G\'sungen & G\'spielt 4/2015
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
INT´RESSANTERWEIS<br />
DAS GEHEIMNIS DES STERNS<br />
Weihnachten ohne den Stern von Bethlehem gibt es nicht,<br />
doch was steckt dahinter<br />
Text: Lisa Thurner<br />
Was wäre Weihnachten ohne Sterne?<br />
Unvorstellbar. Es gibt sie in<br />
allen erdenklichen Varianten: sei es als<br />
Dekoration aus Holz, Glas, Porzellan,<br />
Stoff, Karton oder Metall, die verschiedensten<br />
Keksformen – normal oder mit<br />
Kometenschweif –, der Stern über der<br />
traditionellen Weihnachtskrippe oder<br />
der Stern des Sternenträgers der Heiligen<br />
Drei Könige. In der Weihnachtsgeschichte<br />
ist die Himmelserscheinung<br />
prominent vertreten. Außerdem ist<br />
der Himmelskörper aus einigen Weihnachtsliedern<br />
und -gedichten nicht wegzudenken.<br />
Doch was verbirgt sich hinter<br />
dem Stern? Was haben Theologen und<br />
Astronomen dazu zu sagen?<br />
In so manch einer frei erzählten Weihnachtsgeschichte<br />
folgen nicht nur die<br />
Sterndeuter dem Stern nach Bethlehem,<br />
auch die Hirten auf dem Feld sehen den<br />
Himmelskörper und gehen ihm bis zum<br />
Stall nach. Bei vielen weihnachtlichen<br />
Krippenspielen ist der Stern über der<br />
Krippe zu finden. Allerdings gibt es für<br />
diese Beispiele keine Belege in der Bibel.<br />
Er ist wissenschaftlich gesehen sehr<br />
dürftig beschrieben.<br />
Der biblische Stern<br />
Als Stern von Bethlehem, auch Dreikönigsstern,<br />
Weihnachtsstern oder Stern<br />
der Weisen, wird eine Himmelserscheinung<br />
bezeichnet, die nach dem Matthäusevangelium<br />
Sterndeuter oder Weise<br />
zum Geburtsort Jesu Christi geführt hat.<br />
„Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes<br />
in Bethlehem in Judäa geboren worden<br />
war, kamen Sterndeuter aus dem Osten<br />
nach Jerusalem und fragten: Wo ist der<br />
neugeborene König der Juden? Wir haben<br />
seinen Stern aufgehen sehen und<br />
sind gekommen, um ihm zu huldigen“<br />
(Mat, 2,1-2,2). „Nach diesen Worten des<br />
Stern über Bethlehem,<br />
zeig uns den Weg, führ<br />
uns zur Krippe hin,<br />
zeig, wo sie steht.<br />
Königs machten sie sich auf den Weg.<br />
Und der Stern, den sie hatten aufgehen<br />
sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort,<br />
wo das Kind war; dort blieb er stehen.<br />
Als sie den Stern sahen, wurden sie von<br />
großer Freude erfüllt. Sie gingen in das<br />
Haus und sahen das Kind und Maria,<br />
seine Mutter (Mat, 2,9-2,11).“<br />
Der Stern wird nur bei Matthäus erwähnt.<br />
Bei ihm gibt es keine Hirten und<br />
keine singenden Engel. Jesus wurde<br />
in diesem Evangelium in einem Haus<br />
geboren, nicht in einem Stall. Dafür<br />
werden aber Herodes und der spätere<br />
Kindsmord beschrieben, der mitunter<br />
als Ursache für die Flucht nach Ägypten<br />
gilt. Der Evangelist spricht weder von<br />
Königen, noch nennt er ihre Namen,<br />
noch benutzt er die Zahl Drei, wie es die<br />
spätere Legende der Heiligen Drei Könige<br />
tut.<br />
Im Evangelium nach Lukas findet man<br />
Hirten und Engel. Lukas schildert die<br />
beschwerliche Reise nach Bethlehem<br />
wegen der von Augustus veranlassten<br />
Volkszählung, die Herbergssuche und<br />
die Geburt im Stall. Es steht geschrieben:<br />
„In jener Gegend lagerten Hirten<br />
auf freiem Feld und hielten Nachtwache<br />
bei ihrer Herde. Da trat der Engel des<br />
Herrn zu ihnen und der Glanz des Herrn<br />
umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr,<br />
der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet<br />
euch nicht, denn ich verkünde euch eine<br />
große Freude, die dem ganzen Volk zuteil<br />
werden soll: Heute ist euch in der<br />
Stadt Davids der Retter geboren; er ist<br />
der Messias, der Herr. Und das soll euch<br />
als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind<br />
finden, das, in Windeln gewickelt, in einer<br />
Krippe liegt. Und plötzlich war bei<br />
dem Engel ein großes himmlisches Heer,<br />
das Gott lobte und sprach: Verherrlicht<br />
ist Gott in der Höhe / und auf Erden ist<br />
Friede / bei den Menschen seiner Gnade.<br />
Als die Engel sie verlassen hatten und in<br />
den Himmel zurückgekehrt waren, sagten<br />
die Hirten zueinander: Kommt, wir<br />
gehen nach Bethlehem, um das Ereignis<br />
zu sehen, das uns der Herr verkünden<br />
ließ.“ (Lk 2,8-2,15).<br />
Wenn man die beiden Evangelien getrennt<br />
betrachtet, so fallen einem einige<br />
Ungereimtheiten auf. „Die Mehrheit der<br />
Wissenschaftler geht davon aus, dass<br />
vieles in der Kindheitsgeschichte des<br />
Matthäus erfunden wurde. Er könnte<br />
verschiedene Begebenheiten aus der<br />
früheren Geschichte als Vorlage verwendet<br />
haben. In den ersten zwei Kapiteln<br />
zitiert er vier Prophezeiungen jüdischer<br />
Tradition. In der frühen Kirche<br />
waren Sterndeuter problematisch. Diese<br />
‚Problematik’ der Sterndeuter gilt bei<br />
einigen Wissenschaftlern als Indiz der<br />
Echtheit: Die Christen waren keine Fans<br />
von Astrologen. Sie hätten sie nicht<br />
einfach erfunden“, erzählt Dr. Andrew<br />
Doole von der Theologischen Fakultät<br />
in Innsbruck. In der orthodoxen Kirche<br />
wird der Stern schwarz dargestellt<br />
mit einem Strahl auf Jesus Christus. Für<br />
die Zeugen Jehovas gelten Sterne und<br />
Sterndeuter nach wie vor als Werke des<br />
Satans.<br />
Eine einheitliche Weihnachtsgeschichte<br />
entstand aus der Zusammenführung und<br />
G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 40. JAHRGANG | HEFT 04 | DEZEMBER <strong>2015</strong> 5