Bestattung von Angehörigen nichtchristlicher - HS Anlagenbau
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Vortrag im Rahmen des 9. Hamburger Workshop „Krematorium“<br />
Dortmund, 05.05.2010<br />
„<strong>Bestattung</strong> <strong>von</strong> <strong>Angehörigen</strong> <strong>nichtchristlicher</strong><br />
Religionsgemeinschaften in Deutschland“<br />
Ich wurde gebeten, hier heute über <strong>Bestattung</strong>srituale in verschiedenen<br />
Weltreligionen zu sprechen, genauer gesagt über <strong>Bestattung</strong>srituale in Deutschland<br />
lebender Migranten unterschiedlicher religiöser Ausrichtung. Ich selbst habe die<br />
letzten Jahre im Rahmen einer Forschungsarbeit intensiv an diesem Thema<br />
gearbeitet, habe zahlreiche Interviews hierzu geführt mit <strong>Angehörigen</strong> der<br />
verschiedenen Religionsgemeinschaften, Laien als auch religiöse Funktionsträger,<br />
mit Bestattern und Friedhofsverwaltungen, um einen Überblick über nichtchristliche<br />
<strong>Bestattung</strong>srituale in Deutschland zu bekommen. Beschränkt habe ich mich auf die<br />
muslimischen jüdischen, yezidischen, buddhistischen und hinduistischen<br />
Religionsgemeinschaften, bei den beiden letzteren nochmals unterteilt in die<br />
vietnamesischen und thailändischen Buddhisten und die tamilischen und indischen<br />
Hindus als die großen in Deutschland lebenden Migrantengruppen dieser<br />
Glaubensausrichtung.<br />
Viele der in Deutschland lebenden Migranten erreichen allmählich das<br />
durchschnittliche Sterbealter. Das gilt insbesondere für die große Gruppe der<br />
türkischstämmigen Zuwanderer, die einst als sogenannte Gastarbeiter nach<br />
Deutschland geholt wurden und hier ihre zweite Heimat gefunden haben, aber auch<br />
für andere Gruppen wir beispielweise die Vietnamesen, Thailänder, Tamilen oder<br />
arabischstämmigen Muslime. Das bedeutet, dass Menschen, die im<br />
<strong>Bestattung</strong>swesen arbeiten, zunehmend mit ihnen fremden Vorstellungen,<br />
Verhaltensweisen und Gebräuchen konfrontiert werden und im Gegenzug ihre<br />
eigenen kulturellen Formen und Gewohnheiten reflektieren müssen.<br />
Gleich zu Beginn der Forschungsarbeit stellte sich damals eine Ernüchterung ein, die<br />
ich auch Ihnen heute nicht ersparen kann und die ich gleich einmal vorweg nehmen<br />
möchte: die buddhistische, die hinduistische, die yezidische, die jüdische, die<br />
muslimische <strong>Bestattung</strong> in Deutschland gibt es nicht. Zwar kann man sagen, dass in<br />
einigen Religionsgemeinschaften die Rituale und Abläufe sich einheitlicher gestalten,<br />
etwa im Judentum oder im Islam, als beispielsweise bei den hinduistischen oder<br />
buddhistischen Religionsgemeinschaften, aber dass auch hier immer ein Spielraum<br />
für individuelle oder gemeinschaftliche Varianten gegeben ist.<br />
Aufgrund dessen, dass ich hier heute zu Betreibern <strong>von</strong> Krematorien spreche,<br />
möchte ich den Schwerpunkte des Vortrags auf die buddhistischen und<br />
hinduistischen <strong>Bestattung</strong>en in Deutschland legen und nur kurz etwas über die<br />
muslimischen und die jüdischen Glaubensgemeinschaften sagen.<br />
1
Der muslimische Glaube verbietet eine Verbrennung der Verstorbenen, ebenso wie<br />
der traditionelle jüdische Glauben. Dies hängt mit der Vorstellung einer körperlichen<br />
Wiederauferstehung am Ende der Tage zusammen, die auch die christliche<br />
<strong>Bestattung</strong>skultur weitgehend prägt: es wird erwartet, dass die Seele des Menschen<br />
in den wieder zum Leben erweckten Körper zurückkehrt, der möglichst unversehrt<br />
erhalten bleiben soll. Eine Verbrennung ist folglich ausgeschlossen. Etwas anders<br />
sehen dies die liberalen Juden, die die Vorstellung einer körperlichen<br />
Wiederauferstehung ablehnen und <strong>von</strong> einer geistigen Wiederauferstehung<br />
sprechen. Hier wird die Feuerbestattung nicht abgelehnt. In Deutschland allerdings<br />
ist dies aufgrund der nationalsozialistischen Verbrechen an den Juden ein heikles<br />
Thema. Durchgängig wurde mir <strong>von</strong> Vertretern der liberalen Gemeinden gesagt,<br />
dass die Feuerbestattung keine Form sei, die man propagieren oder gutheißen<br />
würde, man könne sie bestenfalls tolerieren. In einigen Gemeinden wird auch das<br />
Gespräch mit den <strong>Angehörigen</strong> gesucht, um sie in eine andere Richtung zu beraten,<br />
falls eine Feuerbestattung angedacht ist. Die Zahl der Feuerbestattungen liberaler<br />
Juden in Deutschland ist folglich sehr gering.<br />
Ähnliches gilt übrigens auch für diejenigen, die aus muslimischen Ländern stammen,<br />
sich aber nicht als Gläubige verstehen. Die Erdbestattung, quasi als kulturelles<br />
Element, losgelöst <strong>von</strong> den religiösen Deutungen, wird auch hier favorisiert und eine<br />
Feuerbestattung ist für die meisten undenkbar und würde auch innerhalb der<br />
sozialen Gemeinschaft überhaupt nicht akzeptiert. Ob sich hier über die nächsten<br />
Generationen hin etwas verändern wird, bleibt abzuwarten.<br />
Wenden wir uns also den beiden Religionen zu, innerhalb derer die Feuerbestattung<br />
eine wichtige Rolle spielt, dem Buddhismus und dem Hinduismus. Ich möchte mit<br />
ersterem beginnen und Ihnen hier die Handhabung der vietnamesischen und<br />
thailändischen Buddhisten darlegen, die sich weitgehend <strong>von</strong>einander<br />
unterscheiden.<br />
Im Buddhismus sollte ein Leichnam nach Eintritt des Todes für längere Zeit<br />
unberührt bleiben, da der Geist erst allmählich die Realität des Todes begreifen kann<br />
und nicht verwirrt werden soll, denn dies würde zu einer schlechteren Wiedergeburt<br />
führen. Diese Frist umfasst in Vietnam eine Zeitspanne <strong>von</strong> acht Stunden.<br />
Nach Ablauf der achtstündigen Ruhezeit wird der Leichnam in Vietnam gewaschen<br />
und neu bekleidet. Hier in Deutschland wird der Verstorbene entweder <strong>von</strong> seinen<br />
<strong>Angehörigen</strong> gewaschen und angekleidet oder aber vom Bestatter. Die Waschung ist<br />
keine religiöse Vorschrift, sondern ein Dienst am Toten, der nach Bedarf ausgeführt<br />
wird. Über den Verstorbenen wird eine Decke gebreitet, auf die Mantren gestickt sind<br />
und die den Verstorbenen vor bösen Geistern schützen sollen. Da die Decken aus<br />
Polyesterstoff sind, müssen sie in Deutschland nach der Abhaltung der Zeremonien<br />
aus dem Sarg genommen werden.<br />
Wie lange der Verstorbene in Vietnam bis zur Beisetzung zu Hause verbleiben kann,<br />
ist v.a. <strong>von</strong> der finanziellen Situation der Familie abhängig. Oftmals sind es drei<br />
2
Tage, bei reichen Familie bis zu sieben Tage. Arme Familien bestatten ihre Toten<br />
schon nach einem Tag, denn die täglich durchzuführenden Zeremonien für den<br />
Verstorbenen stellen eine finanzielle Belastung dar - bis zur <strong>Bestattung</strong> werden<br />
sechsmal täglich <strong>von</strong> den Mönchen Zeremonien für den Verstorbenen abgehalten.<br />
Nach Ablauf dieser Tage wird der Tote in einem Trauerzug vom Haus bis zur<br />
Begräbnisstelle oder, seltener, zum Krematorium getragen. Es gibt in Vietnam<br />
sowohl öffentliche Friedhöfe als auch Familienfriedhöfe. Auf dem Land ist letzteres<br />
oftmals ein Platz im Vorgarten, wo die verstorbenen Verwandten begraben werden.<br />
Die Gräber in Vietnam werden, wenn die Familie es sich leisten kann, sehr prachtvoll<br />
gestaltet, oftmals mit hausähnlichen Bauten.<br />
Grabpflege hat in Vietnam Tradition. Die Verstorbenen bleiben über ihren Tod hinaus<br />
Teil der Familie und gewähren den Nachfahren ihre Hilfe und Unterstützung. Dieser<br />
Ahnenglaube steht, widersprüchlich und unvermittelt, neben dem buddhistischen<br />
Glauben eine Wiedergeburt. Beide Konzepte prägen die vietnamesische Vorstellung<br />
des Nachtodlichen. Die hohe Stellung der Ahnenverehrung wurde aus dem<br />
chinesischen übernommen, denn der Buddhismus in Vietnam fand über China<br />
seinen Eingang. Daraus erklärt sich auch die ansonsten im Buddhismus unübliche<br />
Erdbestattung, die bis in die neuere Zeit hinein in Vietnam üblich war. Zu ergänzen<br />
ist an dieser Stelle, dass im Buddhismus eine Feuerbestattung nicht zwingend<br />
vorgeschrieben ist, sondern der Tradition Buddhas entspricht: da der historische<br />
Buddha nach seinem Tod verbrannt wurde, ist die Feuerbestattung im Buddhismus<br />
verbreitet.<br />
In Deutschland gestalten sich die <strong>Bestattung</strong>srituale sehr viel einfacher als in<br />
Vietnam. Dies liegt einerseits an der geringen Zahl <strong>von</strong> Mönchen und Nonnen im<br />
Vergleich zu der Zahl der zu betreuenden Laienanhänger, zum anderen daran, dass<br />
die Laiengläubigen, die <strong>von</strong> den Mönchen und Nonnen betreut werden, oft weit <strong>von</strong><br />
den Klöstern entfernt wohnen, weshalb die <strong>Bestattung</strong>szeremonien, die über Tage<br />
abgehalten werden, so nicht stattfinden können.<br />
Die Ruhefrist <strong>von</strong> acht Stunden wird <strong>von</strong> den <strong>Angehörigen</strong> kaum noch eingehalten,<br />
obwohl die Mönche und Nonnen immer wieder auf die Wichtigkeit der Ruhephase<br />
hinwiesen. Verstirbt der Angehörige im Krankenhaus dann ist die Einhaltung meist<br />
nicht möglich, aber auch im privaten Bereich wird meist sofort nach Todeseintritt das<br />
<strong>Bestattung</strong>sinstitut mit der Abholung beauftragt. In den Gesprächen stellte sich aber<br />
auch heraus, dass die gesetzliche Möglichkeit einer häuslichen Aufbahrung i.d.R.<br />
nicht bekannt ist.<br />
In den meisten Fällen findet eine Abschiedszeremonie in den Trauerhallen auf den<br />
Friedhöfen statt. Eigentlich sollte der Beisetzungstermin durch astrologische<br />
Berechnungen festgelegt werden. Diese Einhaltung ist aber in Deutschland nicht<br />
immer möglich, da in vielen Städten die Trauerhallen ausgebucht sind und das<br />
Ablehnen angebotener Termine zu langen Wartezeiten führen kann.<br />
Ein weiteres Problem stellt das Anmieten der Trauerhalle dar. Die Anmietung der<br />
Halle ist teuer und die Zeit knapp bemessen, so dass die Rituale nur in sehr<br />
verkürzter Form durchgeführt werden können.<br />
3
Mönche oder Nonnen sind in der Regel immer bei den Beisetzungen anwesend. Die<br />
Begleitung des Verstorbenen in den Tagen bis zur Beisetzung können sie allerdings<br />
nur in den seltensten Fällen übernehmen. Die Ausgestaltung dieser Zeit liegt im<br />
Ermessen der Familienangehörigen. So besteht die Möglichkeit für die <strong>Angehörigen</strong>,<br />
an den Tagen zur Pagode zu kommen und dort <strong>von</strong> einem Mönch die Rituale<br />
durchführen zu lassen. Gleiches gilt für die Rituale nach der Beisetzung, die im<br />
Rhythmus <strong>von</strong> 7 Tagen bis zum 49 Tag nach Todeseintritt stattfinden. Allerdings<br />
gaben die <strong>Angehörigen</strong> in den Gesprächen oft an, dass die hiesigen<br />
Lebensumstände eine traditionelle Trauerbegleitung nicht zulassen würden.<br />
Genaueres Nachfragen ergab aber auch, dass die traditionellen Formen zunehmend<br />
an Bedeutung verlieren und für den einzelnen nicht mehr die Bedeutung haben, die<br />
sie im Heimatland hatten, und man folglich nicht bereit ist, den nötigen Aufwand zu<br />
betreiben, um an den traditionellen Formen festzuhalten. Auf die Gründe hierfür<br />
möchte ich später noch eingehen.<br />
Bei einer Erdbestattung wird der Sarg im Anschluss an die Feier <strong>von</strong> der Trauerhalle<br />
unter Rezitation des Buddhanamen zur Grabstelle geleitet. Am Grab selbst werden<br />
bestimmte Sutren rezitiert. Es ist hier als auch in Vietnam üblich, dass die Ordinierten<br />
die Grabstelle rituell reinigen, bevor der Verstorbene beigesetzt wird. Die gleiche<br />
Zeremonie wird bei einer Urnenbeisetzung zu einem späteren Zeitpunkt<br />
durchgeführt.<br />
Bei einer Feuerbestattung, so wurde <strong>von</strong> den Gesprächspartnern immer wieder<br />
erwähnt, würde man sich wünsche, den Sarg <strong>von</strong> der Trauerhalle zum Krematorium<br />
unter Rezitation <strong>von</strong> Mantren und Sutren begleiten zu dürfen und bedauerte, dass<br />
dies nicht möglich sei, dass der Sarg entweder in der Halle stehen bleibt oder<br />
abgesenkt wird. Inwieweit eine solche Einheit zu schaffen ist, dass die <strong>Angehörigen</strong><br />
<strong>von</strong> der Trauerhalle zum Krematorium mitgehen können und, wenn gewünscht, bei<br />
der Verbrennung anwesend sein können, sei Ihnen als Anregung mit auf den Weg<br />
gegeben.<br />
Interessant ist der Umstand, dass die Zahl der Feuerbestattungen hier in<br />
Deutschland zunimmt, obwohl, wie oben beschrieben, in Vietnam die Erdbestattung<br />
Tradition hat. Allerdings wurde ich darauf hingewiesen, dass es diesbezüglich auch<br />
in Vietnam zu Veränderungen kommt: die Ahnenverehrung verliert mit dem<br />
technischen und wirtschaftlichen Fortschritt des Landes zunehmend an Bedeutung,<br />
und durch die Urbanisierung und dem daraus resultierenden Platzmangel in großen<br />
Städten würde auch dort die Kremation zunehmend bevorzugt.<br />
Ein Argument für eine Feuerbestattung hier in Deutschland, das immer wieder<br />
erwähnt wurde, ist die mögliche Rückkehrabsicht nach Vietnam. Dann wäre es<br />
wichtig, dass auch die verstorbenen Familienangehörigen ins Herkunftsland mit<br />
zurück genommen werden können. Einige Urnen werden übrigens auch gleich nach<br />
Vietnam gebracht. Das hängt nicht zuletzt <strong>von</strong> den Familienverhältnissen ab: wohnen<br />
die <strong>Angehörigen</strong> hier, dann lässt man die Urne in der Regel in Deutschland.<br />
Ausschlaggebend ist bei dieser Entscheidung das Bedürfnis der Vietnamesen, ihre<br />
Verwandten in ihrer Nähe zu haben. Organisatorisch und seit einigen Jahren auch<br />
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politisch stellt die Überführung der Urne nach Vietnam kein Problem dar. So wird<br />
beispielsweise in Oldenburg, wenn eine Genehmigung der vietnamesischen<br />
Botschaft vorliegt, die Asche den <strong>Angehörigen</strong> <strong>von</strong> den Angestellten des<br />
Krematoriums ausgehändigt, so dass diese die Urne selbst nach Vietnam bringen<br />
können. In einigen Fällen wurde die Urne auf Wunsch der <strong>Angehörigen</strong> auf dem<br />
Postweg nach Vietnam geschickt. In Berlin darf die Urne bis zum Flugtermin in der<br />
buddhistischen Pagode dort aufbewahrt werden, wenn auch höchstens für zwei<br />
Wochen. Eine diesbezügliche Kontrolle durch die Behörden gibt es allerdings nicht.<br />
In Vietnam werden die Urnen meist in den Pagoden aufbewahrt. Dies würde auch in<br />
Deutschland gewünscht, ist aber bislang gesetzlich kaum möglich.<br />
In Deutschland bestehen in einigen Städten eigene Gräberfelder - soweit mir bekannt<br />
in fünf Städten. In Oldenburg, Mönchengladbach, Hannover und Hamburg handelt es<br />
sich dabei um Grabstellen für Buddhisten vietnamesischer Abstammung, während es<br />
sich in Berlin explizit um eine buddhistische Abteilung für Angehörige aller<br />
Nationalitäten und religiöser Richtungen handelt.<br />
Zusammenfassend festzustellen bleibt für die vietnamesischen Buddhisten, dass<br />
sich die <strong>Bestattung</strong>srituale hier in Deutschland, im Vergleich zum Herkunftsland, sehr<br />
einfach gestalten und die Ausgestaltung weitgehend den <strong>Angehörigen</strong> überlassen<br />
wird, dass es aber andererseits Möglichkeiten gibt, die <strong>von</strong> den Ordinierten<br />
angeboten werden und auf die die <strong>Angehörigen</strong> bei Bedarf zurückgreifen können.<br />
Die Ausgestaltung der Trauerfeier, wie oben beschrieben, ist allerdings ein fest<br />
etablierter Ablauf, auf den in der Regel immer zurückgegriffen wird.<br />
Neben den Vietnamesen stellen die Thais die zweitgrößte Gruppe der nach<br />
Deutschland eingewanderten Buddhisten dar, auch wenn sie zahlenmäßig weit hinter<br />
ersterer zurückstehen.<br />
Stellt man dieser doch etablierten Form der vietnamesischen Beisetzung in<br />
Deutschland die thailändischen gegenüber, so ist festzustellen, dass es hier keine<br />
etablierten Formen gibt und das Thema „Sterben, Tod und <strong>Bestattung</strong>“, anders als<br />
innerhalb der vietnamesischen Gemeinden, kaum Beachtung findet. Dies hat<br />
sicherlich mehrere Gründe: Zum einen ist die Familiensituation eine gänzlich andere,<br />
denn während die Vietnamesen als Flüchtlinge, meist im Familienverband kamen,<br />
teilweise sogar noch die Asche ihrer Vorfahren im Gepäck, setzt sich die<br />
Thaigemeinde weitgehend aus mit Deutschen verheirateten Thailänderinnen<br />
zusammen, woraus sich eine Angleichung an die deutsche <strong>Bestattung</strong>skultur erklärt.<br />
Zum anderen ist eine religiöse Struktur erst im Werden: die langsam in Deutschland<br />
entstehenden Klöster, Wat genannt, nehmen erst allmählich ihre Arbeit auf.<br />
Zwischen den einzelnen Wat bestehen kaum Kontakte, anders als die<br />
vietnamesischen Klöster, die einer zentralen Instanz angehören, so dass keine<br />
einheitliche <strong>Bestattung</strong>skultur entstehen kann. Des Weiteren sind die Sterbefälle<br />
bisher wenige und der Bedarf an spiritueller Begleitung hat sich noch nicht<br />
abgezeichnet. Dies kann sich in den kommenden Jahren noch verändern, bisher<br />
muss aber gesagt werden, dass es in Deutschland keine Formen thaibuddhistischer<br />
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<strong>Bestattung</strong>srituale gibt. Bis auf wenige mir bekannte Ausnahmen, bei denen Mönche<br />
an der Zeremonie teilnahmen, finden in der Regel weltliche Abschiedsfeiern auf dem<br />
Friedhof statt mit einer anschließenden Urnenbeisetzung. Feuerbestattungen sind,<br />
wie bereits erwähnt, bei Buddhisten üblich. In Thailand gehört zu jeder Klosteranlage<br />
auch ein Krematorium, bei den kleineren, ländlichen Klöstern sind dies einfache<br />
Verbrennungsplätze in einem hinteren Bereich der Anlage. Die Mönche sind dabei<br />
diejenigen, die für die Verbrennung, als für die Entzündung des Feuers als auch die<br />
Überwachung des konkreten Verbrennungsablaufs, zuständig sind.<br />
Diese Integration <strong>von</strong> Tempel und Krematorium wurde mir als Idee auch <strong>von</strong> der<br />
Berliner Thaigemeinde vorgestellt, dürfte aber in Anbetracht der hiesigen<br />
<strong>Bestattung</strong>svorschriften schwer zu verwirklichen sein.<br />
Aus Deutschland ist mir im Verlauf meiner Arbeit nur <strong>von</strong> einem Fall berichtet<br />
worden, bei dem die Mönche mit den <strong>Angehörigen</strong> gemeinsam zum Krematorium<br />
gekommen sind, um dort während der Verbrennung die nötigen Mantren und Sutren<br />
zu sprechen. Das könnte sich aber aus den schon dargelegten Gründen in den<br />
kommenden Jahren verändern. Ähnliches gilt für die Buddhisten anderer Nationalität.<br />
Wie gestaltet sich die Situation unter den hier lebenden hinduistischen<br />
Glaubensangehörigen? Hier möchte ich zunächst auf die weitaus größere, in<br />
Deutschland ansässige Gruppe der tamilischen Hindus zu sprechen kommen, bevor<br />
ich noch einige Worte zu den aus Indien selbst stammenden Hindus sage.<br />
Die Gegenüberstellungen der Handhabung der <strong>Bestattung</strong>srituale in verschiedenen<br />
tamilischen Gemeinden in Deutschland zeigt ein vielfältiges und mitunter stark<br />
<strong>von</strong>einander abweichendes Bild. Dies betrifft sowohl die Ausgestaltung der<br />
Trauerfeiern und die Auswahl der Rituale als auch den Ort ihrer Durchführung und<br />
den zeitlichen Ablauf. Auch die Schwerpunkte und die Bedeutungen, die bestimmten<br />
Einzelheiten zukommen, etwa die der schnellen Verbrennung im Anschluss an die<br />
Trauerfeier, variieren. Gleiches gilt für den Ort der Beisetzung. Diese große<br />
Unterschiedlichkeit macht es unmöglich, ein einheitliches Bild tamilischer<br />
<strong>Bestattung</strong>sbräuche in Deutschland zu skizzieren. Lediglich der grobe Ablauf,<br />
bestehend aus der Aufbahrung des Verstorbenen, der Trauerfeier, der Verbrennung<br />
und der Übergabe der Asche in ein Gewässer, ist in allen Gemeinden ähnlich<br />
strukturiert. Es ist aber auch zu vermerken, dass diese Vielfältigkeit zwar zwischen<br />
den einzelnen Gemeinden besteht, innerhalb der Gemeinden sich aber Traditionen<br />
herausgebildet haben, die für die <strong>Angehörigen</strong> verbindlich sind. Dies hat auch wieder<br />
seinen Grund darin, dass die Gemeinden untereinander kaum Verbindungen haben.<br />
Welche Elemente aus dem Heimatland also in Deutschland umgesetzt werden, und<br />
wie, hat jede Gemeinde für sich entschieden.<br />
Wichtig für diese Entscheidungen war der Rückgriff auf das Wissen der älteren<br />
Gemeindemitglieder, die eigenen Erfahrungen mit den tamilisch-hinduistischen<br />
<strong>Bestattung</strong>sritualen aus dem Herkunftsland hatten und ihre Erinnerungen in die<br />
Ausgestaltung der Rituale hier einfließen ließen.<br />
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Dies war v.a. deshalb nötig, da der Tempelpriester im Hinduismus keinerlei<br />
Funktionen bei den <strong>Bestattung</strong>en übernimmt, da er aufgrund des Kontakts mit<br />
Verstorbenen sich verunreinigen würde und danach nicht mehr zum Tempeldienst<br />
zugelassen würde. Tod und <strong>Bestattung</strong> gelten gesellschaftlich und religiös als eine<br />
unheilige, verunreinigende Angelegenheit, <strong>von</strong> der sowohl die Hinterbliebenen als<br />
auch das Haus des Verstorbenen betroffen sind.<br />
Für die <strong>Bestattung</strong> zuständig sind in Sri Lanka eigene <strong>Bestattung</strong>spriester, Shaiva<br />
Kurukkal genannt, die es allerdings in Deutschland nicht gibt, so dass die<br />
Zeremonien unter der Anleitung der älteren Gemeindemitglieder durchgeführt<br />
werden.<br />
Zunächst aber einige Anmerkungen zum Ablauf einer tamilischen <strong>Bestattung</strong> im<br />
Herkunftsland: In Sri Lanka wird versucht, den Verstorbenen zeitnah einzuäschern,<br />
spätestens nach drei Tagen. Ausschlaggebend für den Termin ist die Anwesenheit<br />
der Verwandtschaft, insbesondere der Verwandtschaft ersten Grades.<br />
Ein <strong>Bestattung</strong>spriester ist für die Durchführung aller Rituale zuständig, die in den 31<br />
Tagen nach Eintritt des Todes verrichtet werden müssen. Er leitet den Vollzug der<br />
Rituale an und unterstützt die Hinterbliebenen bei der korrekten Durchführung der<br />
<strong>Bestattung</strong>. Nur er kennt die auszuführenden Handlungen und die dazu gehörenden<br />
religiösen Texte, Mantren und Lieder.<br />
Daneben gibt es im Hinduismus bestimmte Rituale, die personengebunden sind und<br />
nur <strong>von</strong> einem männlichen Familienangehörigen am Toten durchgeführt werden<br />
können. An erster Stelle der Verantwortlichen steht hier der älteste Sohn.<br />
Die erste Handlung, die der Sohn vornehmen muss, ist die Waschung des<br />
verstorbenen Elternteils. Die Waschung besteht darin, dass der Tote – in seinen<br />
Kleidern - mit reichlich Wasser übergossen wird. Danach wird er eingekleidet und<br />
bekommt die heilige Asche aufgetragen.<br />
Anschließend wird der Verstorbene auf eine Bahre gelegt, mit Blumengirlanden<br />
geschmückt und bis zur Verbrennung mit dem Kopf Richtung Süden aufgebahrt. Die<br />
Ausrichtung des Toten nach Süden soll den Übergang ins Totenreich vereinfachen.<br />
Wenn alle erwarteten, nahen <strong>Angehörigen</strong> versammelt sind, wird der Verstorbene<br />
auf einer Bahre liegend zum Verbrennungsplatz auf dem Friedhof getragen. Männer<br />
und Frauen nehmen an der Verbrennung teil.<br />
Hinduistische Gläubige werden, bis auf wenige Ausnahmen, immer verbrannt, denn,<br />
das Feuer ist das Element, das den Geist vom Körper zu trennen vermag, um, wie<br />
ein Gesprächspartner sich ausgedrückt hat, das Materielle mit dem Kosmischen in<br />
Verbindung zu bringen.<br />
Der älteste Sohn oder der, dem die Pflicht obliegt, die Zeremonien zu vollziehen, ist<br />
verpflichtet, sich zu waschen, zu reinigen, sich festlich zu kleiden und das Feuer vom<br />
häuslichen Herd zur Verbrennungsstätte mitzunehmen, denn das Feuer, mit dem der<br />
Tote verbrannt wird, soll <strong>von</strong> der Stelle kommen, wo er gelebt hat. Auf dem Friedhof<br />
wird der Leichnam auf den vorbereiteten Scheiterhaufen gelegt. Es sind Angehörige<br />
einer bestimmten Kaste, die für die <strong>Bestattung</strong>sdienste auf den Friedhöfen zuständig<br />
sind. Sie sind verantwortlich für den Unterhalt des Friedhofs und die Erledigung aller<br />
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anfallenden Aufgaben, so auch die der korrekten Aufschichtung des<br />
Verbrennungsholzes. Im Weiteren nimmt der Sohn einen tönernen Krug Wasser auf<br />
seine Schultern und umrundet den Verstorbenen drei Mal, wobei bei jedem<br />
Rundgang ein Loch in das Wassergefäß gestoßen wird. Durch das herausfließende<br />
Wasser soll die Verbrennungsstelle gereinigt werden, bevor der Holzstoß entzündet<br />
wird. Nachdem der Leichnam dem Feuer übergeben wurde, kehren die Anwesenden<br />
nach Hause zurück. Am nächsten Morgen kehren einige Familienangehörige zur<br />
Verbrennungsstätte zurück, um die noch vorhandene Glut mit Milch zu löschen und<br />
die Asche einzusammeln. Nach 31 Tagen wird die gesammelte Asche dem Meer<br />
übergeben, in Verbindung mit einer weiteren Zeremonie.<br />
In Deutschland sind viele dieser Rituale nicht einzuhalten. Zunächst einmal ist<br />
festzustellen, dass alle Rituale, die in Sri Lanka im häuslichen Bereich stattfinden, in<br />
Deutschland entweder wegfallen oder aber in gewandelter und stark verkürzter Form<br />
in einem <strong>Bestattung</strong>sinstitut, in der Trauerhalle des Friedhofs oder einem<br />
angemieteten Raum durchgeführt werden. Dies ist sicherlich auch darin begründet,<br />
dass keinem der Gesprächspartner/-innen die in allen Bundesländern geltende<br />
gesetzliche Bestimmung bekannt war, dass Verstorbene ohne Sondergenehmigung<br />
der Behörden bis sechsunddreißig Stunden nach Todeseintritt zu Hause behalten<br />
oder für diese Zeit vom Sterbeort nach Hause gebracht werden können. Darauf<br />
angesprochen, nahm man den Hinweis interessiert zur Kenntnis, wies aber auf die<br />
fehlenden praktischen Voraussetzungen hin: das beengte Wohnen vieler Tamilen<br />
und der zu erwartende Ansturm an Gästen und Verwandten würden nicht die<br />
Möglichkeit für eine häusliche Aufbahrung lassen. Auch fürchtete man Beschwerden<br />
deutscher Nachbarn. Ferner wurde <strong>von</strong> einer Seite auf die religiöse Vorstellung der<br />
Unreinheit hingewiesen und die Distanz, die man deshalb zum Tod hält, die einer<br />
Hausaufbahrung entgegenstehen würden.<br />
Auch wurde <strong>von</strong> einer Seite erwähnt, dass das deutsche <strong>Bestattung</strong>ssystem den<br />
Tamilen entgegen komme, weil sie dadurch alle Tätigkeiten und Erledigungen<br />
abgeben können und nicht mit dem Tod und den Toten konfrontiert würden.<br />
Diesbezüglich wurden allerdings widersprüchliche Meinungen geäußert: Andere<br />
äußerten durchaus der Wunsch, die letzten Rituale am Verstorbenen im häuslichen<br />
Bereich durchzuführen, auch, dass die <strong>Angehörigen</strong> gerne mehr Eigenverantwortung<br />
übernehmen würden. Meist beschränkt sich die Beteiligung an der Waschung in<br />
Deutschland auf ein Anwesendsein beim Bestatter, während dieser den<br />
Verstorbenen wäscht und ankleidet, bestenfalls im Übergießen des Verstorbenen mit<br />
ein wenig Wasser. Das größte Probleme bei der Durchführung tamilischhinduistischer<br />
<strong>Bestattung</strong>en stellt, wie bereits erwähnt, der Mangel an<br />
<strong>Bestattung</strong>spriester dar: es gibt in Deutschland keine Shaiva-Kurukkal und folglich<br />
niemanden, der die Zeremonien korrekt durchführen kann. Ein solcher müsste aus<br />
Ländern mit größeren Gemeinden wie Kanada oder England eingeflogen werden,<br />
was wiederum mit hohen Kosten verbunden ist.<br />
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Über die Häufigkeit, mit der ein Shaiva-Kurukkal aus dem Ausland zu einer<br />
<strong>Bestattung</strong> geholt wird, wurden die unterschiedlichsten Aussagen gemacht. Diese<br />
Praxis unterscheidet sich weitgehend <strong>von</strong> Gemeinde zu Gemeinde. In einigen<br />
Gemeinden, bspw. Hannover und Umgebung, ist dies in den letzten Jahren geradezu<br />
Brauch geworden, während es in anderen Städten völlig unüblich ist. Wie bereits<br />
erwähnt wird stattdessen auf die Erfahrung der Älteren zurückgegriffen.<br />
Daraus ergibt sich die Situation, dass die <strong>Bestattung</strong>sfeiern zwischen den<br />
Gemeinden verschiedener Städte differieren, sich aber innerhalb der jeweiligen<br />
Gemeinde bestimmte Strukturen herausgebildet haben bezüglich dem Ablauf der<br />
Feier, den durchzuführenden Ritualen und den zu sprechenden Gebeten und<br />
Mantren.<br />
Wird ein Shaiva-Kurukkal eingeflogen, so geht dieser mit den Familienangehörigen<br />
vor der Trauerfeier zum Beerdigungsinstitut oder zum Friedhof, wo der Leichnam<br />
aufgebahrt ist, und vollzieht die Zeremonien. Erst danach findet in der Trauerhalle für<br />
die Trauergäste eine öffentliche Abschiedszeremonie statt.<br />
Auch hier besteht in einigen Gemeinden ein Problem bzgl. der Länge der<br />
Trauerfeiern. Eine Anmietung der Trauerhallen auf den kommunalen Friedhöfen für<br />
einen längeren Zeitraum als den vorgesehenen ist mit hohen Kosten verbunden,<br />
weshalb die Trauerfeiern, beispielsweise in Berlin, stark verkürzt durchgeführt<br />
werden. Als Alternative bieten sich hier die Trauerhallen der <strong>Bestattung</strong>sinstitute an,<br />
bei denen, anders als auf städtischen Friedhöfen, günstige Konditionen<br />
ausgehandelt werden können. So arbeiten beispielsweise die Tamilen in Bremen seit<br />
Jahren mit einem bestimmten <strong>Bestattung</strong>sinstitut zusammen, das ihnen zu<br />
Sonderkonditionen die Trauerhalle für den ganzen Tag überlässt. Aus<br />
Mönchengladbach wurde mir erzählt, dass man für die Durchführung der Feiern<br />
Räumlichkeiten anmietet, oftmals <strong>von</strong> kirchlichen Trägern. Die Rituale finden dann in<br />
Abwesenheit des Verstorbenen statt. Ebenso in Wuppertal, allerdings ist es den<br />
Tamilen dort erlaubt, den Verstorbenen für die Durchführung der Feier in die<br />
angemieteten Räume bringen zu lassen. Die Ausgestaltung hängt nicht zuletzt da<strong>von</strong><br />
ab, welche Bedeutung dieser Abschiedsfeier in den Gemeinden zukommt: Aus<br />
Frankfurt wurde mir gesagt, 1-2 Stunden würde für die Zeremonien völlig ausreichen,<br />
während beispielsweise in Wuppertal oder Bremen eine solche Feier sich über einen<br />
ganzen Tag hinziehen kann. Die Ausgestaltung hängt aber auch da<strong>von</strong> ab, was den<br />
Gemeinden <strong>von</strong> den städtischen Behörden an Freiräumen zugestanden wird, und<br />
hier gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Städten.<br />
Das betrifft auch die anschließende Verbrennung. In einigen Gemeinden wird der<br />
Verbrennungstermin der Familie mitgeteilt, so dass die <strong>Angehörigen</strong> an diesem Tag<br />
zum Krematorium gehen und bei der Verbrennung gegenwärtig sein können. Es ist<br />
ihnen dann i.d.R. möglich, den Knopf, mit dem der Verbrennungsprozess eingeleitet<br />
wird, selbst zu bedienen.<br />
Da im Hinduismus die Einteilung der anschließenden Trauerzeit vom Tag der<br />
Verbrennung aus berechnet wird, die unmittelbar an die Zeremonie erfolgt, ist es für<br />
9
Hindus in Deutschland schwierig, die anschließenden Trauerphasen gemäß der<br />
Tradition zu leben. Als Problem benannt wurde mir dies während meiner Recherchen<br />
einzig in der Frankfurter Gemeinde. Hier legt man sehr großen Wert darauf, dass der<br />
Verstorbene im Anschluss an die Zeremonie sofort verbrannt wird. Da dies vor Ort<br />
nicht möglich ist, lässt man den Toten nach Koblenz bringen, wo noch am gleichen<br />
Tag die Kremation erfolgt.<br />
Ein solcher Aufwand ist mir aus anderen Gemeinden nicht bekannt, die Gründe sind<br />
aber nachvollziehbar und es sollte ein schneller Kremationstermin im Anschluss an<br />
die Abschiedsfeier auch in anderen Gemeinden angedacht werden, um die<br />
Einhaltung der Trauerzeremonien und Trauerzeiten zu gewährleisten.<br />
Allerdings wurde mir aus allen Gemeinden bestätigt, dass die Einhaltung der<br />
Übergabe der Asche an ein Gewässer am 31. Tag immer eingehalten werden<br />
konnte. In Gemeinden wie Frankfurt und Mönchengladbach ist es üblich, die Asche<br />
bereits am achten Tag nach der Verbrennung ins Meer zu geben, wobei auch diese<br />
Frist in Deutschland eingehalten werden kann. Die Verstreuung der Asche in einem<br />
Gewässer, bevorzugt in den heiligen Fluss Ganges, oder aber auch in einem<br />
anderen Fluss oder, in Sri Lanka, bevorzugt das Meer, ist allen Hindus wichtig. Eine<br />
Erdbeisetzung ist unüblich.<br />
In Deutschland lebende Tamilen wählen daher oftmals eine Beisetzung in der<br />
Nordsee. In Bremen oder Hannover beispielsweise ist eine reguläre Seebestattung<br />
üblich. An dieser nehmen, wenn möglich, der älteste Sohn und, je nach finanzieller<br />
Lage der Familie, noch weitere Angehörige teil.<br />
Aus einer Gemeinde in Nordrhein-Westfalen ist mir bekannt, dass man dort keine<br />
offizielle Seebestattung vornimmt. Vielmehr erhält man einen Teil der Asche vom<br />
Krematorium und fährt dann nach Holland, wo man unter Anwesenheit <strong>von</strong><br />
Familienangehörigen und Bekannten diese in die Nordsee streut. In einigen<br />
Gemeinden wurde in den letzten Jahren zunehmend <strong>von</strong> der Möglichkeit Gebrauch<br />
gemacht, die Asche zurück nach Sri Lanka oder nach Indien zu bringen – eine<br />
Variante, die sich unter Umständen auch in der Zukunft durchsetzen könnte.<br />
Bei den aus Indien, genauer gesagt aus Bengalen stammenden Hindus, die in<br />
Deutschland leben, ist die Rückführung der Urnen nach Indien Gang und Gebe. Ich<br />
möchte hier nicht ausführlich auf die in Indien gängigen Bräuche und Rituale<br />
eingehen, das würde den Rahmen dieses Vortrags auch bei weitem sprengen. Aber<br />
ich möchte doch noch einige Worte zur Handhabung in Deutschland sagen.<br />
Zunächst einmal sei festgehalten, dass die in Deutschland lebenden Inder, die<br />
vorwiegend aus Bengalen stammen, einen gänzlich anderen sozialen und<br />
geschichtlichen Background haben als die tamilischen Hindus. Mehrheitlich sind sie<br />
als qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland gekommen. Die Vermutung liegt<br />
nahe, dass ein gewisser Bildungsgrad mit einer Distanz zu traditionellen und<br />
religiösen Ritualen und Ansichten einhergeht. Diese distanzierte Haltung spiegelt<br />
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sich auch bei der Durchführung der Rituale wider, die in Deutschland weitgehend<br />
wegfallen und auch mit kritischer Distanz betrachtet werden.<br />
In Deutschland verstorbene Inder werden in der Regel im Krematorium vor Ort<br />
eingeäschert. Die Urne wird anschließend <strong>von</strong> den <strong>Angehörigen</strong> nach Indien<br />
gebracht und die Asche des Verstorbenen in den Ganges gestreut. Religiöse<br />
Zeremonien finden, wenn überhaupt, zu einem späteren Zeitpunkt in Indien statt.<br />
Es ist üblich, dass in der Trauerhalle auf dem Friedhof vor der Verbrennung eine<br />
Feier abgehalten wird, die <strong>von</strong> Bekannten und Freunden gestaltet wird, meist in<br />
Verbindung mit der Lesung eines religiösen Textes.<br />
Ein Unterschied besteht hinsichtlich des Ortes, an dem die Urne bis zur Überführung<br />
nach Indien aufbewahrt wird: diesbezüglich wurden <strong>Bestattung</strong>sinstitute, Krematorien<br />
oder aber auch der häusliche Bereich genannt, wenn die Kremation beispielsweise in<br />
Holland stattgefunden hat. Mit einer Überführungserlaubnis der Indischen Botschaft<br />
wird die Urne den Hinterbliebenen ausgehändigt und kann im Flugzeug als<br />
Handgepäck mit nach Indien genommen werden. Von den deutschen Behörden<br />
erfolge, so ein Interviewpartner, keine Kontrolle, ob die Asche nach Indien überführt<br />
worden ist.<br />
Rückblickend auf die dargestellten Religionsgemeinschaften bleibt<br />
zusammenfassend festzustellen, dass es etablierte, feststehende Formen des<br />
Ablaufs <strong>von</strong> <strong>Bestattung</strong>en in unterschiedlichem Masse gibt. Während bei den<br />
muslimischen und jüdischen Glaubensgemeinschaften dies weitgehend einheitlich<br />
gehandhabt wird, haben sich insbesondere bei den buddhistischen und<br />
hinduistischen Gruppierungen große Unterschiede in der Handhabung ergeben,<br />
wobei die vietnamesischen Buddhisten in Deutschland am einheitlichsten organisiert<br />
sind. Wie kommt es, dass sich innerhalb einiger Religionsgemeinschaften feste<br />
Abläufe entwickelt haben, während in anderen Unterschiede <strong>von</strong> einer Stadt zu einer<br />
anderen bestehen oder überhaupt keine Abläufe festgelegt wurden? Die Ursachen<br />
hierfür ich zum Schluss kurz skizzieren.<br />
Zu unterscheiden ist hier zunächst zwischen externen und internen Gründen.<br />
Externe Gründe für die unterschiedliche Handhabung liegen begründet in den<br />
unterschiedlichen <strong>Bestattung</strong>sgesetzen der Bundesländer, den Friedhofsordnungen<br />
und der Handhabung der Behörden. Auf diese möchte ich hier nicht näher eingehen.<br />
Erwähnen möchte ich noch einmal die internen Gründe<br />
Zum einen, wie schon erwähnt, liegt die Unterschiedlichkeit mit am<br />
Organisationsgrad der Religionsgemeinschaft: je besser die Strukturen und je größer<br />
die Vernetzung untereinander, desto strukturierter der Ablauf. Auch ist es dann<br />
aufgrund der internen Organisation einfacher, Forderungen an Behörden,<br />
Friedhofsverwaltungen, auch Betreibende <strong>von</strong> Krematorien zu stellen. Und<br />
umgekehrt als Ansprechpartner zu dienen<br />
Als weiterer Punkt, der auch bereits erwähnt wurde, hat die Familiensituation und die<br />
Ausgestaltung der sozialen Struktur Einfluss auf die Ausgestaltung der <strong>Bestattung</strong>.<br />
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Dies hat sich deutlich am Beispiel der thai-buddhistischen <strong>Bestattung</strong>en gezeigt. Zu<br />
erwähnen ist aber auch, dass <strong>Bestattung</strong>en in den Herkunftsländern der<br />
angesprochenen Religionsgemeinschaften, in weit größerem Maße als in<br />
Deutschland üblich, Aufgabe der Gemeinschaft und nicht der Familie ist. Wenn nun<br />
diese soziale Gemeinschaft fehlt, ist es kaum möglich, die traditionellen Formen<br />
beizubehalten.<br />
Ein weiterer Punkt, der die Ausgestaltung beeinflusst, sind die Jenseitsvorstellungen<br />
der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften und die religiösen Vorschriften bzgl.<br />
der <strong>Bestattung</strong>. So ist im Islam beispielsweise klar geregelt, wie eine Beerdigung<br />
abzulaufen hat, während es in den buddhistischen Ländern oft verschiedene, meist<br />
traditionelle Bräuche gibt, die nicht verpflichtend sind. Es sind drei Komponenten, die<br />
für die Ausgestaltung der <strong>Bestattung</strong>srituale wesentlich sind: der religiöse Aspekt,<br />
der ethnisch-kulturelle Aspekt und der individuelle Aspekt. Im Vergleich der<br />
Religionen wurde in den Gesprächen immer wieder die unterschiedliche Gewichtung<br />
dieser Komponenten deutlich: insbesondere in der buddhistischen Religion bleibt viel<br />
dem Ermessen des Einzelnen überlassen. Aber auch in anderen Religionen bleibt<br />
immer auch ein Anteil an individueller Ausgestaltung, der sich dann wieder in der<br />
Vielfältigkeit ausdrückt. Ein großer Fehler ist es, der sich individualisierenden<br />
deutschen <strong>Bestattung</strong>skultur eine monolithische <strong>Bestattung</strong>skultur anderer<br />
Religionsgemeinschaften gegenüber zu stellen. Bei einigen Friedhofsverwaltungen<br />
folgte diesbezüglich bereits ein böses Erwachen.<br />
Deshalb ist es zwar sinnvoll, auch in ihrem Beruf etwas mehr über fremdreligiöse<br />
<strong>Bestattung</strong>skulturen zu wissen, aber sehen sie immer auch das Individuum, das<br />
seine eigenen Vorstellungen hat und auch ein Recht, diese zu verwirklichen.<br />
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