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Studie "Gewalt und Geschlecht in der Schule"

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<strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule –<br />

<strong>Geschlecht</strong> Nebensache? Ausgangsfragen<br />

Während das Thema <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren breit diskutiert wurde, fällt<br />

auf, dass e<strong>in</strong>e systematische Betrachtung von<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule<br />

weitgehend fehlt.<br />

Aus dem Umstand, dass Jungen weitaus häufiger<br />

durch körperliche Formen von <strong>Gewalt</strong> an<br />

<strong>der</strong> Schule als Täter <strong>und</strong> Opfer auffällig werden,<br />

wird leicht die Formel „Schulgewalt ist<br />

Jungengewalt“ abgeleitet. E<strong>in</strong>erseits rücken<br />

Jungen noch immer als Störenfriede des schulischen<br />

Alltags <strong>in</strong> den Blick, an<strong>der</strong>erseits entfalten<br />

sich breite Debatten um Jungen als (Bildungs-)Verlierer.<br />

Damit verb<strong>und</strong>ene Ursachenzuschreibungen<br />

werden jeweils eng mit unterschiedlichsten<br />

Annahmen über <strong>Geschlecht</strong>erdifferenzen<br />

<strong>und</strong> geschlechtsbezogene Benachteiligungen<br />

verknüpft. Mitunter wird die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Kategorie <strong>Geschlecht</strong> gar nicht reflektiert<br />

– etwa dann, wenn das <strong>Geschlecht</strong> <strong>der</strong><br />

Opfer <strong>und</strong> <strong>der</strong> gewalttätig Handelnden gänzlich<br />

unerwähnt bleibt. Bedienen sich Schüler<strong>in</strong>nen<br />

bestimmter Formen von <strong>Gewalt</strong>, wird<br />

dies gerade bei körperlicher <strong>Gewalt</strong> als beson<strong>der</strong>s<br />

erklärungsbedürftig betrachtet. Dann<br />

tauchen Fragen auf wie: Holen Mädchen nun<br />

auch <strong>in</strong> dieser als männlich geltenden Domäne<br />

auf? Haben wir es mit e<strong>in</strong>em neuen Phänomen<br />

brutaler werden<strong>der</strong> Mädchen zu tun, die<br />

Machtansprüche dadurch geltend machen? Ist<br />

im Prozess <strong>der</strong> Sozialisation von Mädchen etwas<br />

schief gelaufen?<br />

Unser Blick ist dabei dann e<strong>in</strong>seitig ausgerichtet<br />

auf alles, was <strong>in</strong> die Kategorien „Weiblichkeit“<br />

(„typisch Mädchen“) <strong>und</strong> „Männlichkeit<br />

(„typisch Jungen“) passt. Damit s<strong>in</strong>d Normalitätsannahmen<br />

verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> zugleich wird<br />

bestimmt, was ausgeschlossen ist <strong>und</strong> was das<br />

Abweichende ist, wenn sich Verhalten von<br />

Mädchen <strong>und</strong> Jungen im gelebten Alltag dieser<br />

schematischen Logik entzieht. Dies trägt dazu<br />

bei, dass e<strong>in</strong>ige Fragen lei<strong>der</strong> nicht gestellt werden.<br />

Umgekehrt werden manche erklärungsbedürftige<br />

Phänomene gar nicht erst h<strong>in</strong>terfragt:<br />

Wie kommt es dazu, dass weitaus mehr Jungen<br />

als Mädchen körperlich <strong>Gewalt</strong> ausüben, die<br />

allermeisten Jungen aber nicht gewalttätig auffällig<br />

werden. Und: Warum prügeln manche<br />

Mädchen? In <strong>der</strong> sozialwissenschaftlichen Forschung<br />

zu <strong>Gewalt</strong> an Schulen f<strong>in</strong>den sich zwar<br />

Untersuchungen, die Aussagen über Häufigkeiten<br />

nach <strong>Geschlecht</strong> bei bestimmten <strong>Gewalt</strong>formen<br />

vornehmen. E<strong>in</strong>e Forschung <strong>und</strong> Praxis,<br />

die die Bedeutung von <strong>Geschlecht</strong> für Ersche<strong>in</strong>ungsformen<br />

von <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule<br />

systematisch reflektiert, fehlt jedoch weitgehend<br />

(vgl. Forschungsgruppe Schulevaluation<br />

1998; Popp 2002; Helsper 2006).<br />

H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> pädagogischen Praxis ist mit<br />

Blick auf <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong> anzuregen,<br />

die Entscheidungskategorien zu h<strong>in</strong>terfragen,<br />

die unsere Wahrnehmung lenken, die sich auf<br />

unsere Art, Verhalten zu beurteilen <strong>und</strong> zu bewerten,<br />

auswirken. Schauen wir e<strong>in</strong>ige Aussagen<br />

an, die wir von Lehrer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> auch von<br />

Lehrern schon gehört haben <strong>und</strong> die sicherlich<br />

nicht annähernd die Fülle unterschiedlichster<br />

Deutungen von geschlechtsspezifischer <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule e<strong>in</strong>fangen:

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