07.12.2012 Aufrufe

Studie "Gewalt und Geschlecht in der Schule"

Studie "Gewalt und Geschlecht in der Schule"

Studie "Gewalt und Geschlecht in der Schule"

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Bei Angeboten, die gezielt die Mädchen stärken<br />

sollen, ist zu bedenken, dass damit auch<br />

die Botschaft vom „Defizit“, dies (noch) nicht<br />

h<strong>in</strong>reichend zu können, transportiert wird <strong>und</strong><br />

Selbstideale <strong>der</strong> Mädchen (z.B. auf ihre Art<br />

stark zu se<strong>in</strong>) verletzt werden. Die Jungen<br />

wie<strong>der</strong>um könnten die Erfahrung machen, dass<br />

die Teilung <strong>der</strong> Gruppen mit dem Dom<strong>in</strong>anzverhalten<br />

e<strong>in</strong>iger Jungen zusammenhängt <strong>und</strong><br />

könnten sich dagegen wehren. Rohrmann<br />

(2002) hält mit Blick auf diese Problematik fest,<br />

dass diese E<strong>in</strong>wände nicht gr<strong>und</strong>sätzlich gegen<br />

solche Angebote sprechen, aber zum<strong>in</strong>dest mit<br />

bedacht werden müssen. Er führt dazu folgendes<br />

Beispiel aus se<strong>in</strong>er Praxis an:<br />

„Zum Thema Konfliktverhalten geht es dabei<br />

meist darum, Mädchen zu stärken <strong>und</strong><br />

zu ermutigen. So lernten die ‚Kampfkatzen’<br />

<strong>in</strong> ihrer Kita-Mädchengruppe, zu kämpfen<br />

<strong>und</strong> sich zu wehren, wenn Jungen sie ärgern.<br />

Es gab zwar e<strong>in</strong>e parallele Jungengruppe,<br />

aber dort wurde nicht gekämpft.<br />

Die Jungen fühlten sich durch das Mädchenprojekt<br />

benachteiligt. … Möglicherweise<br />

kann es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge solcher Projekte<br />

dazu kommen, dass Jungen sich stigmatisiert<br />

fühlen <strong>und</strong> Konflikte zwischen Jungen<br />

<strong>und</strong> Mädchen zunehmen.“ (ebd., S. 5)<br />

Hagemann-White hält h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Jugendarbeit vielfach anzutreffenden Haltung,<br />

man müsse Jungen körperliche Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

als notwendigen Teil ihrer jugendlichen<br />

Identitätsentwicklung zugestehen <strong>und</strong><br />

entsprechende Angebote vorhalten, fest:<br />

„Richtig ist, dass nicht jede Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

gleich <strong>Gewalt</strong> ist – aber worauf beruht die<br />

Idee, männliche Jugendliche hätten e<strong>in</strong> natürliches<br />

<strong>und</strong> berechtigtes Bedürfnis, sich <strong>in</strong> körperlichen<br />

Kampftechniken zu üben, sich daran<br />

zu messen, <strong>und</strong> sich damit im Streitfall durchsetzen<br />

zu können, während dies für Mädchen<br />

ebenso ‚natürlich’ unterbleiben kann <strong>und</strong> soll?<br />

Welche Aggressionskompetenzen <strong>und</strong> welche<br />

Repertoires <strong>der</strong> Selbstbehauptung brauchen<br />

Mädchen <strong>und</strong> Jungen, <strong>und</strong> was steht ihnen<br />

jeweils im Wege, dass sie nur solche beengten<br />

Repertoires erlernen?“ (2010, S. 132)<br />

Wichtig ist es <strong>in</strong> <strong>der</strong> gewaltpräventiven Arbeit<br />

mit Mädchen wie Jungen, die Attraktivität <strong>und</strong><br />

Fasz<strong>in</strong>ation, die <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Aggression (neben<br />

<strong>der</strong> Angst vor ihrer zerstörerischen Kraft) ausüben<br />

können, als wichtige Themen auch vor<br />

dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> unterschiedlicher geschlechtsbezogenerNormalitätskonstruktionen<br />

über „angemessenes Aggressionsverhalten“<br />

aufzugreifen. Gerade aus <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Arbeit mit Mädchen wie aus <strong>der</strong> Mädchenforschung<br />

ist bekannt, dass Mädchen vielfach<br />

erst versuchen Normalität zu beweisen,<br />

bevor sie davon Abweichendes, wie Aggressionsfantasien,<br />

eigene Beteiligung an <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>und</strong> Machtbedürfnisse zur Sprache br<strong>in</strong>gen<br />

(Silkenbeumer 2007; siehe auch Bitzan/Daigler<br />

2002).<br />

Neben <strong>der</strong> bereits mehrfach erwähnten Problematik,<br />

Mädchen leicht auf die Rolle als potentielle<br />

Opfer <strong>und</strong> Jungen auf jene potentieller<br />

Täter <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>prävention festzulegen, f<strong>in</strong>den<br />

sich auch Überschneidungen h<strong>in</strong>sichtlich<br />

<strong>der</strong> Methoden gewaltpräventiver Angebote für<br />

Mädchen <strong>und</strong> Jungen. So bieten etwa Jantz <strong>und</strong><br />

Brandes (2006, S. 180) Mädchen <strong>und</strong> Jungen<br />

die gleichen Methoden zur För<strong>der</strong>ung sozialer<br />

Kompetenz (Konfliktbewältigung, Selbstbehauptung,<br />

Wahrnehmungsübungen, Kooperationsübungen<br />

etc.) an. Sie setzen nicht schon<br />

immer e<strong>in</strong>en unterschiedlichen Umgang mit<br />

bestimmten Inhalten voraus, son<strong>der</strong>n beobach-<br />

4. Praxisteil · <strong>Geschlecht</strong>sbewusste <strong>Gewalt</strong>prävention<br />

41

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!