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Titel<br />
Topthema Flüchtling?<br />
6<br />
nicht. Jener Volker Kempf und viele andere<br />
aus seinem politischen Lager haben nämlich<br />
allerbeste Aussichten, im 16. Badenwürttembergischen<br />
Landtag vertreten zu<br />
sein. Die Umfragewerte signalisieren kurz<br />
vor den Wahlen einen Stimmenanteil von<br />
deutlich mehr als 10 Prozent, mehr als die<br />
Liberalen und nicht weit von der SPD entfernt.<br />
Vor 71 Jahren ging der Zweite Weltkrieg<br />
zu Ende und seither hat es das Phänomen<br />
rechtsextremer Parteien immer gegeben.<br />
Wir waren ja nicht ein Volk von Widerstandskämpfern,<br />
wir waren im Wesentlichen<br />
ein Volk von Mitläufern, infiziert vom<br />
Bazillus dumpfer nationalsozialistischer<br />
Ideologie. Die Hoffnung nach diesem<br />
verheerenden Dritten Reich, dass die CDU<br />
auch rechtsaußen stehende Wähler binden<br />
könne, die SPD gleichermaßen weit links<br />
Stehende, hat sich selten erfüllt. Auch im<br />
reichen Baden-Württemberg nicht, wo insbesondere<br />
die Rechtsradikalen immer mal<br />
wieder den Sprung ins Parlament schafften.<br />
Wie 1968: da entschieden 9,8 Prozent der<br />
Wähler sich für die NPD, damals angeführt<br />
vom ehemaligen NS-Bürgermeister von<br />
Tiengen (heute Waldshut-Tiengen), Wilhelm<br />
Gutmann. Ein schlimmer Nazi, aber<br />
das focht die Wähler offenbar nicht an. Im<br />
Wahlkreis Lörrach gab es sogar ein Spitzenergebnis<br />
für diese rechtsradikale Partei,<br />
11,1 Prozent, in Offenburg waren es 10,8<br />
Prozent. Der Spuk, auch das ist Fakt, war<br />
schnell vorbei. Schon bei der nächsten Wahl<br />
scheiterte die NPD krachend, ihre Arbeit<br />
im Landtag hatte offengelegt, dass dumpfe<br />
nationalistische Denke nicht ausreicht, um<br />
Politik zu betreiben. Aber das rechte Lager<br />
ging nicht unter. Eine neue Partei, die<br />
Republikaner, formierte sich zur Landtagswahl<br />
1992. Die Republikaner gerierten sich<br />
etwas bürgerlicher als die NPD, aber die<br />
altbraune Soße war die Gleiche. Und der<br />
Wahlerfolg umso sensationeller: Mit dem<br />
Arzt und Rechtsanwalt Dr. Rolf Schlierer<br />
an der Spitze sammelten die Republikaner<br />
10,9 Prozent der Stimmen ein, deutlich<br />
mehr als die FDP (5.9 Prozent) oder die<br />
Grünen (9,5 Prozent). 1996 gelang ihnen<br />
erneut der Sprung in den Landtag, etwas<br />
schwächer zwar, aber immerhin. Dann war<br />
der Spuk erneut vorbei. Seit der Jahrtausendwende<br />
hat es keine rechtsradikale Partei<br />
mehr geschafft, einen Sitz im baden-württembergischen<br />
Landtag zu ergattern.<br />
Und nun 2016? Da sind wir wieder da,<br />
wo wir zuletzt bei der Landtagswahl 1996<br />
standen. Die Parolen der Rechtspopulisten<br />
verfangen wieder, die AFD wird wohl<br />
Fraktionsstärke im Landtag erreichen. Es<br />
sind ja keine stiernackigen Skins, die diese<br />
Partei ausmachen, es sind Leute aus dem<br />
Ein paar Zahlen<br />
Einwohner Baden-Württemberg 10.777.514<br />
130.000 Flüchtlinge Ende 2015, das sind verteilt auf die 1101 Gemeinden in Baden-Württemberg<br />
118 Menschen pro Kommune. Würde man die Flüchtlinge allein auf die 313 Städte<br />
in Baden-Württemberg verteilen, wären dies 415 Flüchtlinge pro Stadt. Baden-Württemberg<br />
hat eine Fläche von 35.751 Quadratkilometern. So gesehen, kommt ein Flüchtling in Baden-<br />
Württemberg derzeit auf 270.000 Quadratmeter Landesfläche. Der Europapark Rust hat jedes<br />
Jahr 5 Millionen Besucher, der SC Freiburg 425.000 Fans bei den Heimspielen im Schwarzwaldstadion.<br />
Eine Milchmädchenrechnung? Natürlich. Aber sie relativiert, dass alle Zahlen, die zum Thema<br />
Flüchtlinge in Umlauf gebracht werden, nicht sonderlich aussagekräftig sind – eben weil es<br />
keine einfachen Antworten auf schwierige Fragen gibt. <br />
<br />
netzwerk südbaden<br />
vermeintlichen bürgerlichen Lager. Sie machen<br />
das, was Rechtsradikale schon immer<br />
gemacht haben. Sie mobilisieren Ängste,<br />
vor Flüchtlingen, vor Überfremdung, notfalls<br />
auch vor einem Windpark. Ihre Antworten<br />
sind simpel, sie sind oft kongruent<br />
mit der Stimmungslage eines Volkes, an<br />
dessen Spitze eine Kanzlerin steht, die zur<br />
nüchternen Realpolitik neigt und die aufgeregten<br />
Stimmungsmachern nicht nach dem<br />
Mund redet. Die AfD ist eine brandgefährliche<br />
Partei, weil ihre Repräsentanten den<br />
Menschen vorgaukeln, es gebe ganz einfache<br />
Antworten auf schwierige Fragen. In der<br />
Europastadt Breisach hat der Gemeinderat<br />
einstimmig bei 3 Enthaltungen erklärt, in<br />
dem Städtchen sei die AFD-Vorsitzende<br />
Frauke Petry eine „unerwünschte Person“<br />
(Persona non grata). Der Begriff kommt<br />
aus der Diplomatensprache, es geht in der<br />
Regel darum, beispielsweise spionierende<br />
Botschaftsangehörige schnell ausweisen<br />
zu können. So gesehen, war die Wortwahl<br />
schon ein bisschen daneben, weil natürlich<br />
unerwünschte Personen nicht von einem<br />
Gemeinderat daran gehindert werden<br />
können, ihre unerwünschte Meinung zu<br />
sagen. Frauke Petry wird das nun am 12.<br />
März tun – das ist der Termin eines angeblichen<br />
Wahlkampfauftritts in Breisach – oder<br />
nicht. Willkommen wird sie in dieser Stadt<br />
nicht geheißen und das ist gut so. In der<br />
Politik muss gestritten werden, hoffentlich,<br />
aber die AfD brauchen wir, braucht Baden-<br />
Württemberg so wenig wie wir die NPD<br />
und die Republikaner gebraucht haben.<br />
Das sollte man der AfD am 13. März an der<br />
Wahlurne deutlich machen.<br />
<br />
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