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G\'sungen & G\'spielt 4/2015

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INT´RESSANTERWEIS<br />

EINE „PASTORELLE AUS GLURNS“<br />

Wie ein handschriftliches Notenblatt für Orgel aus dem 19.<br />

Jahrhundert den Weg in das volksmusikalische Spielgut<br />

heutiger Musiziergruppen findet.<br />

Abdruck aus „Versehen“<br />

Im Anhang dieser Reprintausgabe ist<br />

ein vierseitiges Faltblatt abgedruckt,<br />

eine Orgelstimme für „2 Arien mit 4<br />

Singstimmen, dazu 2 Violinen, 2 Klarinetten,<br />

2 Hörner, Violone und Fagott,<br />

oder Orgel allein“. Neben der Angabe<br />

der Besetzung finden sich auf der Titelseite<br />

zweitaktige Incipits zu den zwei<br />

„Arien“. Die erste „Arie“ steht in D-Dur<br />

im 3/4-Takt (Satzbezeichnung „Andante“),<br />

die zweite „Arie“ in G-Dur in 6/8-<br />

Takt (Satzbezeichnung „Allegretto“).<br />

Nicht schwer zu erkennen ist, dass sich<br />

die Handschrift dieses Faltblattes deutlich<br />

vom Rest des Orgelbuches unterscheidet<br />

und dass dieses Faltblatt sehr<br />

wahrscheinlich aus „Versehen“ mit dem<br />

Orgelbuch aus Welschnofen abgedruckt<br />

wurde.<br />

Text: Gernot Niederfriniger | Foto: privat<br />

Allgemein bekannt in Forschung<br />

und Pflege der Volksmusik sind<br />

die „Pastorellen aus Welschnofen“ in<br />

Südtirol. Karl Horak erhielt 1941 in<br />

Welschnofen den Rest eines alten, handschriftlichen<br />

Orgelbuches, das zahlreiche<br />

Instrumentalstücke für Orgel und<br />

Teile eines lateinischen Messordinariums<br />

sowie Teile eines Requiems enthält.<br />

Karl Horak hat über diese Orgelhandschrift<br />

in seinem Sammelband „Instrumentale<br />

Volksmusik aus Tirol“ (Innsbruck<br />

1985) und in der „Sänger- und<br />

Musikantenzeitung“ berichtet. Musikanten<br />

wie Wolfi Scheck, Sepp Dentinger,<br />

Karl Edelmann, Volker Derschmidt,<br />

u. a. haben Melodien dieser Pastorellen<br />

bearbeitet und herausgegeben. Weiters<br />

gibt es ein Notenheft für Orgel („Pastorellen<br />

aus Welschnofen – Volksfromme<br />

Orgelmusik aus Südtirol“), das Wolfi<br />

Scheck herausgegeben hat. Zugleich mit<br />

diesem Orgelheft erschien in München<br />

1987 durch den Bezirk Oberbayern eine<br />

Der Beginn der Arie No. 2 Allegretto<br />

Reprintausgabe des WelschnofenerOrgelbuches<br />

unter dem Titel „Volksfromme<br />

Musik aus Südtirol“, Pastorellen<br />

aus Welschnofen mit einem Beitrag von<br />

Karl Horak (Quellen und Schriften zur<br />

Volksmusik. Band 3. Redaktion: Ernst<br />

und Margit Schusser).<br />

Nicht aus Welschnofen, sondern aus<br />

Glurns<br />

Tatsächlich stammt dieses Faltblatt aus<br />

der Sammeltätigkeit Karl Horaks in<br />

Glurns im Vinschgau. Karl Horak selbst<br />

verfasste bereits 1979 für die Publikation<br />

„Die süddeutsche-österreichische<br />

Orgelmusik im 17. und 18. Jahrhundert“<br />

einen Artikel mit dem Titel „Dorforganist<br />

und Dorfmusikant“ (Seite 86 - 96).<br />

In diesem Artikel ist deutlich von einer<br />

„Handschrift aus Glurns“ die Rede, zum<br />

Unterschied von anderen Notenbeispielen<br />

aus Oberolang und Welschnofen.<br />

Das Faksimile der „Arie“ Nr. 2 ist als<br />

Beispiel volksmusikalischen Musizierens<br />

im sakralen Raum abgedruckt,<br />

mit dem Hinweis, dass beide „Arien“<br />

bis zum ersten Weltkrieg bei den Rorate-Ämtern<br />

in Glurns gespielt wurden.<br />

Am Beispiel dieses Orgelfaltblattes aus<br />

Glurns zeigt sich wieder, wie wichtig<br />

und inspirierend volksmusikalische<br />

Forschung und musikwissenschaftliche<br />

Publikation von handschriftlichen<br />

Quellen für das heutige Musizieren und<br />

die regionale Volksmusikpflege ist. So<br />

diente die Orgelstimme der „Arie“ Nr.<br />

2 als Vorlage für die Bearbeitung als<br />

„Pastorelle aus Glurns“ und für das gemeinsame<br />

Musizieren in gemischter Besetzung.<br />

Anm.: Dieser Text und die Noten<br />

wurden erstmals im Buch „Musikalische<br />

Volkskultur in Südtirol (3.<br />

Teil). Auf den Spuren der Volksmusiksammler<br />

Karl und Grete Horak im<br />

Vinschgau, Ultental, Passeiertal und<br />

den angrenzenden Tälern und Höhen.<br />

Bezirk Oberbayern, München 2014“<br />

abgedruckt und veröffentlicht.<br />

16<br />

G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 40. JAHRGANG | HEFT 04 | DEZEMBER <strong>2015</strong>

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