Speziele Aspekte der Analgodesierung bei Patienten mit kardiogenem Schock
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Leitthema<br />
Med Klin Intensivmed Notfmed 2016 · 111:22–28<br />
DOI 10.1007/s00063-015-0131-y<br />
Eingegangen: 1. November 2015<br />
Überar<strong>bei</strong>tet: 8. Dezember 2015<br />
Angenommen: 8. Dezember 2015<br />
Online publiziert: 25. Januar 2016<br />
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016<br />
Redaktion<br />
S. Reith, Aachen<br />
H. Hetz, Wien<br />
H. Lemm · M. Janusch · M. Buerke<br />
Medizinische Klinik II – Kardiologie, Angiologie, Internistische Intensivmedizin,<br />
St. Marien-Krankenhaus Siegen GmbH, Siegen, Deutschland<br />
Spezielle <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong><br />
Analgosedierung <strong>bei</strong> <strong>Patienten</strong><br />
<strong>mit</strong> <strong>kardiogenem</strong> <strong>Schock</strong><br />
Kardiogener <strong>Schock</strong> als<br />
alltägliche Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
Der kardiogene <strong>Schock</strong> stellt weiterhin<br />
eine Herausfor<strong>der</strong>ung für die behandelnden<br />
Ärztinnen und Ärzte dar,<br />
da das Krankheitsbild einerseits relativ<br />
selten auftritt, die Entwicklung desselben<br />
zusätzlich schwer verlässlich vorherzusagen<br />
ist und es an<strong>der</strong>erseits eine<br />
hohe Mortalität im Bereich von 50–80 %<br />
<strong>mit</strong> sich bringt [27]. Infolge <strong>der</strong> <strong>Schock</strong>situation<br />
entsteht eine Organmin<strong>der</strong>perfusion<br />
verschiedenen Ausmaßes, die in<br />
ein „multi organ dysfunction syndrome“<br />
(MODS) übergehen kann. Kommt es zur<br />
kardiorespiratorischen Instabilität, ergibt<br />
sich die Indikation zur Beatmung<br />
und Analgosedierung. Der Patient <strong>mit</strong><br />
<strong>kardiogenem</strong> <strong>Schock</strong> weist einige <strong>Aspekte</strong><br />
auf, die <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Vorbereitung und Durchführung<br />
<strong>der</strong> Analgosedierung berücksichtigt<br />
werden müssen.<br />
Ungefähr 10–20 % <strong>der</strong> <strong>Patienten</strong> <strong>mit</strong><br />
Myokardinfarkt präsentieren sich <strong>mit</strong><br />
einem bzw. entwickeln im Verlauf einen<br />
kardiogenen <strong>Schock</strong>. Bei protrahierten<br />
Verläufen, z. B. aufgrund verspäteter Vorstellung,<br />
ist in ungefähr 20 % <strong>der</strong> Fälle ein<br />
begleitendes MODS <strong>mit</strong> Beeinträchtigung<br />
weiterer Organe, z. B. Niere, Leber, Lunge,<br />
zu beobachten.<br />
Neben <strong>der</strong> Therapie <strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>krankung<br />
ist die Therapie <strong>der</strong><br />
Komplikationen, wie z. B. des respiratorischen<br />
Versagens, elementar. Indikation<br />
zur Beatmung im kardiogenen<br />
<strong>Schock</strong> sind z. B. physische Erschöpfung<br />
<strong>mit</strong> Vigilanzstörung, Zeichen hoher<br />
Atemar<strong>bei</strong>t durch Einsatz <strong>der</strong> Atemhilfsmuskulatur<br />
o<strong>der</strong> Hyperventilation,<br />
Lungenödem als Zeichen des Rückwärtsversagens<br />
o<strong>der</strong> Hypoxie unter Gabe von<br />
10 l O 2 /min per Maske.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> erhöhten Mortalität<br />
des MODS im kardiogenen <strong>Schock</strong> sollte<br />
die Indikation zur Analgosedierung und<br />
kontrollierten Beatmung häufig geprüft<br />
und großzügig frühzeitig gestellt werden.<br />
Die insbeson<strong>der</strong>e kardiozirkulatorische<br />
Beeinträchtigung dieser <strong>Patienten</strong> stellt<br />
beson<strong>der</strong>e Anfor<strong>der</strong>ungen an die Auswahl<br />
<strong>der</strong> zur Analgosedierung verwendeten<br />
Medikamente.<br />
Die optimale Substanz<br />
zur Analgosedierung<br />
Klassisch ist zur Analgosedierung eine<br />
Substanz <strong>mit</strong> schnellem Wirkeintritt,<br />
geringer Metabolisierung unabhängig von<br />
patientenspezifischen Faktoren, wie Alter,<br />
Geschlecht, Nieren- und Leberfunktion,<br />
und einfacher Handhabung unabhängig<br />
von externen Faktoren, wie Erfahrung<br />
des Behandlers, Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />
Lagerung o<strong>der</strong> auch Kosten, wünschenswert<br />
(. Infobox 1; [3]).<br />
Die Auswahl <strong>der</strong> zur Verfügung<br />
stehenden Substanzen ist einerseits sehr<br />
heterogen gelagert und an<strong>der</strong>erseits sehr<br />
abhängig von den Charakteristiken <strong>der</strong><br />
<strong>Patienten</strong> und <strong>der</strong> eigenen Erfahrung im<br />
Umgang <strong>mit</strong> bestimmten Substanzen.<br />
Die klassische Analgosedierung stellt<br />
eine Kombination aus Hypnose und Analgesie<br />
dar, weswegen im Folgenden eine<br />
Übersicht über die häufigsten zur Verfügung<br />
stehenden Substanzen dieser<br />
Gruppen vorgestellt wird.<br />
Hypnotika<br />
Neben <strong>der</strong> Kurzbeschreibung <strong>der</strong><br />
Charakteristiken findet sich die Übersicht<br />
über die Substanzen in . Tab. 1.<br />
Propofol<br />
Die hypnotische Eigenschaft von<br />
Propofol wird über einen Agonismus am<br />
γ-Aminobuttersäure(GABA)-Rezeptor<br />
ver<strong>mit</strong>telt und führt dosisabhängig<br />
primär zur Hypo- bis Apnoe und zum<br />
Blutdruckabfall, letzteres sowohl über<br />
einen direkt negativ inotropen Effekt als<br />
auch über eine periphere Vasodilatation.<br />
Infobox 1 Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
an das optimale Sedativum<br />
(adaptiert nach [3])<br />
55Schnelles An- und Abfluten <strong>der</strong> Wirkung<br />
55Keine o<strong>der</strong> wenige unerwünschte Nebenwirkungen<br />
55Keine Anaphylaxie<br />
55Keine pharmakokinetischen o<strong>der</strong><br />
-dynamischen Interaktionen<br />
55Metabolismus unabhängig von<br />
hepatischer, renaler o<strong>der</strong> pulmonaler<br />
Funktion<br />
55Keine lokalen Nebenwirkungen (Injektionsschmerz,<br />
Phlebitis)<br />
55Minimale Atem- und Kreislaufdepression<br />
55Kein Einfluss auf die Nebennierenrindenfunktion<br />
55Keine Akkumulation<br />
55Einfache Anwendung<br />
55Einfache Anfor<strong>der</strong>ungen an die Lagerung<br />
55Kostengünstig<br />
55Geringes Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial<br />
55Keine alters- o<strong>der</strong> geschlechtsabhängigen<br />
Unterschiede <strong>der</strong> Pharmakokinetik<br />
55Keine Tachyphylaxie<br />
22 | Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 1 · 2016
Tab. 1 Übersicht <strong>der</strong> Profile häufig verwendeter Hypnotika<br />
Substanz<br />
Midazolam<br />
Dosierung<br />
Wirkeintritt<br />
und<br />
Wirkdauer<br />
Wirkmechanismus<br />
Nebenwirkungen/Kommentar<br />
kardial kompro<strong>mit</strong>tierten <strong>Patienten</strong> zu<br />
raschen und schweren Blutdruckabfällen<br />
sowie zusätzlich zur negativen Inotropie,<br />
die Thiopental für diese <strong>Patienten</strong> als<br />
nicht geeignet erscheinen lassen [22, 27].<br />
Induktion:<br />
0,15–0,2 mg/kgKG i.v.<br />
Aufrechterhaltung:<br />
0,03–0,2 mg/kgKG/h i.v.<br />
Etomidat<br />
Induktion:<br />
0,15–0,3 mg/kgKG i.v.<br />
Aufrechterhaltung:<br />
nicht geeignet<br />
Propofol<br />
Induktion:<br />
1–2,5 mg/kgKG i.v.<br />
Aufrechterhaltung:<br />
3–12 mg/kgKG/h i.v.<br />
Thiopental<br />
Induktion:<br />
3–5 mg/kgKG i.v.<br />
Aufrechterhaltung:<br />
nicht sinnvoll<br />
60–90 s<br />
1–4 h<br />
15–45 s<br />
3–12 min<br />
15–45 s<br />
5–10 min<br />
10–20 s<br />
6–8 min<br />
GABA-Rezeptor-<br />
Agonist<br />
Unklar, partiell<br />
GABA-Rezeptor-<br />
Agonist<br />
GABA-Rezeptor-<br />
Agonist<br />
GABA-Rezeptor-<br />
Agonist<br />
Paradoxe Erregung<br />
Nebennierenrindensuppression,<br />
Myoklonien, Injektionsschmerz<br />
Atemdepression,<br />
Blutdruckabfall,<br />
Injektionsschmerz,<br />
Histaminfreisetzung<br />
Atemdepression, Hypotension,<br />
Histaminfreisetzung<br />
Grün uneingeschränkt zu empfehlen, Gelb <strong>mit</strong> Einschränkungen zu empfehlen, Rot nicht zu empfehlen.<br />
GABA γ-Aminobuttersäure<br />
Analgetika<br />
Neben <strong>der</strong> Kurzbeschreibung <strong>der</strong><br />
Charakteristiken findet sich die Übersicht<br />
über die Analgetikasubstanzen in . Tab. 2.<br />
Morphin<br />
Über die agonistische Wirkung am µ- bzw.<br />
κ-Opiatrezeptor führt Morphin rasch zur<br />
Anxiolyse und Analgesie. Typisch für<br />
Opiate sind die rasche Freisetzung von<br />
Histamin und eine ausgeprägte Atemdepression<br />
des <strong>Patienten</strong>. Bei <strong>Patienten</strong><br />
ohne im Vorfeld optimierten Volumenstatus<br />
sind ebenfalls signifikante Hypotonien<br />
typisch [22].<br />
Fentanyl, Sufentanil, Remifentanil<br />
Der Wirkeintritt ist rasch, die Halbwertszeit<br />
jedoch kurz und bedarf de facto einer<br />
häufig wie<strong>der</strong>holten Einzeldosisgabe<br />
o<strong>der</strong> einer kontinuierlichen Applikation<br />
[22]. Die therapeutische Breite ist als<br />
gering einzuschätzen und wird durch<br />
Komorbiditäten und Komedikation<br />
wesentlich beeinflusst.<br />
Midazolam<br />
Neben <strong>der</strong> hypnotischen Eigenschaft steht<br />
für das Benzodiazepin Midazolam die<br />
Anxiolyse im Vor<strong>der</strong>grund. Midazolam<br />
bindet ebenfalls an den GABA-Rezeptor<br />
und verstärkt die Wirkung von GABA als<br />
inhibitorischem ZNS-Trans<strong>mit</strong>ter. Der<br />
blutdrucksenkende Effekt ist gering ausgeprägt<br />
und die Substanz von daher gut<br />
für kardiale Risikopatienten geeignet. Der<br />
Wirkeintritt ist für ein Benzodiazepin<br />
als rasch, die Wirkdauer als <strong>mit</strong>tel einzuschätzen<br />
[22]. Aufgrund des Risikos<br />
paradoxer Erregungszustände sollte die<br />
Kombination <strong>mit</strong> einem Opioid o<strong>der</strong><br />
Ketamin genutzt werden.<br />
Etomidat<br />
Der Wirkmechanismus <strong>der</strong> hypnotischen<br />
Eigenschaft von Etomidat ist bisher nicht<br />
abschließend geklärt, scheint aber zumindest<br />
teilweise ebenfalls über den<br />
GABA-Rezeptor ver<strong>mit</strong>telt zu werden.<br />
Auch Etomidat führt selten zu signifikanten<br />
Blutdruckabfällen und wird<br />
daher häufig zur Hypnose kardialer<br />
Risikopatienten in Betracht gezogen.<br />
Als wesentliche Nebenwirkungen sind<br />
jedoch Myoklonien o<strong>der</strong> Dyskinesien und<br />
eine signifikante Nebennierenrindensuppression<br />
bereits <strong>bei</strong> Einmalgabe zu erwähnen<br />
[22].<br />
Thiopental<br />
Thiopental als allosterischer Modulator am<br />
GABA- und Aminomethylphosphonsäure<br />
(AMPA)-Rezeptor stellt in <strong>der</strong> Anästhesie,<br />
Intensiv- und Notfallmedizin einen häufig<br />
genutzten Klassiker dar. Der Wirkeintritt<br />
ist sehr schnell, die Halbwertszeit sehr<br />
kurz. Es kommt jedoch durch eine ausgeprägte<br />
periphere Vasodilatation insbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>bei</strong>m nichteuvolämischen o<strong>der</strong><br />
Diese Opioide weisen ebenfalls eine<br />
agonistische Wirkung an µ- bzw. κ-Opiatrezeptoren<br />
(Fentanyl und Sufentanil) bzw.<br />
eine reine µ-Opiatrezeptor-agonistische<br />
Wirkung (Remifentanil) auf, ihre Affinität<br />
ist im Verhältnis zu Morphin jedoch<br />
um ein Vielfaches gesteigert. Aufgrund<br />
<strong>der</strong> Zugehörigkeit zur gleichen Substanzklasse<br />
sind die gleichen unerwünschten<br />
Nebenwirkungen wie <strong>bei</strong> Morphin zu erwarten<br />
[22].<br />
Bezüglich Sufentanil ist <strong>bei</strong> längerfristiger<br />
Nutzung eine signifikante Zunahme<br />
des Verteilungsvolumens zu beobachten,<br />
die kontextsensitive Halbwertszeit<br />
bleibt jedoch kurz [8]. Sufentanil kann –<br />
in 10-facher erhöhter Dosierung gegenüber<br />
<strong>der</strong> Kombinationsanalgosedierung<br />
(s. . Tab. 2) – auch als Monotherapeutikum<br />
zur Induktion und Aufrechterhaltung<br />
einer tiefen Narkose genutzt werden.<br />
Remifentanil bietet den Vorteil, dass<br />
die Substanz aufgrund ihrer Esterstruktur<br />
durch unspezifische Plasma- und Gewebeesterasen<br />
nahezu organunabhängig<br />
abgebaut wird. Die Metaboliten des<br />
Remifentanil sind inaktiv, ein Kumulationsrisiko<br />
besteht also nicht [14, 24]. Für eine<br />
rasche Infusion von Remifentanil wurden<br />
Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 1 · 2016 |<br />
23
Zusammenfassung · Abstract<br />
im Vergleich zu Sufentanil und Fentanyl<br />
jedoch schwere Hypotonien <strong>mit</strong> myokardialer<br />
Ischämie und Bradykardie berichtet,<br />
sodass hier Vorsicht walten sollte<br />
[6, 16].<br />
Aufgrund <strong>der</strong> hohen µ-Opiatrezeptor-<br />
Spezifität ist insbeson<strong>der</strong>e <strong>bei</strong> Einsatz von<br />
Remifentanil in dosisabhängiger Wahrscheinlichkeit<br />
<strong>mit</strong> einer ausgeprägten<br />
Muskelstarre zu rechnen, die klinisch<br />
vorwiegend als Rigidität <strong>der</strong> Thoraxmuskulatur<br />
imponiert.<br />
Ketamin und Esketamin<br />
Ketamin und sein S-Enantiomer<br />
Esketamin wirken über mehrere Mechanismen,<br />
wie nichtkompetitive N-Methyl-D-<br />
Aspartat(NMDA)-Rezeptor-Agonisten,<br />
Opiatrezeptoragonisten, Katecholamin-<br />
Reuptake-Hemmung und Hemmung <strong>der</strong><br />
monoaminergen und cholinergen Übertragung.<br />
Beide Substanzen wirken sehr<br />
schnell und <strong>mit</strong> kurzer Halbwertszeit und<br />
weisen über ihre sympathomimetischen<br />
Effekte häufig sogar einen Anstieg des<br />
Blutdrucks und <strong>der</strong> Herzfrequenz auf.<br />
Häufige Komplikationen stellen Erregungszustände,<br />
Angstattacken und<br />
Halluzinationen dar. Diese treten jedoch<br />
deutlich geringer <strong>bei</strong>m Einsatz des S-<br />
Enantiomers Esketamin auf [1].<br />
Clonidin<br />
Der zentral wirksame α2-Adrenozeptor-<br />
Antagonist Clonidin senkt über die<br />
zentrale Sympathikolyse und die dadurch<br />
verringerte Katecholaminausschüttung<br />
den Blutdruck und bewirkt über die<br />
Bindung an α2-Adrenozeptoren im<br />
Rückenmark eine Analgesie. Zusätzliche<br />
hemmende Effekte am Locus coeruleus<br />
ver<strong>mit</strong>teln ebenfalls analgetische aber<br />
auch anxiolytische Effekte [1].<br />
Dexmedetomidin<br />
Dexmedetomidin stellt ein synthetisches<br />
Derivat des zentral wirksamen Clonidins<br />
dar, das hinsichtlich Wirkeintritt, Halbwertszeit,<br />
Rezeptorselektivität und<br />
Nebenwirkungsspektrum optimiert<br />
wurde [13]. Für kardiale Risikopatienten<br />
wurden insbeson<strong>der</strong>e vermehrte signifikante<br />
Bradykardien und auch die Entwicklung<br />
eines kardiogenen <strong>Schock</strong>s an<br />
sich beschrieben [25].<br />
Volatile Anästhetika<br />
Inhalative Anästhetika, wie Isofluran,<br />
Desfluran und Sevofluran, werden seit<br />
Ende <strong>der</strong> 1960er-Jahre wie<strong>der</strong>holt bezüglich<br />
möglicher kardio- und neuroprotektiver<br />
Effekte untersucht. Die sog.<br />
anästhetikainduzierte Präkonditionierung<br />
funktioniert über eine Vielzahl zellulärer<br />
Signalwege, die beginnend <strong>bei</strong> G-Proteingekoppelten<br />
Rezeptoren über sog. Survival-<br />
Kinasen die Mitochondrien gegenüber<br />
ischämischen Reizen stabilisieren [5, 15].<br />
Außerhalb eines traditionellen<br />
operativen Einsatzes können <strong>Patienten</strong><br />
über ein an das Intensivbeatmungsgerät<br />
angeschlossenes Applikationssystem<br />
<strong>mit</strong> Isofluran und Sevofluran<br />
ohne Notwendigkeit eines speziellen Anästhesiear<strong>bei</strong>tsplatzes<br />
behandelt werden<br />
(AnaConDa ® , Fa. Sendana Medical AB,<br />
Uppsala, Schweden; [23]).<br />
Für <strong>Patienten</strong>, die einer aortokoronaren<br />
Bypassoperation unterzogen wurden,<br />
wurde wie<strong>der</strong>holt eine Verbesserung<br />
<strong>der</strong> linksventrikulären Funktion, ein<br />
geringerer postoperativer Troponin-I-<br />
Anstieg, ein schnelleres Weaning und ein<br />
kürzerer Intensivaufenthalt gezeigt [2, 11,<br />
26].<br />
Im Rahmen einer internationalen<br />
Konsensuskonferenz wurden im Jahr 2011<br />
mehrere Metaanalysen randomisierter<br />
Studien zur Rolle volatiler Anästhetika<br />
in <strong>der</strong> Herzchirurgie zusammenfassend<br />
dahingehend bewertet, dass diese<br />
Substanzen möglicherweise die 30-Tage-<br />
Mortalität dieser <strong>Patienten</strong> reduzieren<br />
könnten [12].<br />
Eine Vielzahl von externen Faktoren<br />
scheint den protektiven Effekt beeinflussen<br />
o<strong>der</strong> gar aufheben zu können.<br />
Alter, Diabetes mellitus und entgleister<br />
Blutzucker können den Schutz signifikant<br />
reduzieren, <strong>der</strong> Einsatz von Propofol<br />
o<strong>der</strong> β-Blockern den Schutz durch Beeinflussung<br />
<strong>der</strong> intrazellulären Signaltransmission<br />
komplett aufheben. Eine<br />
Kombination <strong>mit</strong> Fentanyl, Remifentanil<br />
und Sufentanil hingegen verstärkt die<br />
myokardiale Ischämietoleranz [15].<br />
Med Klin Intensivmed Notfmed 2016 ·<br />
111:22–28<br />
DOI 10.1007/s00063-015-0131-y<br />
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016<br />
H. Lemm · M. Janusch · M. Buerke<br />
Spezielle <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong><br />
Analgosedierung <strong>bei</strong> <strong>Patienten</strong><br />
<strong>mit</strong> <strong>kardiogenem</strong> <strong>Schock</strong><br />
Zusammenfassung<br />
<strong>Patienten</strong> <strong>mit</strong> <strong>kardiogenem</strong> <strong>Schock</strong> stellen<br />
aufgrund <strong>der</strong> kardiorespiratorischen Instabilität<br />
– neben den Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Therapie <strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>krankung – zusätzlich<br />
hohe Anfor<strong>der</strong>ungen an den Behandler,<br />
wenn eine Analgosedierung und Beatmung<br />
notwendig werden. Die genutzten<br />
Substanzen beeinflussen ihrerseits häufig<br />
die Hämodynamik und Oxygenierung. Der<br />
Artikel bietet eine Übersicht <strong>der</strong> gängig verfügbaren<br />
Substanzen unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> speziellen Anfor<strong>der</strong>ungen dieser<br />
<strong>Patienten</strong>, <strong>der</strong> Überwachung <strong>der</strong> Sedierung<br />
und <strong>der</strong> Möglichkeiten zur Optimierung <strong>der</strong><br />
Analgosedierung.<br />
Schlüsselwörter<br />
Myokardinfarkt · Sedierung · Analgesie ·<br />
Pharmakotherapie · Beatmung<br />
Special aspects of<br />
analgosedation in<br />
cardiogenic shock patients<br />
Abstract<br />
Patients with cardiogenic shock pose a challenge<br />
to physicians due to cardiorespiratory<br />
instability in addition to the un<strong>der</strong>lying medical<br />
condition. If analgosedation and ventilation<br />
are indicated, commonly administered<br />
drugs themselves often influence hemodynamics<br />
and oxygenation. The present article<br />
provides an overview of the available substances<br />
with consi<strong>der</strong>ation of the patients’<br />
condition, then monitoring and optimization<br />
of analgosedation.<br />
Keywords<br />
Myocardial infarction · Conscious sedation ·<br />
Analgesia · Pharmacotherapy · Ventilation<br />
In <strong>der</strong> Leitlinie <strong>der</strong> American Heart<br />
Association (AHA) und des American<br />
College of Cardiology (ACC) zur<br />
perioperativen Evaluation und zum<br />
Management nichtkardiochirurgischer<br />
<strong>Patienten</strong> wird <strong>der</strong> Einsatz inhalativer<br />
Anästhethika als sinnvoll <strong>mit</strong> einer Klasse-<br />
IIa (Level-of-Evidence-A)-Empfehlung<br />
bewertet [9].<br />
24 | Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 1 · 2016
Tab. 2 Übersicht <strong>der</strong> Profile häufig verwendeter Analgetika<br />
Substanz<br />
Dosierung<br />
Wirkeintritt<br />
und<br />
Wirkdauer<br />
Wirkmechanismus<br />
Nebenwirkungen/Kommentar<br />
Morphin<br />
Induktion: 1–2,5 mg/kgKG i.v.<br />
Aufrechterhaltung: 3–12 mg/kgKG/h i.v.<br />
15–45 s<br />
5–10 min<br />
GABA-Rezeptor-Agonist<br />
Atemdepression, Blutdruckabfall,<br />
Injektionsschmerz, Histaminfreisetzung<br />
Fentanyl (etwa 120-fache Potenz<br />
im Vgl. zu Morphin)<br />
Induktion: 2 µg/kgKG i.v.<br />
Aufrechterhaltung: 1–3 µg/kgKG/h i.v.<br />
15–30 s<br />
20–30 min<br />
Opiatrezeptoragonist (µ > κ)<br />
Atemdepression, Hypotension<br />
Sufentanil (etwa 300–1000-fache<br />
Potenz im Vgl. zu Morphin)<br />
Induktion: 1–2 µg/kgKG i.v.<br />
Aufrechterhaltung: 2–4 µg/kgKG/h i.v.<br />
Monotherapie: 20–40 µg/kgKG/h i.v.<br />
2–3 min<br />
10–15 min<br />
Opiatrezeptoragonist (µ > κ)<br />
Atemdepression, Hypotension,<br />
Monotherapie möglich (Dosis etwa<br />
10-fach höher)<br />
Remifentanil (etwa 200-fache Potenz<br />
im Vgl. zu Morphin)<br />
Induktion: keine Bolusgabe empfohlen<br />
Aufrechterhaltung: 3–120 µg/kgKG/h i.v.<br />
60–90 s<br />
10 min<br />
Reiner µ-Opiatrezeptor-Agonist<br />
Schwere Muskelrigidität (Thoraxstarre),<br />
Hypotension, Bradykardie, organunabhängiger<br />
Abbau durch unspezifische Plasmaesterasen<br />
(keine Akkumulation)<br />
Ketamin<br />
Induktion: 1–2 mg/kgKG i.v.<br />
Aufrechterhaltung: 3–8 mg/kgKG/h i.v.<br />
30 s<br />
5–15 min<br />
Nichtkompetitive NMDA-Rezeptor-Agonisten,<br />
Opiatrezeptoragonisten, Katecholamin-<br />
Reuptake-Hemmung, Hemmung <strong>der</strong><br />
monoaminergen und cholinergen Übertragung<br />
Atemdepression, Blutdruckanstieg,<br />
Laryngospasmus, Halluzinationen,<br />
Angstzustände<br />
Esketamin<br />
Induktion: 0,5–1 mg/kgKG i.v.<br />
Aufrechterhaltung: 1–4 mg/kgKG/h i.v.<br />
30 s<br />
5–15 min<br />
Nichtkompetitive NMDA-Rezeptor-Agonisten,<br />
Opiatrezeptoragonisten, Katecholamin-<br />
Reuptake-Hemmung, Hemmung <strong>der</strong><br />
monoaminergen und cholinergen Übertragung<br />
Atemdepression, Blutdruckanstieg,<br />
Laryngospasmus, Halluzinationen,<br />
Angstzustände<br />
Clonidin<br />
Aufrechterhaltung: 0,2–1,5 µg/kgKG/h i.v. 2 min<br />
15 min<br />
Dexmedetomidin<br />
Aufrechterhaltung: 0,2–1,4 µg/kgKG/h i.v. 2 min<br />
5 min<br />
Zentral und peripherer Antagonist an<br />
α2-Adrenozeptoren, peripherer Agonist<br />
an α1-Adrenozeptoren<br />
Zentraler und peripherer Antagonist an<br />
α2-Adrenozeptoren, peripherer Agonist<br />
an α1-Adrenozeptoren<br />
Bradykardie, Hypotension<br />
Bradykardie, Hypotension<br />
Grün uneingeschränkt zu empfehlen, Gelb <strong>mit</strong> Einschränkungen zu empfehlen, Rot nicht zu empfehlen. GABA γ-Aminobuttersäure,<br />
NMDA N-Methyl-D-Aspartat<br />
In Tiermodellen wurden wie<strong>der</strong>holt<br />
einerseits neuroprotektive, an<strong>der</strong>erseits<br />
auch wie<strong>der</strong>holt neurotoxische Effekte<br />
nachgewiesen [28]. Diese Effekte ließen<br />
sich jedoch in <strong>der</strong> klinischen Forschung<br />
am Menschen nicht reproduzieren. Die<br />
Komplexität <strong>der</strong> Komorbiditäten, <strong>der</strong><br />
Komedikation und <strong>der</strong> Pathophysiologie<br />
zerebraler Ischämien lässt insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Fragen nach <strong>der</strong> passenden Substanz,<br />
<strong>der</strong> passenden Dosis und dem passenden<br />
Zeitpunkt unbeantwortet [5, 29].<br />
Inwieweit volatile Anästhetika im<br />
kardiogenen <strong>Schock</strong> o<strong>der</strong> nach Reanimation<br />
einen kardio- o<strong>der</strong> neuroprotektiven<br />
Effekt aufweisen, ist bisher<br />
nicht abschließend geklärt.<br />
<strong>Aspekte</strong> zur Wahl <strong>der</strong> Substanz<br />
Bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> genutzten<br />
Substanzen zur Induktion und Fortführung<br />
<strong>der</strong> Analgosedierung muss insbeson<strong>der</strong>e<br />
Rücksicht auf das Risiko<br />
einer Hypotonie und da<strong>mit</strong> eines Abfalls<br />
<strong>der</strong> endogenen Katecholamine genommen<br />
werden. Neben <strong>der</strong> Substanz-<br />
Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 1 · 2016 |<br />
25
Leitthema<br />
Tab. 3 Richmond Agitation Sedation Scale zur Beurteilung <strong>der</strong> Sedierungstiefe<br />
Skala Bezeichnung Beschreibung<br />
+ 4 Kämpferisch Aggressiv, offensichtlich kämpferisch, Gefahr für das Personal<br />
+ 3 Sehr agitiert Aggressiv, entfernt Katheter und Zugänge<br />
+ 2 Agitiert Häufige ungerichtete Bewegungen, kämpft <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Beatmungsmaschine<br />
+ 1 Unruhig Ängstlich, Bewegungen sind nicht aggressiv o<strong>der</strong> kräftig<br />
0 Wach und ruhig<br />
− 1 Benommen Nicht gänzlich wach, aber anhaltende Reaktion (Augen öffnen, Augenkontakt)<br />
auf Ansprache (für > 10 s)<br />
− 2 Leicht sediert Kurzes Erwachen und Augenkontakt auf Ansprache (für < 10 s)<br />
− 3 Mittelschwer sediert Bewegungen o<strong>der</strong> Augen öffnen auf Ansprache (kein Augenkontakt)<br />
− 4 Tief sediert Keine Reaktion auf Ansprache; Bewegung und/o<strong>der</strong> Augen öffnen<br />
nach körperlichen Stimuli (Schmerzreize)<br />
− 5 Nicht erweckbar Keine Reaktion auf Ansprache o<strong>der</strong> körperliche Stimuli<br />
für diesen Einsatzzweck gemäß <strong>der</strong> modifizierten<br />
Schlaftiefestadien nach Schultz<br />
und Kugler (A, B 0–2 , C 0–2 , D 0–2 , E 0–2 , F 0–1 )<br />
sowie <strong>mit</strong>tels eines numerischen Index<br />
auf einer Skala von 100–0 darstellt. Hier<strong>bei</strong><br />
ist <strong>der</strong> Zielbereich C 2 (Index 69–65)<br />
bis D 2 (Index 46–37) anzustreben [10, 17–<br />
19].<br />
Eine zu tiefe Sedierung (kleiner als − 3<br />
gemäß RASS) sowie ein Schlaftiefestadium<br />
kleiner E 0 bzw. Index kleiner 37 ist <strong>mit</strong><br />
einer signifikant längeren Beatmungszeit,<br />
mehr beatmungsassoziierten<br />
Komplikationen und schwierigerem<br />
Weaning assoziiert.<br />
Tab. 4 Steuergrößen und Zielbereiche<br />
<strong>der</strong> Hämodynamik im kardiogenen <strong>Schock</strong><br />
(nach [27])<br />
Steuergröße<br />
Zielbereich<br />
Mittlerer arterieller Blutdruck,<br />
65–75 mmHg<br />
MAP<br />
Peripherer Gefäßwi<strong>der</strong>stand,<br />
SVR<br />
800–1000 dyn x s/<br />
cm 5<br />
Herzindex, CI > 2,5 l/min/m 2<br />
Cardiac Power Index, CPI > 0,4 W/m 2<br />
wahl ist vor Beginn <strong>der</strong> Analgosedierung<br />
insbeson<strong>der</strong>e eine Optimierung des<br />
Volumenstatus empfehlenswert.<br />
In <strong>der</strong> gemeinsamen deutsch-österreichische<br />
S3-Leitlinie zum infarktbedingten<br />
kardiogenen <strong>Schock</strong> werden<br />
Ketamin o<strong>der</strong> Etomidat zur Hypnose<br />
empfohlen, wo<strong>bei</strong> letzteres aufgrund <strong>der</strong><br />
Nebenwirkung <strong>der</strong> kurzzeitigen Nebennierenrindeninsuffizienz<br />
nur eine eingeschränkte<br />
alternative Empfehlung erhält.<br />
Für Clonidin und Dexmedetomidin<br />
kann im kardiogenen <strong>Schock</strong> keine<br />
Empfehlung ausgesprochen werden.<br />
Zwar kommt es über α1-Adrenozeptor-<br />
Stimulation auf Rückenmarksebene<br />
initial zum Blutdruck- und Herzfrequenzanstieg,<br />
danach folgen aber ein<br />
rascher Blutdruck- und Herzfrequenzabfall.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e die Reduktion<br />
endogener Katecholamine über die<br />
zentrale antagonistische Wirkung am<br />
α2-Adrenozeptor kann im kardiogenen<br />
<strong>Schock</strong> deletär sein [25, 27].<br />
Nach <strong>der</strong> Induktion erscheinen Benzodiazepine,<br />
hier insbeson<strong>der</strong>e Midazolam,<br />
als geeignete Option zur Aufrechterhaltung.<br />
Die Analgesie sollte sowohl<br />
zur Induktion als auch zur Fortführung<br />
<strong>mit</strong>tels Fentanyl o<strong>der</strong> Sufentanil durchgeführt<br />
werden.<br />
Sowohl für Propofol als auch für<br />
Dexmedetomidin und Barbiturate sind<br />
Fälle von Entwicklung o<strong>der</strong> Progression<br />
eines kardiogenen <strong>Schock</strong>s als Nebenwirkung<br />
beschrieben [4, 21].<br />
Sedierungsmonitoring<br />
Im klinischen Alltag existieren verschiedene<br />
Skalen zur Beurteilung <strong>der</strong><br />
Sedierung eines <strong>Patienten</strong> wie z. B.<br />
die klassische Glasgow Coma Scale,<br />
die Ramsay-Klassifikation o<strong>der</strong> die<br />
Richmond Agitation Sedation Scale<br />
(RASS). Für letztere konnte eine gute<br />
Korrelation zwischen dem Skalenwert,<br />
<strong>der</strong> effektiven Sedierungstiefe und <strong>der</strong> zur<br />
Analgosedierung eingesetzten Medikamentendosis<br />
etabliert werden [7, 20].<br />
Eine Darstellung <strong>der</strong> Skala findet sich in<br />
. Tab. 3.<br />
Die Sedierungstiefe sollte 3-mal täglich –<br />
im Allgemeinen einmal pro Schicht –<br />
erfasst und dokumentiert werden. Als<br />
Zieltiefe gilt ein Bereich von − 2 bis − 3<br />
nach RASS. Die Sedierung kann in Einzelfällen<br />
o<strong>der</strong> speziellen Situationen, wie<br />
z. B. <strong>bei</strong> therapeutischer Hypothermie,<br />
vertieft werden.<br />
Eine zusätzliche Hilfe kann ein<br />
apparatives Monitoring <strong>der</strong> Sedierungstiefe<br />
bieten. Dies wird z. B. durch Einsatz<br />
eines bettseitig nutzbaren 1- o<strong>der</strong><br />
2-Kanal-Elektroenzephalogramms ermöglicht<br />
(z. B. Narcotrend Compact, Fa.<br />
MT MonitorTechnik GmbH u. Co. KG,<br />
Bad Bramstedt), das die Sedierungstiefe<br />
Monitoring <strong>der</strong> Hämodynamik<br />
Aufgrund <strong>der</strong> volatilen Dynamik <strong>der</strong><br />
hämodynamischen Situation im kardiogenen<br />
<strong>Schock</strong> wird in <strong>der</strong> S3-Leitlinie zum<br />
infarktbedingten kardiogenen <strong>Schock</strong> ein<br />
invasives hämodynamisches Monitoring<br />
empfohlen. Der klassische Goldstandard<br />
des Pulmonalarterienkatheters ist heutzutage<br />
in <strong>der</strong> Praxis weitgehend durch die<br />
Pulskonturanalyse <strong>mit</strong> o<strong>der</strong> ohne zusätzliche<br />
Thermodilutionsmessung abgelöst<br />
worden [27].<br />
Sofern zeitlich möglich sollte <strong>der</strong><br />
Patient vor <strong>der</strong> Analgosedierung <strong>mit</strong><br />
einer invasiven Überwachung <strong>der</strong> Hämodynamik<br />
ausgestattet werden. Sollte dies<br />
nicht möglich sein, sollte aber zumindest<br />
eine invasive Blutdruckmessung vor<br />
Beginn <strong>der</strong> Analgosedierung etabliert<br />
sein.<br />
Die Steuerung <strong>der</strong> hämodynamischen<br />
Situation erfolgt anhand des <strong>mit</strong>tleren<br />
Blutdrucks, des peripheren Gefäßwi<strong>der</strong>stands,<br />
des Herzindex und des Cardiac<br />
Power Index <strong>mit</strong> kristalloidem Volumen,<br />
Katecholaminen (Arterenol), Inotropika<br />
(Dobutamin), Vasodilatatoren (Glyceroltrinitrat,<br />
TNS; Nitroprussid-Natrium,<br />
NPN) und Inodilatoren (Levosimendan).<br />
Die Zielbereiche <strong>der</strong> Steuergrößen finden<br />
sich in . Tab. 4.<br />
Dementsprechend ist empfehlenswert,<br />
die hämodynamische Steuerung (häufig<br />
praktisch durch Einsatz von Katecholaminen<br />
o<strong>der</strong> Inotropika) schon vor<br />
Beginn <strong>der</strong> Analgosedierung zu starten,<br />
um den negativen kardiozirkulatorischen<br />
Effekten vorzubeugen.<br />
26 | Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 1 · 2016
Fazit für die Praxis<br />
55Einerseits stellt die Analgosedierung<br />
für die Intensivmedizin eine<br />
Standardprozedur dar, an<strong>der</strong>erseits<br />
sind die <strong>Patienten</strong> im kardiogenen<br />
<strong>Schock</strong> aufgrund <strong>der</strong> Schwere<br />
des Krankheitsbilds und <strong>der</strong> hohen<br />
Dynamik des Verlaufs beson<strong>der</strong>s anfällig<br />
für Komplikationen und Nebenwirkungen<br />
<strong>der</strong> Analgosedierung.<br />
55Sowohl Kardiologen als auch Intensivmediziner<br />
müssen sich <strong>mit</strong> den<br />
zur Verfügung stehenden Medikamenten,<br />
<strong>der</strong>en Profilen als auch <strong>der</strong>en<br />
Wirkungen und Nebenwirkungen insbeson<strong>der</strong>e<br />
im kardiogenen <strong>Schock</strong><br />
vertraut machen.<br />
55Viele Kliniken haben Standards zur<br />
Analgosedierung etabliert. Wo dies<br />
noch nicht geschehen ist, erscheint<br />
es sinnvoll, neben <strong>der</strong> allgemeinen<br />
Analgosedierung Standards für<br />
spezielle Situationen, wie z. B. den<br />
kardiogenen <strong>Schock</strong>, zu erstellen.<br />
55Beson<strong>der</strong>er Schwerpunkt ist darauf<br />
zu setzen, dass <strong>der</strong> Patient im Vorfeld<br />
optimal vorbereitet ist. Hier sind<br />
<strong>der</strong> Volumenstatus, die frühzeitige<br />
hämodynamische Therapiesteuerung<br />
und das invasive hämodynamische<br />
Monitoring zu nennen.<br />
55Eine optimale Strategie zur<br />
Analgosedierung <strong>der</strong> <strong>Patienten</strong> im<br />
kardiogenen <strong>Schock</strong> ist noch nicht gefunden.<br />
Spannend bleibt aktuell insbeson<strong>der</strong>e,<br />
ob für die volatilen Anästhetika<br />
kardioprotektive Effekte<br />
im kardiogenen <strong>Schock</strong> außerhalb<br />
eines operativen Umfelds nachweisbar<br />
sind.<br />
Korrespondenzadresse<br />
Dr. H. Lemm<br />
Medizinische Klinik II – Kardiologie,<br />
Angiologie, Internistische Intensivmedizin,<br />
St. Marien-Krankenhaus Siegen GmbH<br />
Kampenstraße 51, 57072 Siegen<br />
h.lemm@marienkrankenhaus.com<br />
Einhaltung ethischer Richtlinien<br />
Interessenkonflikt. H. Lemm, M. Janusch und<br />
M. Buerke geben an, dass kein Interessenkonflikt<br />
besteht.<br />
Dieser Beitrag <strong>bei</strong>nhaltet keine Studien an Menschen<br />
o<strong>der</strong> Tieren.<br />
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Österreichische Open-Access-<br />
Vereinbarung <strong>mit</strong> Springer<br />
Das Österreichische Akademische Bibliothekskonsortium<br />
(KEMÖ) und <strong>der</strong> österreichische<br />
Wissenschaftsfonds (FWF) haben<br />
<strong>mit</strong> dem Springer Verlag ein weitreichendes<br />
Lizenzmodell vereinbart. Im Rahmen des<br />
Lizenzmodells „Springer Compact“ erhalten<br />
die Wissenschaftler teilnehmen<strong>der</strong> österreichischer<br />
Institutionen Zugang zu mehr<br />
als 2.000 wissenschaftlichen Springer-Fachzeitschriften.<br />
Außerdem können diese als<br />
korrespondierende Autoren in über 1.600<br />
Hybrid-Zeitschriften Open Access (OA)<br />
publizieren. Die Vereinbarung greift, sofern<br />
die Open-Access-Gebühren nicht bereits<br />
von an<strong>der</strong>er Seite erstattet werden.<br />
Das neue Modell bietet<br />
WissenschaftlerInnen hervorragende<br />
Möglichkeiten, ihre Forschungsergebnisse<br />
in einem qualitativ hochwertigen<br />
und breiten Zeitschriftenportfolio Open<br />
Access zu publizieren. Sie können sich auf<br />
das Publizieren konzentrieren und müssen<br />
sich nicht um die finanziellen Rahmenbedingungen<br />
und administrativen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
im Hinblick auf OA-Mandate<br />
kümmern. Der Zugriff auf alle Springer-<br />
Zeitschriften einerseits und die Möglichkeit<br />
des mühelosen Open-Access-Publizierens<br />
an<strong>der</strong>erseits sollen die Transformation<br />
vom subskriptionsbasierten auf ein Open<br />
Access basiertes Publikationssystem beschleunigen<br />
und die Sichtbarkeit <strong>der</strong> österreichischen<br />
Forschung weltweit erhöhen.<br />
Wie identifiziert sich <strong>der</strong> korrespondierende<br />
Autor <strong>bei</strong> Springer?<br />
Im Rahmen des elektronischen<br />
„MyPublication“-Prozesses wird die<br />
Affiliation des korrespondierenden Autors<br />
abgefragt und dieser muss zudem einer<br />
Open-Access-Publikation zuzustimmen.<br />
Im Nachgang bestätigt die beteiligte<br />
Institution, die Richtigkeit <strong>der</strong> Angaben des<br />
korrespondierenden Autors hinsichtlich<br />
seiner Affiliation und berechtigt so<strong>mit</strong> zur<br />
Teilnahme an Springer Compact.<br />
Welche Beitragsformen umfasst<br />
SpringerCompact:<br />
Original Paper – Standardartikel, in dem<br />
üblicherweise neue Ergebnisse präsentiert<br />
werden (auch Original Research, Original<br />
Article o<strong>der</strong> Research Paper genannt).<br />
Review Paper – Standardartikel, <strong>der</strong> bereits<br />
publizierte Ergebnisse interpretiert.<br />
Brief Communication – kurzer Artikel, <strong>der</strong> zur<br />
schnellen Veröffentlichung eingereicht wurde<br />
und die gleiche Struktur hat wie ein Standardartikel.<br />
Continuing Education – Artikel, <strong>der</strong> einen<br />
wesentlichen Beitrag zur Weiterbildung darstellt<br />
(meist medizinisch).<br />
An<strong>der</strong>e Beitragsformen, <strong>bei</strong>spielsweise Fallberichte<br />
(Case Reports), sind in das Abkommen<br />
nicht eingeschlossen.<br />
Welche Institutionen sind beteiligt?<br />
Eine Auflistung <strong>der</strong> beteiligten Institutionen<br />
kann abgerufen werden unter: http://www.<br />
springer.com/gb/open-access/springer-openchoice/springer-compact/agreements-austrianauthors<br />
28 | Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 1 · 2016