EINER VON EINER MILLION
Liberal-02_2016
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Illustration: E. Merheim; Getty Images<br />
Mancher deutsche Vorstandschef wird dem<br />
Jahreswechsel mit Bangen entgegengeblickt<br />
haben: Nach einem Jahr kleiner<br />
Verschnaufpause klettert die einst von<br />
Rot-Grün ersonnene Ökostrom-Umlage 2016 auf ein<br />
neues Rekordniveau. Sie steigt auf 6,354 Cent<br />
pro Kilowattstunde. 2015 betrug die Umlage,<br />
die den Ausbau der erneuerbaren Energien<br />
finanzieren soll, aber laut aktueller Studie<br />
des Rheinisch-Westfälischen Instituts für<br />
Wirtschaftsforschung e. V. auch eine der<br />
größten Umverteilungen von Arm zu<br />
Reich in der deutschen Geschichte darstellt,<br />
noch 6,17 Cent.<br />
Explodierende Strompreise sind zum<br />
Beispiel für den Walzenhersteller Walzen<br />
Irle aus Netphen bei Siegen ein Grund<br />
dafür, Arbeitsplätze am Standort Nordrhein-Westfalen<br />
abzubauen und seine<br />
Produktionsstätten in Indien zu<br />
erweitern. Das mittelständische<br />
Unternehmen verweist darauf, dass<br />
die Renditen in der deutschen Gießereiindustrie<br />
mit drei Prozent vom Umsatz sowie schon mager<br />
seien – und durch die weiter kletternden Energiekosten<br />
noch geringer würden.<br />
EEG-Umlage bleibt Hauptabgabebrocken<br />
Steigende Strompreise bedrohen auch die Existenz von<br />
Firmen aus anderen Branchen, beispielsweise Aluminiumhütten<br />
und Papier fabriken. Einer Studie der IHK<br />
Arnsberg zufolge macht ein Cent EEG-Erhöhung bei<br />
einer energieintensiven Papierfabrik einen Mehraufwand<br />
von 300.000 Euro pro Jahr aus. Im Vergleich mit<br />
anderen europäischen Staaten liegt Deutschland bei<br />
den Energiekosten für die Industrie auf dem letzten<br />
Platz. Im globalen Vergleich fällt das Ergebnis mit dem<br />
fünftletzten Rang kaum erklecklicher aus. Hauptgrund<br />
für die Preisexplosion ist weniger der reine Strompreis –<br />
es sind die staatlichen Abgaben, die hierzulande<br />
mindestens doppelt so hoch sind wie in den anderen<br />
EU-Ländern. Hauptbrocken ist und bleibt die EEG-Umlage<br />
für erneuerbare Energien. Und das beunruhigt nicht<br />
nur die Firmen und ihre Beschäftigten, sondern auch die<br />
übrigen Menschen aus den betroffenen Regionen. Laut<br />
der Studie „Standort Zukunft“ aus 2014, die der<br />
Energieversorger RWE beim Meinungsforschungsinstitut<br />
TNS Emnid in Auftrag gegeben hatte, befürchten junge<br />
Erwachsene zwischen 27 und 34 Jahren, dass Teile der<br />
deutschen Industrie aufgrund der steigenden Strompreise<br />
unwiederbringlich aus Deutschland abwandern und<br />
somit Arbeitsplätze wegfallen.<br />
Rot-Grünes „Njet“ zum Fracking<br />
So sind die im Vergleich zum EEG-geschädigten Standort<br />
D wesentlich günstigeren Energiekosten ein immer<br />
gewichtigerer Grund für Konzerne und große Mittelständler,<br />
ihre Produktionsstätten in die USA zu verlegen.<br />
Anders als in Deutschland kompensieren die Amerikaner<br />
den sinkenden Anteil der Atom- und Kohlekraftwerke an<br />
der Stromproduktion nicht nur durch hoch subventionierte<br />
erneuerbare Energien, sondern auch durch steigende<br />
Erdgasförderung in Form des Fracking. Bei diesem<br />
Verfahren werden unter hohem Druck Wasser, Quarzsand<br />
und Chemikalien in tiefe Gesteinsschichten gepresst,<br />
damit sie aufreißen. Die Risse geben das kostbare<br />
Schiefergas frei, das in den USA zu einem regelrechten<br />
Boom und zu niedrigen Gaspreisen geführt hat. Nach<br />
Einschätzung des World Energy Council werden aufgrund<br />
der niedrigen Energiepreise in den kommenden<br />
zwei Jahrzehnten 50 Milliarden US-Dollar Kapital von<br />
Europa in die USA fließen. Dies entspreche zwei bis drei<br />
Millionen Arbeitsplätzen. In Deutschland dagegen ist die<br />
Fracking-Technologie aufgrund der möglichen Umweltrisiken<br />
faktisch vom Tisch. Die rot-grüne Landesregierung<br />
im für Fracking geologisch begünstigten Nordrhein-Westfalen<br />
verordnete 2011 ein offizielles Moratorium, also ein<br />
vorübergehendes Verbot von Fracking. Das gilt bis heute.<br />
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