-Universitätsklinikder
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Aus der<br />
Dermatologischen Klinik<br />
des St.-Josef-Hospitals Bochum<br />
-<strong>Universitätsklinikder</strong><br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
ehem. Direktor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer<br />
Rezidiv- und Überlebensdaten von Melanompatienten mit<br />
nodalen melanozytären Naevi<br />
Inaugural-Dissertation<br />
zur<br />
Erlangung des Doktorgrades der Medizin<br />
einer<br />
Hohen Medizinischen Fakultät<br />
der Ruhr-Universität Bochum<br />
vorgelegt von<br />
Lisa Scholl<br />
aus Witten<br />
2014
Dekan:<br />
Referent:<br />
Koreferent:<br />
Prof. Dr. med. K. Überla<br />
Prof. Dr. med. T. Gambichler<br />
Prof. Dr. med. A. Kreuter<br />
Tag der mündlichen Prüfung: 30.04.2015
Abstract<br />
Scholl, Lisa<br />
Rezidiv- und Überlebensdaten von Melanompatienten mit nodalen melanozytären Naevi<br />
Problem: Die histopathologische Differenzierung zwischen nodalen Nävi (NN) und<br />
Metastasen eines malignen Melanoms (MM) stellt auch heute teilweise noch eine<br />
Herausforderung dar, weil ein NN als eine Mikrometastase verkannt werden kann. Es gibt<br />
kein uniformiertes Therapiekonzept für Patienten mit einem NN, da keine einheitliche<br />
Meinung über die Wertigkeit des NN herrscht. Anhand dieser Arbeit soll belegt werden, dass<br />
sich das rezidivfreie und das Gesamtüberleben von Patienten mit einem NN und Patienten<br />
mit einem positiven Sentinel-Lymphknoten (SLN) signifikant unterscheidet. Des Weiteren soll<br />
demonstriert werden, dass sich die Überlebenszeitkurven der Patienten mit einem NN,<br />
denen der Patienten mit einem negativen SLN ähneln.<br />
Methode: Es wurden die Daten von 750 Patienten mit einem MM, die sich einer Sentinel-<br />
Lymphknoten-Biopsie (SLNB) unterzogen haben, untersucht. Davon wurden 651 Patienten<br />
in die uni- und multivariaten Analysen miteinbezogen. Die Kaplan-Meyer-Kurven wurden zur<br />
Darstellung der DFS- (disease free survival) und OS- (overall survival) Raten bei Patienten<br />
mit einem NN, mit einem positiven oder mit einem negativen SLN angewendet.<br />
Ergenbis: 7,7% der Patienten (50 aus 651) hatten einen NN im SLN. Im logistischen<br />
Regressionsmodell demonstrierte sich eine Primärläsion im Bereich der unteren<br />
Extremitäten als der stärkste unabhängige negative Vorhersagewert für das Auftreten eines<br />
NN mit einer Odds Ratio von 0,11 (95%-Konfidenzeinterval 0,034-0,36; P = 0,0002). Die<br />
univariate Analyse zeigte, dass ein NN signifikant mit dem männlichen Geschlecht, der<br />
Tumorlokalisation und dem Melanomsubtyp assoziiert ist. Das 5-Jahres-Gesamtüberleben<br />
(OS, P = 0,17) and das 5-Jahres-rezidivfreie Überleben (DFS, P = 0,45) von Patienten mit<br />
einem NN unterscheidet sich nicht signifikant von denen von Patienten mit einem negativen<br />
SLN bzw. waren deutlich besser als die von Patienten mit einem positiven SLN.<br />
Diskussion: Die Häufigkeit und Lokalisation des NN, welche in dieser Arbeit beobachtet<br />
wurden, entsprechen den Befunden aus vorherigen Studien. Anhand der klinischen<br />
Merkmale der NN-Patienten konnte keine Aussage darüber gemacht werden, welche der<br />
Entstehungstheorien, wie die NN in die Lymphknoten gelangen, favorisiert werden könnte.<br />
Die 5-Jahres-Überlebensdaten demonstrieren deutlich, dass NN in SLN als benigne<br />
eingestuft werden sollten, obwohl sie vermehrt bei Patienten mit einem MM auftreten. Diese<br />
Arbeit bietet einen indirekten Beweis für die Validität und Genauigkeit der<br />
histopathologischen Methoden zur Differenzierung von NN und Metastasen eines MM.
Für meine Familie
1<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einleitung.................................................................................................. 4<br />
1.1. Vorwort ............................................................................................... 4<br />
1.2. Der melanozytäre Nävus ................................................................... 5<br />
1.2.1. Einteilung ....................................................................................... 5<br />
1.2.2. Der dysplastische Nävus ............................................................... 6<br />
1.2.3. Wertigkeit und Behandlung ........................................................... 7<br />
1.3. Der nodale Nävus .............................................................................. 7<br />
1.3.1. Definition und Entstehung ............................................................. 7<br />
1.3.2. Lokalisation ................................................................................... 8<br />
1.3.3. Häufigkeit ...................................................................................... 9<br />
1.3.4. Wertigkeit, Diagnostik und Behandlung ....................................... 10<br />
1.4. Das maligne Melanom ...................................................................... 11<br />
1.4.1. Definition ...................................................................................... 11<br />
1.4.2. Epidemiologie .............................................................................. 12<br />
1.4.3. Ätiologie ....................................................................................... 13<br />
1.4.4. Lokalisation ................................................................................. 14<br />
1.4.5. Subtypen ..................................................................................... 14<br />
1.4.6. Diagnostik .................................................................................... 16<br />
1.4.7. Therapie ...................................................................................... 22<br />
1.4.8. Nachsorge und Prognose ............................................................ 24<br />
2. Fragestellung ......................................................................................... 26<br />
3. Material und Methoden .......................................................................... 27<br />
3.1. Patientenkollektiv ............................................................................ 27<br />
3.2. Sentinellymphknotenbiopsie .......................................................... 28<br />
3.3. Immunhistochemische Diagnostik ................................................. 30<br />
3.4. Datenextraktion und Follow-Up ...................................................... 37<br />
3.5. Statistische Analyse ........................................................................ 37<br />
4. Ergebnisse .............................................................................................. 39<br />
4.1. Statistische Angaben zum Patientenkollektiv ............................... 39<br />
4.2. Verteilung der Nodalen Nävi im SLN .............................................. 39<br />
4.3. Kofaktoren des Nodalen Nävus ...................................................... 39<br />
4.4. Einflussvariablen auf den NN ......................................................... 43<br />
4.5. Resultate der SLNB ......................................................................... 44<br />
4.5.1. Zusammenhang zwischen Tumormerkmalen und positivem SLN 44<br />
4.6. Rezidiv und Todesraten................................................................... 45
2<br />
4.7. Überlebenszeitanalyse .................................................................... 46<br />
4.7.1. Vergleich NN vs. positiver SLN .................................................... 47<br />
4.7.2. Vergleich NN vs. negativer SLN .................................................. 48<br />
4.7.3. Vergleich negativer SLN vs. positiver SLN .................................. 50<br />
5. Diskussion .............................................................................................. 52<br />
5.1. Nodale Nävi ...................................................................................... 52<br />
5.1.1. Häufigkeit und Verteilung von NN ................................................ 52<br />
5.1.2. Prädiktive Faktoren für das Auftreten von NN ............................. 53<br />
5.1.3. Vergleich zwischen NN in SLN und Non-SLN ............................. 54<br />
5.1.4. Entstehungstheorie...................................................................... 54<br />
5.1.5. NN in anderen Tumorentitäten .................................................... 57<br />
5.2. Der SLN-Status ................................................................................ 57<br />
5.3 Prognostische Faktoren des SLN-Status ....................................... 61<br />
5.4. Stadium III ........................................................................................ 66<br />
5.5. OS und DFS ...................................................................................... 67<br />
5.5.1. DFS von Patienten mit pos. SLN und neg. SLN .......................... 68<br />
5.5.2. OS von Patienten mit pos. SLN und neg. SLN ............................ 68<br />
5.5.3. OS und DFS von Patienten mit NN ............................................. 68<br />
5.6. Zusammenhang zwischen NN und MM .......................................... 69<br />
5.7. Schlussfolgerung ............................................................................ 71<br />
5.8. Konsequenz in Therapie und zukünftige Studien ......................... 72<br />
5.9. Mögliche Fehlerquellen/Einschränkungen der Arbeit .................. 72<br />
6. Zusammenfassung ................................................................................ 74<br />
7. Literaturverzeichnis ............................................................................... 75
3<br />
I. Verzeichnis der Abkürzungen<br />
AMM<br />
DFS<br />
DN<br />
LMM<br />
MM<br />
NN<br />
NM<br />
OS<br />
SSM<br />
SLN<br />
SLNB<br />
Akrolentiginöse Melanom<br />
Disease-Free-Survival, rezidivfreies Überleben<br />
Dysplastischer Nävus<br />
Lentigo-Maligna-Melanom<br />
Malignes Melanom<br />
Nodaler Nävus<br />
Noduläres Melanom<br />
Overall Survival, Gesamtüberleben<br />
Superfiziell spreitendes Melanom<br />
Sentinel-Lymphknoten<br />
Sentinel-Lymphknoten-Biopsie
4<br />
1. Einleitung<br />
1.1. Vorwort<br />
Die Gruppe der Hauttumoren umfasst verschiedene Tumoren<br />
unterschiedlicher Dignität, die folglich mit unterschiedlichen Verläufen<br />
einhergehen. Der Volksmund spricht von schwarzem und weißem Hautkrebs.<br />
Diese Arbeit legt den Schwerpunkt auf das maligne Melanom (MM), welches<br />
für mehr als 90% der Hauttumor assoziierten Todesfälle verantwortlich ist<br />
und eine steigende Inzidenz in der weißen Bevölkerung hat (Leiter and<br />
Garbe, 2008). Es ist wichtig, nicht nur therapeutisch, sondern auch präventiv,<br />
ein umfangreiches Regime zu entwickeln, um den erkrankten Patienten eine<br />
optimale Versorgung anzubieten. Eine Unterteilung in Subtypen sowie<br />
andere histologische Faktoren sind nötig um eine Prognose ableiten zu<br />
können. Zu dieser Beurteilung wird vor allem die Breslow-Tumordicke<br />
bestimmt, jedoch ist auch die histologische Aufarbeitung des Sentinel-<br />
Lymphknotens (SLN) für den weiteren Verlauf von maßgeblichem Belang.<br />
Bei der Untersuchung des SLN wurde jedoch neben den<br />
metastasenverdächtigen und metastasenfreien Lymphknoten, auch anderes<br />
Gewebe gefunden. Dabei handelt es sich um Melanozyten, die in vorherigen<br />
Arbeiten als benigne eingestuft wurden, sogenannte nodale Nävi (NN). Der<br />
histopathologische Nachweis und die Einschätzung der Dignität der NN sind<br />
von großer Bedeutung für den Patienten. Deshalb wurden in dieser Arbeit<br />
zum ersten Mal die klinische Charakteristika und Überlebensdaten einer<br />
großen Kohorte von MM-Patienten mit NN, welche sich zuvor einer Sentinel-<br />
Lymphknoten-Biopsie (SLNB) unterzogen hatten, überprüft und der<br />
Stellenwert des NN in der Diagnostik und für die Prognose beschrieben.
5<br />
1.2. Der melanozytäre Nävus<br />
1.2.1. Einteilung<br />
Der melanozytäre Nävus ist der häufigste gutartige Hauttumor in der weißen<br />
Bevölkerung, welcher schon bei Geburt vorhanden sein kann oder sich erst<br />
im Laufe des Lebens entwickelt. Vor allem in den ersten 3 Lebensdekaden<br />
kommt es zu einer Zunahme melanozytärer Läsionen. Es handelt sich um<br />
benigne Proliferationen der Melanozyten, welche in der Dermis oder<br />
Epidermis lokalisiert sind und sich in Nestern zusammenfügen (Hauschild et<br />
al., 2011). Je weiter die Nävuszellen in die Dermis wachsen, desto geringer<br />
ist die Melaninproduktion. Dieser Prozess wird „Reifung“ genannt (Bosserhoff<br />
and Strizzi, 2011). Die Anzahl an melanozytären Nävi, die ein Mensch<br />
ausbildet, ist abhängig von der genetischen Prädisposition, dem Alter und<br />
Umweltfaktoren, wie beispielsweise die Dauer der Sonnenexposition oder<br />
der Nähe zum Äquator. Melanozytäre Nävi treten meist multiple auf und ihre<br />
Existenz stellt einen Risikoindikator sowie eine mögliche Präkanzerose des<br />
malignen Melanoms dar. Eine Einteilung des melanozytären Nävus erfolgt<br />
anhand der Schicht, in der sich die Läsion befindet (Hauschild et al., 2011).<br />
Bei dem Nävus vom Junktionstyp handelt es sich um eine Ansammlung von<br />
Melanozyten im Bereich der dermoepidermalen Grenzzone. Meist zeigt sich<br />
eine dunkelbraun pigmentierte, scharf begrenzte Makula, die jedoch auch<br />
plaqueartig erhaben sein kann (Hauschild et al., 2011).<br />
Der Nävus vom Compoundtyp befindet sich in der Epidermis und Dermis. Er<br />
ist unterschiedlich stark erhaben (meist leicht erhabene Papel) und kann<br />
pigmentiert, aber auch hautfarben sein. Im Allgemeinen erscheint er<br />
hellbraun, also heller als der Junktionsnävus (Hauschild et al., 2011).<br />
Der dermale Nävus befindet sich, wie der Name ausdrückt, in der Dermis<br />
und ist hautfarben bzw. unpigmentiert. In der Epidermis befinden sich keine<br />
Melanozyten, sondern ausschließlich in der Dermis. Der Nävus sitzt der Haut<br />
meist leicht erhaben knotig mit regelmäßiger Oberfläche und scharfer<br />
Begrenzung auf (Hauschild et al., 2011).
6<br />
1.2.2. Der dysplastische Nävus<br />
Der dysplastische Nävus (DN) stellt eine Unterform der melanozytären Nävi<br />
dar. Dabei handelt es sich um atypische melanozytäre Zellen mit einer<br />
Tendenz zur malignen Entartung. Der DN wird in der Literatur, wenn auch<br />
unter kontroverser Diskussion, als eine Vorstufe und auch als Marker des<br />
MM gesehen (Crowson et al., 2006; Skender-Kalnenas et al., 1995) In 28%<br />
der MM-Fälle besteht eine Assoziation mit einem DN. Diese Assoziation<br />
nimmt jedoch mit zunehmendem Alter ab, was unter anderem der Zunahme<br />
anderer Subtypen, wie dem Lentigo-Maligna-Melanom (LMM), zuzuschreiben<br />
ist. Diese Läsionen können klinisch anhand der ABCDE-Regel diagnostiziert<br />
werden (Hauschild et al., 2011). Sie sind meist größer als benigne Nävi,<br />
haben eine unregelmäßige Begrenzung und eine unterschiedlich starke<br />
Pigmentierung (Bosserhoff and Strizzi, 2011). Histologisch sind eine basale<br />
Proliferation der Melanozyten sowie Atypien, wie Kernpolymorphien oder<br />
eine Verschiebung der Kern-Plasma-Relation und eine Stromareaktion zu<br />
erkennen. Außerdem ist häufig eine unregelmäßige Nestbildung im Bereich<br />
der Compoundzone mit Bridging, einer brückenartigen Verbindung der<br />
einzelnen Nester, sowie eine Durchwanderung in die Epidermis festzustellen<br />
(Hauschild et al., 2011).<br />
Abbildung 1: dysplastischer Nävus mit unregelmäßiger Begrenzung und<br />
Pigmentierung (Altmeyer and Paech, 2014)
7<br />
1.2.3. Wertigkeit und Behandlung<br />
Alle Nävi sollten in regelmäßigem Abstand von 2 Jahren im Rahmen des<br />
Hautscreenings, welches 2008 deutschlandweit eingeführt wurde,<br />
auflichtmikroskopisch untersucht werden. Zusätzlich können zur<br />
Verlaufskontrolle auffällige Befunde photodokumentiert werden, sodass eine<br />
Aussage über die Entwicklung einer Läsion möglich ist. Im Falle von<br />
Veränderungen wie Blutungen oder Größenzunahmen ist eine weitere<br />
histologische Abklärung entsprechend der ABCDE-Regel zu empfehlen. Die<br />
Abgrenzung zu einem frühen malignem Melanom ist rein klinisch häufig nur<br />
schwer möglich. Der DN ist meistens mit einem superfiziell spreitenden<br />
Melanom assoziiert (Reddy et al., 2013; Skender-Kalnenas et al., 1995).<br />
1.3. Der nodale Nävus<br />
1.3.1. Definition und Entstehung<br />
Nävoide Zellaggregate (Nodale Nävi, NN) in Lymphknoten zeigen sich<br />
normalerweise als intrakapsuläre oder trabekuläre Zusammenschlüsse<br />
kleiner, monomorpher bzw. uniformer Melanozyten ohne Mitosen und mit<br />
einem schmalen Zytoplasmasaum (Bautista et al., 1994). Sie ähneln den<br />
Melanozyten der intradermal gelegenen melanozytären Nävi und<br />
unterscheiden sich von metastatischen Zellen unter anderem dadurch, dass<br />
sie weder Atypien noch eine erhöhte Mitoserate aufweisen.<br />
Ab und zu können sie auch an kleine Gefäße angrenzend oder in<br />
lymphatischen Gefäßen, welche die Lymphknoten umgeben, entdeckt<br />
werden (Carson et al., 1996; McCarthy et al., 1974; Stolz et al., 1989).<br />
Nävuszellen sind üblicherweise von einem feinen retikulären Bindegewebe<br />
umgeben, welches nicht mit Melanomzellen assoziiert ist (Andreola and<br />
Clemente, 1985). Diese Zellen reagieren positiv auf das S100-Protein, aber<br />
exprimieren kein oder nur gering HMB-45 (Carson et al., 1996). Im<br />
Gegensatz zu Metastasen-assoziierten melanozytären Zellen, tendieren<br />
nodale Nävuszellen dazu, negativ auf den Proliferationsmarker Ki-67 zu<br />
reagieren (Biddle et al., 2003; Lohmann et al., 2002). Da ein NN eine
8<br />
bösartige Metastase imitieren kann, ist die histopathologische Untersuchung<br />
von großer Bedeutung. Das Auftreten von Nävuszellansammlungen in<br />
Lymphknoten ist spätestens seit der Beschreibung durch Stewart und<br />
Copeland 1931 bekannt. Es gibt 2 Theorien zur Genese eines NN bzw. wie<br />
die Nävuszellen die Lymphknoten erreichen. In der 1. Theorie wird vermutet,<br />
dass sich Stammzellen aus der Neuralleiste in den Lymphknoten festgesetzt<br />
haben und nicht weiter gewandert sind. Man spricht in diesem Fall auch von<br />
der „ruhenden Migration“. Die 2. Theorie wurde 1935 von Von Albertini<br />
vorgestellt und beschreibt den Transport von Zellen aus kutanen<br />
melanozytären Läsionen über dermale Lymphbahnen in die Lymphknoten<br />
(Von Albertini, 1935). Die Nävuszellen tendieren dazu sich in Nestern oder in<br />
strangförmigen Verbindungen im kollagenösen Gewebe anzuordnen, ähnlich<br />
den kutanen Nävi der Dermis (Fontaine et al., 2002). Eine signifikante<br />
Assoziation zwischen einem primären MM und einem NN im regionalen<br />
Lymphknoten wurde in verschiedenen Studien festgestellt. So wurden in<br />
23,6% der MM-Patienten ein NN gefunden. Im Vergleich dazu nur in 2% der<br />
Patienten mit einem Mammakarzinom. Daraus lässt sich herleiten, dass die<br />
Existenz des MM mit der Entwicklung eines NN verknüpft sein könnte<br />
(Carson et al., 1996; Parker et al., 1999; Patterson, 2004).<br />
1.3.2. Lokalisation<br />
NN werden meistens in axillären Lymphknoten, aber auch in den zervikalen<br />
und inguinalen Lymphknotenkompartimenten entdeckt. Interessanterweise<br />
wurden NN bis jetzt nur in Lymphknoten, die dem oberflächlichen, kutanen<br />
Lymphabstromgebiet angehören, gefunden (Fontaine et al., 2002). Viszerale<br />
Knoten oder andere Lokalisationen, wie zum Beispiel submandibular sind<br />
selten involviert (Carson et al., 1996; Jensen and Correll, 1980; Parker et al.,<br />
1999; Patterson, 2004). Meistens sehen die Zellansammlungen wie einfache<br />
melanozytäe Nävi aus und befinden sich in der kollagenösen Kapsel oder<br />
trabekulär und sind deutlich von der subkapsulären, sinusidalen Lokalisation<br />
der MM-Metastasen abzugrenzen (Fontaine et al., 2002). Hier ist jedoch<br />
auch an Ausnahmen zu denken, da NN zwar selten, aber durchaus auch in
9<br />
anderen Bereichen des Lymphknotens, wie beispielsweise im Parenchym,<br />
gefunden wurden (Bautista et al., 1994; Biddle et al., 2003; Hruban et al.,<br />
1990; Ridolfi et al., 1977).<br />
Abbildung 2: Melanozyten, die sich in der Kapsel eines Lymphknoten<br />
befinden (H&E, ×20) (Holt et al., 2004).<br />
1.3.3. Häufigkeit<br />
Zwar sind NN nicht ungewöhnlich, jedoch ist die Häufigkeit ihres<br />
Vorkommens umstritten. In verschiedenen Studien, die versucht haben die<br />
Häufigkeit von NN zu ermitteln, kam es zu diskrepanten Ergebnissen<br />
(Carson et al., 1996). Unter allen Patienten mit einem MM, bei denen eine<br />
Lymphadenektomie oder eine Lymphknotenbiopsie durchgeführt wurde,<br />
hatten 3-22% einen nodalen Nävus (Carson et al., 1996; Ridolfi et al., 1977).<br />
Bei MM-Patienten wurden infolge der kompletten Lymphadenektomien<br />
zwischen 0,12% und 0,54% NN gefunden (Bautista et al., 1994; Carson et<br />
al., 1996; Patterson, 2004; Ridolfi et al., 1977). Bei selektiven<br />
Lymphknotendissektionen konnten in 1,2% und in SLNB konnte in 3,9%-13%<br />
ein NN detektiert werden (Carson et al., 1996; Fontaine et al., 2002; Holt et<br />
al., 2004; Witte et al., 2006). Entscheidend ist, dass ein NN deutlich häufiger<br />
bei Patienten mit einem MM vorkommt, als bei Patienten mit benignen<br />
melanozytären Läsionen der Haut., denn auf nävoide Zellen wurde auch in
10<br />
Lymphknoten von Patienten ohne bekannte maligne Erkankung gestoßen<br />
(Biddle et al., 2003). Auch ist die Inzidenz nodaler Nävi bei<br />
Lymphknotendissektionen im Rahmen anderer Tumorerkrankungen<br />
niedriger.<br />
Laut Carson et al. waren Patienten mit einem MM, welches mit einem<br />
kutanen melanozytären Nävus assoziiert war, signifikant häufiger von einem<br />
NN betroffen als Patienten, deren MM keine Verbindung zu einem vorher<br />
bestehenden melanozytären Nävus hatten. NN sind daher stark mit der<br />
Existenz kutaner Melanome assoziiert und werden vermehrt bei Melanomen<br />
aus präexistenten Läsionen gefunden (Carson et al., 1996).<br />
Nävuszellaggregate konnten aber auch in Lymphknoten gefunden werden,<br />
die mit einem Nävus bleu, einem zellulären Nävus bleu, einem<br />
Ballonzellnävus und atypischen spitzoiden Tumoren in Verbindung stehen<br />
(Busam et al., 2009; Dohse and Ferringer, 2010; Ridolfi et al., 1977; Scheller<br />
et al., 2010; Urso, 2008).<br />
1.3.4. Wertigkeit, Diagnostik und Behandlung<br />
Nävoide Zellaggregate im lymphatischen Abflussgebiet eines MM können<br />
irrtümlich als MM-Metastase verkannt werden. NN waren mit einer HE-<br />
Färbung (Hämatoxylin-Eosin-Färbung) in 78% der Fälle auffindbar, aber nur<br />
in 22% mit einer S100-Färbung (Carson et al., 1996). Die<br />
Differentialdiagnose zwischen NN und MM ist, trotz der fortgeschrittenen und<br />
sich stetig verbessernden diagnostischen Verfahren auf den Gebiet der<br />
Immunhistochemie und anderen Methoden wie In-situ-Hybridisierung und<br />
RT-PCR, immer noch schwierig (Dalton et al., 2010; Lohmann et al., 2002;<br />
Mentrikoski et al., 2009; Mihic-Probst et al., 2003; Taube et al., 2009). Über<br />
die biologische Wertigkeit und Dignität des NN wird kontrovers diskutiert<br />
(Biddle et al., 2003; Carson et al., 1996; McCalmont and Bastian, 2012;<br />
Patterson, 2004; Pulitzer et al., 2010; Ridolfi et al., 1977). So berichten<br />
Pulitzer et al. in ihrer Studie von gutartigem elastotischen Material in<br />
lymphatischen Bahnen und Lymphknoten und nennen diese Entdeckungen<br />
ein Paradigma für den passiven Transport von Gewebe und unterstützen
11<br />
somit die Theorie der benignen Metastasierung (Pulitzer et al., 2010). Daher<br />
ist der Beweis der oben erwähnten Entdeckung sowie die Überlebensdaten<br />
von MM-Patienten mit einem NN von fundamentaler Wichtigkeit, um die<br />
Behauptung, dass fremde Zellen oder zelluläre Aggregate, welche in SLN<br />
gefunden wurden, nicht notwendigerweise eine klinisch relevante Metastase<br />
repräsentieren, zu untermauern (Pulitzer et al., 2010). In der Studie von<br />
Carson et al. waren Zellen des MM und Zellen eines NN zytologisch<br />
eindeutig unterscheidbar. In manchen Fällen waren sowohl Zellen eines NN,<br />
als auch Zellen einer MM-Metastase nachweisbar. Dann ähnelten letztere<br />
eindeutig denen des Primärtumors (Carson et al., 1996).<br />
1.4. Das maligne Melanom<br />
1.4.1. Definition<br />
Das maligne Melanom (MM) entwickelt sich meistens aus Melanozyten der<br />
basalen Epidermisschicht. Es maskiert sich mit histologischen Eigenschaften<br />
einer großen Spanne anderer Tumoren, wie Lymphomen, neuroendokrine<br />
Tumoren, wenig differenzierten Karzinomen und Sarkomen. Im Übringen<br />
kann es diverse zytoplasmatische Morphologien und verschiedenste<br />
architektonische Muster annehmen (Banerjee and Harris, 2000). Das MM ist<br />
ein sehr aggressiver Tumor, der frühzeitig infiltrativ wächst und früh<br />
lymphogen später auch hämatogen metastasiert. Es ist für 90% der durch<br />
Hautkrebs verursachten Todesfälle verantwortlich (Büchels et al., 2000;<br />
Kropp et al., 2001). Fernmetastasen treten vor allem in der Leber, im<br />
Gastrointestinaltrakt, in der Lunge, im Knochen, im Gehirn, in der Kutis und<br />
Subkutis, aber auch in Milz und Niere auf. Das MM entsteht abhängig von<br />
der anatomischen Lokalisation in ungefähr 50% der Fälle aus einem<br />
vorbestehenden Nävus (Skender-Kalnenas et al., 1995).
12<br />
Abbildung 3: Histologisches Präparat eines MM (Altmeyer & Paech, 2014)<br />
1.4.2. Epidemiologie<br />
Weltweit erkranken jährlich ungefähr 200.000 Menschen an einem malignen<br />
Melanom (Ferlay et al., 2010). Die standardisierte Erkrankungsrate in<br />
Deutschland lag im Jahre 2010 bei 18/100.000 bei Männern und bei<br />
17,8/100.000 bei Frauen (Robert Koch Institut, 2012). Das<br />
Manifestationsalter hat zwei Häufigkeitsgipfel, der erste mit 54 Jahren, der<br />
zweite mit 74 Jahren. Die Lokalisation des MM ist altersabhängig<br />
unterschiedlich verteilt. So treten im mittleren Lebensalter vermehrt MM des<br />
Rumpfes und im fortgeschrittenen Alter vermehrt MM des Gesichts und der<br />
Ohren auf (Berwick, 2011).<br />
Die Inzidenz des MM ist in den letzten 20 Jahren in Deutschland um das 4-<br />
fache gestiegen, während die Mortalität jedoch konstant geblieben ist (Robert<br />
Koch Institut, 2012). Dies ist vor allem durch die frühzeitige Diagnose mit<br />
folglich geringerer Tumordicke erklärbar, welche seit der Einführung eines<br />
Hautscreenings 2008 möglich wurde (Eisemann et al., 2012).
13<br />
1.4.3. Ätiologie<br />
Bei der Entstehung eines MM spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Man<br />
kann diese grob in angeborene und erworbene Risikofaktoren unterteilen.<br />
Zu den angeborenen Faktoren zählt zum einen die konstitutive<br />
Pigmentierung. Ein erhöhter Melaningehalt bietet einen gewissen Schutz<br />
gegen DNA-Schäden in der Epidermis (Yamaguchi et al., 2006). Folglich<br />
haben Patienten mit hellen Haaren, blauen Augen und einer zu<br />
Sonnenbränden neigenden Haut ein erhöhtes MM-Risiko durch UV-<br />
Exposition. Es ist jedoch anzumerken, dass nicht jeder Patient des gleichen<br />
Hauttyps auch gleich auf eine UV-Exposition reagiert. (Bykov et al., 2000;<br />
Wagner et al., 2002).<br />
Die Anzahl an Nävi stellt einen weiteren wichtigen Risikofaktor dar. Patienten<br />
mit vielen Nävi haben ein erhöhtes Risiko an einem MM zu erkranken<br />
(Armstrong and Kricker, 2001). Selbst wenn klinisch keine dysplastischen<br />
Nävi nachweisbar waren, konnte die Existenz von multiplen Nävi (> 100) mit<br />
einem signifikant erhöhtem Risiko ein MM zu entwickeln, assoziiiert werden<br />
(Huynh et al., 2003).<br />
Auch eine positive Familienanamnese hat Auswirkungen auf das MM-Risiko.<br />
Verwandte ersten Grades von MM-Patienten haben ein erhöhtes Risiko an<br />
einem MM zu erkranken (Berwick, 2011). Auch ein Melanom in der<br />
Vorgeschichte gilt als Risikofaktor, das mit einer erhöhten MM-Inzidenz in<br />
Erscheinung tritt. So treten 5-10% der MM in erblich belasteten Familien auf<br />
(Gandini et al., 2005; Garbe et al., 2005). Zu den erworbenen Risikofaktoren<br />
zählt die UV-Belastung, besonders wenn sie in der Kindheit stattfindet. Dabei<br />
wird zwischen der intermittierenden Sonnenexposition und Sonnenbränden<br />
unterschieden (AWMF-Leitlinien-Register, 2013). Mit zunehmender Nähe<br />
zum Äquator und folglich erhöhter Sonnenexposition steigt die Inzidenz. Dies<br />
wird vor allem an sonnenexponierten Körperstellen, wie Wange, Stirn und<br />
Nase, beobachtet.
14<br />
1.4.4. Lokalisation<br />
Das MM entsteht meistens auf der Haut, kann aber auch auf Schleimhäuten,<br />
Uvea, Retina, Leptomeningnen, in der Kochlea oder im Gastrointestinaltrakt<br />
auftreten (Hein et al., 2011). Das MM ist vor allem an den Extremitäten (50%)<br />
zu beobachten. In 35% befindet sich der Primarius im Bereich des Rumpfes<br />
und in 15% im Hals- und Nackenbereich (Fontaine et al., 2002). Die<br />
Verteilung ist geschlechterabhängig, sodass das MM bei der Frau vermehrt<br />
an den Unterschenkeln auszumachen ist, beim Mann jedoch häufiger am<br />
Rumpf, vor allem im Bereich des Rückens auftritt (Hein et al., 2011).<br />
1.4.5. Subtypen<br />
Das MM lässt sich in 5 Subtypen unterteilen: das superfiziell spreitende<br />
Melanom (SSM), das noduläre Melanom (NM), das akrolentiginöse Melanom<br />
(ALM) und das Lentigo-Maligna-Melanom (LMM). Diese Unterteilung in<br />
Subtypen scheint aus mehreren Gründen sinnvoll. Dazu gehören einerseits<br />
die Häufigkeitsverteilung, die Lokalisation, die histologische Differenzierung,<br />
aber auch die primäre Wachstumsrichtung, die damit verbundene Invasivität<br />
und letztlich der zeitliche Verlauf der Metastasierung und demzufolge die<br />
Prognose.<br />
Superfiziell spreitendes Melanom<br />
Das superfiziell spreitende Melanom ist mit 60% der häufigste Subtyp. Es ist<br />
vor allem am Rumpf lokalisiert und zeichnet sich durch ein langes<br />
horizontales intraepidermales Wachstumsmuster aus. Erst im Verlauf kommt<br />
es zu einem invasiven, vertikalen und somit sekundär knotigem Wachstum.<br />
Das SSM ist unregelmäßig begrenzt und enthält in fortgeschrittenen Stadien<br />
häufig helle Regressionszonen, sodass verschiedene Farbtöne das<br />
morphologische Bild ausmachen. Zudem ist es meist makulös und enthält<br />
eventuell leicht erhabene papulöse Anteile. Später stehen knotige Anteile und<br />
ein unregelmäßiges Bild mit Ulzerationen im Vordergrund. Dieser Subtyp ist<br />
häufig mit einem vorbestehenden oder dysplastischen Nävus assoziiert
15<br />
(Reddy et al., 2013).<br />
Abbildung 4: Superfiziell spreitendes Melanom (Altmeyer & Paech, 2014).<br />
Noduläres Melanom<br />
Das noduläre Melanom ist mit 20% das am zweit häufigsten vorkommende<br />
Melanom. Es ist vor allem durch sein primär vertikales, also primär knotig<br />
exophytisches Wachstum und der damit verbundenen schlechten Prognose<br />
gekennzeichnet. Es ist meist scharf begrenzt, häufig schwarzbraun<br />
pigmentiert mit teils erosiv-ulzerierendem Zentrum (Garbe et al., 2005; Hein<br />
et al., 2011).<br />
Lentigo-Maligna-Melanom<br />
10% aller MM zeigen sich in Form eines Lentigo-Maligna-Melanoms. Es tritt<br />
vor allem an sonnenexponierten Körperstellen, wie dem Gesicht, auf dem<br />
Boden einer Lentigo Maligna auf. Es ist in höherem Lebensalter, meist nach<br />
dem 60. Jahr, mit zunehmender Tendenz zu sehen. Die Begrenzung ist meist<br />
unscharf, die Verfärbung unregelmäßig von hellbraun bis hin zu tiefschwarz.<br />
Es können sich papulöse Anteile und auch Ulzerationen entwickeln (Cohen,<br />
1995). Aufgrund der relativ späten Metastasierung ist die Prognose meist<br />
günstiger als bei anderen Formen des MM (Hein et al., 2011).
16<br />
Akrolentiginöse Melanom<br />
Das Akrolentiginöse Melanom ist mit 5% eher selten und entwickelt sich vor<br />
allem an den Handinnenflächen, Phalangen und Fußsohlen. Es ist<br />
gekennzeichnet durch ein klinisch sehr heterogenes Bild mit Erosionen und<br />
Ulzerationen. Da es lange unerkannt bleibt, wird die Diagnose häufig erst<br />
spät gestellt, sodass die Prognose dementsprechend schlecht ist (Hein et al.,<br />
2011).<br />
Neben den genannten Subtypen gibt es Sonderformen wie z. B. das<br />
amelanotische Melanom sowie Schleimhaut- oder andere extrakutane<br />
Melanome, die etwa 5% aller MM ausmachen.<br />
1.4.6. Diagnostik<br />
Zu Beginn sollte eine Inspektion des gesamten Integuments inklusive<br />
dermatoskopischer Beurteilung durchgeführt werden, um eventuelle<br />
Melanomvorläuferläsionen zu entdecken. Die dermatoskopisch erhobenen<br />
Befunde können photodokumentiert werden und zur Verlaufskontrolle dienen.<br />
Auch die Lymphknotenpalpation gehört zur Erfassung eines ersten<br />
Eindruckes dazu. Zur genaueren Beurteilung der melanozytären Läsionen<br />
dient die ABCDE-Regel (Hauschild et al., 2011). Das A steht für Asymmetrie,<br />
das B für Begrenzung, womit gemeint ist, ob die Grenzen regelmäßig oder<br />
unregelmäßig sind. Das C steht für Color, die Farbe. Hier ist vor allem eine<br />
homogene Pigmentierung von einer inhomogenen Farbverteilung<br />
abzugrenzen. Insbesondere eine mögliche Farbveränderung im zeitlichen<br />
Verlauf ist von Bedeutung. Das D steht für Durchmesser. Läsionen unter 6<br />
mm werden als risikoarm eingeschätzt, wobei auch hier wieder das<br />
Wachstum im zeitlichen Verlauf zu beachten ist. Das E steht für Erhabenheit<br />
(Hauschild et al., 2011). Auflichtmikroskopisch ist beim malignen Melanom<br />
ein unregelmäßiges Pigmentmuster mit asymmetrischen, unregelmäßigen<br />
Ausläufern, sogenannten Pseudopodien, sowie weißliche Regressionszonen<br />
zu sehen (Hauschild et al., 2011).<br />
Die präoperative stadiengerechte Einteilung ist sehr wichtig, da sie das
17<br />
Ausmaß des operativen Eingriffs vorgibt. Ein Ultraschall der Haut mit einem<br />
100-MHz-Kopf, hilft die Tumorausbreitung in der Haut zu beurteilen.<br />
Melanozytäre Hautläsionen zeigen sich als homogenes echoarmes Gewebe<br />
mit einer umgebenden echoreichen Dermis, sodass eine Unterscheidung vor<br />
allem durch einen erfahrenen Untersucher leicht zu treffen ist. Die scharfe<br />
Grenze zwischen hypoechogenem Tumorgewebe und hyperreflexer Dermis<br />
an der Tumorbasis ermöglicht eine Beurteilung der maximalen vertikalen<br />
Ausbreitung des Tumors (Gambichler et al., 2007). Diese nichtinvasive<br />
Technik dient einer verbesserten Planung der Sentinel-Lymphknoten-Biopsie<br />
(SLNB). Bis einschließlich Stadium IIB erfolgt als weitere diagnostische<br />
Untersuchung eine lokoregionale Lymphknotensonographie sowie die<br />
Bestimmung des Serummarkers S100B. Zur Vervollständigung der<br />
Staginguntersuchungen werden je nach histologischem Befund, d.h. je nach<br />
Tumordicke und dem dadurch gegebenen Metastasierungsrisiko weitere<br />
Untersuchungen zum Ausschluss von regionalen Haut-, Lymphknoten- und<br />
Fernmetastasen durchgeführt. Dazu gehören die Sonographie des<br />
Abdomens, eine Computertomographie des Abdomens, ein MRT des<br />
Schädels, eine Röntgenaufnahme des Thorax und eine Skelettszintigraphie<br />
(AWMF-Leitlinien-Register, 2013).<br />
Um jedem Patienten eine stadiengerechte Therapie gewährleisten zu können<br />
und gegebenenfalls eine Prognoseeinschätzung vorzunehmen, ist es von<br />
maßgeblicher Bedeutung über eine einheitliche Klassifikation zu verfügen.<br />
Mit Hilfe der TNM-Klassifikation ist dies möglich. Dabei beschreibt T die<br />
Tumordicke nach Breslow, welche Anhand des histologischen Präparats<br />
bestimmt wird. DesWeiteren findet die Mitoserate, welche als die Anzahl an<br />
Mitosen pro Quadratmilimeter im Primarius (Mitose/mm²) definiert wird, im<br />
Stadium T1 Beachtung. Sie ersetzt das Invasionslevel nach Clark als das<br />
Kriterium, welches das Stadium T1b definiert. Liegt die Mitoserate >1/mm²,<br />
wird der Zusatz (b) hinzugefügt, da in dieser Situation ein erhöhtes<br />
Metastasierungsrisiko vorhanden ist und eine Abnahme der Überlebenszeit<br />
verzeichnet wurde (Thompson et al., 2011). So liegt die 10-Jahres-<br />
Überlebensrate bei Patienten mit einem nicht ulzerierten MM unter 1 mm<br />
Tumordicke bei 95%, wenn die Mitoserate < 1/mm ist und fällt auf 88% bei
18<br />
Patienten mit einer Mitoserate > 1/mm² (Balch et al., 2009). Die wichtigsten<br />
prognostischen Faktoren im lokalisierten Stadium sind die Tumordicke, die<br />
Mitoserate und eine Ulzeration (Balch et al., 2009). Das Vorliegen einer<br />
Ulzeration beschreibt das Fehlen einer intakten Epidermis und führt nach der<br />
AJCC-Stadieneinteilung (American Joint Committee on Cancer) von 2009 zu<br />
dem Zusatz (b). Die Metastasierung erfolgt in der Mehrzahl der Fälle primär<br />
lymphogen in das regionale Lymphknotenkompartiment und sekundär<br />
hämatogen. Die Bezeichnung N trifft eine Aussage über den<br />
Lymphknotenstatus und umfasst die Anzahl vorhandener Lymphknotenmetastasen<br />
und die Tumorlast. Dabei wird zwischen Makrometastasen,<br />
welche schon klinisch oder mit bildgebenden Verfahren zu erkennen sind und<br />
Mikrometastasen, welche erst histologisch gesichert werden müssen,<br />
unterschieden. Die Kategorie N2c beschreibt das Auftreten von<br />
Satellitenmetastasen und In-Transit-Metastasen. Satellitenmetastasen<br />
befinden sich in einem Durchmesser von 2 cm um den Primarius herum. In-<br />
Transit-Metastasen sind im Bereich des Lymphabflusses zwischen Primarius<br />
und regionalen Lymphknotenkompartiment lokalisiert. Die M-Kategorie wird<br />
durch die Lokalisation der Fernmetastasen und erhöhte LDH-Werte definiert.<br />
Diese befinden sich jenseits des regionalen Lymphknotenkompartiments.<br />
Treten sie kutan, subkutan oder auch in entfernten Lymphknoten auf, werden<br />
sie mit M1a beziffert. Lungenmetastasen bilden die Subkategorie M1b;<br />
andere viszerale Metastasen die Subkategorie M1c. Der letzten Kategorie<br />
gehören auch alle Fernmetastasen an, sobald das Serum-LDH erhöht ist.<br />
Der serologische Parameter repräsentiert einen vermehrten Zellumsatz und<br />
ist ein signifikanter Vorhersagewert, der mit einer schlechteren Prognose<br />
einher geht (Balch et al., 2009). Patienten im Stadium IV haben ein deutlich<br />
geringeres 1- und 2-Jahres-Überleben bei erhöhten Serum-LDH (32% und<br />
18%) im Vergleich zu Patienten mit einem normalen Serum-LDH-Spiegel<br />
(65% und 40%) (Balch et al., 2009).
19<br />
Tabelle 1: T-Klassifikation (nach AJCC von 2009)<br />
T Tumordicke Ulzerationsstatus<br />
Tis entfällt entfällt<br />
Tx Keine Angabe Stadium nicht bestimmbar<br />
T1a Tumordicke < 1,0 mm<br />
ohne Ulzeration, Mitoserate 4,0 mm<br />
T4b Tumordicke > 4,0 mm<br />
mit Ulzeration oder Mitoserate >1/qmm<br />
ohne Ulzeration<br />
mit Ulzeration<br />
ohne Ulzeration<br />
mit Ulzeration<br />
ohne Ulzeration<br />
mit Ulzeration<br />
Tabelle 2: N-Klassifikation (nach AJCC von 2009)<br />
N<br />
Anzahl metastasierter<br />
Lymphknoten<br />
Masse der<br />
Lymphknotenmetastasen<br />
N0 0 entfällt<br />
N1a 1 Knoten Mikrometastase(n)*<br />
N1b 1 Knoten Makrometastase(n)**<br />
N2a 2-3 Knoten Mikrometastase(n)*<br />
N2b 2-3 Knoten Makrometastase(n)**<br />
N2c<br />
2-3 Knoten<br />
In-Transit-Metastase(n)/<br />
Satelliten-Metastase(n) ohne<br />
regionäre<br />
Lymphknotenbeteiligung<br />
N3<br />
4 oder mehrere Lymphknoten<br />
befallen oder verbackene<br />
Lymphknoten, oder In-Transit- oder<br />
Satelittenmetastasen mit regionaler<br />
Lymphknontenbeteiligung<br />
In-Transit-Metastase(n) /<br />
Satelliten-Metastase(n) mit<br />
regionärer<br />
Lymphknotenbeteiligung<br />
* der Nachweis der Mikrometastasierung ist in der neuen AJCC-Klassifikation<br />
bereits bei Auffinden einer einzelnen Zelle, die immunhistologisch positiv reagiert,<br />
erbracht<br />
* Mikrometastase(n) diagnostiziert nach Schildwächter- oder elektiver<br />
Lymphadenektomie<br />
** Makrometastase(n) definiert als klinisch festgestellte Lymphknoten-Metastasen<br />
durch therapeutische Lymphadenektomie bestätigt oder Lymphknoten-Metastasen<br />
mit großer extrakapsulärer Ausdehnung
20<br />
Tabelle 3: M-Klassifikation (nach AJCC von 2009)<br />
M Lokalisation Serum LDH<br />
M0 Keine Fernmetastasen entfällt<br />
M1a<br />
Fernmetastasen der Haut, der Subkutis<br />
oder der Lymphknoten, jenseits der<br />
regionären Lymphknoten*<br />
normal<br />
M1b Lungenmetastase(n) normal<br />
M1c alle anderen viszeralen Metastasen normal<br />
M1c jede Fernmetastase erhöht<br />
* Zu der Klassifikation M1a werden auch die iliakalen Lymphknoten gezählt<br />
Eine universelle und international organisierte Einteilung in Stadien erfolgt<br />
anhand der AJCC-Klassifikation von 2009, die neben der Tumordicke,<br />
Ulzeration und Mitoserate, auch die lymphogene und hämatogene<br />
Metastasierung, wie oben beschrieben, zur Beurteilung mit einbezieht. Die<br />
Stadien I und II beschreiben MM ohne Lymphknotenbeteiligung, im Stadium<br />
III sind Lymphknotenmetastasen vorhanden und im Stadium IV konnten<br />
Fernmetastasen diagnostiziert werden (AWMF-Leitlinien-Register, 2013).<br />
Zusätzlich werden Patienten mit Metastasen eines MM ohne lokalisierbaren<br />
Primarius dem Stadium III zugeordnet. Hierdurch soll einheitliche Beurteilung<br />
mit entsprechenden therapeutischen Konsequenzen und eine mögliche<br />
Prognosebestimmung abgeleitet werden können.
21<br />
Tabelle 4: Stadieneinteilung des malignen Melanoms (nach AJCC von 2009)<br />
Stadium T Ulzeration N M<br />
0 Tis N0 M0<br />
IA T1a Ø N0 M0<br />
IB<br />
T1b<br />
+/oder<br />
Mitoserate<br />
N0 M0<br />
>1/mm 2<br />
T2a Ø N0 M0<br />
IIA T2b + N0 M0<br />
T3a Ø N0 M0<br />
IIB T3b + N0 M0<br />
T4a Ø N0 M0<br />
IIC T4b + N0 M0<br />
III<br />
jedes<br />
T<br />
N1-N3<br />
M0<br />
IIIA<br />
Mikroskopische Metastasen<br />
(klin. okkult) in bis zu 3 LK<br />
M0<br />
IIIB<br />
Mikroskopische Metastasen<br />
(klin. okkult) in bis zu 3 LK<br />
M0<br />
IIIB<br />
Bis 3 makroskopische<br />
Metastasen.<br />
M0<br />
IIIB<br />
Keine, aber Satelliten -<br />
und/oder In-transit Metastasen<br />
M0<br />
IIIC<br />
Bis 3 makroskop. Metastasen/<br />
Satelliten/ In-transit Metastasen<br />
ohne regionäre LK-<br />
Metastasen<br />
M0<br />
IIIC<br />
4 oder >4 makroskop.<br />
Metastasen/ Satelliten +/ oder<br />
intransit Metastasen mit<br />
regionären LK-Metastasen<br />
M0<br />
IV jedes T jedes N M1a-c
22<br />
1.4.7. Therapie<br />
Alleine der Verdacht eines malignen Melanoms sollte eine Exzisionsbiopsie<br />
nach sich ziehen. Anschließend wird das Präparat histologisch und<br />
immunhistochemisch aufgearbeitet. Bei histopathologischer Bestätigung der<br />
Verdachtsdiagnose sollte innerhalb von 4 Wochen eine Nachresektion mit<br />
entsprechendem Sicherheitsabstand erfolgen. Das MM zeigt sich<br />
histologisch mit einer unregelmäßigen Epidermishyperplasie. Es sind<br />
atypische Melanozyten vorhanden, welche eine Polymorphie aufweisen und<br />
vermehrt Mitosen enthalten. Sie gruppieren sich zu Nestern oder lassen sich<br />
als Einzellformationen in allen Epidermislagen finden. Oft ist eine breite<br />
dermale Infiltration und ein kräftiges lymphozytäres Infiltrat an der<br />
Tumorbasis vorzufinden (Altmeyer & Paech, 2014). Wenn klinisch die<br />
Diagnose eines MM sichergestellt werden kann, sollte die Primärexzision<br />
direkt mit einem Sicherheitsabstand, welcher von der vertikalen Tumordicke<br />
nach Breslow abhängig ist, erfolgen. Bei einem Carcinoma in Situ wird ein<br />
Abstand von 0,5 cm angestrebt. Bei bis zu 2 mm Tumordicke wird 1 cm<br />
Sicherheitsabstand, bei > 2 mm Tumordicke werden 2 cm empfohlen<br />
(Sladden et al., 2009). Ist eine vollständige Resektion nicht möglich, kann<br />
eine Radiotherapie zur lokalen Kontrolle des Tumors in Betracht gezogen<br />
werden (AWMF-Leitlinien-Register, 2013). Ab einer Tumordicke von über 1<br />
mm wird, falls eine Metastasierung klinisch und sonographisch<br />
ausgeschlossen werden konnte, eine SLNB empfohlen. Diese kann jedoch<br />
bei bestehenden Risikofaktoren (Ulzeration, erhöhte Mitoserate) schon bei<br />
dünneren Tumoren (0,75 – 1 mm) erwogen werden. Eine SLNB erfolgt nur<br />
bei vorherigem Ausschluss einer Fernmetastasierung. Die Lymphdrainagewege<br />
werden dazu präoperativ mittels Lymphszintigraphie und intraoperativ<br />
mit einer Gamma-Sonde dargestellt. Dabei konnte in weniger als 15% der<br />
Patienten mit einem Tumor dünner als 2 mm ein positiver SLN nachgewiesen<br />
werden (Statius Muller et al., 2001). Bei der SLNB handelt es sich um eine<br />
Staging-Untersuchung, eine therapeutische Wirksamkeit auf das Gesamtüberleben<br />
ist nicht geklärt. Sie verbessert jedoch die Rezidivfreiheit im<br />
entsprechenden Lymphknotenkompartiment. Der Status des SLN ist der<br />
wichtigste prognostische Faktor (AWMF-Leitlinien-Register, 2013, Morton et
23<br />
al., 2014). Ein Tumornachweis im SLN ist mit einer signifikant schlechteren<br />
Prognose assoziiert. Die 10-Jahres-Überlebensrate für Patienten mit einem<br />
MM mittlerer Tumordicke lag bei 62.1±4.8% falls der SLN positiv war, aber<br />
bei 85.1±1.5% falls er negativ war (Morton et al., 2014). Bei Morton et al.<br />
zeigte sich eine drastische Reduzierung der 5-Jahres-Überlebensrate von<br />
90% auf 72% (Morton et al., 2006).<br />
Die Gewebeproben werden anschließend in Formalin fixiert und histologisch<br />
mittels HE-Färbung und mit immunhistochemischen Markern wie S100,<br />
HMB-45 und eventuell zusätzlich mit MelanA und Ki-67 angefärbt (s.u.). Ist<br />
der SLN negativ, erfolgen keine weiteren therapeutischen Schritte und dem<br />
Patienten wird eine regelmäßige Nachsorge empfohlen.<br />
Bei histologischem Nachweis eines positiven SLN oder auch bei klinisch<br />
apparenten und durch bildgebende Verfahren bestätigte Lymphknotenmetastasen,<br />
wird direkt eine Lymphadenektomie der betroffenen<br />
Lymphknotenregion empfohlen, obwohl ein prognostischer Überlebensvorteil<br />
nicht sicher bewiesen werden konnte (Kretschmer et al., 2004, Garbe et al.,<br />
2005).<br />
Im Falle eines positiven SLN besteht eine 20%ige Chance, dass auch<br />
weitere Lymphknoten von Metastasen befallen sind. Dabei können<br />
lymphogene In-Transit- bzw. Satellitenmetastasen bei singulärem Auftreten<br />
chirurgisch entfernt werden. Besteht die Chance einer R0-Resektion und<br />
handelt es sich um singuläre oder eine geringe Anzahl von Metastasen,<br />
sollten diese, auch im Stadium IV, operativ entfernt werden (Wong et al.,<br />
1993). Die 5-Jahres-Überlebensrate nach Resektion hämatogener<br />
Metastasen beträgt etwa 20% (Wong et al., 1993). Bei multiplem Befall ist die<br />
Prognose infaust; es wird palliativ behandelt. Ebenso können<br />
Fernmetastasen der Haut, des Gehirns und der Knochen wie auch Rezidive<br />
mittels Radiatio palliativ behandelt werden (Lee et al., 2000; Seegenschmiedt<br />
et al., 1999).<br />
Bei Patienten ab Stadium IIB kann eine adjuvante Therapie empfohlen<br />
werden. Ein sicherer Effekt auf das Gesamtüberleben wird in Frage gestellt,<br />
doch zeigte sich ein signifikanter Vorteil bezüglich der Rezidivfreiheit (Garbe<br />
et al., 2005). Die adjuvante Therapie erfolgt mit immunmodulierendem,
24<br />
hochdosierten Interferon alpha. Die Dauer der Therapie sollte ungefähr 18<br />
Monate betragen. Eine niedrig dosierte Interferon-Therapie kann bereits ab<br />
Stadium IIA angeboten werden und zeigte in Studien eine signifikante<br />
Verlängerung der rezidivfreien Überlebenszeit (Garbe et al., 2005). Weitere<br />
medikamentöse Möglichkeiten basieren auf einer zielgerichteten Therapie<br />
gegen durch bestimmte Mutationen veränderte Strukturen bzw.<br />
Signaltransduktionswegen. Mögliche Mutationen sollten ab Stadium IIIB<br />
bestimmt werden. Einerseits gibt es die BRAF-Mutation, welche in 40-60%<br />
aller Fälle vorhanden ist und einen Signaltransduktionsweg aktiviert (Davies<br />
et al., 2002). Eingesetzt werden Kinaseinhibitoren, wie der BRAF-Inhibitor<br />
Vemurafenib. Ein Ansprechen erfolgt bei bis zu 80% der mutationspositiven<br />
Patienten (Flaherty et al., 2010). Enthält das MM andererseits eine c-kit-<br />
Mutation, welche vor allem beim ALM und bei Schleimhautmelanomen zu<br />
finden ist, kann der Tyrosinkinaseinhibitor Imatinib eingesetzt werden (Curtin<br />
et al., 2006).<br />
Im Falle einer Palliativsituation bei nicht resizierbaren Metastasen, erfolgt<br />
eine Chemotherapie. Als Erstlinientherapie gilt eine Monochemotherapie mit<br />
dem Alkylanz Darcarbazin, welches eine Ansprechrate von bis zu 23%<br />
aufweist. Es gibt noch weitere, teils Polychemotherapien, die jedoch mit einer<br />
deutlich höheren Toxizität einhergehen und keine signifikante Lebensverlängerung<br />
erbringen können (AWMF-Leitlinien-Register, 2013).<br />
1.4.8. Nachsorge und Prognose<br />
Die Tumornachsorge umfasst einen Zeitraum von 10 Jahren, wobei ein<br />
Rezidiv vor allem (zu 90%) in den ersten 5 Jahren auftritt. Die<br />
Nachsorgekriterien orientieren sich an den klinischen Stadien, da mit ihnen<br />
das Rezidivrisiko korreliert. Neben der Selbstuntersuchung findet ein<br />
risikoadaptiertes Nachsorgeschema Anwendung. Es umfasst 3-6 monatliche<br />
Kontrollen des gesamten Integuments, die Lymphknotenpalpation, die<br />
Inspektion der Narbe, Bestimmung des Tumormarkers S100 im Serum, die<br />
Lymphknoten-Sonographie und eventuell eine Schnittbildgebung ab Stadium<br />
IIC, welche Röntgenaufnahmen, CT, MRT und Positronenemissionstomo-
25<br />
graphie (PET) umfassen kann (AWMF-Leitlinien-Register, 2013).<br />
In 90% der Patienten mit MM ist zum Zeitpunkt der Erstdiagnose keine<br />
Metastasierung vorhanden, sodass die tumorspezifische 10-Jahres-<br />
Überlebensrate insgesamt bei 75-80% liegt (Garbe et al., 2005). Die<br />
altersadaptierte 5-Jahres-Überlebensrate liegt in Deutschland bei Frauen bei<br />
91,9%, während sie bei Männern 87% beträgt. Sie sinkt jedoch mit<br />
zunehmendem Alter. Auch ist sie entscheident von verschiedenen anderen<br />
Faktoren abhängig. Das noduläre Melanom hat, aufgrund seiner primär<br />
vertikalen Wachstumsrichtung, eine schlechtere Prognose als andere<br />
Subtypen. Zusätzlich sind die Tumordicke, der Lymphknotenbefall oder das<br />
Vorliegen von Fernmetastasen ausschlaggebend (Eisemann et al., 2012).<br />
Methodisch genauer ist es daher, die Häufigkeit von Rezidiven in den<br />
einzelnen Stadien zu betrachten. Patienten im Stadium I erleiden in 7,1%, im<br />
Stadium II in 32,8% und im Stadium III in 51% ein Rezidiv (Leiter et al.,<br />
2012). Die 5-Jahres-Überlebensrate im Stadium III liegt zwischen 78% und<br />
40% und umfasst damit eine große Spannbreite. Sie ist unter anderem von<br />
der Tumorlast abhängig und von der Anzahl befallener Lymphknoten (Balch<br />
et al., 2009).<br />
Im Stadium der Fernmetastasierung beträgt die mittlere Überlebenszeit 7<br />
Monate. Die 1-Jahres-Überlebensrate im Stadium M1a liegt mit 62% am<br />
Höchsten, danach folgt das Stadium M1b mit 53% und schließlich das<br />
Stadium M1c mit 33% (Balch et al., 2009). Viszerale Fernmetastasen haben<br />
somit eine deutlich schlechtere Prognose als kutane und subkutane<br />
Fernmetastasen (Balch et al., 2001). Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt<br />
abhängig von der Anzahl und Lokalisation bei 5-10%.
26<br />
2. Fragestellung<br />
In der Literatur wird uneinheitlich über die Wertigkeit des NN diskutiert. Die<br />
Patienten, bei denen ein NN gefunden wird, leiden unter der Ungewissheit<br />
ihrer Diagnose und die damit verbundene Prognose. Die unzureichende<br />
Datenlage bezüglich der NN verunsichert neben dem Patienten, auch den<br />
Arzt in der Klinik, der eine Entscheidung über mögliche therapeutische<br />
Schritte treffen muss. Dadurch besteht bisher kein einheitliches<br />
Therapieregime, sondern abhängig vom Krankenhaus und Erfahrung,<br />
werden diese Patienten unterschiedlich behandelt.<br />
Ziel dieser Arbeit ist es zu beweisen, dass Patienten mit einem NN im SLN<br />
ähnliche Überlebensdaten offenbaren wie Patienten ohne Metastasierung.<br />
Könnte der Beweis dafür geführt werden, würde<br />
1) der NN als benigne eingestuft werden können,<br />
2) erhielten Patienten mit einem NN eine eindeutige Aussage über die<br />
Wertigkeit ihrer Diagnose und es bleiben ihnen unnötige therapeutische<br />
Eingriffe erspart.<br />
3) würde durch die Bestätigung der Gutartigkeit der NN im SLN eine<br />
Validierung histologischer Kriterien zur Unterscheidung zwischen NN und<br />
Melanommetastasen im SLN ermöglicht. Diese Unterscheidung zu treffen, ist<br />
nicht immer einfach und wird auch über diese Arbeit hinaus verbessert<br />
werden müssen.<br />
4) Gleichzeitig dient die Arbeit dazu, eine Verbesserung der Datenlage zu NN<br />
zu schaffen, indem andere klinische Charakteristika von MM-Patienten mit<br />
NN analysiert werden. So sollen Faktoren evaluiert werden, die mit einem<br />
vermehrten Auftreten von NN in Verbindung stehen.
27<br />
3. Material und Methoden<br />
3.1. Patientenkollektiv<br />
Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine monozentrierte retrospektive<br />
Studie, die im Hauttumorzentrum der Ruhr Universität Bochum (NRW,<br />
Deutschland) durchgeführt wurde. Die Studie wurde durch die<br />
Ethikkommission der Ruhr Universität Bochum genehmigt und gemäß der<br />
Deklaration von Helsinki durchgeführt. Im Zeitraum von Ende 1999 bis<br />
Anfang 2011 unterzogen sich 768 Patienten mit einem malignen Melanom<br />
einer Sentinel-Lymphknoten-Biopsie (sentinel lymph node biopsy, SLNB).<br />
Insgesamt konnten die Daten von 651 Patienten zur Auswertung genutzt<br />
werden. Bei allen Patienten wurde der Tumor mittels Primärexzision<br />
diagnostiziert. Die Hauptindikationen für eine SLNB war eine Breslow-<br />
Tumordicke von ≥ 1 mm. Ein Upgrading wurde bei Tumoren mit einer Dicke <<br />
1 mm, aber mit einem Clark-Level ≥ IV, bei Ulzerationen, bei Läsionen mit<br />
Zeichen einer Regression oder bei subungualer Lokalisation des<br />
Primärtumors vorgenommen. Bevor jedoch eine SLNB in Erwägung zu<br />
ziehen war, wurden das Vorhandensein von tastbaren Makrometastasen<br />
sowie das Vorliegen einer Lymphknoten- und/oder Fernmetastasierung per<br />
Bildgebung ausgeschlossen. Hierzu wurden Stadium-gerechte<br />
Untersuchungstechniken eingesetzt, wie zum Beispiel die Lympnknoten- und<br />
Abdomensonographie, die Röntgenaufnahme des Thorax, eine<br />
Computertomographie und eine Magnetresonanztomographie. Im Falle eines<br />
positiven SLN unterzogen sich die Patienten einer kompletten<br />
Lymphadenektomie des gesamten Kompartiments. Bei Patienten mit einer<br />
Tumordicke von ≥ 1,5 mm kam eine adjuvante Low-dose-Therapie mit<br />
Interferon -2b (Roferon®, Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen, Germany)<br />
in Betracht. Patienten mit einem positiven SLN wurde eine adjuvante<br />
Therapie mit High-dose-Interferon (Intron®, MSD, Munic, Germany)<br />
angeboten. Patienten, die sowohl einen positiven SLN als auch einen<br />
nodalen Nävus hatten, wurden nicht in die statistischen Auswertungen<br />
eingeschlossen.
28<br />
3.2. Sentinellymphknotenbiopsie<br />
Die SLNB dient der Entfernung des sogenannten Wächterlymphknotens,<br />
welcher vorher Farbstoff- und/oder Radionuklid-markiert wurde. Die SLNB ist<br />
die Staging-Methode der ersten Wahl, um eine mögliche Metastasierung des<br />
Tumors zu erkennen und die daraus folgenden therapeutischen<br />
Konsequenzen ziehen zu können. Der Tumorstatus des SLN ist der sicherste<br />
prognostische Faktor für Patienten mit malignem Melanom (Morton et al.,<br />
2014). Zur präoperativen Detektion des SLN wird die<br />
Lymphabstromszintigraphie eingesetzt (Morton et al., 1992). Dazu wird<br />
intradermal ein radioaktiver Marker (Technetium-99m-Sulfur) in das dem<br />
Tumor anliegende Gewebe injiziert. Mittels Gammastrahlung werden die<br />
drainierenden Lymphbahnen radioaktiv visualisiert und die Lokalisation der<br />
regionalen Lymphknotenstation mit einer maximalen Anreicherung im<br />
Bereich des SLN mit einer Gammakamera detektiert. Intraoperativ wird<br />
zusätzlich die intradermale Injektion von Methylenblau genutzt. Der gesamte<br />
Prozess der Methodik zur Detektion des SLN bis hin zur histologischen und<br />
immunhistochemischen Aufarbeitung des Präparats wurde ausführlich in<br />
einer multizentrischen Studie von Morton et al. 1999 beschrieben (Morton et<br />
al., 1999). Der blaugefärbte bzw. radioaktive Lymphknoten wird als der SLN<br />
betrachtet und meist unter Lokalanästhesie entfernt.<br />
Abbildung 5: Färbetechnik zur Detektion des SLN (Carson et al., 1996)
29<br />
Die Methode basiert auf der Grundlage, dass es für jeden Punkt der<br />
Körperoberfläche eine spezifische kutane Lymphabstrombahn gibt, die zu<br />
einem regionalen Lymphknoten führt.<br />
Ziel ist die Entdeckung aller Makrometastasen (> 2 mm). Außerdem ist die<br />
Identifikation von Mikrometastasen (< 2 mm, aber > 0,2 mm) anzustreben<br />
(Kuehn et al., 2005).<br />
Die SLNB wird für MM-Patienten mit einer Tumordicke (nach Breslow)<br />
zwischen 1-4 mm empfohlen. Dabei spielt die anatomische Lokalisation<br />
keine Rolle. Bei Tumoren mit einer Größe von über 4 mm wird ebenfalls eine<br />
SLNB empfohlen, jedoch ist die Datenlage der SLNB als akkurate<br />
Stagingmethode in diesem Fall nicht eindeutig. Zusätzlich ermöglicht die<br />
SLNB bei dickeren Tumoren auch eine regionale Tumor-<br />
/Metastasensanierung. Für dünne Tumoren mit einer Dicke von < 1 mm gibt<br />
es keine genügende Beweislage, die den routinemäßigen Einsatz einer<br />
SLNB begründen könnte. Jedoch sollte sie bei High-Risk-Patienten (s.o.) in<br />
Betracht gezogen werden (Wong et al., 2012).
30<br />
Tabelle 5: Indikationen für eine SLNB (Wong et al., 2012)<br />
SLNB wird für Patienten mit MM einer mittleren Tumordicke<br />
MM mit einer<br />
mittleren<br />
Tumordicke<br />
(Breslow Tumordicke zwischen 1 und 4 mm) empfohlen. Der<br />
routinemäßige Einsatz der SLNB in dieser Patienengruppe<br />
bietet genaue Staginginformationen<br />
Es gibt nur wenige Studien, die auf MM-Patienten mit einer<br />
MM mit einer<br />
dicken<br />
hohen Tumordicke fokussieren (T4; Breslow Tumordicke > 4<br />
mm). SLNB in dieser Population sollte eventuell als<br />
Tumordicke Staginguntersuchung und zur lokalen Rezidivkontrolle<br />
eingesetzt werden.<br />
Es gibt nur ungenügende Beweise, die den routinemäßigen<br />
Einsatz der SLNB in Patienten mit dünnen Tumoren (T1;<br />
MM mit einer<br />
dünnen<br />
Tumordicke<br />
Breslow Tumordicke, < 1 mm) unterstützen. Sie sollte jedoch<br />
bei Patienten mit Hoch-Risiko-Merkmalen in Erwägung<br />
gezogen werden, vor allem bei ener Tumordicke zwischen<br />
0,75 und 0,99 mm. Zu diesen Risikofaktoren zählen eine<br />
mögliche Ulzeration und eine Mitoserate ≥ 1/mm 2 .<br />
Eine Lymphadenektomie wird für alle Patienten mit einem<br />
Lymphadenektomie<br />
positiven SLN empfohlen. Damit wird eine regionale<br />
Kontrolle der Erkrankung ermöglicht. Ein Überlebensvorteil<br />
konnte der Lymphadenektomie nicht nachgewiesen werden.<br />
3.3. Immunhistochemische Diagnostik<br />
Nachdem der SLN komplett und unbeschädigt entfernt wurde, wird dieser an<br />
der Eintrittsstelle der afferenten Lymphgefäße markiert. Es muss die Anzahl<br />
der entnommenen SLN dokumentiert werden. Die Präparation, die<br />
makroskopische sowie die mikoskopische Untersuchung, wurde gemäß den<br />
Empfehlungen zur pathologischen Untersuchung von SLN bei Patienten mit<br />
MM nach Scolyer et al. umgesetzt.<br />
Die makroskopische Untersuchung erfolgt 12 bis 24 Stunden nach Fixierung<br />
des Gewebes. Eine histologische Untersuchung aller enthaltenen<br />
Lymphknoten wird vorgenommen. Das Präparat wird in Paraffin eingebettet
31<br />
und entlang der Längsachse halbiert. Anschließend wird das Präparat seriell<br />
in 4 μm große Stücke geschnitten. Von jeder Seite werden mehrere<br />
Sektionen mit HE-Färbung sowie mit immunhistochemischen Markern<br />
angefärbt. Während der Präparation wird bei der sorgfältigen Untersuchung<br />
des Fettgewebes auf Lymphknoten geachtet. Bei makroskopisch nicht<br />
eindeutig befallenen Lymphknoten wird eine vollständige Einbettung zur<br />
histologischen Untersuchung durchgeführt. Bei makroskopisch befallenen<br />
Lymphknoten wird ein HE-Schnitt pro Block gemacht. Nävuszellaggregate<br />
lassen sich nicht immer durch eine HE-Färbung identifizieren (Biddle et al.,<br />
2003). Da eine untypische Lokalisation der Nävuszellaggregate (Parenchym)<br />
die Unterscheidung zwischen NN und Metastase erschwert, gibt es<br />
verschiedene histologische und immunhistochemische Färbetechniken, die<br />
eine Differenzierung ermöglichen. Zur pathomorphologischen Untersuchung<br />
werden Art der Gewebeprobe, Anzahl der entnommenen Lymphknoten (mit<br />
Lokalisation), Anzahl der befallenen Lymphknoten, Ausdehnung der größten<br />
metastatischen Infiltration, ein möglicher Kapseldurchbruch, die maximale<br />
Tumoreindringtiefe, die Lokalisation der Melanomzellen, die extranodale<br />
Infiltration, falls vorhanden, und die pN-Kategorie dokumentiert (nach TNM-<br />
Klassifikation, AJCC 2009). Die Darstellung der Tumoreindringtiefe erfolgt<br />
dabei vom inneren Rand der Kapsel bis zur am tiefsten eindringenden<br />
Tumorzelle.<br />
Die mikroskopische Untersuchung wurde gemäß Scolyer et al. durchgeführt.<br />
Morphologische Eigenschaften, welche hilfreich sind, um NN von MM-<br />
Metastasen zu unterscheiden, wurden angewandt. Nodale Nävuszellen sind<br />
uniform, klein bis mittelgroß, mit undeutlichen Zellwänden, ohne Atypien oder<br />
Mitosen. Der Zellkern ist rund, enthält einen unauffälligen Nucleolus, in dem<br />
sich zentral das diffus angeordnete bis feine Chromatin befindet (Biddle et<br />
al., 2003; Lohmann et al., 2002). Melanomzellen sind gewöhnlich größer als<br />
Nävuszellen und befinden sich meist im subkapsulären Sinus oder im<br />
Parenchym. Sie verfügen über einen prominenten Nucleolus, feine granuläre<br />
Melanineinlagerungen und eine hohe Mitoserate. Das histologische Präparat<br />
sollte immer mit dem Primärtumor verglichen werden, um so Ähnlichkeiten
32<br />
ausschließen zu können. Die Melanozyten des Primarius sind polymorph und<br />
enthalten Atypien, Mitosen und Apoptosen.<br />
Jeder SLN wurde von 2 erfahrenen Dermatohistopathologen untersucht und<br />
bewertet. In unklaren Fällen wurde eine Re-Evaluation mit zusätzlichen<br />
immunhistochemischen Färbungen wie HMB-45 und Ki-67 durchgeführt.<br />
Anti-S100<br />
S100 ist ein kalziumbindendes Protein, welches sich im Zytoplasma befindet<br />
(Keijser et al., 2006). Die Immunreaktivität von S100 beim MM variiert<br />
zwischen 83 und 100% und hat somit eine sehr hohe Sensitivität. Auch bei<br />
Melanommetastasen zeigt es eine hohe Sensitivität von bis zu 96% (Argenyi<br />
et al., 1994; Gatter et al., 1985; Hachisuka et al., 1986; Kindblom et al.,<br />
1984). Trotz dieser hohen Sensitivität, ist der monoklonale Antikörper Anti-<br />
S100 mit 75-87% wenig spezifisch und färbt auch viele nicht-melanozytäre<br />
Läsionen an (Trefzer et al., 2000). So werden nicht nur andere maligne<br />
Läsionen, wie Hirn-, Nerven-, Brust-, und Schilddrüsentumoren markiert,<br />
sondern auch gutartige Zelltypen, wie dendritische Zellen, Oligodendrozyten,<br />
Makrophagen, Adipozyten und Histiozyten lassen sich mit Anti-S100<br />
anfärben (Bilzer et al., 1991; Damiani et al., 1991; Scolyer et al., 2008). Die<br />
S100-Familie ist an der Regulation mehrerer Prozesse in der Zelle beteiligt.<br />
Darunter zählen das Zellwachstum und die -differenzierung, die Organisation<br />
der Zellmembran, der Schutz vor oxidativer Schädigung und die<br />
Proteinsekretion (Santamaria-Kisiel et al., 2006). In Melanomen werden vor<br />
allem S100A2, S100A4, S100A6 und S100B exprimiert (Ohsie et al., 2008).<br />
Die Unterform S100B korreliert mit dem Tumorstadium und der Prognose,<br />
weshalb er als Serummarker im Blut bestimmt und zur Verlaufskontrolle<br />
genutzt wird (Ohsie et al., 2008). S100A13 ermöglicht die Freisetzung von<br />
FGF-1 und korreliert mit der Expression von VEGF-A, Neoangiogenese und<br />
dem Tumorgrading und fördert einen aggressiven und invasiven Phänotyp<br />
(Landriscina et al., 2006). Es korreliert folglich auch mit der Breslow-<br />
Tumordicke und dem Clark-Level (Massi et al., 2010).
33<br />
Abbildung 6: Darstellung einer MM-Metastase im SLN mit S100 (Altmeyer<br />
and Paech, 2014)<br />
HMB-45<br />
HMB-45 ist ein monoklonaler Antikörper. Er reagiert mit gp100, einem<br />
zytoplasmatischen premelanosomalem Glycoprotein, welches sich im MM, in<br />
Melanommetastasen, im Nävus bleu, in kongenitalen und dysplastischen<br />
Nävi finden lässt (Colombari et al., 1988; Ordóñez et al., 1988). Gutartige<br />
Nävi verlieren im Laufe ihrer Entwicklung das Glykoprotein gp100. HMB-45<br />
färbt demnach keine intradermalen Nävi an. Somit kann die HMB-45-<br />
Färbung gut zur Unterscheidung von melanozytären Nävi und Melanomen<br />
(Bergman et al., 1995; Colombari et al., 1988; Skelton et al., 1991) und auch<br />
zur Differenzierung von Melanomen und nichtmelanozytären Neoplasien<br />
genutzt werden (Trefzer et al., 2000). Eine Ausnahme macht der Nävus bleu,<br />
welcher sich, wie auch das Melanom, anfärben lässt. HMB-45 ist meist<br />
abwesend oder nur fokal positiv in NN, jedoch homogen und stark positiv in<br />
MM-Metastasen (Lohmann et al., 2002). Es ist anzumerken, dass nicht 100%<br />
aller MM-Metastasen auf HMB-45 reagieren, sondern die Färbung in bis zu<br />
25% negativ ist. Deshalb sollte ein Nichtanfäben des Präparats die Diagnose<br />
des malignen Melanoms nicht ausschließen (Biddle et al., 2003; Scolyer et<br />
al., 2008). Zwar ist dieser Marker sehr spezifisch, aber bei einer Sensitivität<br />
von nur 67-93% für das MM und nur 83% für Melanommetastasen besteht<br />
die Gefahr einer hohen Falsch-Negativ-Rate (Ordóñez et al., 1988; Trefzer et<br />
al., 2000; Wick et al., 1988).
34<br />
MART-1<br />
Der monoklonale Antikörper A103 reagiert mit MART-1 (Synonym Melan-A),<br />
ein Melanom-assoziiertes Antigen, welches von CD8-positiven T-Zellen<br />
erkannt wird. Das aus 118 Aminosäuren bestehende, zytoplasmatische<br />
Tumor-Differenzierungs-Antigen wird in Melanozyten, Nävuszellen und<br />
Melanomzellen exprimiert (Kaufmann et al., 1998). Der Anti-Melan-A-<br />
Antikörper weist mit 95-100% eine hohe Spezifität beim MM auf, die bei<br />
Metastasen mit 78-81% jedoch geringer ausfällt. Die Sensitivität liegt bei 75-<br />
92%. Melan-A spezifische CD8-positive T-Zellen sind bei mehreren HLA-A2-<br />
positiven gesunden Patienten und MM-Patienten gefunden worden<br />
(Sørensen et al., 2009). Einige Studien arbeiten daran, weitere<br />
immunologische Zusammenhänge unter anderem mit CD4-positiven Zellen<br />
zu untersuchen. Auch an immunologischen Impfungen als ein möglicher<br />
Therapieansatz für Patienten mit MM wird gearbeitet (Sørensen et al., 2009).<br />
Abbildung 7: Färbung eines intrakapsulären NN mit MelanA (Mentrikoski et<br />
al., 2009).<br />
Ki-67<br />
Der monoklonale Proliferationsmarker MIB-1 erkennt das nukleäre Antigen<br />
Ki-67. Es ist in allen Phasen des aktiven Zellzyklus, sprich G1-, S-, G2- und<br />
in der M-Phase vorhanden und wird deshalb als zuverlässiger Marker für die<br />
Zellproliferation gesehen (Gerdes et al., 1984; Hazan et al., 2002). Er dient<br />
der Unterscheidung von Melanomen und benignen Nävi (Hazan et al., 2002).
35<br />
Weniger als 1% der Nävuszellen exprimieren Ki-67. Alle MM-Metastasen<br />
zeigten eine Immunreaktion, jedoch lassen sich nur zwischen 2% und 80%,<br />
im Mittel etwa 32% einer Zelle anfärben (Biddle et al., 2003, Lohmann et al.,<br />
2002). Ein hoher Proliferationsindex (≥ 20%) ist mit einer erhöhten<br />
Tumordicke und einem höheren TNM-Stadium assoziiert und folglich mit<br />
einem schlechteren klinischen Endpunkt (Hazan et al., 2002). Bei einer<br />
Tumordicke zwischen 1,01 mm und 4,0 mm zeigte sich jedoch keine<br />
Korrelation zwischen dem klinischen Endpunkt und MIB-1. Dies deutet darauf<br />
hin, dass der Nutzen von MIB-1 bei Tumoren unter 4 mm Tumordicke limitiert<br />
ist (Hazan et al., 2002). Des Weiteren kann die MIB-1-Immunreaktivität zur<br />
Prüfung der Dignität des Melanoms und eines möglichen metastatischen<br />
Potential bei MM-Patienten beitragen. Eine Korrelation mit dem<br />
Gesamtüberleben des Patienten besteht nicht (Böni et al., 1996).<br />
Abbildung 8: MIB-1-Anfärbung in einer MM-Metastase (Lohmann et al.,<br />
2002)<br />
Die melanozytären Zellen der NN reagieren stark und diffus auf das S100-<br />
Protein und MART-1, aber nur sehr gering oder fokal auf das gp100-Protein<br />
(mit HMB-45) oder Ki-67. Im Gegensatz dazu exprimieren Melanomzellen S-<br />
100 und MART-1 und zusätzlich gp100 und Ki-67 (Biddle et al., 2003). Die<br />
HMB-45-Immunreaktivität bei einer Melanommetastase ist dementsprechend<br />
diffus und sehr stark ausgeprägt (Carson et al., 1996; Holt et al., 2004). Anti-<br />
S100 und MART-1 sind hoch sensitiv zur Auffindung von kleinen
36<br />
Nävuszellaggregaten, die in der HE-Färbung eventuell nicht detektiert<br />
werden können. Sie dienen der Auffindung von Melanozyten, sind jedoch zur<br />
Unterscheidung von NN und MM-Metastasen nicht hilfreich (Lohmann et al.,<br />
2002).<br />
Tabelle 6 fasst die wichtigsten histologischen und immunhistochemischen<br />
Kriterien zur Unterscheidung eines MM und eines NN zusammen.<br />
Tabelle 6: Morphologische Merkmale zur Unterscheidung zwischen NN und<br />
MM-Metastase (Scolyer et al., 2010).<br />
Merkmal Nodal nevus Metastatic Melanoma<br />
Location in lymph node<br />
Intracapsular or<br />
intranodal fibrous<br />
Subcapsular sinus or<br />
parenchyma<br />
trabeculae<br />
Cell size Smaller Larger<br />
Nuclear chromatin Condensed Often vesicular<br />
Nucleoli Inconspicuous Prominent<br />
Cytoplasm Sparse Variable<br />
Fine intracytoplasmic Rare<br />
Sometimes present<br />
melanin granules<br />
Mitotic figures Absent Sometimes present<br />
Immunohistochemistry<br />
S100 Strongly positive Strongly positive<br />
HMB-45 Negative Weakly positive to<br />
strongly positive<br />
Melan-A Strongly positive Strongly positive<br />
Ki-67 index 0% > 2%
37<br />
3.4. Datenextraktion und Follow-Up<br />
Für weitere statistische Analysen wurden klinische Parameter wie das Alter,<br />
das Geschlecht, vorher existierende Läsionen (z.B. kongenitaler Nävus), die<br />
anatomische Lokalisation, der MM-Subtyp, das Clark Level, eine<br />
Tumorregression, eine mögliche Ulzeration und die Tumordicke nach<br />
Breslow aus den Akten extrahiert. Die Kriterien für einen Einschluss in diese<br />
Studie waren die Erstdiagnose des MM zwischen 1999 und 2011, sowie die<br />
Durchführung einer SLNB zur Validierung des SLN-Status. Zur Erfassung<br />
des rezidivfreien Überlebens bzw. der rezidivfreien Zeit erfolgte die<br />
Kontaktaufnahme mit den Patienten telefonisch. War dies nicht möglich<br />
wurden die Haus- und/oder Hautärzte telefonisch oder postalisch kontaktiert<br />
und um Auskunft gebeten. So konnte auch der Todeszeitpunkt festgestellt<br />
werden.<br />
3.5. Statistische Analyse<br />
Die Datenanalyse erfolgte mit Hilfe des statistischen Programmpakets<br />
MedCalc Software (Mariakerke, Belgien). Die Verteilung der Daten wurde mit<br />
dem D´Agostino-Pearson-Test untersucht. Nicht normal verteilte Daten<br />
wurden als Mediane und Reichweiten dargestellt. Die Daten wurden mittels<br />
Chi²-Test, Mann-Whitney-Test, dem Kendall’s-Tau-Verfahren, dem Hosmer-<br />
Lemeshow-Test und der ROC-Kurvenanalyse analysiert. Das logistische<br />
Regressionsmodell wurde mitsamt seines Regressionskoeffizienten (r)<br />
angewendet. Es ermöglicht die Identifizierung und Charakterisierung von<br />
Beziehungen zwischen mehreren prognostischen Faktoren und zeigt somit<br />
prognostisch relevante Risikofaktoren auf. Zusätzlich wurden die Odds<br />
Ratios (OR), welche den Zusammenhang zwischen zwei Merkmalen<br />
beschreiben und das dazugehörige 95%-Konfidenzintervall (CI) berechnet.<br />
CI liefern Informationen über den Bereich, in welchem die wahren Werte<br />
liegen und ermöglichen es, gewisse Rückschlüsse über die Plausibilität und<br />
klinische Relevanz zu ziehen. Das Gesamtüberleben (overall survival, OS)<br />
und das rezidivfreie Überleben (disease-free survival, DFS) wurden mit Hilfe<br />
der Kaplan-Meier-Methode untersucht. Unterschiede zwischen den
38<br />
Überlebenszeitkurven wurden mit dem Log-Rang-Test, welcher die Kurven<br />
vergleicht, analysiert. Zusätzlich wurden die Hazard Ratios (HR); die den<br />
Unterschied von Überlebenszeiten zwischen 2 verschiedenen Gruppen<br />
beschreiben und deren 95%-Konfidenzintervalle analysiert. Die<br />
Überlebenszeitkurven wurden ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung des<br />
MM berechnet. Überlebenszeiten wurden als zensiert betrachtet, wenn der<br />
Patient bis zum letzten Kontrolltermin gelebt hat, durch eine andere Ursache<br />
verstorben war oder keine Daten bezüglich des Überlebens zu finden waren.<br />
Teilweise war der vollständige Datensatz eines Patienten nicht vorhanden,<br />
sodass die Gesamtzahl (n) für bestimme Merkmale nicht immer der<br />
Gesamtzahl aller Patienten entspricht. Ein P-Wert unter 0,05 wurde als<br />
signifikant bewertet, sodass die Nullhypothese verworfen wird. Die<br />
Nullhypothese in dieser Arbeit lautet: Patienten mit einem NN und Patienten<br />
mit einem negativen SLN haben nicht die gleiche Prognose, d.h. Patienten<br />
mit einem NN haben eine schlechtere Prognose als Patienten mit einem<br />
negativen SLN.
39<br />
4. Ergebnisse<br />
4.1. Statistische Angaben zum Patientenkollektiv<br />
Von den zu Beginn der Studie erfassten 768 Patienten, die sich einer SLNB<br />
unterzogen hatten, konnten letztlich die Daten von 651 MM-Patienten<br />
(männlich: 303, weiblich: 348) für die deskriptive und analytische Statistik<br />
ausgewertet werden. Die Patienten waren zwischen 15 und 85 Jahre alt, das<br />
mediane Alter betrug 57 Jahre. Die Tumordicke reichte von 0,15 mm bis 84<br />
mm mit einer medianen Tumordicke von 1,5 mm. Bei 50 der 651 Patienten<br />
(7,7%) konnte ein nodaler Nävus im Rahmen der SLNB diagnostiziert<br />
werden. Darüber hinaus konnten im Zuge der kompletten<br />
Lymphadenektomien weitere 7 nodale Nävi gefunden werden. Diese wurden<br />
jedoch nicht in den statistischen Analysen berücksichtigt.<br />
4.2. Verteilung der Nodalen Nävi im SLN<br />
Die typische Verteilung der NN im SLN wurde bereits in der Einleitung<br />
besprochen und konnte durch unsere Auswertung bestätigt werden. Mit 78%<br />
(39 von 50) waren die meisten NN ausschließlich kapsulär lokalisiert. 22%<br />
der NN (11 von 50) befanden sich entweder nur trabekulär oder kapsulär und<br />
trabekulär. Nur ein einziger nodaler Nävus konnte im Lymphknotenparenchym<br />
gefunden werden.<br />
4.3. Kofaktoren des Nodalen Nävus<br />
Mit Hilfe der univariaten (Chi²-Test, Kendall’s-Tau-Verfahren) statistischen<br />
Analysen konnten verschiedene Aussagen über das Erscheinen eines NN im<br />
Zusammenhang mit anderen Faktoren gemacht werden.<br />
Alter<br />
Das Alter der Patienten mit und ohne NN unterschied sich nicht signifikant.<br />
Patienten mit einem NN waren durchschnittlich 54 Jahre alt, dagegen waren<br />
Patienten ohne einen NN im Durchschnitt mit 57 Jahren 3 Jahre älter (P =<br />
0,55).
40<br />
Geschlechterverteilung<br />
Das Geschlecht hingegen spielte eine wichtigere Rolle. Die<br />
Geschlechterverteilung zwischen Patienten mit NN und ohne NN war<br />
signifikant divergent (P = 0,033). 31 der 50 Patienten mit NN waren männlich<br />
(62%), nur 19 Patienten weiblichen Geschlechts (38%). Patienten ohne einen<br />
NN waren zu 55% weiblich und zu 45% männlich. Es ergibt sich, dass ein<br />
NN mit dem männlichen Geschlecht korreliert.<br />
Tumordicke<br />
Die Tumordicke präsentierte sich nicht als ein signifikanter Parameter zur<br />
Unterscheidung zwischen den beiden Gruppen (P = 0,70). Patienten mit<br />
einem NN hatten eine mediane Breslow-Tumordicke von 1,5 mm bei einer<br />
Spannbreite zwischen 0,35 mm und 6,6 mm. Diese ist vergleichbar mit der<br />
von Patienten ohne NN. Hier liegt die Breslow-Tumordicke zwischen 0,15<br />
mm und 84 mm, bei einem Median von 1,4 mm.<br />
MM-Subtypen<br />
Anhand der verschiedenen Subtypen des MM konnten bestimmte<br />
Zusammenhänge objektiviert werden. Bei Patienten mit einem NN (n = 47)<br />
zeigten sich in 55% der Fälle ein SSM, in 26% ein NM und in 19% ein<br />
unklassifizierbares Melanom. Patienten ohne NN (n = 574) hatten in 45% ein<br />
SSM, 27% ein NM und in 9% ein unklassifizierbares Melanom. So hatten NN<br />
eine signifikante Assoziation mit dem superfiziell spreitenden Melanom, dem<br />
nodulären Melanom und dem nicht klassifizierbaren Melanom. Sie konnten<br />
jedoch nicht bei Patienten mit einem malignen Melanom der Untergruppe<br />
Lentigo-Maligna-Melanom, dem akralen Melanom oder anderen Melanomen<br />
gefunden werden (P = 0,70).<br />
Tumorregression, Ulzeration und Clark Level<br />
Weitere Charakteristika, welche zur genaueren Tumordifferenzierung dienen<br />
zeigten keine Signifikanz. Die Tumorregression (P = 0,12), die<br />
Tumorulzerationen (P = 0,36) und das Clark Level (P = 0,24) unterschieden<br />
sich nicht signifikant zwischen Patienten mit und ohne einen NN.
41<br />
Vorbestehende Primärläsion<br />
Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen Patienten mit NN und<br />
ohne NN bezüglich des Vorhandenseins von bereits vorbestehenden<br />
Primärläsionen. Unter Primärläsionen versteht man kongenitale Nävi und<br />
gewöhnliche melanozytäre Nävi (P = 0,11).<br />
Lokalisation<br />
Die Lokalisation des Primarius ist ein wichtiger und beeinflussender Faktor.<br />
Er ist unter anderem abhängig vom Geschlecht und hat bedeutende<br />
Auswirkungen auf die Prognose. Bei Patienten mit einem NN (n = 50) war<br />
der Primarius in 38% an den oberen, in 6% an den unteren Extremitäten, in<br />
54% am Rumpf und in 2% in der Kopf-/Nackenregion lokalisiert. Der<br />
Primarius befand sich bei Patienten ohne NN (n = 598) in 17% an den<br />
oberen Extremitäten, in 37% an den unteren Extremitäten, in 43% am Rumpf<br />
und in 4% in der Kopf-/Nackenregion. In diesem Zusammenhang konnte das<br />
Auftreten des Primarius an den unteren Extremitäten signifikant öfter bei<br />
Patienten ohne NN festgestellt werden als bei Patienten mit NN (P < 0,0001,<br />
logistische Regression) und erwies sich somit als signifikanter unabhängiger<br />
negativer Prädiktor für das Vorkommen eines NN.<br />
Die Daten der Patienten befinden sich in detaillierter Form in Tabelle 7. Da es<br />
nicht möglich war immer den vollständigen Datensatz eines Patienten<br />
auszumachen, fehlen teilweise Daten bezüglich einiger Merkmale, sodass<br />
Abweichungen von der Gesamtzahl (n) möglich sind. Die Ergebnisse<br />
basieren auf den univariaten Analysen des Chi²-Tests und des Kendall’s-Tau-<br />
Verfahren.
42<br />
Tabelle 7: Daten der MM - Patienten (n = 651) mit NN und ohne NN<br />
SLN mit NN<br />
(n = 50)<br />
SLN ohne NN<br />
(n = 601)<br />
P-Wert<br />
medianes Alter<br />
(Reichweite)<br />
54 Jahre (15-83) 57 Jahre (15-85) 0,55<br />
Geschlecht<br />
männlich/weiblich 31/19 272/329 0,034*<br />
Vorbestehende Läsion<br />
(Primarius)<br />
Nein/ja<br />
(n = 50)<br />
5/45<br />
(n = 559)<br />
12/547<br />
0,23<br />
Anatomische<br />
Lokalisation<br />
(Primarius)<br />
Kopf/Nacken<br />
Obere Extremität<br />
Untere Extremität<br />
Rumpf<br />
(n = 50)<br />
1<br />
19<br />
3<br />
27<br />
(n = 598)<br />
22<br />
101<br />
219<br />
256<br />
43<br />
4.4. Einflussvariablen auf den NN<br />
Mit Hilfe des logistischen Regressionsmodells wurde der Einfluss von<br />
mehreren unabhängigen Variablen auf das Vorhandensein oder die<br />
Abwesenheit der abhängigen Variable „nodaler Nävus“ untersucht. Die zuvor<br />
in der univariaten Analyse untersuchten signifikanten Parameter waren die<br />
anatomische Lokalisation des Primarius, der Subtyp des Melanoms und das<br />
Geschlecht.<br />
Dabei erwies sich das männliche Geschlecht als ein signifikant positiver<br />
Vorhersagewert für einen NN mit einem Regressionskoeffizienten von 0,68 (r<br />
> 0, positive Beziehung) und einem 95%-Konfidenzintervall zwischen 1,1 und<br />
3,6. Die Odds Ratio betrug 2 (> 1) und bestätigte damit, dass die abhängige<br />
Variable NN häufiger mit dem Auftreten der unabhängigen Variable<br />
„männliches Geschlecht“ erscheint als ohne diese (Standard Error: 0,31, P =<br />
0,029). Jedoch konnte diese Aussage nach zusätzlicher Einbeziehung der<br />
Variable „anatomische Lokalisation des Primarius“ nicht länger im<br />
logistischen Regressionsmodell bestätigt werden.<br />
Wenn sich der Primarius an den unteren Extremitäten befand, so<br />
präsentierte sich diese Lokalisation als der stärkste negative Vorhersagewert<br />
für das Auftreten eines NN. Der Regressionskoeffizient lag mit -2,2 deutlich <<br />
0, was für eine inverse Beziehung zwischen der Lokalisation des Primarius<br />
an den unteren Extremitäten und dem Vorhandensein eines NN spricht. Das<br />
95%-Konfidenzintervall lag zwischen 0,034 und 0,36. Die OR von 0,11 lag<br />
deutlich < 1 und beschreibt somit auch, dass ein NN seltener im<br />
Zusammenhang mit einem Primarius der unteren Extremität auftratt als an<br />
einer anderen Lokalisation (Standard Error: 0,60, P = 0,0002).<br />
Die Anpassungsgüte, welche die Qualität statistischer Modelle beurteilt, hatte<br />
ein geringes Signifikanzniveau von 0,0001, sodass die Nullhypothese<br />
verworfen werden konnte. Die ROC-Kurvenanalyse, auch<br />
Grenzwertoptimierungskurve genannt, dient der Bewertung von<br />
Analysestrategien und ist ein Qualitätsmaß. Eine Fläche unterhalb der Kurve<br />
zwischen 0,5 und 1 wird als die optimale Fläche beschrieben. In diesem Fall<br />
ergab diese Fläche einen moderaten Wert von 0,66.
44<br />
4.5. Resultate der SLNB<br />
In 150 von 651 (23%) SLN konnten Metastasen des MM ausgemacht<br />
werden. Von diesen Patienten erhielten 83,3% (125/150) eine vollständige<br />
Lymphadenektomie und 77,3% (116/150) erhielten eine Therapie mit<br />
Hochdosis-Interferon. Mit 82% (123/150) befand sich die Mehrzahl der<br />
Patienten mit einem positiven SLN im Stadium IIIA.<br />
4.5.1. Zusammenhang zwischen Tumormerkmalen und positivem SLN<br />
Mit Hilfe der logistischen Regression wurde der Einfluss von verschiedenen<br />
Merkmalen auf das Vorhandensein oder die Abwesenheit von SLN-<br />
Metastasen (als binäre Zielvariable) analysiert. Dazu wurden die Merkmale<br />
Clark Level, Geschlecht, anatomische Lokalisation der Primärläsion, MM-<br />
Subtyp, Tumorulzeration und Tumordicke auf Ihren Einfluss untersucht.<br />
Jedoch wurden das Clark Level, das Geschlecht und die Tumorulzeration<br />
nicht im Regressionsmodell beibehalten.<br />
Es stellte sich heraus, dass ein positiver SLN-Status nicht signifikant mit dem<br />
Alter (P = 0,14), mit dem Vorhandensein von bereits vorbestehenden<br />
Läsionen (P = 0,59) oder der Tumorregression (P = 0,19) assoziiert war.<br />
Allerdings waren andere Merkmale stärker mit einem positiven SLN<br />
assoziiert. Dazu zählten das Clark Level (P < 0,0001), das Geschlecht (P =<br />
0,0006), die anatomische Lokalisation der Primärläsion (P = 0,0023), der<br />
MM-Subtyp (P = 0,0014), die Tumorulzeration (P < 0,0001) sowie die<br />
Tumordicke (P < 0,0001).<br />
Tumordicke<br />
Der stärkste unabhängige positive Vorhersagewert für einen positiven SLN<br />
war die Tumordicke mit einer Odds Ratio von 3,6 (> 1) und einem 95%-<br />
Konfidenzintervall von 2,2 bis 5,3. Der Regressionskoeffizient betrug 1,27<br />
(Standard Error: 0,26, P < 0,0001).
45<br />
MM-Subtyp<br />
Auch der Subtyp spielt eine wichtige Rolle beim Auftreten eines<br />
metastasierten SLN. So stellte sich heraus, dass das superfiziell spreitende<br />
Melanom mit einem Regressionskoeffizienten von -0,74 (Standard Error:<br />
0,27, P = 0,0065), einer OR von 0,48 (> 1) und einem 95%-Konfidenzintervall<br />
von 0,28 bis 0,81 ein unabhängiger Prädiktor für einen negativen SLN-Status<br />
war.<br />
Primärlokalisation<br />
Auch die Lokalisation des Primarius beeinflusst den SLN-Status. So erwies<br />
sich ein Primarius an den oberen Extremitäten mit einem<br />
Regressionskoeffizienten von -0,86 (Standard Error: 0,37, P = 0,020), einer<br />
OR von 0,42 (> 1) und einem 95%-Konfidenzintervall von 0,21 bis 0,87 als<br />
unabhängiger Prädikator für einen negativen SLN.<br />
Die Anpassungsgüte des logistischen Regressionsmodells wurde durch den<br />
Hosmer-Lemeshowtest (P = 0,76) dargestellt. Außerdem offenbarte die ROC<br />
Kurvenanalyse eine Fläche von 0,72 (0,5–1) unterhalb der Kurve.<br />
4.6. Rezidiv und Todesraten<br />
Tabelle 8 beschreibt die Rezidiv- und Todesraten von MM-Patienten mit<br />
einem NN, mit einem negativen oder positiven SLN. Patienten mit einem NN<br />
hatten in 8% ein Rezidiv (4/50), es gab keine Todesfälle. Patienten mit einem<br />
negativen SLN hatten in 10,4% ein Rezidiv (47/451) und 19 von 451<br />
Patienten (4,2%) verstarben. 27,3% der Patienten mit einem positiven SLN<br />
erlitten ein Rezidiv (41/150). Patienten mit positivem SLN verstarben infolge<br />
des MM in 16% (24/150).
46<br />
Tabelle 8: Rezidiv- und Todesraten von Melanom-Patienten<br />
Rezidiv<br />
Tod<br />
NN 4/50 (8%) 0/50 (0%)<br />
Negativer SLN 47/451 (10,4%) 19/451 (4,2%)<br />
Positiver SLN 41/150 (27,3%) 24/150 (16%)<br />
4.7. Überlebenszeitanalyse<br />
Die Kaplan-Meier-Methode dient der Analyse von Überlebenszeitdaten und<br />
berechnet die Wahrscheinlichkeiten, mit welchen ein bestimmtes Ereignis bis<br />
zu einem bestimmten Zeitpunkt eintritt. Die Ereignisse, die in dieser Arbeit<br />
untersucht wurden, waren der Zeitraum bis zum Auftreten eines Rezidivs<br />
oder bis zum Eintreten des Todes. Patienten, deren Daten nicht bis zum<br />
Ende des Beobachtungszeitraums erhoben werden konnten oder bei denen<br />
das Ereignis Rezidiv oder Tod nicht bis zum Ende des<br />
Beobachtungszeitraums eingetreten war, wurden zensiert. Patienten, bei<br />
denen das Ereignis Tod zwar eingetreten war, aber nicht aufgrund eines MM,<br />
sondern aufgrund einer anderen Ursache, wurden zensiert. Die zensierten<br />
Fälle wurden bis zum Eintritt des nächsten Todesfalles beobachtet. Wir<br />
nehmen an, dass die Prognose für die Patienten einer Untersuchungsgruppe<br />
gleich ist, da Patienten, die zuletzt rekrutiert wurden folglich einen kürzeren<br />
Beobachtungszeitraum hatten. Die Überlebensraten oder Überlebenswahrscheinlichkeiten<br />
geben an, bei wie vielen Patienten bis zu einem bestimmten<br />
Zeitpunkt das erwartete Ereignis noch nicht eingetreten ist. Die mediane<br />
Überlebenszeit beschreibt den Zeitpunkt, an dem das Ereignis bei der Hälfte<br />
aller Patienten eingetreten ist. Dies ist in unserer Studie jedoch nicht<br />
relevant, da die Überlebenswahrscheinlichkeit bis zum Ende der Studie in<br />
allen Gruppen bei über 50% lag.
47<br />
4.7.1. Vergleich NN vs. positiver SLN<br />
Die Kaplan-Meier-Kurve der Abbildung 9A zeigt, dass sich das<br />
Gesamtüberleben (OS, P = 0,0088; Hazard Ratio: 0,0) von Patienten mit<br />
einem NN signifikant von dem der Patienten mit einem positiven SLN<br />
unterscheidet. Die Überlebenszeitkurve der Patienten mit einem positiven<br />
SLN sank stetig ab und erreichte nach 5 Jahren eine<br />
Überlebenswahrscheinlichkeit von 75%. Das Gleiche gilt für das rezidivfreie<br />
Überleben (DFS, P = 0,0068; Hazard Ratio: 0,23, 95%-Konfidenzintervall:<br />
0,11–0,46) und ist Abbildung 6B zu entnehmen. Nach 5 Jahren lag die<br />
Wahrscheinlichkeit des rezidivfreien Überlebens bei 67%, d.h. das Auftreten<br />
eines Rezidivs bei Patienten mit einem positiven SLN lag bei 33%. Dies<br />
deutet darauf hin, dass die Prognose von MM-Patienten mit einem NN<br />
wesentlich günstiger ist, als die der Patienten mit einem positiven SLN. Die<br />
Post-hoc Poweranalyse, die zum Vergleich der OS und DFS von NN- und<br />
positiven SLN-Patienten dient, bestätigte eine statistische Power von 98%<br />
und 86%.
48<br />
Abbildung 9 A+B: NN vs. positiver SLN<br />
4.7.2. Vergleich NN vs. negativer SLN<br />
Ergänzend dazu ist zu berichten, dass sich das Gesamtüberleben (P = 0,17;<br />
Hazard Ratio 0,0) und das rezidivfreie Überleben (P = 0,45; Hazard Ratio<br />
0,64, 95%-Konfidenzintervall: 0,24-1,7) der Patienten mit einem NN nicht<br />
signifikant von denen der Patienten mit einem negativen SLN unterscheidet<br />
(Abbildung 10). Das Gesamtüberleben der Patienten mit einem negativen<br />
SLN lag nach 5 Jahren bei 94%, das der Patienten mit NN bei 100%. Die<br />
Rezidivfreiheit lag bei Patienten mit einem negativen SLN und Patienten mit<br />
einem NN nach 30 Monaten bei 93%. Selbst nach 5 Jahren lag das<br />
rezidivfreie Überleben bei Patienten mit einem NN bei 88%, bei Patienten mit<br />
einem negativen SLN bei 85%.
49<br />
Abbildung 10 A+B: NN vs. negativer SLN
50<br />
4.7.3. Vergleich negativer SLN vs. positiver SLN<br />
Mit den folgenden Daten konnte, wie bereits anhand voheriger Arbeiten<br />
demonstriert wurde, bestätigt werden, dass sich das Gesamtüberleben (P <<br />
0,0001; Hazard Ratio 3,7, 95%-Konfidenzintervall: 1,9-7,4) und das rezidivfreie<br />
Überleben (P < 0,0001; Hazard Ratio 2,8, 95%-Konfidenzintervall: 1,7-<br />
4,6) von Patienten mit einem positiven SLN im Vergleich zu Patienten mit<br />
einem negativen SLN signifikant unterscheidet. Abbildung 11 zeigt, dass die<br />
Überlebensrate bei Patienten mit einem positiven SLN nach 5 Jahren bei<br />
75% lag, die der Patienten mit einem negativen SLN bei ca. 94%. Ähnliches<br />
gilt für das rezidivfreie Überleben, welches nach 60 Monaten bei 67% für<br />
Patienten mit einem positiven SLN, im Vergleich zu 85% für Patienten mit<br />
einem negativen SLN, lag. Abbildung 11 zeigt eindrücklich, dass die Rezidivund<br />
Todesraten von Patienten mit positivem SLN deutlich schlechter<br />
ausfallen, als die von Patienten mit negativem SLN.
51<br />
Abbildung 11 A+B: positiver SLN vs. negativer SLN
52<br />
5. Diskussion<br />
5.1. Nodale Nävi<br />
5.1.1. Häufigkeit und Verteilung von NN<br />
In dieser Studie konnte eine Prävalenz der NN bei MM-Patienten von 7,7%<br />
beobachtet werden. Diese entspricht den in der Literatur angegebenen<br />
Prävalenzen (Carson et al., 1996; Fontaine et al., 2002; Holt et al., 2004). So<br />
konnte in der Studie von Carson et al. in 23,6% der Patienten und in 3,9%<br />
aller SLN ein NN gefunden werden (Carson et al., 1996). Auch wurde<br />
festgestellt, dass Patienten, deren MM mit einem kongenitalen Nävus<br />
assoziiert war, signifikant häufiger einen NN im SLN aufwiesen. Es besteht<br />
einerseits eine signifikante Assoziation zwischen einem kutanen MM und<br />
dem Auftreten von NN, andererseits weisen Patienten mit MM, welches sich<br />
aus einem kongenitalen Nävus entwickelt hat, ein vermehrtes Auftreten von<br />
NN auf (Carson et al., 1996). So bestätigt auch die Studie von Holt et al.,<br />
dass NN vermehrt im Zusammenhang mit MM, die aus melanozytären Nävi<br />
entstehen, auftreten (Holt et al., 2004).<br />
In den Studien von Fontaine et al. und Holt et al. wird die Prävalenz von NN<br />
in SLN mit 9 bis 11% aller Patienten und 5% aller SLN angegeben (Fontaine<br />
et al., 2002; Holt et al., 2004). In der Literatur allgemein wird die Prävalenz<br />
von NN mit 1 bis 22% beschrieben (Ridolfi et al., 1977, Carson et al., 1996,<br />
McCarthy et al., 1974).<br />
Unsere Ergebnisse bestätigen auch, wie bereits in anderen Arbeiten<br />
beschrieben, dass NN überwiegend in der Kapsel des SLN und trabekulär zu<br />
finden sind (Andreola and Clemente, 1985; Carson et al., 1996; Fontaine et<br />
al., 2002; Holt et al., 2004; Witte and Gerrits, 2006). In der Studie von Carson<br />
et al. wurden 26% der NN axillär entnommen, 18% zervikal und 11%<br />
inguinal. Mit 93% befanden sich fast alle NN in der Kapsel des SLN. Die<br />
kapsuläre Lokalisation unter Auslassung der Sinus könnte daher die Theorie<br />
der „ruhenden Migration“, welche die arretierte Migration der Progenitorzellen<br />
aus der Neuralleiste während der Embryogenese beschreibt, unterstützen<br />
(Patterson, 2004).
53<br />
5.1.2. Prädiktive Faktoren für das Auftreten von NN<br />
Geschlecht<br />
In der univarianten Analyse zeigte sich, dass ein NN signifikant mit dem<br />
männlichen Geschlecht assoziiert ist.<br />
Tumordicke<br />
In dieser Arbeit konnte keine signifikante Assoziation zwischen der<br />
Tumordicke und dem Auftreten von NN festgestellt werden. Im Gegensatz<br />
dazu wurde in der Studie von Holt et al., in welcher 72 MM-Patienten mit 8<br />
NN untersucht wurden, eine signifikante Korrelation demonstriert (Holt et al.,<br />
2004). Diese Beobachtung scheint gegen die Theorie des mechanischen<br />
Transportes zu sprechen (Patterson, 2004).<br />
Subtyp<br />
In der univariaten Analyse bestätigte sich, dass der NN mit dem superfiziell<br />
spreitenden, dem primär nodulären und dem unklassifizierten Melanom<br />
assoziiert ist. Dennoch präsentierten sich das männliche Geschlecht und das<br />
superfiziell spreitende Melanom in der multivariaten Analyse nicht mehr als<br />
signifikante unabhängige Indikatoren für einen NN.<br />
Vorbestehende Primärläsion<br />
Jene MM, welche mit einer vorbestehenden melanozytären Läsion assoziiert<br />
sind, weisen vermehrt NN im regionalen Lymphknotenkompartiment auf.<br />
Diese befinden sich fast ausschließlich im SLN (Carson et al., 1996). NN<br />
korrelieren nicht nur mit dem Auftreten von vorbestehenden melanozytären<br />
Läsionen, sondern insbesondere mit kongenitalen Nävi. Eine Korrelation<br />
zwischen der Häufigkeit von NN und dem Vorhandensein von Melanom<br />
assoziierten kutanen Nävi wurde in mehreren Arbeiten beschrieben (Carson<br />
et al., 1996, Fontaine et al., 2002).<br />
Lokalisation des Primarius<br />
Die Lokalisation des Primarius erwies sich in dieser Arbeit als eine wichtige
54<br />
Einflussvariable für das Auftreten eines NN in der korrespondierenden<br />
Lymphknotenregion. Besonders hervorzuheben ist, dass sich ein Primarius<br />
an den unteren Extremitäten als stärkster unabhängiger negativer Indikator<br />
für einen NN erwies. Dies wird durch vorhergehende Studien, wie<br />
beispielsweise die Studie von Carson et al., welche zeigte, dass NN<br />
überwiegend in axillären Lymphknoten vorzufinden sind, bestätigt (Carson et<br />
al., 1996; Jensen and Correll, 1980; Parker et al., 1999; Patterson, 2004).<br />
5.1.3. Vergleich zwischen NN in SLN und Non-SLN<br />
Wie bereits beschrieben, ist der SLN, der erste Lymphknoten eines jeden<br />
Lymphknotenkompartiments, welcher ein bestimmtes Hautareal drainiert. Die<br />
meisten NN wurden in SLN gefunden. Nur eine geringe Anzahl wurde in Non-<br />
SLN detektiert. Diese Untersuchung unterstützt die Theorie des<br />
mechanischen Transports, da der erste Lymphknoten, der angespült wird,<br />
eine weitaus häufigere Inzidenz an NN hat, als andere, sich im gleichen<br />
Lymphknotenkompartiment befindliche Lymphknoten (Carson et al., 1996;<br />
Fontaine et al., 2002; Patterson, 2004; Witte et al., 2006). Das steht im<br />
Einklang mit anderen Arbeiten, so zum Beispiel der von Carson et al., in<br />
welcher in 3,9% der SLN ein NN detektiert werden konnte, aber nur in 0,01%<br />
der Non-SLN (Carson et al., 1996).<br />
5.1.4. Entstehungstheorie<br />
Es gibt verschiedene Modelle, die die Entstehung der NN in Lymphknoten<br />
beschreiben. Dabei stehen vor allem 2 Theorien im Vordergrund, die hier nun<br />
weiter erläutert werden sollen.<br />
Die ruhende Migration<br />
Die Grundlage der Theorie der ruhenden Migration leitet sich von der<br />
Embryogenese des Lymph- und Nervensystems ab. Die intrauterine<br />
Migration der Melanozyten aus der Neuralleiste in die Haut erfolgt zwischen
55<br />
der 6. und 9. Gestationswoche und ist kongruent mit der Entwicklung des<br />
lymphatischen Systems zwischen der 5. und 8. Woche (Moore and Persaud,<br />
1993). Daher wird vermutet, dass die melanozytären Vorläuferzellen während<br />
der Migration in die Haut im Bereich des lymphatischen Systems hängen<br />
bleiben. Verschiedene Argumente untermauern diese Annahme. So bestätigt<br />
(1) die kapsuläre Lokalisation unter Auslassung der Sinus (Bergman, 2005);<br />
(2) das gleichzeitige Auftreten der embryonalen Migration der melanozytären<br />
Vorläuferzellen und die Entwicklung des lymphatischen Systems (Fontaine et<br />
al., 2002) und (3) der Mangel an kutanen melanozytären Nävi im<br />
Einzugsgebiet betroffener Lymphknoten (Carson et al., 1996) diese Theorie.<br />
Hier soll jedoch erwähnt sein, dass ein eindeutiges Fehlen von kutanen Nävi<br />
im entsprechenden Einzugsgebiet des Lymphknotens schwer zu beweisen<br />
ist. Die meist tiefe dermale Lage von kongenitalen Nävi, erschwert zum einen<br />
ihre Detektion, zum anderen könnte die Nähe zu lymphatischen Gefäßen für<br />
die Korrelation von kongenitalen Nävi und NN verantwortlich sein. Daher ist<br />
es möglich, dass Nävuszellen zufällig in Hautbiopsien gefunden werden ohne<br />
das eine sichtbare melanozytäre Läsion klinisch zu objektivieren ist<br />
(Patterson, 2004).<br />
Weitere Argumente für die Theorie der ruhenden Migration sind, dass (4)<br />
metastasierte Melanome und NN selten im gleichen Lymphknoten auftreten<br />
(Carson et al., 1996) und (5) NN häufig in Zusammenhang mit kongenitalen<br />
Nävi auftreten, was durch anormale Migration von Melanozyten erklärt<br />
werden kann (Fontaine et al., 2002). Dass (6) NN ferner in anderen Organen<br />
wie Zervix und Prostata (sehr selten) gefunden werden, spricht ebenfalls für<br />
eine embryonale Genese und ist somit unabhängig von der Tumorentität.<br />
Dies legt nahe, dass eine anormale Migration schon während der<br />
Embryogenese für die nodalen und kutanen Befunde verantwortlich ist.<br />
Wenn aber angenommen wird, dass es sich um einen zufälligen Fehler,<br />
während der Migration der nevomelanozytären Vorläuferzellen handelt, sollte<br />
der NN mit gleichverteilter Häufigkeit in verschiedenen<br />
Lmyphknotenregionen, in SLN und Non-SLN und in verschiedenen Organen<br />
auftreten. Das ist jedoch, wie bereits oben beschrieben, nicht der Fall. In der<br />
Studie von Holt et al. wurden nicht nur MM, die mit vorbestehenden
56<br />
melanozytären Läsionen assoziiert waren, sondern auch benigne<br />
melanozytäre Läsionen untersucht. Es stellte sich heraus, dass NN häufiger<br />
in SLN von MM auftreten als in SLN von einfachen benignen melanozytären<br />
Läsionen. Gäbe es einen embryogenetischen Zusammenhang, müssten die<br />
Häufigkeiten von NN in beiden Gruppen gleich verteilt sein.<br />
Die hier erhobenen Befunde heben jedoch die Bedeutung des MM im<br />
Zusammenhang mit dem Auftreten von NN hervor und unterstützten daher<br />
die Theorie des mechanischen Transports.<br />
Der mechanische Transport<br />
Der zweiten Theorie zufolge, handelt es sich bei der Entstehung von NN um<br />
einen mechanischen Transport von Nävuszellen. Diese Theorie wird auch als<br />
„Benign Metastasis“, also gutartige Metastasierung bezeichnet (Von Albertini,<br />
1935). Vor dem Hintergrund, dass NN häufig mit MM aus vorbestehenden<br />
Läsionen assoziiert sind, ergibt sich folgende Erklärung. Die invasiven<br />
neoplastischen Melanozyten dislozieren die angrenzenden gutartigen<br />
Nävuszellen, sodass diese dann in die lymphatischen Bahnen gelangen (Holt<br />
et al., 2004). Eine Erklärung für die Lokalisation der NN in der Kapsel und im<br />
trabekulären Gewebe könnte die Ähnlichkeit zum kollagenösen Gewebe der<br />
Dermis sein (Callender et al., 2011). Folgende Argumente unterstützen diese<br />
Theorie. (1) Die Nävuszellen werden manchmal auch im Sinus, was dem<br />
Verlauf des Transportes entspricht oder im Parenchym (selten) des<br />
Lymphknotens gefunden. (2) Nävuszellen wurden nicht in Lymphknoten<br />
gefunden, die nicht kutane Bereiche drainieren (Carson et al., 1996), was<br />
darauf hinweist, dass sich der mechanische Transport durch den dermalen<br />
Lymphabfluss erklären lässt. (3) Die nicht-kutanen Nävuszellen werden nur<br />
in Assoziation mit Lymphknoten gefunden (Bautista et al., 1994), d.h. sie<br />
gelangen über lymphatische Bahnen in den Lymphknoten. (4) Die<br />
Nävuszellaggregate sind sowohl in den kutanen Lymphbahnen als auch in<br />
den afferenten Lymphbahnen der Lymphknoten, also im gesamten<br />
lymphatischen Verlauf, zu finden (Bell et al., 1979; Fontaine et al., 2002;<br />
Subramony and Lewin, 1985). (5) Melanozyten, welche während ihrer<br />
embryonalen Migration durch die Dermis hängen geblieben sind, sind bipolar,
57<br />
dagegen sind Nävuszellen in Lymphknoten meistens oval, wie in<br />
konventionellen kutanen melanozytären Nävi (Azzopardi et al., 1977). (6)<br />
Nävuszellen werden deutlich seltener in Non-SLN, also in den dem SLN<br />
nachgeschalteten Lymphknoten, als in SLN gefunden. Ferner werden NN<br />
häufig in Nachbarschaft zu Gefäßen gefunden, welche die Möglichkeit des<br />
lymphatischen Transports von dermalen Melanozyten in die regionalen<br />
Lymphknoten unterstützen.<br />
Aufgrund der verschiedenen oben genannten Argumente wird derzeit die<br />
Theorie des mechanischen Transports favorisiert (Patterson, 2004). Es ist<br />
jedoch zu betonen, dass die Dignität des NN trotz des<br />
„Metastasierungsaspektes“ durch den mechanischen Transport als benigne<br />
eingeschätzt wird (Pulitzer et al., 2010).<br />
5.1.5. NN in anderen Tumorentitäten<br />
Die NN sind signifikant häufiger in Lymphknoten von Patienten mit einem MM<br />
zu finden, als bei Patienten mit anderen Tumorentitäten. Daraus ist zu<br />
schließen, dass der NN stark mit einem kutanen MM assoziiert ist (Carson et<br />
al., 1996; Fontaine et al., 2002). Es wurde auch von Fällen berichtet, in<br />
denen NN in axillären Lymphknoten bei Patienten mit Mammakarzinom<br />
gefunden worden sind (Fisher et al., 1994). Diese kommen zwar wesentlich<br />
seltener vor, aber die NN sind auch hier vor allem kapsulär zu finden und<br />
morphologisch als auch mit Hilfe von immunhistochemischen Methoden von<br />
Metastasen zu unterscheiden (Fisher et al., 1994). So wurden in<br />
Lymphknoten, die im Rahmen eines Mammakarzinoms entnommen wurden,<br />
nur in 0,017% bis 0,1% nodale Nävi gefunden (Biddle et al., 2003; Carson et<br />
al., 1996; Gerdes et al., 1984; Holt et al., 2004; Ridolfi et al., 1977).<br />
5.2. Der SLN-Status<br />
Es wird angenommen, dass der Status des SLN den Status des gesamten<br />
Lymphknotenkompartiments reflektiert, da er der erste Lymphknoten ist, der<br />
den Primarius drainiert (Morton et al., 1992).<br />
Die SLNB basiert auf der Grundlage, dass die lymphozytäre Metastasierung
58<br />
des MM nicht zufällig ist, sondern einer geordneten Progression folgt. Die<br />
Zellen gelangen durch die afferenten lymphatischen Bahnen zuerst zum<br />
SLN, bevor sie dann andere Non-SLN infizieren. Die SLNB ist somit eine<br />
sehr präzise minimal invasive Methode und dient zum Staging des<br />
regionalen Lymphknotenkompartiments. Die Methode ist mit einer Falsch-<br />
Negativ-Rate von weniger als 1% sehr exakt (Morton et al., 1992). Seit der<br />
Beschreibung zur Darstellung der Lymphwege und der SLNB durch Morton<br />
et al. 1992 findet diese Methode nun routinemäßig Anwendung zur<br />
Identifizierung des SLN. Vor Einführung der SLNB mussten sich alle<br />
Patienten einer kompletten Lymphadenektomie unterziehen. Da nur bei 20%<br />
der Patienten mit mittlerer Tumordicke immunhistochemisch eine regional<br />
lymphatische Mikrometastasierung erkennbar war, unterzogen sich folglich<br />
80% einer Lymphadenektomie ohne davon zu profitieren (Morton et al.,<br />
2014). Hinzu kamen die Risiken und Nebenwirkungen eines jeden invasiven<br />
Eingriffes, wie Wundheilungsstörungen, Gefäß- und Nervenverletzungen<br />
oder die Entstehung eines chronischen Lymphödems, unter denen Patienten<br />
zu leiden hatten (Morton et al., 1999). Die SLNB dient dazu Patienten im<br />
Stadium III mit regionaler Metastasierung zu identifizieren, die eventuell von<br />
einer totalen Lymphadenektomie profitieren könnten (Gershenwald et al.,<br />
1999; Morton et al., 1992). Sie ist von wichtigster prognostischer Bedeutung<br />
und erhöht in Verbindung mit einer eventuellen Lymphadenektomie das<br />
Überleben von Patienten mit einem positiven SLN (Morton et al., 2006). Auch<br />
Patienten mit einem negativen SLN profitieren von der SLNB, da dieser<br />
Patientengruppe neben dem Erwerb wichtiger prognostischer Informationen<br />
weitere therapeutische Maßnahmen und die damit verbundenen<br />
Komorbiditäten erspart bleiben. Die SLNB ist jedoch nicht für das gesamte<br />
Patientenkollektiv Mittel der Wahl. So ist sie bei Patienten mit einem MM<br />
unter 1 mm Tumordicke nicht ausreichend genau, da in dieser<br />
Patientengruppe mehr Langzeit-Rezidive auffallen, als mittels der<br />
immunhistochemischen Methoden positive SLN detektiert werden konnten.<br />
Folglich gibt es eine hohe Falsch-Negativ-Rate bei Tumoren mit einer<br />
Tumordicke unter 1,0 mm. Weil das Auftreten von Lymphknotenmetastasen<br />
von der Tumordicke abhängig ist, haben Patienten mit dünnen Tumoren
59<br />
einen geringeren Nutzen von der Entfernung des SLN, da dieser nur in 5-<br />
12% tatsächlich positiv ist. Der dadurch hervorgerufene Überlebensvorteil<br />
liegt bei weniger als 4% (Morton et al., 2003). Andere Studien belegten, dass<br />
der Status des SLN bei Patienten mit dünnen Tumoren (< 1 mm) wichtige<br />
prognostische Informationen enthalten. Auch in dieser Patientengruppe<br />
entstehen in 5–10% Rezidive, die mit einem deutlich verringerten Überleben<br />
einhergehen. Die Rezidivrate liegt bei Patienten mit einem positiven SLN bei<br />
42% und mit einem negativen SLN bei 3% (Wright et al., 2008). Für die<br />
Mehrzahl der Patienten mit dünnen Tumoren bietet die SLNB keinen Benefit.<br />
Doch für eine geringe Anzahl an Patienten dieser Gruppe, nämlich<br />
denjenigen, die zum Zeitpunkt der Diagnose bereits eine nodale<br />
Metastasierung haben, kann die korrekte Diagnose wichtige prognostische<br />
Informationen bieten und weitere therapeutische Schritte können eingeleitet<br />
werden (Wright et al., 2008). Für alle anderen Tumordicken sind die<br />
zusätzlichen Informationen in Studien als prognostisch relevant demonstriert<br />
worden.<br />
Die korrekte pathologische Evaluation des SLN ist entscheidend für den<br />
Erfolg des Stagings. Die Darstellung der Lymphbahnen und die<br />
Identifizierung des SLN gelingen in 99% der Fälle mit Hilfe der kombinierten<br />
Anwendung von Methylenblau und einem radioaktiven Tracer (Gershenwald<br />
et al., 1998; Morton et al., 1999). Da der SLN den Ort der ersten<br />
Metastasierung darstellt, kann durch seine Entfernung eine mögliche<br />
Metastasierung klinisch okkulter Metastasen erkannt werden. Wenn der SLN<br />
negativ ist, sollten folglich auch alle anderen Lymphknoten des gleichen<br />
Lymphknotenkompartiments tumorfrei sein. Dies wurde in Studien belegt, in<br />
denen Patienten mit negativem SLN auch keine Anzeichen von Metastasen<br />
in anderen Lymphknoten oder anderen weiter entfernten Lokalisationen<br />
hatten (Reintgen et al., 1994). Ist der SLN jedoch befallen, können auch<br />
weitere Lymphknoten dieses Kompartiments Tumorzellen enthalten. Der<br />
SLN-Status ist demzufolge der wichtigste prognostische Faktor für das OS<br />
und DFS (Gershenwald et al., 1999, Morton et al., 2014). Patienten mit<br />
einem positiven SLN hatten mit 62.1±4.8% eine schlechtere 10-Jahres-<br />
Überlebensrate als Patienten mit einem negativen SLN (85.1±1.5%) (Morton
60<br />
et al., 2014). Überdies steht das Auftreten eines positiven SLN in enger<br />
Beziehung zur Tumordicke. Das Risiko einer Metastasierung in den SLN und<br />
in Non-SLN verhält sich proportional zur Tumordicke des Primarius. Läsionen<br />
unter 1 mm haben eine geringe Wahrscheinlichkeit mit einem positiven SLN<br />
einherzugehen, während Läsionen über 1 mm häufiger mit einem positiven<br />
SLN assoziiert sind (Morton et al., 2003). Die Häufigkeit eines positiven SLN<br />
steigt folglich mit zunehmender Tumordicke an und lag in der Studie von<br />
Morton et al. bei 7.3%, 19.7%, 33.2% und 39.7% für die Tumordicken < 1,01,<br />
1,01–2,0 mm, 2,01– 4,0 mm und über 4,0 mm (Morton et al., 2003). Zwar<br />
beeinflussen die Tumordicke und auch eine mögliche Ulzeration des<br />
Primarius das Überleben von Patienten mit negativem SLN, jedoch bieten<br />
diese Merkmale keine zusätzlichen Informationen bei Patienten mit einem<br />
positiven SLN, weil ein positiver SLN der wichtigste prognostische Parameter<br />
ist. Ein Rezidiv wird folglich öfter in SLN-positiven Patienten als in SLNnegativen<br />
Patienten beobachtet (Wright et al., 2008).<br />
In der Studie von Morton et al. wurden die Patienten in 2 Gruppen unterteilt.<br />
Die Beobachtungsgruppe erhielt nach Exzision des MM nur bei Auftreten von<br />
klinisch okkulten Lymphknotenmetastasen eine Lymphadenektomie.<br />
Patienten der Biopsiegruppe erhielten nach Exzision des MM eine SLNB mit<br />
anschließender Lymphadenektomie im Falle eines positiven SLN. Es zeigte<br />
sich unter allen Patienten mit einer mittleren Tumordicke, welche definiert<br />
wurde als 1,20 bis 3,50 mm (mit oder ohne nodaler Metastasierung), kein<br />
signifikanter Unterschied in den 10-Jahres-Melanom-spezifischen<br />
Überlebensraten (Morton et al., 2014) mit durchschnittlich 81.4±1.5% in der<br />
Biopsie- und 78.3±2.0% in der Beobachtungsgruppe (Morton et al., 2014).<br />
Auch für Patienten mit einer hohen Tumordicke, definiert als > 3,50 mm,<br />
ergab sich kein signifikanter Unterschied. Die 10-Jahres-DFS-Rate bei<br />
Patienten mit einer mittleren Tumordicke war in der Biopsiegruppe mit<br />
71.3±1.8% jedoch signifikant höher als in der Beobachtungsgruppe<br />
(64.7±2.3%). Patienten mit einem MM mittlerer Tumordicke und nodaler<br />
Metastasierung hatten eine verbesserte 10-Jahres-Melanom-spezifische<br />
Überlebensrate von 62.1±4.8% in der Biopsiegruppe im Vergleich zu<br />
41.5±5.6% in der Beobachtungsgruppe. Das bedeutet, dass eine SLNB mit
61<br />
einer eventuell nachfolgenenden Lymphadenektomie die 10-Jahres-DFSund<br />
-Melanom-spezifische Überlebensrate für Patienten mit mittlerer<br />
Tumordicke und nodaler Metastasierung verbessert (Morton et al., 2014).<br />
Auch das Auftreten von Fernmetastasen wurde durch eine sofortige<br />
Lymphadenektomie bei Patienten mit Tumoren einer mitteleren Tumordicke<br />
und nodaler Metastasierung vermindert (Morton et al., 2014). Für Patienten<br />
mit einem MM mittlerer Tumordicke und nodaler Metastasierung verringert<br />
ein frühzeitiger operativer Eingriff das Risiko nodaler Rezidive,<br />
Fernmetastasen und Tod durch ein MM (Morton et al., 2014). Somit<br />
verlängert die SLNB und die daraus folgenenden therapeutischen Schritte<br />
das rezidivfreie Überleben aller Patienten und das Melanom-spezifische<br />
Überleben von Patienten mit nodaler Metastasierung. Ein abwartendes<br />
Verhalten anstatt einer sofortigen SLNB zur Überprüfung des SLN-Status<br />
erlaubt es eventuell vorhandenen okkulten Mikrometastasen sich zu<br />
vergrößern und weiter zu verteilen, woraus sich anschließend weitere<br />
Lymphknotenmetastasen und Fernmetastasen entwickeln könnten.<br />
5.3 Prognostische Faktoren des SLN-Status<br />
Der folgende Abschnitt beschreibt verschiedene Faktoren und ihren Einfluss<br />
auf den SLN-Status und die unterschiedlichen damit einhergehenden<br />
Prognosen.<br />
Alter und Geschlecht<br />
Die Alters- und Geschlechtsverteilung in dieser Studie ähnelt der Verteilung,<br />
die in anderen Arbeiten bereits beschrieben wurde. Viele Studien haben das<br />
Alter und das Geschlecht als signifikante unabhängige prognostische<br />
Faktoren bezüglich des Gesamtüberlebens aufgeführt (Balch et al., 2001;<br />
Garbe et al., 1995; Leiter et al., 2004). Balch et al. zeigten in einer Studie,<br />
dass mit jedem weiteren Lebensjahrzehnt ein Rückgang des 5- und 10-<br />
Jahres-Überlebens verzeichnet wird (Balch et al., 2001). Ältere Patienten<br />
weisen öfter ein MM mit größerer Tumordicke und mit einem vermehrten<br />
Vorkommen von Ulzerationen auf (Balch, 1992). Patienten unter 60 Jahren
62<br />
haben eine deutlich bessere Prognose als Patienten, die älter als 60 Jahre<br />
sind (Leiter et al., 2004). Balch et al. untersuchten die 5-Jahres-<br />
Überlebensrate von Patienten verschiedener Altersklassen. Sie lag für<br />
Patienten unter 50 Jahren bei 74%, für Patienten zwischen 50 und 69 Jahren<br />
bei 65% und bei Patienten über 70 Jahre bei 47% (Balch et al., 2010).<br />
Auch das Geschlecht korreliert mit dem Überleben. Frauen zeigten in<br />
mehreren Studien einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber Männern.<br />
In Tumoren mit einer Tumordicke über 0,75 mm spielte das Geschlecht<br />
hinsichtlich der Prognose eine wichtige Rolle, wobei Männer eine schlechtere<br />
Prognose hatten (Leiter et al., 2004). In der Studie von Schuchter et al.<br />
präsentierten Frauen mit einer 10-Jahres-Überlebensrate von 86% einen<br />
deutlichen Überlebensvorteil gegenüber Männern (68%) (Schuchter et al.,<br />
1996). So lag die 10-Jahres-Überlebensrate bei Frauen mit einem MM im<br />
Bereich des Rückens bei 72,3%, die der Männer bei 65,4%, die am Unterarm<br />
bei 94% für Frauen und bei 68,6 % für Männer (Garbe et al., 1995).<br />
Außerdem wächst das MM bei Frauen häufiger in prognostisch günstigeren<br />
Lokalisationen (Extremitäten), ist dünner und seltener ulzeriert (Balch et al.,<br />
1992). Bei Männern hingegen tritt das MM vermehrt in der Kopf-<br />
/Nackenregion und im Rumpfbereich auf (Callender et al., 2011).<br />
Andere Studien konnten keine signifikante Beziehung zwischen einem<br />
positivem SLN und dem Alter und Geschlecht feststellen (Balch et al., 2001;<br />
Ito et al., 2012; Balch et al., 2010).<br />
Tumordicke<br />
In dieser Studie lag der Anteil an metastasierten SLN mit 23%<br />
verhältnismäßig hoch, was durch die gemessene relativ hohe Tumordicke<br />
erklärt werden kann. Studien mit einem geringeren Anteil an dünnen<br />
Primärtumoren oder einer durchschnittlich höheren Tumordicke (Mean: 1,4–<br />
2,7 mm) berichten von positiven SLN-Raten zwischen 14,2 bis 23,1%<br />
(Gershenwald et al., 1999; Kruper et al., 2006; Taylor et al., 2007). So beträgt<br />
die Häufigkeit eines positiven SLN in der Studie von Gershenwald et al. 15%,<br />
was sich durch den überwiegenden Anteil an Patienten mit dünnen Tumoren<br />
erklären lässt (Mediane Tumordicke 1,80 mm). In der Studie von Kruper et al.
63<br />
lag der Anteil an positiven SLN mit 12,9% niedriger als sonst in der Literatur<br />
angegeben, was durch den hohen Anteil (36,8%) an Läsionen unter 1 mm<br />
und einer medianen Tumordicke von 1,3 mm erklärt werden kann (Kruper et<br />
al., 2006). Wie erwartet, war die Tumordicke der stärkste prognostische<br />
Marker für Patienten im lokalen Stadium und auch signifikant mit dem SLN-<br />
Status assoziiert (Balch et al., 2001; Garbe et al., 1995; Kruper et al., 2006;<br />
Taylor et al., 2007). Auch Ito et al. demonstrierten, dass ein positiver SLN<br />
signifikant mit einer zunehmenden Tumordicke nach Breslow korreliert (Ito et<br />
al., 2012). So waren in der Studie von Kruper et al. nur 5,2% der SLN bei<br />
Patienten mit dünnen Läsionen (< 1 mm) positiv, bei Patienten mit Läsionen<br />
> 1 mm waren es 17,4% (Kruper et al., 2006). Bei Patienten mit einer<br />
Tumordicke von über 4 mm hatten 34,4% einen positiven SLN (Gershenwald<br />
et al., 1999). Eine steigende Tumordicke korreliert invers mit dem Melanomspezifischen<br />
10-Jahres-Überleben (Balch et al., 2001), sodass sich die 5-<br />
und 10-Jahres-Überlebensraten signifikant verschlechtern (Balch et al.,<br />
2009). Das 10-Jahres-Überleben liegt im Stadium T1, T2, T3 und T4 bei<br />
92%, 80%, 63% und 50% (Balch et al., 2009). Mit steigender Tumordicke<br />
wächst der Anteil an positiven SLN, was folglich immense Auswirkungen auf<br />
das Überleben hat, da die Prognose stetig schlechter wird (Guggenheim et<br />
al., 2008). In der Studie von Taylor et al zeigten eine zunehmende Breslow-<br />
Tumordicke, eine Ulzeration und das männliche Geschlecht eine signifikante<br />
Assoziation mit dem Auftreten eines positiven SLN (Taylor et al., 2007).<br />
Subtyp<br />
Einige Studien demonstrierten, dass ein positiver SLN signifikant mit dem<br />
Melanomsubtyp korreliert (Ito et al., 2012; Leiter et al., 2004).<br />
Primär noduläre Melanome sind mit einer wesentlich schlechteren Prognose<br />
als andere Subtypen assoziiert (Balch, 1992). Im Gegensatz dazu zeigte sich<br />
ein superfiziell spreitendes Melanom als Indikator für einen negativen SLN.<br />
Ulzeration<br />
Das Vorhandensein einer Ulzeration wurde in der Literatur des Öfteren als<br />
ein signifikanter unabhängiger positiver Vorhersagewert für einen positiven
64<br />
SLN (Gershenwald et al., 1999) bzw. für das Überleben genannt (Balch et al.,<br />
2001). Eine mögliche Ulzeration ist ein wichtigstes Merkmal des Primarius<br />
und beeinflusst die Überlebenszeit in lokalisierten und regional<br />
fortgeschrittenen Stadien. Die einzige Ausnahme gilt für dünne MM, da hier<br />
eine Ulzeration allgemein selten ist (6%) (Balch et al., 2001).<br />
Ulzerierte MM scheinen biologisch aggressive Läsionen zu sein, da sie durch<br />
die Epidermis brechen (Balch, 1992). In der Studie von Balch et al. hatten<br />
Patienten mit Ulzerationen im Stadium I und II eine 10-Jahres-<br />
Überlebensrate von 50%, dagegen lag sie bei Patienten ohne Ulzerationen<br />
im gleichen Stadium bei 78%. Die Überlebensraten von Patienten mit<br />
ulzerierten MM sind proportional niedriger, als die der MM-Patienten ohne<br />
Ulzeration der gleichen T-Kategorie (Balch et al., 2009). Außerdem entsprach<br />
die Überlebensrate der Patienten mit einem ulzerierten MM, die der von<br />
Patienten mit einem nicht-ulzerierten MM der nächst höheren T-Kategorie<br />
(Balch et al., 2001).<br />
Es konnte auch eine positive Korrelation zwischen einer Ulzeration und der<br />
Tumordicke nach Breslow nachgewiesen werden (Balch, 1992). Die mediane<br />
Tumordicke zwischen Läsionen mit und ohne Ulzeration ist unterschiedlich.<br />
Mit steigender Tumordicke nimmt auch die Häufigkeit von Ulzerationen zu,<br />
sodass diese bei ulzerierten Läsionen höher ist als bei nicht-ulzerierten<br />
Läsionen (Balch, 1992). Kommt eine Ulzeration in dünnen MM in 6%-12,5%<br />
vor, steigt sie auf 63-72,5% in MM mit einer Tumordicke > 4 mm (Balch et al.,<br />
2001). Jedoch gibt es keine einheitliche Meinung, da andere Studien das<br />
Gegenteil belegen (Leiter et al, 2004; Kruper et al., 2006). Überdies hatten<br />
Männer einen höheren Anteil an ulzerierten Läsionen als Frauen (29% vs.<br />
19%).<br />
Lokalisation des Primarius<br />
Die anatomische Lokalisation des Primarius präsentierte sich in mehreren<br />
Studien als ein signifikanter unabhängiger Faktor für das MM (Garbe et al.,<br />
1995). In dieser Studie entspricht die Verteilung der Lokalisation des<br />
Primarius weitestgehend der anderer Studien. Die meisten Primärtumoren<br />
liegen im Rumpfbereich (44,7% vs. 43,2%), gefolgt von den unteren (34,3%
65<br />
vs. 22.3%) und dann oberen Extremitäten (18,5 vs. 22,3%) und der Kopf-<br />
/Nackenregion mit dem geringsten Anteil (3,5% vs. 12,2%) (Callender et al.,<br />
2011). In dieser Arbeit erwies sich ein Primärtumor an den oberen<br />
Extremitäten als ein Indikator für einen negativen SLN. Die Studie von<br />
Callender et al., in der ein MM an den oberen Extremitäten tendenziell eher<br />
dünner war und mit einem längeren Überleben in Verbindung stand,<br />
unterstützt diese Datenlage. Die Kopf-/Halsregion und der Rumpfbereich<br />
gingen im Vergleich zu den unteren Extremitäten mit einem signifikant<br />
höheren Risiko an einem MM zu versterben einher. Es stellte sich heraus,<br />
dass gewisse Lokalisationen mit einer durchschnittlich erhöhten Tumordicke<br />
und damit mit einem erhöhten relativen Risiko korrelieren. Dies ist jedoch<br />
nicht immer der Fall, da das MM bestimmter Körperregionen zwar eine<br />
geringe Tumordicke aufweist, jedoch mit einer schlechteren Prognose<br />
einhergeht. Es ist anzunehmen, dass die Überlebensraten zwar mit der<br />
Tumordicke einer bestimmten Lokalisation in Verbindung stehen, aber nicht<br />
vollständig von ihr bestimmt werden (Garbe et al., 1995).<br />
Auch Callender et al. zeigten, dass die anatomische Lokalisation des<br />
Primärtumors ein wichtiger unabhängiger Vorhersagewert für den SLN-<br />
Status in Tumoren mit > 1 mm Tumordicke und damit für die Prognose (OS<br />
und DFS) ist (Callender et al., 2011). Das Alter, die Tumordicke und der Anteil<br />
an Patienten mit einem positiven SLN waren, abhängig von der Lokalisation,<br />
signifikant unterschiedlich. Patienten mit einem Primärtumor im Bereich der<br />
Kopf-/Halsregion und im Rumpfbereich hatten eine schlechtere Prognose<br />
(10-Jahres-OS 70% bei N0) als Patienten mit einem MM an einer anderen<br />
Lokalisation (Extremitäten, 10-Jahres-OS 90% bei N0) (Schuchter et al.,<br />
1996; Callender et al., 2011). Es ist zu beachten, dass ein MM im Kopf-<br />
/Nackenbereich zwar mit einem geringen Anteil an positiven SLN einherging,<br />
jedoch durchschnittlich eine größere Tumordicke mit einer Tendenz zur<br />
Entwicklung von Makrometastasen hatte. Im Vergleich dazu waren die MM<br />
im Rumpfbereich dünner und tendierten eher dazu Mikrometastasen zu<br />
entwickeln (Balch et al., 2010). Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen<br />
anderer Autoren, die ebenfalls zeigen konnten, dass Patienten mit einem<br />
Primarius im Bereich des Rumpfes eine schlechtere Prognose haben (Garbe
66<br />
et al., 1995, Leiter et al., 2004). Daneben demonstrierten auch Ito et al. und<br />
andere Autoren, dass ein positiver SLN signifikant mit der anatomischen<br />
Lokalisation des Primarius korreliert (Homsi et al., 2005; Ito et al., 2012).<br />
5.4. Stadium III<br />
In dieser Arbeit konnten in 150 von 651 (23%) SLN Metastasen eines MM<br />
ausgemacht werden. Ein Großteil dieser Patienten (82%) befand sich im<br />
Stadium IIIA. Die Anzahl an befallenen Lymphknoten, die Tumorlast und eine<br />
mögliche Ulzeration des Primarius sind unabhängige Faktoren, die das<br />
Überleben der Patienten im Stadium III beeinflussen (Balch et al., 2001). Wie<br />
bereits besprochen und aus Abbildung 8 (neg. SLN vs. pos. SLN) ersichtlich,<br />
haben Patienten im Stadium III eine deutlich bessere 5-Jahres-DFS und –<br />
OS, verglichen mit in der Literatur beschriebenen Patientenkollektiven im<br />
gleichen Stadium. Nicht nur die Prognose für die einzelnen Subkategorien im<br />
Stadium III ist sehr unterschiedlich, sondern auch die anteilige Verteilung der<br />
Patienten, sodass eine allgemeine Aussage über das Überleben von<br />
Patienten in Stadium III kaum machbar ist. Betrachtet man die Überlebenszeitkurven<br />
der einzelnen Subkategorien genauer, wie es in der Arbeit von<br />
Balch et al. getan wurde, erhält man eine präzisere Aussage darüber, wie<br />
unterschiedlich sich das DFS und OS innerhalb des Stadiums III verhalten<br />
können. Die 5-Jahres-DFS beträgt 65% im Stadium IIIA, 37% im Stadium IIIB<br />
und 26% im Stadium IIIC (Balch et al., 2009). Die 5-Jahres-Überlebensraten<br />
liegen bei 78%, 59% und 40% für Patienten im Stadium IIIA, IIIB und IIIC<br />
(Balch et al., 2009). Somit könnte der hohe Anteil an SLN-positiven Patienten<br />
im Stadium IIIA (nur Mikrometastasen) in unserer Kohorte, die sich einer<br />
Lymphadenektomie und Hochdosis-Interferon-Therapie unterzogen haben,<br />
ein Grund für die günstigeren OS und DFS in dieser Arbeit sein.<br />
Die signifikanten Unterschiede in den Überlebensraten der unterschiedlichen<br />
Subkategorien von Patienten im Stadium III basieren unter anderem auf der<br />
unterschiedlichen Tumorlast (Balch et al., 2010). Es wird zwischen Makround<br />
Mikrometastasen differenziert, was unterschiedliche Auswirkungen auf<br />
die Prognose hat. In der Studie von Balch et al. hatte die Mehrzahl der<br />
Patienten (81%) Mikrometastasen, welche mit Hilfe der SLNB diagnostiziert
67<br />
wurden. Ihr 5-Jahres-Überleben lag bei 67%. 19% der Patienten hatten<br />
klinisch erkennbare Makrometastasen mit einem 5-Jahres-Überleben von<br />
43%. Auch das rezidivfreie Überleben ist für Patienten mit Mikrometastasen<br />
wahrscheinlicher als für Patienten mit Makrometastasen (Guggenheim et al.,<br />
2008). Im Vergleich zu ihnen war der Primarius von Patienten mit<br />
Mikrometastasen weniger dick (> 4 mm, 23% vs. 47%), seltener ulzeriert<br />
(43% vs. 57%) und es war seltener mehr als ein Lymphknoten (30% vs.<br />
63%), bzw. häufiger nur ein Lymphknoten (70% vs. 37%) befallen. Daraus<br />
folgt, dass die Überlebensrate deutlich höher und das Auftreten von<br />
Rezidiven deutlich niedriger ist als für Patienten mit Makrometastasen<br />
(Guggenheim et al., 2008).<br />
Das Auftreten eines Rezidivs kam signifikant häufiger bei Patienten vor, die<br />
neben dem SLN noch weitere metastasierte Lymphknoten hatten<br />
(Guggenheim et al., 2008). Die Anzahl an befallenen Lymphknoten ist der<br />
wichtigste unabhängige Vorhersagewert für das Überleben von Patienten im<br />
Stadium III. Die 5-Jahres-Überlebensrate korreliert umgekehrt mit der Anzahl<br />
involvierter Lymphknoten (Balch et al., 2010).<br />
Außerdem ist auch im Stadium III eine Ulzeration des Primarius mit einer<br />
Abnahme der Überlebensrate assoziiert. Die Anzahl an befallenen<br />
Lymphknoten, die Tumorlast und eine mögliche Ulzeration der Primärläsion<br />
zeigten sich als die wichtigsten unabhängigen prognostischen Faktoren, die<br />
das Überleben beeinflussen (Balch et al., 2009, Balch et al., 2010).<br />
5.5. OS und DFS<br />
Das Vorhandensein eines positiven SLN ist der wichtigste unabhängige<br />
Vorhersagewert für das Auftreten von Rezidiven und das Überleben für<br />
Patienten mit einem MM (Balch et al., 2001; Taylor et al., 2007). Auch andere<br />
Studien haben herausgefunden, dass Patienten mit einem positiven SLN ein<br />
signifikant kürzeres rezidivfreies Überleben haben, als jene mit einem<br />
negativen SLN (Ito et al., 2012).
68<br />
5.5.1. DFS von Patienten mit pos. SLN und neg. SLN<br />
In dieser Arbeit lag das 5-Jahres-DFS für Patienten mit einem positiven SLN<br />
bei 67% lag. In der Literatur liegt diese zwischen 32,8 und 53.4%±4.9% (Ito<br />
et al., 2012; Morton et al., 2006; Taylor et al., 2007). Wie bereits erwähnt,<br />
könnte dies an dem hohen Anteil an Patienten im Stadium IIIA in dieser<br />
Studie liegen.<br />
Im Vergleich dazu lag das 5-Jahres-DFS bei Patienten mit einem negativen<br />
SLN bei 85% und wird in der Literatur mit 83.2±1.6% bis 90% angegeben<br />
und liegt damit deutlich über der von Patienten mit einem positiven SLN (Ito<br />
et al., 2012; Morton et al., 2006; Taylor et al., 2007).<br />
5.5.2. OS von Patienten mit pos. SLN und neg. SLN<br />
Die 5-Jahres-Überlebensrate bei Patienten mit einem positiven SLN lag in<br />
dieser Studie bei 75%, in der Literatur liegt sie zwischen 70% für Patienten<br />
mit N1a und 39% für Patienten mit N3 (Balch et al., 2009). Im Vergleich dazu<br />
ergaben unsere Ergebnisse mit 94% ein deutlich höheres Gesamtüberleben<br />
für Patienten mit einem negativen SLN. In der Literatur liegt das<br />
Gesamtüberleben bei 97% bis 53%, abhängig davon, ob sich der Patient in<br />
Stadium I oder II befindet (Balch et al., 2009).<br />
5.5.3. OS und DFS von Patienten mit NN<br />
Das 5-Jahres-DFS von Patienten mit einem NN lag bei 88%, das 5-Jahres-<br />
Gesamtüberleben bei 100%, welche den Ergebnissen von Patienten mit<br />
einem negativen SLN ähneln. In dieser Studie wurde demzufolge erstmalig<br />
demonstriert, dass das rezidivfreie Überleben und das Gesamtüberleben von<br />
NN-Patienten höher sind, als von Patienten mit einem positiven SLN. Es<br />
wurde dargestellt, dass Patienten mit einem NN die gleichen DFS- und OS-<br />
Raten wie Patienten mit einem negativen SLN haben. Daher können diese
69<br />
Daten als indirekter Beweis für die Validität der aktuellen histopathologischen<br />
Methoden zur Differenzierung von NN und echten MM-Metastasen<br />
verwendet werden und haben dementsprechend eine tiefgreifende<br />
prognostische Bedeutung (Balch et al., 2009; Bowles et al., 2010; Homsi et<br />
al., 2005; Scolyer et al., 2008, 2010). Es werden jedoch auch andere<br />
Methoden untersucht, die die Unterscheidung von NN und MM-Metastasen<br />
weiter unterstützen sollen. So wurde gezeigt, dass eine Tumorprogression im<br />
MM mit einem Verlust des Tumorsuppressorgens p16 assoziiert ist,<br />
wohingegen es in den Zellen eines NN vorhanden ist und sich anfärben lässt<br />
(Mihic-Probst et al., 2003). Ein weiterer Marker ist IMP3, ein Protein, welche<br />
die mRNA des Insulin-like growth factor II bindet und in Tumoren<br />
überexprimiert wird. Keine der NN exprimierten in der Studie von Mentrikoski<br />
et al. IMP3, wohingegen sich 70% der MM-Metastasen anfärben ließen<br />
(Mentrikoski et al., 2009). Die molekularen Methoden basierend auf der RT-<br />
PCR (reverse transcription-polymerase chain reaction), beispielsweise zur<br />
Auffindung der Tyrosinase-mRNA, sind zwar sehr sensitiv für Melanozyten,<br />
ihnen fehlt aber die nötige Spezifität zur Unterscheidung zwischen einer MM-<br />
Metastase und einem NN (Davids et al., 2003; Rimoldi et al., 2003). Auch die<br />
Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) kann mittels der Analyse von<br />
Chromosomeaberrationen zusätzliche Informationen zur histopathologischen<br />
Unterscheidung von NN und MM-Metastase bieten (Dalton et al., 2010). Ziel<br />
muss es sein, molekulare Methoden zu finden, die Biomarker identifizieren,<br />
die in MM-Metastasten, aber nicht in NN exprimiert werden, um so die<br />
Spezifität zu erhöhen (Taube et al., 2009).<br />
5.6. Zusammenhang zwischen NN und MM<br />
In der Literatur wurde ein Zusammenhang zwischen Nävuszellen in<br />
Lymphknoten und kongenitalen Nävi im korrespondierenden Hautareal des<br />
entsprechenden Lymphabflussgebietes beschrieben (Hara, 1993; Hruban et<br />
al., 1990). Schon 1974 ermittelten McCarthy et al., dass 21 von 22 MM-<br />
Patienten mit Nävuszellaggregaten in ihren exzidierten Lymphknoten einen<br />
kutanen Nävus im korrespondierenden Hautareal aufwiesen (McCarthy et al.,<br />
1974). Die MM dieser Patienten gingen aus kongenitalen Nävi hervor und
70<br />
standen in Zusammenhang mit den Nävuszellaggregaten in den<br />
entsprechenden SLN (Carson et al., 1996; Hara, 1993; Hruban et al., 1990;<br />
Lohmann et al., 2002). Seitdem wurde immer wieder in der Literatur von<br />
ähnlichen Fällen berichtet. Es konnte eine hohe statistisch signifikante<br />
Assoziation zwischen dem Vorhandensein eines NN im SLN und dem<br />
dazugehörigen kongenitalen Nävus im korrespondieren Lymphabstromgebiet<br />
gefunden werden (Fontaine et al., 2002). Ein Zusammenhang mit einem<br />
kongenitalen Nävus ist umso stärker. (Fontaine et al., 2002). In der Arbeit von<br />
Fontaine et al. entstanden 36% der MM aus vorbestehenden Nävi. Bei 21%<br />
dieser Patienten wurde ein NN im SLN gefunden. 50% dieser<br />
vorbestehenden melanozytären Läsionen wiesen Zeichen kongenitaler Nävi<br />
auf. Laut Carson et al. hatten 40% der Patienten mit einem NN einen<br />
kutanen Nävus unmittelbar angrenzend an das maligne Melanom oder in der<br />
Tiefe der Dermis. In nur 20% der Patienten mit einem NN gab es keine<br />
Assoziation mit einem kutanen Nävus (Carson et al., 1996). Falls ein<br />
Mechanismus existiert, der eine mechanische Dislokalisation von<br />
Nävuszellen in die Lymphbahnen hervorruft, müsste folglicherweise eine<br />
enge Assoziation zwischen einem melanozytären Nävus, seiner<br />
dazugehörigen Lymphbahn und dem erhöhten Auftreten von NN infolge der<br />
benignen Metastasierung bestehen. Dies wird durch die Tatsache unterstützt,<br />
dass es eine erhöhte Frequenz von NN gibt, wenn der Primärtumor aus<br />
einem kongenitalem Nävus stammt (Holt et al., 2004). In einer Arbeit von Holt<br />
et al. konnte eine Assoziation zwischen dem Auftreten eines NN und einem<br />
MM mit einer Breslow-Tumordicke größer als 2,5 mm dargestellt werden<br />
(Holt et al., 2004). Auch dies unterstützt die Theorie des mechanischen<br />
Transports.
71<br />
Abbildung 12: Malignes Melanom auf den Boden eines präexistenten<br />
melanozytären Naevus (Altmeyer and Paech, 2014).<br />
Es stellt sich die Frage, warum NN bevorzugt im Zusammenhang mit einem<br />
MM auftreten. Einerseits scheinen NN vermehrt mit dem Auftreten von MM<br />
assoziiert zu sein. Andererseits sind NN und Metastasen eines MM nur<br />
äußerst selten im gleichen Lymphknoten zu finden. Kommt es doch zu einem<br />
simultanen Auftreten einer MM-Metastase und einem NN, befinden sich<br />
diese meist in 2 verschiedenen Lymphknoten. Gegenwärtig gibt es in der<br />
Fachwelt noch keine eindeutige Stellungnahme dazu. Eine mögliche<br />
Erklärung könnte sein, dass durch das MM verschiedene Zytokine gebildet<br />
werden, welche die Melanozyten aktivieren und es ihnen ermöglicht in die<br />
Lymphknoten einzuwandern und sich dort anzusiedeln (Carson et al., 1996).<br />
5.7. Schlussfolgerung<br />
Anhand der oben genannten Ergebnisse lassen sich verschiedene Aussagen<br />
ableiten. Die Daten bestätigen, dass die eingesetzten histologischen Kriterien<br />
zur Unterscheidung zwischen NN und MM-Metastasen valide sind. Es hat<br />
sich gezeigt, dass Patienten mit einem durch immunhistochemische<br />
Methoden ermittelten NN eine ähnliche Prognose haben wie Patienten mit<br />
einem negativen SLN. Zusätzlich unterstreichen die sich ähnelnden<br />
Überlebensdaten von Patienten mit NN und einem negativen SLN, dass es
72<br />
sich bei einem NN um einen gutartigen Prozess handelt.<br />
Ein weiteres Resultat dieser Arbeit ist die Feststellung, dass die<br />
Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von NN in der inguinalen<br />
Lymphknotenregion bei einem MM der unteren Extremität relativ gering ist.<br />
Es ließen sich trotz dieser Schlussfolgerungen und auch im Vergleich mit<br />
bereits erhobenen Befunden aus der Literatur keine Hinweise finden, die eine<br />
der beiden NN-Entstehungstheorien eindeutig favorisiert hätten.<br />
5.8. Konsequenz in Therapie und zukünftige Studien<br />
Aus dem Wissen, dass ein Patient mit einem NN die gleiche Prognose wie<br />
ein Patient mit einem negativen SLN hat, entsteht die Verantwortung den<br />
Patienten bestmöglich zu behandeln. In diesem Falle bedeutet das, ihn vor<br />
unnötigen therapeutischen Eingriffen zu schützen und von der Gutartigkeit<br />
des NN zu informieren. Die Therapie, die der Diagnose eines positiven SLN<br />
folgt, umfasst eine komplette Lymphadenektomie und eine Hochdosis-<br />
Interferon-Therapie. Diese beinhalten folgenreiche Nebenwirkungen und eine<br />
Vielzahl von möglichen Komplikationen, sowohl für das physische, als auch<br />
für das psychische Wohlbefinden. Eine Lymphadenektomie ist ein potenziell<br />
komplizierter und belastender Eingriff für den Patienten. Die Risiken<br />
umfassen neben den allgemeinen Risiken der Anästhesie, Arm- oder<br />
Beinödeme, Lymphfisteln, Wundinfektionen, Hyp- und Parästhesien oder<br />
Verletzungen größerer Gefäße (Lawton et al., 2002). Die Ergebnisse dieser<br />
Studie bieten Daten, welche nahelegen bzw. implizieren, dass diese<br />
aggressive Therapie, bei MM-Patienten mit einem NN, welche sonst keine<br />
Anzeichen einer „echten“ nodalen Metastasierung darbieten, nicht indiziert<br />
ist.<br />
5.9. Mögliche Fehlerquellen/Einschränkungen der Arbeit<br />
In dieser Arbeit wird vorausgesetzt, dass die immunhistochemischen<br />
Methoden zur Unterscheidung zwischen einer MM-Metastase und einem NN<br />
ausreichend erforscht und valide sind. Dies scheint anhand unserer
73<br />
Überlebensdaten zwar bestätigt, doch sollte bedacht werden, dass die<br />
histopathologische Auswertung weitgehende Folgen für die Prognose und<br />
den weiteren Verlauf der Therapie hat und von tiefgreifender Bedeutung für<br />
den Patienten ist.
74<br />
6. Zusammenfassung<br />
Eine Leitlininen gerechte Therapie für MM-Patienten mit einem NN im SLN<br />
ist momentan nicht vorhanden. Patienten, bei denen ein NN gefunden wurde<br />
leiden einerseits unter der Unsicherheit ihrer Diagnose und andererseits<br />
eventuell unter einer Therapie und ihren Nebenwirkungen, die nicht nötig ist.<br />
Anhand der Daten von 651 Patienten, die sich einer SLNB unterzogen<br />
hatten, konnten verschiedene Rückschlüsse auf das Vorkommen von<br />
negativen und positiven SLN, sowie NN gemacht werden. So wurden mit<br />
Hilfe von Kaplan-Meyer-Kurven die Überlebensdaten der 3 Patientengruppen<br />
aufgezeigt und miteinander verglichen. Außerdem konnten Aussagen über<br />
Korrelationen mit anderen Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht und<br />
Tumorcharakteristika gemacht werden. Die Ergebnisse, die in dieser Arbeit<br />
vorgestellt wurden, beweisen, dass es sich bei den NN um einen gutartigen<br />
Prozess handelt. Das rezidivfreie Überleben und das Gesamtüberleben von<br />
MM-Patienten mit einem NN im SLN sind günstiger als die von Patienten mit<br />
einem positiven SLN. Auch unterscheiden sie sich nicht signifikant von MM-<br />
Patienten ohne einen metastasierten SLN. Dies beweist die Gutartigkeit der<br />
NN.<br />
Zusätzlich konnten einige Aussagen bezüglich des Auftretens von NN<br />
gemacht werden. So scheint das Vorkommen von primären Melanomen an<br />
den unteren Extremitäten der stärkste unabhängige Vorhersagewert für das<br />
Fehlen eines NN zu sein. In der univariaten Analyse zeigten sich das<br />
männliche Geschlecht, die Tumorlokalisation und der MM-Subtyp signifikant<br />
mit einem NN assoziiert. Die Tumordicke, eine Regression, eine mögliche<br />
Ulzeration, das Clark Level und vorbestehende melanozytäre Hautläsionen<br />
unterschieden sich nicht signifikant zwischen Patienten mit und ohne NN.<br />
Zwar konnte auch diese Arbeit keine der Entstehungstheorien für die Genese<br />
von NN in Lymphknoten eindeutig favorisieren, doch wurde die Wertigkeit<br />
des NN evaluiert. Um Klarheit zu verschaffen, müssen weitere große<br />
prospektive Studien zu diesem Thema durchgeführt werden.
75<br />
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88<br />
Danksagung<br />
Für die Auswahl des Themas und die Möglichkeit der Promotion bedanke ich<br />
mich an dieser Stelle ganz herzlich bei meinem Doktorvater, Prof. Dr. med.<br />
Thilo Gambichler, Oberarzt der Dermatologischen Klinik des St.-Josefs-<br />
Hospitals Bochum. Ich möchte mich für die sehr gute Zusammenarbeit, die<br />
zuverlässige Betreuung und die vielen Tipps und Anregungen bedanken.<br />
Weiterhin danke ich Anna Lena Petig und Maria Voigt für ihre Hilfe bei der<br />
Erfassung der Daten.<br />
Für die Durchsicht dieser Arbeit danke ich Lisa Schöttes und Dr. Philipp<br />
Schöttes.<br />
Ganz besonderer Dank gilt meinen Eltern, die mir das Studium erst<br />
ermöglichten und mich jederzeit unterstützten und meiner Schwester, die mir<br />
immer Mut machte und neue Kraft schenkt.<br />
Außerdem danke ich meinem Verlobten, der mich mit viel Verständnis,<br />
Geduld und Energie unterstützte.
89<br />
Lebenslauf<br />
Persönliche Daten<br />
Name:<br />
Lisa Scholl<br />
Geburtsdatum: 29.04.1988<br />
Geburtsort:<br />
Witten<br />
Schulausbildung<br />
1994-1995 Konrad-Adenauer-Grundschule in Seligenstadt<br />
1995-1998 Gerichtschule in Witten<br />
1998-2007 Ruhr Gymnasium Witten<br />
Abschluss: Allgemeine Hochschulreife<br />
Studium<br />
11/2007-11/2013 Studium der Humanmedizin an der Ruhr Universität<br />
Bochum<br />
09/2009 Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung<br />
08/2012-03/2013 Praktisches Jahr mit Wahlfach Dermatologie im<br />
St.-Josef- Hospital Bochum<br />
11/2013 Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung<br />
29/01/2014 Approbation<br />
Abschluss: Staatsexamen