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Liberal-02_2016

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Guillotine mitgeführt und Gabriel ebenfalls den Tod gewünscht.<br />

Doch die Berichterstattung über diese Veranstaltung war freundlich<br />

und verständnisvoll, das geschmacklose Demo-Utensil wurde nicht<br />

erwähnt.<br />

Oder vor wenigen Wochen, als es um die Pariser Klimaverhandlungen<br />

ging: Unentwegt wiederholten Reporter vor Ort und Redakteure<br />

im Studio, dass je nach Ausgang der Verhandlungen die globale<br />

Temperatur um zwei Grad oder 1,5 Grad steigen würde. Als ob man<br />

ein komplexes System wie das Weltklima feinjustieren könnte wie<br />

einen Thermostat. Offenbar fiel niemandem auf, wie absurd das ist.<br />

Manche Sender steigerten den Unfug noch, indem sie die Luftverschmutzung<br />

in China mit der in Paris angestrebten Reduktion des<br />

Kohlendioxid-Ausstoßes durcheinandermixten.<br />

Solcherlei gut gemeinte Volkserziehung kann natürlich nur<br />

schiefgehen, wenn die Zuschauer das Ereignis aus eigener Anschauung<br />

kennen. Wenn sie sehen, dass im Flüchtlingsheim in ihrer Nähe<br />

vornehmlich junge Männer ankommen, abends in den Nachrichtensendungen<br />

dann aber Kinder und Frauen zu sehen sind. Spätestens<br />

dann merkt jeder, hier wird nicht berichtet, hier soll um Anteilnahme<br />

für Flüchtlinge geworben werden. Ein sympathischer Impuls — aber<br />

kein redlicher Journalismus.<br />

Stecken geheime Mächte hinter solchen Manipulationsversuchen,<br />

wie Anhänger von Pegida, AfD und Co. glauben? Meine Erfahrung<br />

als Redakteur und Autor verschiedenster Printmedien und<br />

TV-Sender ist eine andere. Ja, es gibt Beeinflussungs- und Zensurversuche<br />

von Interessengruppen, aber sie sind selten und zumeist<br />

erfolglos. Das Problem des pädagogischen Journalismus erklärt sich<br />

vielmehr aus dem menschlichen Bedürfnis, im eigenen sozialen<br />

Milieu Anerkennung und Bestätigung zu finden. Zur Geisteshaltung<br />

des Medienmilieus gehört es nun einmal, Atomkraftgegner zu sein,<br />

Bioessen gut zu finden, Zweifel an katastrophischen Klimaprognosen<br />

für unverantwortlich zu halten und sich niemals dem Verdacht<br />

auszusetzen, fremdenfeindlich zu sein. Wer diesen Konsens nicht<br />

teilt, muss es aushalten können, im Kollegenkreis zum Außenseiter<br />

zu werden.<br />

Es gibt ein einfaches Mittel dagegen. Nicht die „Lügenpresse“<br />

anklagen, sondern sich selbst umfassender informieren. Man muss<br />

dafür kein medienwissenschaftliches Studium absolviert haben. Oft<br />

genügt schon ein einfacher Check auf Plausibilität, ein Blick in ausländische<br />

Zeitungen oder die Frage nach der Quelle der Information. So<br />

würden auch die Lügenpresse-Rufer bald feststellen, dass ihre „Alternativen“<br />

bei Weitem schlechter sind als die viel gescholtenen Mainstreammedien.<br />

●<br />

MICHAEL MIERSCH ist Geschäftsführer Naturbildung bei der Deutschen Wildtier<br />

Stiftung. Davor arbeitete er als Journalist für große deutsche Zeitschriften, zuletzt als<br />

Ressortleiter beim Focus. Seine Bücher und Dokumentarfilme erhielten zahlreiche<br />

Preise. Neuestes Buch: „Alles grün und gut? Eine Bilanz des ökologischen Denkens“.<br />

Website: www.miersch.media miersch@libmag.de<br />

BERND ZELLER arbeitet als Cartoonist, Autor, Satiriker und Maler vorzugsweise in<br />

Jena. Während des Jura-Studiums hat er sich mit der rechtsstaatlichen Verfassung<br />

und der Aufklärung angefreundet. zeller@libmag.de<br />

liberal 2.2016<br />

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