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Studie "Gewalt und Geschlecht in der Schule"

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30<br />

Mädchen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Cliquen nicht auf die Rolle<br />

als „Anhängsel“ ihres Fre<strong>und</strong>es zu reduzieren,<br />

sie nehmen zum Teil aktive Rollen e<strong>in</strong> <strong>und</strong> beanspruchen<br />

auch gewaltaktive Positionen<br />

(Bruhns/Wittmann 2002). Sie trifft <strong>der</strong> Zorn<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft nicht mehr <strong>in</strong> dem Maße wie<br />

früher, wenn sie offen aggressiv s<strong>in</strong>d. Mitunter<br />

werden sie dar<strong>in</strong> bestärkt, zurück zu schlagen,<br />

aufzubegehren <strong>und</strong> werden als mutige Powergirls<br />

bew<strong>und</strong>ert. Es ist nicht mehr e<strong>in</strong>deutig,<br />

was gesellschaftlich <strong>in</strong>akzeptables Verhalten ist,<br />

da die mo<strong>der</strong>nisierten Anfor<strong>der</strong>ungen an Mädchen<br />

gleichzeitig auch von ihnen verlangen,<br />

ihre Rolle zu brechen. Die heutige Mädchengeneration<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendphase ist vielfach beides<br />

zugleich: „weiblich zurückgenommen“ <strong>und</strong><br />

„männlich aggressiv“ (Böhnisch/Funk 2002, S.<br />

108). Dadurch werden „doppelte Botschaften“<br />

transportiert <strong>und</strong> für jene weiblichen Jugendlichen,<br />

die kaum Unterstützung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bewältigung<br />

von Identitätsbalancen erhalten, entstehen<br />

prekäre Situationen.<br />

<strong>Gewalt</strong>tätiges Handeln von Mädchen kann<br />

auch als Konstruktion gelesen werden, um e<strong>in</strong>e<br />

bestimmte Form von Weiblichkeit <strong>in</strong> bestimmten<br />

Situationen zu entwerfen. Konventionelle<br />

<strong>und</strong> mo<strong>der</strong>nisierte Mädchenbil<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d dabei<br />

eng mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verwoben, was auch als e<strong>in</strong>e<br />

Erweiterung <strong>der</strong> Selbstbil<strong>der</strong> von (manchen)<br />

Mädchen betrachtet <strong>und</strong> als Zuwachs an Handlungsoptionen<br />

gesehen werden kann. Damit ist<br />

jedoch noch nichts darüber gesagt, welche<br />

Konflikte gewalttätiges Handeln für Mädchen<br />

mit sich br<strong>in</strong>gt. Nur knapp können entsprechende<br />

Mädchen biografisch erworbene Verletzungen<br />

<strong>und</strong> ungelöste Autonomie- <strong>und</strong> Abhängigkeitskonflikte<br />

<strong>in</strong> lebensgeschichtlichen<br />

Erzählungen überdecken (Silkenbeumer 2007).<br />

Diese Ambivalenz im Umgang mit <strong>Gewalt</strong>erfahrungen<br />

als Opfer <strong>und</strong> Täter/<strong>in</strong> f<strong>in</strong>det sich<br />

bei jungen Frauen <strong>und</strong> Männern (Bereswill<br />

2010).<br />

Für Mädchen <strong>und</strong> Jungen bedeuten verän<strong>der</strong>te<br />

gesellschaftliche Möglichkeiten <strong>und</strong> mo<strong>der</strong>nisierte<br />

<strong>Geschlecht</strong>erbil<strong>der</strong> durchaus Unterschiedliches.<br />

Beschränkungen von Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen s<strong>in</strong>d heute nicht mehr so normativ-repressiv,<br />

aber sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nisierten<br />

Formen weiterh<strong>in</strong> vorhanden. Neue Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

haben neben neuen Chancen auch<br />

neue Differenzen <strong>und</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

bzw. verän<strong>der</strong>te Entwicklungsaufgaben hervorgebracht.<br />

Für Mädchen stellt sich <strong>in</strong>zwischen<br />

wie für Jungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Art als früher<br />

die Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendphase, das<br />

Spannungsverhältnis zwischen den Polen B<strong>in</strong>dung<br />

<strong>und</strong> Autonomie zu <strong>in</strong>tegrieren (K<strong>in</strong>g<br />

2002, S. 249).<br />

Interaktionen <strong>und</strong> Demonstrationen<br />

von <strong>Geschlecht</strong> im Kontext von <strong>Gewalt</strong><br />

Konstruktivistisch <strong>und</strong> handlungstheoretisch<br />

f<strong>und</strong>ierte Theorieansätze legen den Fokus weniger<br />

darauf, wie die Sozialisation von Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen jeweils verläuft. Sie rücken<br />

stattdessen die sozialen Praktiken <strong>in</strong> den<br />

Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. Gr<strong>und</strong>legend ist die Frage: Wie<br />

handeln Mädchen <strong>und</strong> Jungen sowie Frauen<br />

<strong>und</strong> Männer, um <strong>Geschlecht</strong> <strong>in</strong> sozialen Interaktionen<br />

her- <strong>und</strong> darzustellen? Soziale Ordnungen<br />

<strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong>erkonstruktionen s<strong>in</strong>d<br />

nicht schon gegeben, son<strong>der</strong>n werden immer<br />

wie<strong>der</strong> kollektiv hervorgebracht <strong>und</strong> bestätigt.<br />

Wie werden zwischen Mädchen <strong>und</strong> Jungen<br />

Regeln darüber verhandelt, wer für das Lästern<br />

zuständig ist, wer wen beschützt <strong>und</strong> wer vor<br />

wem Angst haben muss? Auch Lehrkräfte s<strong>in</strong>d<br />

an diesen weitgehend unbewussten Prozessen

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