Predigt über CA II
Fortsetzung einer Predigtreihe über das Augsburgische Bekenntnis 2. ARTIKEL: VON DER ERBSÜNDE
Fortsetzung einer Predigtreihe über das Augsburgische Bekenntnis
2. ARTIKEL: VON DER ERBSÜNDE
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<strong>Predigt</strong> <strong>über</strong> <strong>CA</strong> <strong>II</strong><br />
Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes - der heiligen,<br />
wesenseinen und unteilbaren Dreifaltigkeit.<br />
Gnade sei mit euch und Friede!<br />
Weiter wird bei uns gelehrt, daß nach Adams Fall alle natürlich<br />
geborenen Menschen in Sünde empfangen und geboren werden, das<br />
heißt, daß sie alle von Mutterleib an voll böser Lust und Neigung sind<br />
und von Natur keine wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an<br />
Gott haben können, ferner daß auch diese angeborene Seuche und<br />
Erbsünde wirklich Sünde ist und daher alle die unter den ewigen<br />
Gotteszorn verdammt, die nicht durch die Taufe und den Heiligen Geist<br />
wieder neu geboren werden.<br />
Damit werden die verworfen, die die Erbsünde nicht für eine Sünde<br />
halten, damit sie die Natur fromm machen durch natürliche Kräfte, in<br />
Verachtung des Leidens und Verdienstes Christi.<br />
Was ist „Erbsünde“?<br />
1
„Erbsünde“ oder „Ursprungssünde“ ist die allgemeine<br />
Schuldverfallenheit der Menschheit, in die man selbst als einzelner<br />
Mensch unentrinnbar hineingeboren wird und in die hinein<br />
verstrickt man sich selbst von Anfang an findet.<br />
„Erbsünde“ ist der Verlust der ursprünglichen Verbundenheit der<br />
Menschen mit Gott. Die Menschen lebten in Gemeinschaft mit Gott<br />
und waren offen für Ihn und alles um sie herum. Durch den<br />
Sündenfall unserer Stammeltern wurden sie und „alle natürlich<br />
geborenen Menschen“ zu in sich selbst verkrümmten Menschen:.<br />
Jeder von ihnen ist ein „homo incurvatus in se“ wie Luther so schön<br />
sagte: ein in sich selbst verkrümmter Mensch. Er kreist um sich<br />
selbst, bleibt bei sich selbst und mit sich selbst allein.<br />
Die Theologen sprechen statt von der Erbsünde meist lieber vom<br />
peccatum originis, von der „Ursprungssünde“ oder<br />
„Herkunftssünde“. Damit wird ausgedrückt, daß Sünde nicht nur<br />
etwas ist, was ein Mensch tut, sondern etwas, was er immer schon in<br />
sich vorfindet. Man wird schon als ein dem Bösen zuneigender<br />
Sünder geboren. Und auch schon unsere Eltern wurden dem Bösen<br />
zuneigende Sünder geboren, genauso wie auch deren Eltern und<br />
immer so weiter.<br />
Sünder und zum Bösen geneigt ist ein Mensch also nicht erst dann,<br />
wenn er Sünde tut. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Weil man vom<br />
ersten Augenblick an ein Sünder ist, darum tut man auch Sünde.<br />
Das Augsburgische Bekenntnis sagt daher zu recht,<br />
2
daß … natürlich geborenen Menschen … von Natur keine<br />
wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott haben<br />
können.<br />
Es heißt nicht, daß die Menschen nicht wollen, sondern daß sie gar<br />
nicht können.<br />
Es ist auch nicht von ungefähr – und das ist wichtig! – daß hier nicht<br />
gesagt wird, alle natürlich geborenen Menschen wären von Natur<br />
aus Aufrührer, Mörder, Hurer Lügner und so weiter. Lutherischer<br />
Glaube sucht die Erbsünde und ihre Folgen zuerst <strong>über</strong>haupt nicht<br />
an den Geboten der Zweiten Tafel fest, in denen es um unser<br />
Verhältnis zu unseren Mitmenschen geht, sondern an den Geboten<br />
der Ersten Tafel. Ganz konkret am 1. Gebot: So wie wir von Natur aus<br />
sind, haben wir von Anfang an keine wahre Gottesfurcht und keinen<br />
wahren Glauben an Gott. Ja mehr noch! Die Väter sagen, daß wir<br />
diese Dinge auch gar nicht haben können. Zu wahrer Gottesfurcht<br />
und zu wahrem Glauben sind wir von Natur aus ebensowenig in der<br />
Lage, wie dazu, jetzt mit unseren Armen zu flattern und uns<br />
daraufhin in die Luft zu erheben.<br />
Der erregte Vorwurf, den man hin und wieder hören kann, ob wir<br />
Christen denn „all die süßen, unschuldigen Babys“ für Mörder und<br />
Totschläger hielten ist also vollkommen unsinnig. Natürlich nicht!<br />
Allerdings halten wir sie für Sünder, das heißt für von Gott<br />
getrennte Menschen. Daß solche Gott-losigkeit für die meisten<br />
Menschen in unserer Umgebung keine Sünde und <strong>über</strong>haupt nichts<br />
3
Böses ist, ist dem Irrtum unserer säkularisierten Umwelt<br />
geschuldet, daß Religion Privatsache sei. Wer was wie warum glaube<br />
oder eben auch nicht, sei eine private Angelegenheit und<br />
gleichgültig, solange dadurch nicht die Religiosität oder<br />
Irreligiosität anderer ohne deren Einwilligung tangiert wird.<br />
Es gilt es in der modernen westlichen Gesellschaft keinesfalls als<br />
Sünde, „keine wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott“ zu<br />
haben. Auf jeden Fall sei das öffentliche Leben von aller Bindung an<br />
Religion los und ledig und allein durch menschliche Vernunft zu<br />
leiten. Wenn man sich allerdings den grandiosen Triumphzug vor<br />
Augen hält, mit dem Unvernunft und Gewalt durch die letzten<br />
zweihundert Jahren europäischer Geschichte zogen, der kann sich<br />
eigentlich nur dar<strong>über</strong> wundern, daß ein gewisser<br />
„Vernunftsoptimismus“ ungebrochen anhält. Wahrscheinlich ist<br />
man gewillt, lieber mit geschlossenen Augen weiter zu gehen –<br />
Hauptsache ohne Gott.<br />
Die Erbsünde ist der Boden, auf dem die persönlichen Sünden<br />
wachsen: Der Same der Versuchung, den Satan in unser Herz wirft,<br />
fällt stets auf fruchtbaren Boden. Dieser Ackerboden ist bei uns allen<br />
gleich. Nur der Samen ist verschieden, den der Teufel darein sät.<br />
Judas, Ananias, Saphira fielen wegen ihrer Habsucht. Simson und<br />
David fielen wegen ihrer ungeordneten Sexualität. Pilatus stürzte<br />
<strong>über</strong> seinen Machttrieb, denn er wollte seinen Posten erhalten. Mit<br />
diesen Beispielen sind auch schon die gefährlichsten Versuchungen<br />
genannt: Macht, Besitz und Sexualität.<br />
4
Der Teufel gibt dir diesen und jenen Gedanken ein. Das kannst Du<br />
nicht verhindern. Der Gedanke ist noch nicht Sünde. Er wird aber<br />
zur Sünde, wenn Du ihn hegst und pflegst.<br />
Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.<br />
Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.<br />
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheit.<br />
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein<br />
Charakter.<br />
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal. 1<br />
So wie wir von Natur aus sind, sind wir alle schuldig und alle des<br />
Todes. Eine finsterer Hintergrund, auf dem das Augsburgische<br />
Bekenntnis geschrieben wurde. Und nicht nur dieses Bekenntnis:<br />
auch unser Leben wird auf dieser düsteren Folie gemalt. Es ist so, wie<br />
Paulus an die Römer schreibt, dabei Ps 14 zitierend:<br />
Da ist keiner, der gerecht ist, auch nicht einer.<br />
Da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der nach Gott<br />
fragt.<br />
Sie sind alle abgewichen und allesamt verdorben. Da ist keiner,<br />
der Gutes tut, auch nicht einer.<br />
1<br />
Die englische Fassung nach Charles Reade geht auf ein chinesisches Sprichwort zurück.<br />
5
Wie Donnerschläge klingt es: „Keiner!“, „Nicht einer!“, „Keiner!“,<br />
Keiner!“ „Alle!“ „Allesamt!“, „Keiner!“<br />
Es gibt keine Ausnahme außer einer einzigen: Daß die Väter die<br />
Erbsünde ausdrücklich nur auf „alle natürlich geborenen<br />
Menschen“ beschränkten, geschah im Blick auf Christus, der nicht<br />
natürlich empfangen und geboren wurde und frei von aller Sünde<br />
war. Auch von der Erbsünde.<br />
Für alle anderen gilt samt und sonders: „Da ist keiner, der gerecht ist,<br />
auch nicht einer.“<br />
Alle sind verloren, keiner kann sich selbst retten, weil auch nicht<br />
einer von uns, weil keiner sich selbst aus dieser Verkettung durch die<br />
Sünde, in der er sich selbst schon von seiner Empfängnis her<br />
vorfindet, befreien kann.<br />
Paulus, als er <strong>über</strong> dieses unentrinnbare Verhängnis im Römerbrief<br />
nachdachte, schrei geradezu aus:<br />
Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem<br />
todverfallenen Leibe? 2<br />
Wer wird mich erlösen? Losmachen? Befreien? Retten? Wer wird<br />
tun, was ich nicht kann?<br />
Paulus gibt auch sofort die Antwort:<br />
2<br />
Röm 7,24<br />
6
Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem<br />
todverfallenen Leibe?<br />
Dank sei Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn! …<br />
So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus<br />
sind.<br />
Mit diesem Ausblick auf die Erlösung wollen wir heute dieses Thema<br />
beschließen: Es gibt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus<br />
sind. Dank sei Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn!<br />
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in<br />
Christus Jesus.<br />
7