11.02.2016 Aufrufe

EINER VON EINER MILLION

Liberal-02_2016

Liberal-02_2016

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

FLÜCHTLINGE ESSAY<br />

strom. „Unser Land wird sich ändern, und<br />

zwar drastisch. Ich freue mich darauf“,<br />

steckt die Fraktionsvorsitzende Katrin<br />

Göring-Eckardt diese Position ab.<br />

Integration als Staatsziel<br />

Eine nicht zu unterschätzende Zahl der<br />

Einwanderer hat mit unserer Welt Probleme.<br />

Sie pflegen archaische Familiensitten und<br />

tradierte Rollenmuster. Sie bilden kulturrelativistische<br />

ethnische Cluster, politisch geduldete<br />

Parallelgesellschaften. Überkommene<br />

Verhaltensweisen und insbesondere das<br />

Frauenbild wurden von der alles verzeihenden<br />

Kultur der Political Correctness zur<br />

kulturellen Identität schöngeredet. Daraus<br />

erwuchsen mehr als fünf Jahrzehnte fehlgesteuerter<br />

Integrationspolitik. Das dürfen wir<br />

nicht wiederholen. Deshalb brauchen die<br />

Flüchtlinge bei ihren Integrationsbemühungen<br />

eine motivierende Führung. Mit enger<br />

Begleitung lassen sich die Ausfallquoten im<br />

Integrationsprozess verringern. Das hat aber<br />

auch Grenzen, wie die ernüchternden Berichte<br />

aus Schweden zeigen.<br />

Die Integration von bis zu zehn Millionen<br />

Menschen ist eine Herkulesaufgabe. Es ist die<br />

größte Herausforderung für unser Land seit<br />

dem Zweiten Weltkrieg. Man darf die Zukunftsgestaltung<br />

für die nächsten Generationen<br />

nicht der politischen Spielwiese von<br />

Seminarübungen der politischen Parteien auf<br />

Länderebene und zufälligen Landtagswahlterminen<br />

überlassen. Integration muss zum<br />

Staatsziel werden und gehört in den Pflichtenkatalog<br />

des Grundgesetzes. Es wollen viele<br />

nicht hören, aber die Entwicklung ist irreversibel.<br />

Schon heute beträgt der Anteil der<br />

Kinder aus Migrantenfamilien bei den Fünfjährigen<br />

35 Prozent. Die neuen Zuwanderer<br />

werden diesen Anteil in kürzester Zeit erhöhen.<br />

Sie bringen ein anderes Familienbild<br />

und ein anderes Fortpflanzungsverhalten mit.<br />

„Nicht das Land muss sich der tradierten<br />

Kultur der Einwanderer anpassen,<br />

sondern die Einwanderer an die Lebensregeln<br />

der neuen Heimat.“<br />

Deshalb gehören Integration und die<br />

dafür notwendige Programmatik in eine<br />

zentrale Steuerung. Ich plädiere für ein<br />

eigenes Bundesministerium für Integration.<br />

Nur über die Bundessteuerung lassen sich<br />

Irrwege und ideologische Spielereien in der<br />

Provinz ausbremsen.<br />

Sprache, Wohnung, Arbeit<br />

Integration bedeutet Sprache, Wohnung und<br />

Arbeit. Wer die Sprache eines Landes nicht<br />

beherrscht, kann es nicht verstehen und sich<br />

nicht mitteilen. Er bleibt ein Außenseiter. Die<br />

Tür in die Gesellschaft, zu Freunden, zu<br />

Nachbarn geht nur über eine gemeinsame<br />

Sprache auf. Viele Flüchtlinge können sich<br />

mit Englischkenntnissen einigermaßen über<br />

Wasser halten. Das entlässt den Staat jedoch<br />

nicht aus der Pflicht, Neuankömmlingen<br />

unverzüglich nach ihrer Ankunft und örtlichen<br />

Zuweisung ein Erlernen der deutschen<br />

Sprache zu ermöglichen. Allerdings muss die<br />

Teilnahme dann auch obligatorisch sein.<br />

Preiswerter Wohnraum war schon vor<br />

den Zuwanderungswellen seit 2014 ein<br />

knappes Gut. Die Situation hat sich immens<br />

verschärft. Der kluge Rat, „die Flüchtlinge<br />

müssen so schnell wie möglich in eine<br />

eigene Wohnung ziehen können“, ist völlig<br />

inhaltsleer. Die Wohnungen müssen erst<br />

gebaut werden. Selbst bei Leichtbauweise<br />

und vorhandenem Baurecht werden Fertigstellungen<br />

in nennenswerter Zahl erst ab<br />

2017 zu erwarten sein. Wir werden uns noch<br />

eine gewisse Zeit daran gewöhnen müssen,<br />

dass Schul- und Sporthallen als Unterkünfte<br />

beschlagnahmt sind und das tägliche Leben<br />

dadurch beeinträchtigt ist. Hinzu kommt<br />

eine sich zuspitzende Konkurrenzsituation<br />

mit der einheimischen Bevölkerung. In der<br />

Wohnungsfrage zu einer sozial gerechten<br />

und vermittelbaren Linie zu finden, ist eine<br />

schwierige Aufgabe<br />

Mit Blick auf die Konzentration bestimmter<br />

Bevölkerungsgruppen an Stellen, „wo die<br />

Ausländer nicht so stören“, sowie auf die in<br />

der Vergangenheit daraus entstandenen<br />

sozialen Brennpunkte und Parallelgesellschaften<br />

kann ich nur dazu raten, die Bauprogramme<br />

mit Bedacht umzusetzen. Der<br />

Bau von geschlossenen Siedlungen mit<br />

Billigwohnraum wird wieder zu ethnischen<br />

Clustern und Problemgebieten führen. Wir<br />

müssen eine Verteilung in der Fläche erreichen.<br />

Das dauert zunächst länger und ist<br />

widerstandsbelastet, wird sich aber in der<br />

Zukunft auszahlen. Neuansiedlungen gehören<br />

in die Wohngegenden des Bürgertums.<br />

Das wird an einigen Stellen wenig Freude<br />

Fotos: Lianne Milton/PANOS/VISUM; ullstein bild<br />

10 2.2016 liberal

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!