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G\'sungen & G\'spielt 4/2015

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INT´RESSANTERWEIS<br />

ANKLÖPFELN IM TIROLER<br />

UNTERLAND<br />

IMMATERIELLES KULTURERBE DER UNESCO<br />

Jede Jahreszeit hat ihren Reiz und ihre Besonderheiten,<br />

auch deshalb, weil sich bis heute unterschiedlichstes<br />

Brauchtum in den verschiedensten Gegenden Tirols erhalten<br />

hat, so etwa das adventliche „Uuklepfin“ im Tiroler<br />

Unterland.<br />

Text: Joch Weißbacher | Fotos: privat<br />

Mir lebfrischen Hirten send all guater Ding.<br />

Mir brauchen nit viel und drum lebn mir so g‘ring.<br />

Mir schlafen’s im Frei’n, habn an Himml zu an Dach<br />

und geahn d’ Schaf a Stuck weiter, aft zottl ma eah nach.<br />

Die Kost is zum Lobn, mir lebn nit in der Noat.<br />

Mir habn Kas, mir habn Milch, mir habn Butter und Broat.<br />

Und lustig is’ gnuag, mir toan `s Faxmachen gern<br />

und wenn’s wöllts, dass ma oans singan, aft lass ma ins hearn.<br />

Und eppas Leut kinna ma gar nit vasteah.<br />

Sie geahn eichi in d’ Stadt und heraußt is’ so schea.<br />

Da greant alls, da bleaht alls und d’ Nacht leichtn d’ Stern<br />

und um oans geht der Munn (Mond) auf, braucht neamb koa Latern.<br />

Dia Stadtleit, dia gscheitn, dia lachn ins aus.<br />

Aber derantswegn machn ins mir gar nix draus.<br />

Mir send so wohl z’friedn, des wuschtn s` nit moan.<br />

Und wenn s` a glei wolltn, mir tauschatn koan.<br />

Mit diesem Lied, das ich vor mehr<br />

als 40 Jahren von meinen Onkeln<br />

bei den jährlich im Advent stattfindenden<br />

Familienfeiern gehört und gelernt<br />

habe, begannen wir, eine Gruppe von<br />

Jugendlichen, um das Jahr 1970 mit<br />

dem Anklöpfeln in Niederau in der<br />

Wildschönau. Hier im Tal war und ist<br />

das Anklöpfeln einer jener adventlichen<br />

Bräuche, die sich durch Jahrhunderte<br />

gehalten haben und bis heute gepflegt<br />

werden. Und das soeben zitierte Lied<br />

ist bis heute unser liebstes Auftrittslied<br />

geblieben – auch oder gerade weil in<br />

den vier Strophen noch keine Rede ist<br />

vom eigentlichen Grund unseres abendlichen<br />

Besuchs: der Verkündigung der<br />

frohen Botschaft, die wir in die Häuser<br />

und Familien tragen. Ausgerechnet wir,<br />

die Hirten, haben ja als Erste von dem<br />

Engel vernommen, was sich im Stall zu<br />

Betlehem ereignet hat. Erst nach und<br />

nach sprudelt die Freude über das Geschehene<br />

und Erlebte aus den Liedern<br />

und Texten und endet in der Verehrung<br />

des Jesukinds in der Krippe.<br />

In Adventstimmung kommen<br />

Waren es später die Antonisinger durch<br />

fast 30 Jahre oder heute der Männerchor<br />

Oberau – immer beginnen die Vorbereitungen,<br />

sobald die ersten Herbstnebel<br />

aufziehen: Der alte Bart wird kontrolliert,<br />

die längst bestellte Lodenhose abgeholt,<br />

zumindest ein neues Lied muss<br />

her und die Zwischentexte werden geschrieben<br />

– nicht selten inspiriert durch<br />

originelle Strophen alter Hirtenlieder.<br />

All das versetzt einen in die Stimmung,<br />

die sich ganz schnell auf die anderen<br />

Sänger überträgt, spätestens wenn wir<br />

uns bei den Anklöpfelproben mit einem<br />

„Halleluja“ begrüßen. Mit jedem<br />

Durchlauf wächst die Sicherheit in den<br />

Liedern, Texten und kurzen Szenen, vor<br />

allem aber die Vorfreude auf den ersten<br />

Auftritt: „Habt’s scho gheart, was uns<br />

der Engl verkündt hat…?“<br />

Das Anklöpfeln wird Immaterielles<br />

Kulturerbe<br />

Vom „Zimmermoaster-Seppö“ Dr. Josef<br />

Riedmann, em. Univ. Prof. für Geschichte<br />

an der Uni Innsbruck, stammt<br />

der folgende Text zur Rechtfertigung<br />

der Aufnahme des Brauches in die UN-<br />

ESCO-Liste. Der Antrag dazu wurde<br />

von den Oberauer Anklöpflern – den<br />

Antonisingern – gestellt, die Entscheidung<br />

über die Eintragung erfolgte am<br />

16. März 2011.<br />

G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 40. JAHRGANG | HEFT 04 | DEZEMBER <strong>2015</strong> 11

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