,<br />

nach der entsprechenden Anzahl geleerter Gläser. In jedem Fall aber würde er Gefahr laufen,<br />

von mythologisch versierten Bierverächtern blamiert zu werden: Zum einen war Aphrodites<br />

Geburtsschaum der des Meeres, zum andern sagt man über einen besonders wütenden<br />

Menschen, er habe »Schaum vorm Mund«. Und dabei könnte es sich durchaus um einen<br />

Biertrinker handeln, wie ein bayerischer Wahlspruch lehrt: »Brülle, wie der Löwe brüllt,<br />

wenn das Glas nicht vollgefüllt!«<br />

Womit wir bei der Eichmarke wären. An<br />

dieser endet, bei korrekter Zapfung, der<br />

flüssige Teil des Biers und beginnt der<br />

Schaum. Gern darf dieser auch über den Glasrand<br />

hinausragen, dann nämlich erhält unser Schaum ein<br />

Adelsinsignium: die Schaumkrone. Und der Gast<br />

kann sicher sein, dass ihm ein gutes und gut gekühltes<br />

Bier serviert wird. Setzt er das Glas sofort an die<br />

Lippen, lernt er die humorvolle Seite des Schaums<br />

kennen, in Gestalt eines weißen Bärtchens, das ihm<br />

auf die Oberlippe drapiert wird. Wartet er aber<br />

noch eine Weile mit dem ersten Schluck, kann er<br />

sich der Kontemplation über die feinporige königliche<br />

Haube hingeben und wird Zeuge, mit welcher<br />

Anmut und fast aufreizender Langsamkeit sie in das<br />

schützende Glas hinabsinkt.<br />

Dergleichen ist bei einem entfernten Verwandten<br />

des Biers, dem Schaumwein, nicht zu<br />

beobachten. Gleich ob Flaschengegorenes aus der<br />

Champagne oder von anderer Provenienz, der<br />

Weinschaum fällt ebenso rasch zusammen, wie<br />

er sich gebildet hat. Wissen schaftlich gewendet:<br />

Die Zerfalls geschwindigkeit verhält sich proportional<br />

zur Porengröße. Hauptverantwortlich für<br />

feinere Porung und damit dichteren Schaum sind<br />

die dem Bier vom Malz überkommenen Eiweißstoffe,<br />

die Prote ine, an denen es dem Schaumwein<br />

in der Regel gebricht. Zudem ist er dem Bier in<br />

punkto Alkohol gehalt um ein Mehr faches überlegen,<br />

und Alkohol zählt nun einmal zu den Hauptfeinden<br />

des Schaums. Daher büßt auch mancher<br />

Doppelbock für seine großartigen Alkohol werte<br />

mit bescheidenem Schaumaufkommen.<br />

Einigen Einfluss auf die Schaumstandzeit hat<br />

auch die Wahl des Braugetreides. Die dominante<br />

Gerste ist dem Weizen an Eiweißgehalt deutlich<br />

unterlegen, weshalb ein Weizenbier seine weiße<br />

Krone für gewöhnlich höher und länger trägt. Nachgerade<br />

armselig wird das Schaumbild, wenn neben<br />

der Gerste auch noch der fast eiweißfreie Reis beim<br />

Brauen Verwendung findet, wie es bei dem nordamerikanischen<br />

Budweiser Lagerbier der Fall ist.<br />

Mögen hiesige Bud-Fans die Weizenfraktion auch<br />

der Schaumschlägerei zeihen, so steht doch, in den<br />

Worten eines unbekannten Bierpoeten, fest: Der<br />

Schaum gehört zum Bier, wie die Tasten zum Klavier.<br />

Kein Scherz ist ein Kuriosum aus Irland, wo<br />

den Biertrinkern der Schaum nicht dick und dicht<br />

genug sein kann: Dem Draught-Bier von Guinness<br />

wird dort beim Zapfen Stickstoff zugeführt, was den<br />

Schaum fast zur Creme geraten lässt. Damit nicht<br />

genug, müssen selbst die Freunde des Dosenbiers<br />

auf ihre Biersahne nicht verzichten: Eine im Doseninneren<br />

angebrachte und mit Stickstoff gefüllte<br />

Plastik kugel gibt ihren Inhalt beim Öffnen der Dose<br />

frei – Spuk, Wahnsinn, Teufelswerk!<br />

Ja, es wäre noch vieles zu berichten und zu dichten<br />

aus der weiten Welt des Schaums und der<br />

Schäume, oder etwa, um nur dies zu erwähnen,<br />

Vergleiche zu ziehen zwischen Rasierschaum und<br />

Guinness-Creme oder zwischen Meeresschaum und<br />

Badeschaum. Denn dieser hat schließlich die Reize<br />

so mancher Filmgöttin galant verhüllt, womit wir<br />

fast wieder bei Aphrodite wären.<br />

Doch soll der Schluss unserer kleinen Betrachtung<br />

selbstverständlich dem Bierschaum gehören.<br />

Für immer aufgehoben in einer Sternsekunde der<br />

Komik, wie sie uns der friesische Komiker Otto<br />

Waalkes einst in Form eines pilshellen Werbeslogans<br />

schenkte: »Plörrbräu – das Bier, das auch<br />

im Dunkeln schäumt.« •<br />

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150 <strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>6

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