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Studie "Gewalt und Geschlecht in der Schule"

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des Aufbaus <strong>und</strong> Erhalts von <strong>Geschlecht</strong>erstereotypen<br />

<strong>und</strong> Konstruktionen beteiligt.<br />

Wo <strong>Geschlecht</strong>erunterschiede <strong>in</strong> Theorie <strong>und</strong><br />

Praxis den ausschließlichen Fokus des Interesses<br />

bilden, werden Ähnlichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausübung<br />

von <strong>Gewalt</strong> zwischen den <strong>Geschlecht</strong>ern<br />

ignoriert. <strong>Geschlecht</strong>sspezifische Muster<br />

des Umgangs mit Aggression <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> können<br />

von Situation zu Situation variieren, <strong>und</strong><br />

gelegentlich s<strong>in</strong>d Mädchen <strong>und</strong> Jungen <strong>in</strong> ähnlichen<br />

Formen <strong>und</strong> Ausmaß <strong>in</strong> <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong>volviert.<br />

<strong>Gewalt</strong>handlungen junger Frauen <strong>und</strong><br />

Männer können als Ausdruck von Konstruktions-<br />

<strong>und</strong> Reproduktionsprozessen von <strong>Geschlecht</strong><br />

<strong>und</strong> als Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen um<br />

verschiedene Formen von <strong>Geschlecht</strong> <strong>in</strong>terpretiert<br />

werden. Im Kontext von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Konflikten<br />

wird e<strong>in</strong> „Arrangement <strong>der</strong> <strong>Geschlecht</strong>er“<br />

(re-)produziert, <strong>und</strong> es werden <strong>Geschlecht</strong>erkonzepte<br />

aktiv ausgestaltet (vgl. Popp 2002).<br />

So s<strong>in</strong>d beispielsweise Jungen eher als Mädchen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gleichaltrigengruppe mit <strong>der</strong> Verhaltenserwartung<br />

konfrontiert, sich gewalttätig<br />

<strong>in</strong> Konfliktsituationen zu verhalten.<br />

Gerade sozial beson<strong>der</strong>s benachteiligte Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen greifen eher auf rigide <strong>Geschlecht</strong>erkonstruktionen<br />

<strong>und</strong> geschlechtstypische<br />

Bewältigungsmuster zurück. In mittelschichtigen<br />

Milieus ersche<strong>in</strong>en die <strong>Geschlecht</strong>erstereotype<br />

im Alltagsverhalten dabei nivelliert,<br />

<strong>in</strong> Konflikt- <strong>und</strong> Krisensituationen treten<br />

sie jedoch umso unerwarteter hervor (Böhnisch/Funk<br />

2002, S. 26).<br />

Mit Blick auf die <strong>Gewalt</strong> junger Männer ist<br />

schon <strong>in</strong> den 1950er Jahren die funktionalistische<br />

Position vertreten worden, es handele sich<br />

dabei um e<strong>in</strong> Mittel <strong>der</strong> Bewerkstelligung von<br />

Männlichkeit. <strong>Gewalt</strong>ausübung junger Männer<br />

ist eng mit herkunftsbezogenen Benachteiligungserfahrungen<br />

verknüpft <strong>und</strong> verschärft<br />

letztlich Ausgrenzungsrisiken. Das Phänomen,<br />

dass <strong>Gewalt</strong> im Jugendalter vor allem zwischen<br />

männlichen Jugendlichen stattf<strong>in</strong>det, wird von<br />

Michael Meuser auch als Ausdruck „kollektiver<br />

Strukturübungen“ erwachsener Männlichkeit<br />

junger Männer <strong>in</strong>terpretiert: Hierdurch werden<br />

männliche Dom<strong>in</strong>anz <strong>und</strong> Männlichkeit e<strong>in</strong>geübt.<br />

<strong>Gewalt</strong> kann e<strong>in</strong> Mechanismus se<strong>in</strong>,<br />

sich <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft zu <strong>in</strong>tegrieren <strong>und</strong> Anerkennung<br />

zu erlangen (2003). In welcher H<strong>in</strong>sicht<br />

die Möglichkeit für Jungen, sich an rigiden<br />

<strong>und</strong> gesellschaftlich letztlich doch verpönten<br />

Männlichkeitsbil<strong>der</strong>n zu orientieren, zu<br />

bestimmten Ambivalenzkonflikten führt,<br />

bleibt <strong>in</strong> diesen Ansätzen unbeantwortet (zusammenfassend:<br />

Bereswill 2010).<br />

Doch ob e<strong>in</strong>e soziale Situation überhaupt zur<br />

Bühne für <strong>Geschlecht</strong>erkonstruktionen für<br />

Mädchen <strong>und</strong> Jungen wird kann nicht immer<br />

schon vorab entschieden werden. <strong>Geschlecht</strong>sbezogene<br />

Selbstidentifikationen s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong><br />

je<strong>der</strong> Handlungssituation, <strong>in</strong> <strong>der</strong> es zur Ausübung<br />

von <strong>Gewalt</strong> kommt, gleichermaßen relevant.<br />

Wichtig ist danach zu fragen, wie sich<br />

Aneignungsprozesse kultureller Weiblichkeits<strong>und</strong><br />

Männlichkeitsbil<strong>der</strong> vollziehen. Denn die<br />

<strong>in</strong>teraktiven Herstellungsprozesse von <strong>Geschlecht</strong><br />

setzen an früheren Konstruktionen<br />

an, bekräftigen o<strong>der</strong> erweitern diese. Die aktuelle<br />

Praxis wird durch über die Situation h<strong>in</strong>ausgehenden<br />

Erfahrungen beteiligter Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen bee<strong>in</strong>flusst.<br />

Popp (2002) plädiert dafür, <strong>Gewalt</strong> nicht als<br />

„<strong>Geschlecht</strong>smerkmal“ zu betrachten <strong>und</strong><br />

nicht von e<strong>in</strong>deutigen Täter-Opferpositionen<br />

(Jungen = Täter, Mädchen = Opfer) <strong>in</strong> <strong>Gewalt</strong>konflikten<br />

auszugehen. Sonst gerät aus<br />

3.Theoretische Perspektiven auf <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong><br />

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