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Studie "Gewalt und Geschlecht in der Schule"

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dramatisierung von <strong>Geschlecht</strong>erdifferenz. Sie<br />

muss auch die Differenzen zwischen Jungen<br />

<strong>und</strong> jene zwischen Mädchen <strong>in</strong> den Blick bekommen<br />

<strong>und</strong> die Verschränkung <strong>der</strong> Kategorie<br />

<strong>Geschlecht</strong> mit weiteren Differenzkategorien<br />

wie Ethnie, Sexualität <strong>und</strong> sozialem Milieu.<br />

Dabei stellt sich immer wie<strong>der</strong> das Problem, an<br />

<strong>der</strong> Verfestigung von Stereotypen <strong>und</strong> Normierungen<br />

mitzuwirken, obwohl es gerade darum<br />

geht, diese aufzugreifen <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihrem S<strong>in</strong>n für<br />

die Mädchen <strong>und</strong> Jungen zu h<strong>in</strong>terfragen.<br />

<strong>Geschlecht</strong>erreflexive Perspektiven <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

diversitätsbewussten <strong>Gewalt</strong>prävention e<strong>in</strong>zunehmen<br />

bedeutet dann gerade nicht, immer<br />

schon e<strong>in</strong>en bestimmten Zusammenhang zwischen<br />

Männlichkeit, Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

Ethnie <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> zu unterstellen.<br />

Ethnisierung <strong>und</strong> Sexismus f<strong>in</strong>den wir dann,<br />

wenn eigens Angebote für „Auslän<strong>der</strong>jungen“<br />

angeboten werden. Dann werden Kulturen als<br />

E<strong>in</strong>heiten gedacht bzw. kulturelle Identität als<br />

statisch <strong>und</strong> mit wesenhaften Eigenschaften<br />

verb<strong>und</strong>en. Die Unterscheidung nach essentiellen<br />

Kulturen selbst wird dann nicht <strong>in</strong> Frage<br />

gestellt. Dadurch werden Differenzen erneut<br />

reproduziert <strong>und</strong> e<strong>in</strong>deutige Zusammenhänge<br />

unterstellt. Hypermaskul<strong>in</strong>e Inszenierungen<br />

von jungen Männern mit Migrationsh<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><br />

sollten vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> rassistischer<br />

<strong>und</strong> sozialer Ausgrenzungserfahrungen<br />

betrachtet werden (Busche/Stuve 2007).<br />

Migration o<strong>der</strong> Ethnizität o<strong>der</strong> die Zugehörigkeit<br />

zu e<strong>in</strong>em bestimmten sozialen Milieu <strong>und</strong><br />

Männlichkeit s<strong>in</strong>d nicht kausal verknüpft mit<br />

<strong>Gewalt</strong>tätigkeit. Folgen mehrfacher Marg<strong>in</strong>alisierung<br />

durch Bildungsbenachteiligung <strong>und</strong><br />

unzureichende Integrationsleistungen des sozialen<br />

Umfelds (vgl. dazu auch Neubauer et al.<br />

2007) s<strong>in</strong>d demgegenüber zu betrachten. Zudem<br />

ist danach zu fragen, wie Prozesse von<br />

Fremdethnisierung <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Identitäts-<br />

zwängen mit geschlechtsbezogenen Selbstverortungen<br />

<strong>und</strong> Selbstethnisierungen im Kontext<br />

von <strong>Gewalt</strong> verschränkt s<strong>in</strong>d. <strong>Geschlecht</strong>erfragen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewalt</strong>prävention s<strong>in</strong>d daher<br />

immer auch um weitere Dimensionen <strong>und</strong><br />

Herstellungsmechanismen von Verschiedenheit<br />

<strong>und</strong> sozialer Ungleichheit zu ergänzen.<br />

Das präventive Ziel, e<strong>in</strong>er verme<strong>in</strong>tlich „gewaltnahen<br />

Jungenkultur“ mit Hilfe gewaltpräventiver<br />

Jungenarbeit entgegenzuwirken, erweist<br />

sich als <strong>in</strong> mehrfacher H<strong>in</strong>sicht problematisch.<br />

Denn hier wird unterstellt, dass geschlechtsbezogene<br />

Arbeit mit Jungen präventiv<br />

gegen <strong>Gewalt</strong> wirksam se<strong>in</strong> soll. Die Reduktion<br />

von „männlich“ = „(potentiell) gewalttätig“ ist<br />

damit verknüpft. Ausgeblendet wird die Frage,<br />

ob <strong>Gewalt</strong>prävention im je konkreten Fall<br />

überhaupt notwendiger Bestandteil jungenpädagogischer<br />

Angebote se<strong>in</strong> muss. Problematisch<br />

kann es überdies se<strong>in</strong>, wenn Jungen die<br />

Erfahrung machen, dass bestimmte Angebote<br />

für sie deshalb gemacht werden, weil man sie<br />

als „schwierig“ o<strong>der</strong> potenziell gewalttätig<br />

wahrnimmt. <strong>Geschlecht</strong>sbezogene Pädagogik<br />

hat h<strong>in</strong>gegen zum Ziel, Mädchen <strong>und</strong> Jungen<br />

bei <strong>der</strong> Erweiterung ihres Erlebens- <strong>und</strong> Handlungsspektrums<br />

zu unterstützen (vgl. dazu u. a.<br />

van Dieken/Rohrmann/Sommerfeld 2005;<br />

Voigt-Kehlenbeck 2008; Brandes/Jantz 2006).<br />

Wichtig ist es, offen dafür zu se<strong>in</strong>, was Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen für Konfliktlagen, Potenziale<br />

<strong>und</strong> Unterstützungsbedarfe haben, diese können<br />

sich durchaus von den von außen unterstellten<br />

Problemlagen unterscheiden. H<strong>in</strong>sichtlich<br />

konkreter Handlungssituationen im Umgang<br />

mit <strong>Gewalt</strong>ausübung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule stellen<br />

sich geschlechtsübergreifende Fragen danach,<br />

was konkret zu tun ist, wenn es zur Ausübung<br />

von <strong>Gewalt</strong> durch Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler<br />

4. Praxisteil · <strong>Geschlecht</strong>sbewusste <strong>Gewalt</strong>prävention<br />

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